S 11 318.041-2/2008/2Z
B E S C H L U S S
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. NEUMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des K.D., geb. 00.00.1998, StA. Russische Föderation, vertreten durch N.L. gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2008, Zahl: 07 12.242 - BAL, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 37 Absatz 1 AsylG BGBl. I Nr. 100/2005 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
BEGRÜNDUNG
1. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 04.06.2008, Zahl: 07
12.242 - BAL, den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1
Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Polen zulässig sei.
2. Der nähere erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Der Vater des Beschwerdeführers gab bei seiner niederschriftlichen Befragung am 28.12.2007 an, am 12.12.2007 in Begleitung seiner Familie G. verlassen zu haben, über Moskau nach Weißrussland gelangt zu sein und schließlich die Grenze nach Polen überschritten zu haben. Nach Stellung eines Asylantrages seien sie vom Lager D. in Richtung Österreich gefahren, wobei sie am 27.12.2008 das österreichische Staatsgebiet erreicht hätten. Nach Verwandten in der EU befragt, teilte der Vater des Beschwerdeführers mit, dass seine beiden Brüder in Österreich aufhältig wären.
Im Zuge des Verfahrens wurde ein psychotherapeutischer Kurzbericht, von Frau S.B., vorgelegt, in welchem beim Vater des Beschwerdeführers von schweren Traumatisierungen und notwendiger stabilisierender Psychotherapie gesprochen wird. Nach der Diagnose handle es sich um eine schwere post - traumatische Belastungsstörung. Nach Durchführung eines Konsultationsverfahrens mit Polen, erfolgte gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c am 10.01.2008 die Zustimmung zur Übernahme der Familie des Beschwerdeführers.
Am 29.01.2008 erfolgte eine Untersuchung des Vaters des Beschwerdeführers durch einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, der feststellte, dass einer Überstellung nach Polen keine schweren psychischen Störungen entgegenstehen, die zu einer unzumutbaren Verschlechterung führen würden.
Am 26.02.2008 wurde seitens der Erstbehörde eine negative
Entscheidung, Zahl: 07 12.242 EAST - West, getroffen, die mit
Bescheid des UBAS vom 13.03.2008, Zahl: 318.041-1/2E-XIII/66/08 gemäß § 41 Abs. 3 AsylG behoben und die Angelegenheit zurückverwiesen wurde.
Am 02.05.2008 wurde der Vater des Beschwerdeführers einer psychiatrischen Untersuchung durch Dr. G.R., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, unterzogen.
Am 04.06.2008 wurde durch das Bundesasylamt eine neuerliche
Unzuständigkeitsentscheidung, Zahl: 07 12.242 - BAL, getroffen, die dagegen erhobene Berufung erfolgte fristgerecht.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 28.12.2007 gestellt, weshalb § 5 AsylG idF BGBI. I Nr. 100/2005 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG hat der Asylgerichtshof einer Beschwerde gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung (§§ 4 und 5 AsylG oder § 68 Abs. 1 AVG) verbundene Ausweisung binnen einer Woche ab Beschwerdevorlage die aufschiebende Wirkung zuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach herrschender Literatur ist hier auch Art. 8 EMRK maßgeblich (Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, Fremdenrecht 6. Anm. zur - analogen - Regelung des § 37 Abs 1 AsylG, 155, Frank/Anerinhof/Filzwieser AsylG 2005, K3 zu § 37 Abs 1 AsylG, 512 und K8 zu § 38 AsylG, 522f; vgl auch Fahrner/Premiszl, Das Fristensystem im "Dublin-Verfahren" nach dem Asylgesetz 2005, Migralex 2/06, 69f).
Gemäß § 37 Abs. 2 AsylG ist bei der Entscheidung, ob einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung nach § 5 verbunden ist, die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, auch auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 1 lit. e der Dublin - Verordnung und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts Bedacht zu nehmen.
2. Im konkreten Fall ist eine nähere Auseinandersetzung bezüglich der Intensität der Beziehungen des Vaters des Beschwerdeführers und seiner Familie zu den bereits in Österreich ansässigen Verwandten notwendig, ebenso sind die gutachtlichen Stellungnahmen, den Gesundheitszustand betreffend, genauer zu prüfen.
Die Aspekte sind noch nicht hinreichend geklärt; bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes erscheint die Anwesenheit der Familie des Beschwerdeführers in Österreich für den Fall der Notwendigkeit weiterer Befragungen zweckmäßig.
Aufgrund der dem Asylgerichtshof hier zur Entscheidung zukommenden knappen Entscheidungsfristen liegt im konkreten Fall derzeit auch keine unzulässige Beeinträchtigung des "effet utile" der Dublin II VO vor.
Der Asylgerichtshof war im Ergebnis jedenfalls zwingend gehalten, gemäß § 37 Abs. 1 AsylG vorzugehen.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.