TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/14 E3 313427-1/2008

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Veröffentlicht am 14.07.2008
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Spruch

E3 313.427-1/8E-XIX/62/07

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. HERZOG-LIEBMINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des S.R., geb. 00.00.1979, StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.07.2007, FZ. 06 04.098-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.05.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde vom 12.07.2007, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.07.2007, Zl: 06 04.098-BAE wird stattgegeben und S.R. gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass S.R. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und SACHVERHALT

 

1.1. Der Beschwerdeführer reiste am 12.04.2006 illegal in das Bundesgebiet ein und wurde vorerst in Schubhaft genommen. Gegenüber Organen der Bundespolizeidirektion Linz stellte er am 13.04.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz (Aktenseiten (folgend kurz AS) 17 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes). Der Beschwerdeführer wurde hiezu zunächst am 13.04.2006 im Polizeianhaltezentrum des Stadtpolizeikommandos Linz einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen (AS 77 - 83).

 

Ein Informationsersuchen vom 19.04.2006 gemäß Art. 21 der Dublin II-VO an Deutschland verlief negativ.

 

Aufgrund eines Ersuchens der dänischen Asylbehörden um Rückübernahme des Beschwerdeführers stimmte das Bundesasylamt, Grundsatz- und Dublinabteilung, mit Schreiben vom 21.08.2006, einer solchen Übernahme gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-VO zu und wurde der Beschwerdeführer am 11.09.2006 via Flughafen Wien-Schwechat nach Österreich überstellt.

 

Ein Aufnahmeersuchen Österreichs gemäß Art. 10 Abs. 1 der Dublin II-VO wurde von Deutschland wegen Ablaufs der dreimonatigen Antragsfrist des Art. 17 Abs. 1 der Dublin II-VO abgelehnt.

 

In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am 11.12.2006 (AS 217 - 227), am 11.01.2007 (AS 253), am 27.02.2007 (AS 273 - 277) und am 04.06.2007 (AS 305 - 333) niederschriftlich vor dem Bundesasylamt, Außenstelle Eisenstadt, einvernommen.

 

Der Antragsteller brachte im Rahmen seiner Befragungen im Wesentlichen wie folgt vor: Er sei iranischer Staatsbürger und früher Angehöriger der islamischen Glaubensgemeinschaft gewesen. Sein Vater sei vor seinem Tod Mullah in Teheran gewesen, deswegen hätte auch er den Beruf eines Geistlichen ergreifen sollen. Er habe vorerst die Ausbildung zum islamischen Geistlichen besucht, während dieser Zeit aber Kontakt zu einem Priester einer christlichen Kirche geknüpft und immer mehr die Ansicht gewonnen, dass der islamische Glaube bzw. deren Vertreter nicht seinen Vorstellungen entsprechen würden und er nicht islamischer Gelehrter sein wolle. Er habe daher Schwierigkeiten an der Universität bekommen und aus Angst, in Zukunft noch größere Probleme zu bekommen, sein Land verlassen.

 

Bereits im Iran habe er sich für das Christentum entschieden, in Österreich sei er 2007 getauft und in die Kirche aufgenommen worden.

 

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.07.2007, Zl. 06 04.098-BAE, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Absatz 1 AsylG abgewiesen und dem Antragsteller der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 1 AsylG wurde dem Antragsteller der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zuerkannt und er gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran ausgewiesen.

 

Im Wesentlichen wurde dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abgesprochen; seinem Vorbringen hätten keine besonderen Umstände entnommen werden können, aus denen glaubhaft hervorgehe, dass er im Iran unmittelbaren und/oder mittelbaren staatlichen Verfolgungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt war bzw. gegenwärtig - im Falle einer Rückkehr - ausgesetzt wäre. Aufgrund des Rechercheergebnisses der ÖB habe dem Fluchtvorbringen kein Glauben geschenkt werden können. Sämtliche von ihm angegebenen angeblichen Fakten hätten sich als unwahr erwiesen oder hätten mittels Erhebungen nicht bestätigt werden können. Aufgrund der an den Antragsteller gerichteten Fragen stehe für das Bundesasylamt fest, dass er die Konvertierung lediglich zur Erlangung eines Aufenthaltstitels vollzogen habe.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist "Berufung" (nunmehr: "Beschwerde") erhoben. Gerügt wurde darin inhaltliche Rechtswidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie unrichtige Beweiswürdigung und fehlende Sachverhaltsdarstellung. Diese Beschwerde wurde seitens der Erstbehörde am 17.07.2007 ohne weitere Anträge dem "unabhängigen Bundesasylsenat" (nunmehr: "Asylgerichtshof") vorgelegt.

 

1.4. Mit Schreiben der gewillkürten Vertretung des Beschwerdeführers vom 10.01.2008 wurde die Beiziehung der Zeugen Ing. W.E. (Diakon) und M.S. (Pastor) beantragt; mit Schreiben ebenfalls des gewillkürten Vertreters vom 05.02.2008 zog der Beschwerdeführer die asylrelevanten Gründe, die sich auf den Iran beziehen, zurück; gleichzeitig betonte er, dass er als asylrelevant den erfolgten Übertritt zum christlichen Glauben, die in diesem Sinne erfolgte Taufe und seine missionarische Tätigkeit anführen möchte.

 

1.5. Am 28.05.2008 wurde vom zuständigen Mitglied des unabhängigen Bundesasylsenates eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, an welcher der Beschwerdeführer und sein gewillkürter Vertreter teilnahmen. In der Verhandlung wurden der Pastor M.S. und Ing. W.E. als Zeugen vernommen.

 

Das Bundesasylamt teilte mit, dass die Teilnahme eines informierten Vertreters aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei und beantragte aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung des Rechtsmittels.

 

1.6. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und Parteienvorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

2. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer S.R. ist Staatsbürger des Iran und war ursprünglich Moslem. Er zog mit Schreiben vom 05.02.2008 sein bisheriges - sich auf die Geschehnisse im Iran beziehendes - Fluchtvorbringen zurück.

 

Er wurde 2007 in Österreich getauft und in die Kirche aufgenommen. Er ist praktizierender Angehöriger dieser Glaubensgemeinschaft, eine Konvertierung zum Schein erfolgte nicht. Der Beschwerdeführer geht in Österreich regelmäßig in die Kirche und würde bei einer Rückkehr in den Iran nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben und würde auch im Iran versuchen den Nicht-Christen das Christentum näher zu bringen. Angehörige im Iran haben auch Kenntnis von dieser Konvertierung. Im Falle einer Rückkehr in den Iran hat er aus diesem Grund mit Verfolgung zu rechnen. Es ist ihm nicht zumutbar, dass er im Falle einer Rückkehr in den Iran vor den iranischen Behörden seinen nunmehrigen Glauben verleugnet.

 

3. Zur Verfolgung vom Islam Abgefallener im Iran:

 

Es werden aufgrund der unten genannten Quellen die nachfolgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen getroffen:

 

Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran, vom 18.03.2008

 

SFH, Themenpapier, Christen und Christinnen im Iran, vom 18. Oktober 2005

 

Asylmagazin, Schwerpunkt: Christen im Iran, vom 17.04.2007

 

Die Verfassung des Iran erklärt den Islam, nach der Doktrin der Zwölferschia, zur Staatsreligion. Alle Gesetze und Bestimmungen müssen mit der offiziellen Interpretation des islamischen Rechts, der Scharia, übereinstimmen. Innerhalb der "Grenzen des Gesetzes" gesteht die Verfassung den Angehörigen der monotheistischen Religionen Christentum, Judentum und Zoroastrismus als einzigen anerkannten religiösen Minderheiten die Freiheit der Religionsausübung zu. Bedingung dafür ist jedoch der Verzicht auf jegliche Missionstätigkeit. In persönlichen Belangen wie Eheschließung, Scheidung und Erbrecht sowie in glaubensspezifischen Angelegenheiten genießen sie dagegen Autonomie. (Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran, vom 18.03.2008)

 

Im Iran existiert ein umfassendes Missionsverbot. Angehörigen der religiösen Minderheiten ist es ohne Ausnahme verboten zu missionieren. (SFH, Themenpapier, Christen und Christinnen im Iran, vom 18. Oktober 2005)

 

300 000 Christen leben laut Schätzungen der Vereinten Nationen in der Islamischen Republik Iran. Die Mehrheit von ihnen gehört der seit Jahrhunderten im Iran ansässigen armenischen Kirche an. (Asylmagazin, Schwerpunkt: Christen im Iran, vom 17.04.2007)

 

Die armenischen Christen und Zoroastrier (rund 1 % der Bevölkerung) sind in die Gesellschaft integriert und keinen auf die Gruppe gerichteten Repressionen ausgesetzt. Auch diejenigen anderen christlichen Kirchengemeinden, die ihre Arbeit ausschließlich auf die Angehörigen der eigenen Religion beschränken, werden nicht systematisch behindert oder verfolgt. Es kommt aber in Einzelfällen zu Übergriffen. (Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Iran, vom 18.03.2008)

 

Seit dem Amtsantritt Mahmud Ahmadinejads habe sich die Situation von Christen deutlich verschlechtert, Christen würden mit einer Zunahme von Misshandlungen und Schikanen konfrontiert. Wiederholte bösartige und aufhetzende Äußerungen politischer und religiöser Führer und eine Zunahme von Schikanen, Inhaftierungen und physischen Angriffen gegen diese Gruppen deuteten auf eine Neuauflage dieser Art von Unterdrückung hin, wie sie in früheren Jahren vorgekommen sei. Christen im Iran seien weiter Schikanen, strenger Überwachung und Inhaftierungen ausgesetzt. (Asylmagazin, Schwerpunkt: Christen im Iran, vom 17.04.2007)

 

Gegenüber den im Iran lebenden Christen, können aber Mitglieder der religiösen Minderheiten, denen zum Christentum konvertierte Muslime angehören, staatlichen Repressionen ausgesetzt sein. Auch nicht missionierende, zum Christentum konvertierte Iraner werden wirtschaftlich, etwa bei der Arbeitssuche, oder gesellschaftlich, bis hin zur Ausgrenzung, benachteiligt. Von nicht-staatlicher Seite sind konvertierte Muslime in der Regel keinen Repressionen ausgesetzt.

 

Das gilt auch für alle missionierenden Christen, unabhängig davon, ob es sich um konvertierte oder nicht-konvertierte Christen handelt. Staatliche Maßnahmen richteten sich bisher ganz überwiegend gezielt gegen die Kirchenführer und in der Öffentlichkeit besonders aktive Personen. Von nicht-staatlicher Seite sind Christen in der Regel keinen Repressionen ausgesetzt. Allerdings wurde am 22.11.2005 Ghorban Dordi Tourani, ein Konvertit, der als Pastor einer Hausgemeinde in Gonbad-e-Davus tätig war, von Unbekannten ermordet.

 

Der Abfall vom Islam (Apostasie) ist nach islamischem Recht, nicht aber nach kodifiziertem iranischem Strafrecht mit der Todesstrafe bedroht. Ein Todesurteil aufgrund des Vorwurfs der Apostasie erging zuletzt im November 2002 gegen den regimekritischen Hochschulprofessor Aghajari, seine Strafe wurde aber - unter verändertem Strafvorwurf - im Frühjahr 2005 endgültig in eine Haftstrafe umgewandelt. Fälle einer Vollstreckung der Todesstrafe wegen Apostasie wurden in den letzten Jahren nicht mehr bekannt.

 

Konversionen würden in der muslimisch-iranischen Öffentlichkeit den Verdacht einer regimekritischen Haltung erregen. Diese Gefahr erhöhe sich, wenn Konvertiten zusätzlich Missionstätigkeiten, andere öffentliche Aktivitäten oder eine leitende Funktion in einer christlichen Gemeinde ausüben. Hinzu trete die Möglichkeit einer mittelbaren Verfolgung durch fanatische Muslime, da Konvertiten nach islamischem Recht von allen Muslimen getötet werden dürften. Jene Personen, die im Ausland vom Islam zum Christentum übergetreten sind, könnten nur solange wirklich ungefährdet zurückreisen, wie die iranischen Behörden keine Kenntnis bezüglich der Konversion erhielten. Gemäß Angaben von Experten sei nicht auszuschließen, dass die Behörden davon ausgehen, dass der Übertritt nicht aus religiösen, sondern aus politischen Gründen erfolgt sei, was Verfolgungen durch die Sicherheitskräfte nach sich ziehen könne. (Asylmagazin, Schwerpunkt: Christen im Iran, vom 17.04.2007)

 

4. Beweiswürdigung:

 

4.1. zu 1. (Verfahrensgang)

 

Der bisherige Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und im Verfahren unbeanstandeten Aktenlage fest.

 

4.2.. zu 2. (Beschwerdeführer)

 

Aufgrund der Zurückziehung des ursprünglichen Beschwerdevorbringens durch den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.02.2008 war eine weitere Erörterung desselbigen im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung obsolet und erübrigt sich daher eine weitere Auseinandersetzung damit.

 

Übrig bleibt daher der Umstand der Konversion. In der öffentlichen mündlichen Verhandlung kam hervor, dass der Beschwerdeführer umfangreiche Kenntnisse über seinen nunmehrigen Glauben aufweist. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer auf das Christentum bezogene Fragen detailreich beantwortet hat. Die Tatsache der vollzogenen Taufe gründet sich einerseits auf die bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegte Bestätigung des Pastors und andererseits auf dessen Zeugenaussage in der öffentlichen mündlichen Verhandlung. Zudem wurden vom Beschwerdeführer selbst die Gründe für den Religionswechsel nachvollziehbar dargelegt.

 

Des Weiteren hat der Beschwerdeführer auf die zur Entscheidung berufene Richterin des Asylgerichtshofes in der öffentlichen mündlichen Verhandlung auch persönlich einen glaubwürdigen Eindruck gemacht.

 

Schließlich wurde das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers vollinhaltlich durch die Zeugen Pastor M.S. und Ing. W.E. bestätigt. Der Zeuge M.S. kennt den Beschwerdeführer seit fast 2 Jahren. Vorerst absolvierte der Beschwerdeführer bei ihm ein Bibelstudium und wurde anschließend von ihm getauft. Seither nimmt er alle 2 - 3 Wochen bei ihm Bibelunterricht. Sein Engagement in der Kirche ist vorbildlich. Er besucht regelmäßig den Gottesdienst und auch die Jugendstunden. Der Zeuge hat keinesfalls den Eindruck, dass der Beschwerdeführer den christlichen Glauben nur angenommen hat, um einen positiven Ausgang seines Asylverfahrens zu erreichen. Er ist in den Jugendstunden tätig und versucht, anderen Iranern das Christentum nahe zu bringen.

 

Bestätigt wird diese Einschätzung auch durch die Aussage des Zeugen Ing. W.E.. Auch dieser hat den Eindruck, dass der Beschwerdeführer seine (neue) Religionsausübung ernst nimmt. Dieser Zeuge hatte angegeben, dass er ursprünglich schon den Eindruck gehabt habe, dass der Beschwerdeführer den christlichen Glauben nur angenommen habe, um einen positiven Ausgang seines Asylverfahrens anzustreben. Zwischenzeitlich hat er aber seine Meinung geändert; er ist sich jetzt sicher, dass es dem Beschwerdeführer sehr ernst ist, das Christentum zu leben.

 

In Summe kommt daher der Asylgerichtshof - vor allem aufgrund des persönlich gewonnen Eindruckes in der mündlichen Verhandlung und der glaubwürdigen Aussagen der beiden Zeugen - zum Ergebnis, dass die Konversion des Beschwerdeführers tatsächlich und jedenfalls nicht zum Schein erfolgt ist.

 

4.3. zu 3. (Lage im Herkunftsstaat)

 

Die Feststellungen zur Situation der Konvertiten im bzw. aus dem Iran beruhen auf den in der öffentlichen mündlichen Verhandlung erörterten und diesem Erkenntnis zu Grund gelegtem Dokumentationsmaterial, denen von keiner Verfahrenspartei in irgendeiner Weise entgegengetreten wurde. Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

Gemäß dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, wurde der Asylgerichtshof - bei gleichzeitigem Außerkrafttreten des Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat - eingerichtet und treten die dort getroffenen Änderungen des Asylgesetzes mit 01.07.2008 in Kraft; folglich ist das AsylG 2005 ab diesem Zeitpunkt in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 anzuwenden.

 

1. Zuständigkeit der erkennenden Einzelrichterin

 

Gem. § 75 (7) Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

1.1. Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern dies Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

......

 

Im Rahmen der Interpretation des § 75 (7) ist mit einer Anhängigkeit der Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat mit 30.6.2008 auszugehen (vgl. Art. 151 Abs. 39 Z.1 B-VG). Der in der genannten Übergangsbestimmung genannte 1. Juli 2008 ist im Sinne der im oa. Klammerausdruck genannten Bestimmung des B-VG zu lesen.

 

Die erkennende Richterin, welche mit Beschluss der Bundesregierung vom 21.5.2007 mit Wirksamkeit vom 1.7.2008 zur Richterin des Asylgerichtshofes ernannt wurde, führte im gegenständlichen Verfahren als Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates am 28.05.2008 eine öffentliche Berufungsverhandlung durch. Sie hat daher das Verfahren, welches am 30.6.2008 bzw. 1.7.2008 noch anhängig ist, als Einzelrichterin weiterzuführen.

 

2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gem. § 75 (1) des Asylgesetzes 2005, BGBl I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 13.04.2006 gestellt, weshalb das AsylG 2005 zur Anwendung gelangt.

 

3. Zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft

 

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH E vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH E vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH E 18.4.1996, 95/20/0239; VwGH E vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH E vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH E vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht (VwGH 27.01.2000, Zl. 99/20/0519, VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256, VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0177, VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203, VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0291, VwGH 07.09.2000, Zl. 2000/01/0153, u.a.).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 30.06.2005, Zahl: 2003/20/0544) ist zur Frage der Verfolgungsgefahr bei Iranern, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind, maßgeblich, ob der Asylwerber bei weiterer Ausführung des behaupteten inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsse, aus diesem Grunde mit einer die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktion belegt zu werden (so schon im Erkenntnis des VwGH vom 24.10.2001, Zl. 99/20/0550, ebenfalls VwGH vom 17.10.2002, Zahl:

2000/20/0102). In gleichem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 31.05.2001, Zl. 2001/20/0054, im Zusammenhang mit einer noch nicht erfolgten, aber beabsichtigten Konversion zum Ausdruck gebracht, dass für die Beurteilung des Asylanspruches maßgeblich sei, ob der Asylwerber in seinem Heimatstaat in der Lage war, eine von ihm gewählte Religion frei auszuüben, oder ob er bei Ausführung seines inneren Entschlusses, vom Islam abzufallen und zum Christentum überzutreten, mit asylrelevanter Verfolgung rechnen müsse.

 

Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und ist der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt. Dies umso mehr, als der Beschwerdeführer in der öffentlichen mündlichen Verhandlung glaubwürdig vorgebracht hatte, dass er bereit sei, überall in der Welt zu missionieren.

 

Nach der Überzeugung des Asylgerichtshofes könnte der Beschwerdeführer im Falle seiner nunmehrigen Rückkehr in den Iran keine wie in der Verhandlung vom 28.5.2008 dargelegte Glaubensbetätigung inklusive der Missionierungsabsicht vornehmen, ohne mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit von im Rahmen des Artikel 1, Abschnitt A, Ziffer 2 der Genfer Flüchtlingskonvention relevanten Verfolgungsmaßnahmen betroffen zu werden. Im Falle seiner Glaubensbetätigung in der Öffentlichkeit, wie etwa der Teilnahme an öffentlichen Gottesdiensten oder der Vornahme von Gebeten in Gemeinschaft mit anderen oder gar im Falle des Versuches, andere vom Christentum überzeugen zu wollen, würde sich der Beschwerdeführer der beachtlichen Gefahr staatlicher Willkürmaßnahmen aussetzen.

 

Dem Beschwerdeführer war daher auf Grund des geltend gemachten Fluchtgrundes im Sinne der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Glaubenswechsel von Iranern der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen. Es sind auch keine Hinweise hervorgekommen, wonach einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigung- oder Ausschlusstatbestände eingetreten sein könnte.

 

Gemäß § 3 Absatz 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Schlagworte
Apostasie, Konversion, Religion, Religionsausübung, strafrechtliche Verfolgung
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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