TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/14 S5 400000-1/2008

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Veröffentlicht am 14.07.2008
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Spruch

S5 400.000-1/2008/6E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde der E. J., geb. 1957, StA.

Russland, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 9.6.2008, Zahl:

08 01.577-EAST Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe ist, nachdem sie von 30.1.2008 bis 10.2.2008 in Polen aufhältig gewesen ist und dort am 30.1.2008 auch einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, am 12.2.2008 ins Bundesgebiet eingereist, wo sie am 13.2.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

 

Anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahmen am 13.2.2008 sowie am 11.3.2008 brachte die Beschwerdeführerin nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung ihres Asylantrages zuständig sei, im Wesentlichen vor, nicht in diesen Mitgliedstaat zurückzuwollen, da sie in Österreich einen Sohn und zwei Schwestern hätte und in Polen lediglich um Asyl angesucht hätte, da sie ansonsten nicht nach Österreich weiterreisen hätte können. In Polen kenne sie niemanden, der sich um sie kümmern würde. Die genaue Adresse des Sohnes könne sie nicht angeben, sie habe diesen seit ihrem Aufenthalt in Österreich bis jetzt noch nie gesehen. Mit ihren Schwestern habe sie, seit diese in Österreich wären, telefonischen Kontakt gehabt. Ihr Sohn könne sie nicht unterstützen, da dieser selbst nichts habe. Ihre Schwestern hätte sie seit 4 Jahren nicht mehr gesehen. Eine Schwester habe sie einmal mit Lebensmitteln und einem Geldbetrag von 200 ¿ unterstützt.

 

Mit Schreiben vom 19.2.2008 (eingelangt beim BAE am 22.2.2008) übermittelte Polen die Zustimmung zur Übernahme der Beschwerdeführerin gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II).

 

Eine am 27.2.2008 von einer Ärztin für Allgemeinmedizin und psychotherapeutische Medizin, Dr. med. I. H., durchgeführte Untersuchung der Beschwerdeführerin hatte zum Ergebnis, dass eine belastungsabhängige psychische Störung nicht habe festgestellt werden können (vgl. Seite 87 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

Mit Bescheid vom 9.6.2008, Zahl: 08 01.577-EAST Ost, wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und wurde Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der im Betreff Genannten in letztgenannten Mitgliedstaat gemäß § 10 Abs. 4 AsylG für zulässig erklärt.

 

Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin fristgerecht am 19.6.2008 Beschwerde (nach der vormaligen Diktion: Berufung) erhoben und hierbei im Wesentlichen auf die niedrige Anerkennungsquote tschetschenischer Asylsuchender in Polen sowie eine dortige unzureichende medizinische Versorgung verwiesen. Weiters machte die Beschwerdeführerin geltend, dass sich einerseits ihr Sohn als Asylwerber in Österreich aufhalten würde und andererseits ihre beiden Schwestern, welchen der Flüchtlingsstatus bereits rechtskräftig zuerkannt worden sei, in Österreich leben würden, und sie daher im Falle ihrer Ausweisung nach Polen in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzt würde.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates (nunmehr Asylgerichtshof) vom 30.6.2008, Zahl: 400.000-1/2Z-XI/33/08, wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 9.6.2008, Zahl: 08 01.577-EAST Ost, hinsichtlich des Spruchpunktes II. (Ausweisung) gemäß § 37 Abs. 1 AsylG aufschiebende Wirkung zuerkannt.

 

Mit Schreiben vom 1.6.2008 (ho. OZ 5) brachte die Schwester der Beschwerdeführerin, M. L., vor, dass sie die Beschwerdeführerin "einladen" würde. Sie und die Beschwerdeführerin hätten immer einen gemeinsamen Haushalt gehabt und zusammen wie eine Familie gelebt. Die Beschwerdeführerin habe ihr die Mutter ersetzt, da sie die Jüngste in der Familie gewesen sei.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist gemäß ihrem Art. 29 auf Asylanträge anwendbar, die ab 1.9.2003 gestellt werden.

 

In den Art. 5ff der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.

 

Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates lautet, wie folgt:

 

"Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gem. den beiden in Art. 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylwerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaates illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrages zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

 

Gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. c der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikel 20 wieder aufzunehmen.

 

Die Identität der Beschwerdeführerin steht aufgrund der Vorlage eines als unbedenklich zu qualifizierenden Personaldokuments zweifelsfrei fest. Die Feststellungen der erstinstanzlichen Behörde zur Asylantragstellung der Beschwerdeführerin in Polen vor ihrer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet und zu ihrer Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich am 13.2.2008 nach ihrer am vorigen Tag erfolgten illegalen Einreise in das Bundesgebiet, welche mit ihren Angaben im erstinstanzlichen Verfahren und dem Akteninhalt übereinstimmen, werden der Entscheidung zu Grunde gelegt.

 

Die Beschwerdeführerin hat aus einem Drittstaat kommend die Landgrenze des Mitgliedstaates Polen illegal überschritten und war es ihr in weiterer Folge bereits möglich, in Polen einen Asylantrag zu stellen, ehe sie nach Österreich weiterreiste und einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte. Demnach ist gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 die Zuständigkeit Polens zur Prüfung des Asylantrages gegeben.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist ergänzend auszuführen, dass selbst für den Fall, dass die sich aus Art. 10 Abs. 1 erster Satz der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ergebende Zuständigkeit Polens für die Prüfung des Asylantrages nicht bestünde, letztlich gem. Art 13 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates doch wieder die Zuständigkeit Polens zur Prüfung des Asylantrages gegeben wäre, da die Beschwerdeführerin zuerst in Polen einen Asylantrag gestellt hat und Art. 13 leg. cit. normiert, dass, falls sich anhand der Kriterien der Verordnung die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates nicht bestimmen lässt, die Zuständigkeit des ersten Mitgliedstaates, in dem der Asylantrag gestellt wurde, gegeben ist.

 

Am 15.2.2008 wurde seitens Österreichs gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ein Wiederaufnahmegesuch an Polen gestellt. Polen stimmte mit Schreiben vom 19.2.2008 (eingelangt beim BAE am 22.2.2008) dem Wiederaufnahmeersuchen Österreichs gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zu und erklärte sich zur Rückübernahme der Beschwerdeführerin bereit.

 

Dem Bundesasylamt ist nun darin beizupflichten, dass der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückzuweisen ist. Denn einerseits ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Polens gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates. Andererseits kann nicht angenommen werden kann, dass Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Gebrauch zu machen, wobei zur Verdeutlichung Folgendes auszuführen ist:

 

Gemäß der - mittlerweile ständigen - Rechtssprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes (VfGH vom 8.3.2001, G 117/00 u. a., VfSlG 16.122; VwGH vom 23.1.2003, Zl. 2000/01/0498) ist auf Kriterien der Art. 3 und 8 EMRK bei Entscheidungen gemäß § 5 AsylG, ungeachtet des Fehlens einer diesbezüglichen Anordnung in der Bestimmung selbst, Bedacht zu nehmen. Sohin ist zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin im Falle der Zurückweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz und ihrer Ausweisung nach Polen gem. §§ 5 und 10 AsylG - unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation - in ihren Rechten gem. Art. 3 EMRK bzw. Art. 8 EMRK verletzt würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

 

Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 26.7.2005, 2005/20/0224) ist bei der Beurteilung des sich aus Art. 3 EMRK ergebenden Erfordernisses der Bedachtnahme auf ein allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung maßgeblich, ob eine Gefahrenprognose zu treffen ist, der zufolge eine - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - ausreichend substantiierte "reale Gefahr" ("real risk") besteht, ein auf Grund der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber werde trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt sein. In diesem Zusammenhang käme Berichten über derartige, den Zielstaat betreffende Vorkommnisse ebenso maßgebliche Bedeutung zu wie diesbezüglich negativen Erfahrungswerten.

 

Eine Verletzung ihrer Rechte gem. Art. 3 EMRK könnte lediglich dann erfolgen, wenn Polen der Beschwerdeführerin etwa im Wege einer Abschiebung in ihren Heimatstaat, sofern ihr dort unmenschliche Behandlung drohen würde, entsprechenden Schutz versagen würde.

 

Für eine solche fallbezogene Gefahrenprognose ist nach den obzitierten Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes zunächst maßgeblich, ob ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - "real risk" besteht, dass die Beschwerdeführerin, wenn sie das von ihr behauptete Bedrohungsbild glaubhaft geltend machen würde, in Polen nicht schon in erster Instanz Asyl oder zumindest eine humanitäre Aufenthaltsberechtigung oder anderweitigen Schutz vor einer Abschiebung in den Heimatstaat erhalten würde.

 

Die erkennende Behörde gelangt insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung besteht. Mit dem nicht hinreichend konkreten Berufungsvorbringen gelang es der Beschwerdeführerin nicht, dem in § 5 Abs. 3 AsylG normierten Erfordernis, besondere Gründe, die in der Person der Beschwerdeführerin gelegen sind, glaubhaft zu machen; solche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechenden Gründe sind auch nicht bei der Behörde offenkundig, sodass in Folge dieser gesetzlichen Bestimmung davon auszugehen ist, dass die Beschwerdeführerin in einem Staat nach Absatz 1 Schutz vor Verfolgung findet. Ergänzend ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass es sich im Falle Polens um einen Rechtsstaat mit funktionierender Staatsgewalt handelt und sich die Beschwerdeführerin im Falle eventueller Bedrohung ihrer Person, welche im übrigen in jedem Land möglich ist, an diese wenden und von dieser Schutz erwarten könnte. Insgesamt kann somit den Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde gefolgt werden, dass sich auch aus der Rechtsprechung des EGMR eine systematische, notorische Verletzung fundamentaler Menschenrechte in Polen keinesfalls erkennen lässt und im übrigen die Mitgliedsstaaten der EU als sichere Staaten für Drittstaatsangehörige gelten. Zudem war festzustellen, dass ein im besonderen Maße substantiiertes Vorbringen bzw. das Vorliegen besonderer von der Beschwerdeführerin bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen ließen, im Verfahren nicht hervorgekommen sind. Konkret besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass die Beschwerdeführerin etwa im Zuge einer so genannten "ungeprüften Kettenabschiebung" in ihr Heimatland, also in die Russische Föderation, zurückgeschoben werden könnte. Somit ergibt sich aus den Sachverhaltsfeststellungen, dass in Polen sowohl asylrechtlicher Schutz als auch Refoulement-Schutz gewährleistet ist und Polen der Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin ausdrücklich zugestimmt hat.

 

In Bezug auf die in der Beschwerde - unter Zitierung veralteter, größtenteils noch aus dem Jahr 2005 stammender Berichte - ins Treffen geführte unzureichende Situation tschetschenischer Asylwerber in Polen sei in diesem Zusammenhang auf die im erstinstanzlichen Bescheid sehr ausführlich dokumentierten aktuellen Länderfeststellungen zu verweisen: Demnach wird jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, umfassende Versorgung gewährt. Dazu gehört medizinische Versorgung, Unterkunft und ausreichende Verpflegung, wobei eine umfassende medizinische Versorgung für Asylwerber kostenlos ist (vgl. Seiten 9 ff. des erstinstanzlichen Bescheides). Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass die Beschwerdeführerin im gesamten Verfahren keinerlei schwerwiegenden gesundheitlichen (psychischen oder physischen) Probleme ins Treffen geführt hat. Auch hat die am 27.2.2008 durchgeführte ärztliche Untersuchung der Beschwerdeführerin ergeben, dass bei ihr eine belastungsabhängige psychische Störung nicht festgestellt werden habe können (vgl. Seite 87 des erstinstanzlichen Verwaltungsaktes).

 

Zum Vorbringen in der Beschwerde, wonach in Polen eine niedrige Anerkennungsquote tschetschenischer Asylwerber bestünde, ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach geringe Anerkennungsquoten im Zielstaat generell für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, dass die österreichischen Asylbehörden vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssten (vgl. VwGH 31.3.2005, Zahl: 2002/20/0582, VwGH 31.5.2005, Zahl:

2005/20/0095, VwGH 30.6.2005, Zahl: 2005/20/0082 u.a.). Ergänzend sei an dieser Stelle erwähnt, dass dieses Vorbringen der Beschwerdeführerin auch insofern nicht mit verifizierbaren Fakten in Einklang zu bringen ist, als es als notorisch gilt, dass tschetschenische Asylwerber in Polen vollen Zugang zum Asylverfahren haben und diesen Personen regelmäßig Asyl bzw. subsidiärer Schutz gewährt wird (vgl. hierzu auch die erstinstanzlichen Länderfeststellungen, Seite 14 des erstinstanzlichen Bescheides).

 

Soweit sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde auf ihr angebliches Naheverhältnis zu ihrem sich im Bundesgebiet als Asylwerber aufhaltenden volljährigen Sohn und ihren beiden in Österreich lebenden Schwestern, denen der Flüchtlingsstatus bereits rechtmäßig zuerkannt worden ist, beruft, ist einerseits auf die erstinstanzlich durchgeführten Einvernahmen der Beschwerdeführerin zu verweisen, in deren Verlauf diese nicht ansatzweise ein finanzielles bzw. sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zu den oben genannten Personen ins Treffen geführt hat. Vielmehr hat die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihres Sohnes explizit erwähnt, dass dieser sie nicht unterstützen könne, da er "momentan keine Möglichkeiten" habe. Eine ihrer beiden Schwestern habe sie einmal mit Lebensmitteln versorgt und ihr im Rahmen eines weiteren direkten Kontaktes den Betrag von 200 ¿ übergeben. Aus diesen Angaben lässt sich nun aber eine bestehende finanzielle oder wirtschaftliche Abhängigkeit der Beschwerdeführerin von ihren in Österreich befindlichen Angehörigen nicht ansatzweise ableiten. Auch hat die Beschwerdeführerin nicht dargetan, vor ihrer Einreise ins Bundesgebiet jemals eine regelmäßige finanzielle bzw. sonstige Unterstützung ihrer - bereits seit dem Jahr 2004 in Österreich anwesenden - Angehörigen empfangen zu haben bzw. auf eine solche überhaupt jemals dringend angewiesen gewesen zu sein. Weiters kann angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin erstinstanzlich nicht einmal in der Lage gewesen ist, die Adresse ihres Sohnes bzw. ihrer jüngeren Schwester anzugeben, ein intensive emotionale Nahebeziehung zu diesen Personen iSd Art. 8 EMRK ausgeschlossen werden. Ein starkes persönliches Band zwischen der Beschwerdeführerin und ihren beiden in Österreich lebenden Schwestern kann schließlich vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin - wie das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid so auch zutreffend ausgeführt hat - bereits seit den Jahren 1993 bzw. 2000 in keinem gemeinsamen Haushalt mit ihren beiden Schwestern gelebt hat, nicht erkannt werden. Zudem weist auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin in ihrer erstinstanzlichen Einvernahme am 11.3.2008 angegeben hat, mit ihren beiden Schwestern, seit diese in Österreich wären, nur telefonischen Kontakt zu haben, darauf hin, dass zwischen der Beschwerdeführerin und ihren Schwestern kein Familienleben iSd Art. 8 EMRK vorliegt.

 

Soweit die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde aufzuzeigen versucht, dass zwischen ihrem Sohn und ihr eine "besondere Beziehung" schon deshalb gegeben sei, da ihr Sohn versucht habe, sie anlässlich ihres Aufenthaltes in Polen zu besuchen und sie überdies ihren Sohn, seit dieser aus Polen zurück sei, "jetzt schon öfters gesehen" habe, ist ihr entgegenzuhalten, dass auch hierdurch eine intensive Bindung zu ihrem (volljährigen) Sohn, der als Asylwerber bloß vorübergehend zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, keineswegs im geforderten Ausmaß dargetan ist. Ebensowenig lässt sich eine "hinreichend stark ausgeprägte Nahebeziehung" (vgl. etwa VwGH 22.8.2006, Zahl: 2004/01/0220) der Beschwerdeführerin zu ihren Schwestern aus dem pauschalen Beschwerdevorbringen, wonach die Beschwerdeführerin, seit sie in Österreich sei, mit ihren Schwestern nicht nur telefonischen, sondern auch persönlichen Kontakt habe, ableiten. Vor diesem Hintergrund konnte das Vorliegen einer "Familieneinheit" zwischen der Beschwerdeführerin und ihren in Österreich befindlichen (volljährigen) Angehörigen nicht festgestellt werden, weshalb eine Subsumtion unter den Begriff des "Familienlebens" iSd Art. 8 EMRK nicht in Betracht zu ziehen war. Für die erkennende Behörde liegen sohin keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschwerdeführerin durch eine etwaige Rückschiebung nach Polen eine Verletzung ihres Rechts gemäß Art. 8 EMRK drohen würde.

 

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Intensität, real risk, Rechtsschutzstandard, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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