S2 400.205-1/2008/2E
S.S., 00.00.1982 geb.,
StA: Russische Föderation
B E S C H L U S S
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer- Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde des S.S., geb. 00.00.1982, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.06.2008, Zahl: 08 00.404-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 37 Absatz 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
BEGRÜNDUNG
I.1. Der Beschwerdeführer brachte am 09.01.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz beim Bundesasylamt ein. Aufgrund seiner eigenen Angaben bei der niederschriftlichen Erstbefragung, bzw. eines EURODAC- Treffers, welchem zufolge der Beschwerdeführer am 03.12.2007 einen Asylantrag in Polen gestellt hatte, wurde am 10.01.2008 seitens des Bundesasylamtes ein Konsultationsverfahren mit Polen eingeleitet (AS 47f), was dem Beschwerdeführer unverzüglich mitgeteilt wurde (AS 57/59). Dem Beschwerdeführer wurde hierzu am 13.01.2008 eine Mitteilung gem. § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG ausgefolgt. Am 21.01.2008 langte die Zustimmung zur Übernahme des Berufungswerbers durch Polen ein (AS 77).
Am 14.05.2008 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesasylamt, EAST Ost, einvernommen und gab dabei im Wesentlichen an, an Epilepsie zu leiden und dagegen Medikamente zu nehmen. Seine Tante B.Z. lebe seit 2002 oder 2003 in Österreich. Bis zu seiner Ausreise aus Grosny habe er mit dieser im gemeinsamen Haushalt gelebt. Er werde nunmehr von ihr mit Lebensmitteln und Kleidung unterstützt. Im Zuge seines Verfahrens wurde der Beschwerdeführer von Dr. H. untersucht und wurden von dieser keine psychischen Erkrankungen des Beschwerdeführers diagnostiziert (143ff, bzw. AS 153ff).
Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Artikel 13 iVm 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Polen zulässig sei.
2. Der nähere erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. In Österreich sind die miteingereiste Ehegattin S.A. (hg. Zl. 400.425), und weiters enge Familienangehörige des Beschwerdeführers in Österreich aufhältig, seine Tante mütterlicherseits B.Z. ist in Österreich als Flüchtling anerkannt. So besteht nach den Angaben des Beschwerdeführers ein besonders intensives Verhältnis zu seiner Tante, die ihn materiell unterstützt und der er auch behilflich ist. Der Beschwerdeführer brachte im Zuge seines Verfahrens einen Befundbericht von K.E. bei, in welchem ihm von diesem ein "höhergradiges posttraumatisches- Stress- Syndrom mit latenter Suizidalität" diagnostiziert wurde (AS 329ff).
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Mit 01.01.2006 ist das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge idgF anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz im Jänner 2008 gestellt, weshalb § 5 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG hat der Asylgerichtshof einer Beschwerde gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung verbundenen Ausweisung binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach herrschender Literatur ist hier auch Art. 8 EMRK maßgeblich (Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, Fremdenrecht 6. Anm. zur - analogen - Regelung des § 37 Abs 1 AsylG, 155, Frank/Anerinhof/Filzwieser AsylG 2005, K3 zu § 37 Abs. 1 AsylG, 512 und K8 zu § 38 AsylG, 522f; vgl auch Fahrner/Premiszl, "Das Fristensystem im "Dublin-Verfahren" nach dem Asylgesetz 2005, Migralex 2/06, 69f).
Das Verfahren über die Frage der Gewährung der aufschiebenden Wirkung ist ein Provisorialverfahren, für das grundsätzlich nur sieben Tage zur Verfügung stehen. Daher ist davon auszugehen, dass die Formulierung in § 37 Abs. 1 AsylG: "wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung [...] eine reale Gefahr" einer Grundrechtsverletzung bedeuten würde, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung schon dann ermöglicht, wenn es (bloß) Hinweise darauf gibt, dass Grundrechte oder sonstige massive Interessen des Beschwerdeführers beeinträchtigt werden könnten. Gewissheit kann in diesem Stadium des Verfahrens nicht vorausgesetzt werden, weil damit das Schicksal der Berufung schon entschieden wäre.
Nach § 37 Abs. 2 AsylG ist bei der Entscheidung über die Frage der aufschiebenden Wirkung "auch auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 1 lit. e der Dublin II-VO und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftrechts Bedacht zu nehmen". Die angeführten Bestimmungen der Dublin II-VO sehen vor, dass ein "gegen die[se] Entscheidung eingelegter Rechtsbehelf [...] keine aufschiebende Wirkung für die Durchführung der Überstellung [hat], es sei denn, die Gerichte oder zuständigen Stellen entscheiden im Einzelfall nach Maßgabe ihres innerstaatlichen Rechts anders, wenn es nach ihrem innerstaatlichen Recht zulässig ist". Zum Gemeinschaftsrecht, auf die Notwendigkeit von dessen effektiver Umsetzung Bedacht zu nehmen ist, gehört jedenfalls auch das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO. Diese Kriterien sind also nicht sehr aussagekräftig. Im Übrigen ist der Asylgerichtshof, falls er die aufschiebende Wirkung zuerkennt, gemäß § 37 Abs. 3 AsylG gehalten, seine Entscheidung in der Sache binnen zweier Wochen (anstatt der ansonsten vorgeschriebenen acht Wochen: § 41 Abs. 2 AsylG) zu treffen, sodass die allfällige Beeinträchtigung der in § 37 Abs. 2 AsylG angesprochenen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze in engen Grenzen bleibt.
Dass der Maßstab kein allzu enger sein darf, ergibt sich auch aus der Praxis des Verwaltungsgerichtshofes, der bei der Bekämpfung verfahrensbeendender Bescheide in Asylsachen regelmäßig die aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zuerkennt, obwohl dem bereits die (negativen) Entscheidungen zweier Instanzen vorausgegangen sind. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem Verfahren nach § 5 AsylG 1997 - ausgesprochen, es sei, um Grundrechtswidrigkeiten zu vermeiden, "erforderlich, dass das Verfahren, in dem in Österreich geprüft wird, ob die Aufenthaltsbeendigung mit Art. 3 EMRK im Einklang steht, den Anforderungen des Art. 13 EMRK entspricht. Wird vertretbar behauptet, die Aufenthaltsbeendigung verstoße gegen Art. 3 EMRK, so muss dem Betroffenen ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, der zu einer unabhängigen und gründlichen Prüfung führt. Für die Wirksamkeit der Beschwerde im Sinne der Anforderungen des Art. 13 EMRK bedarf es auch der Möglichkeit einer Aussetzung der Vollziehung [...]" (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582). Schließlich erkennt der Verwaltungsgerichtshof Beschwerden gegen Bescheide, die nach § 5 AsylG 2005 ergehen, regelmäßig die aufschiebende Wirkung zu.
2. Die unter I.2. genannten Aspekte sind noch nicht hinreichend geklärt; bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes erscheint die Anwesenheit des Beschwerdeführers in Österreich für den Fall der Notwendigkeit weiterer Befragungen seiner Person vorteilhaft. Aufgrund der dem Asylgerichtshof hier zur Entscheidung zukommenden knappen Entscheidungsfristen liegt im konkreten Fall derzeit auch keine unzulässige Beeinträchtigung des "effet utile" der Dublin II VO vor.
Der Asylgerichtshof war im Ergebnis jedenfalls zwingend gehalten, gemäß § 37 Abs. 1 AsylG vorzugehen.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen. Auf § 37 Abs 4 AsylG ist hinzuweisen; die Einhaltung der Frist des § 37 Abs 1 AsylG war ausnahmsweise nicht möglich.