TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/15 S6 400135-1/2008

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Veröffentlicht am 15.07.2008
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Spruch

S6 400.135-1/2008/2E

 

S6 400.139-1/2008/2E

 

S6 400.138-1/2008/2E

 

S6 400.137-1/2008/2E

 

S6 400.136-1/2008/2E

 

S.S, 00.00. geb.,

 

T.T., 00.00.1980 geb.,

 

mj. S.M., 00.00.2003 geb.,

 

mj. S.A., 00.00.2006 geb.,

 

mj. S.H., 00.00.2008 geb.,

 

StA.: Russische Föderation

 

ERKENNTNIS

 

Spruch

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Singer als Einzelrichter über die Beschwerden

 

-

des S.S, 00.00.1974 geb., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.06.2008, Zahl 08 03.055-EAST Ost,

 

-

der T.T., 00.00.1980 geb., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.06.2008, Zahl 08 02.516-AST Ost (gemeint ist wohl EAST Ost),

 

-

des mj. S.M., 00.00.2003 geb., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.06.2008, Zahl 08 02.518-EAST Ost,

 

-

des mj. S.A., 00.00.2006 geb., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.06.2008, Zahl 08 2.519-EAST Ost,

 

-

des mj. S.H., 00.00.2008 geb., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.06.2008, Zahl 08 03.396-EAST Ost,

 

alle StA Russische Föderation, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerden werden gemäß §§ 5 und 10 AsylG idF BGBL. I Nr 100/2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

Der Erstbeschwerdeführer S.S., ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, reiste nach eigenen Angaben mit dem Zug über Moskau nach Weißrussland und anschließend nach Polen. Am 03.04.2008 reiste der Beschwerdeführer mit der Hilfe eines Schleppers illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Seine Gattin, T.T., reiste mit den beiden gemeinsamen Kindern am 15.03.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und gab sie dieselbe Reiseroute wie ihr Gatte an. Am 15.03.2008 stellte die Beschwerdeführerin für sich und als gesetzliche Vertreterin für die mj. Kinder S.M. und S.A. einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Am 15.04.2008 stellte weiters der in Österreich nachgeborene Beschwerdeführer S.H. durch seine Mutter einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Anlässlich der niederschriftlichen Einvernahmen des Erstbeschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 03.04.2008 sowie durch die Erstinstanz am 20.05.2008 brachte S.S. vor, sein Vater sei Offizier in der Garde des ehemaligen Präsidenten Maskhadov gewesen, weshalb die ganze Familie von russischen Behörden verfolgt worden wäre. Der Beschwerdeführer sei zweimal festgenommen worden. Deshalb habe er aus Sicherheitsgründen seine Heimat verlassen. Jedoch habe es auch schon in Polen Vorfälle gegeben, dass die russischen Spezialeinheiten Leute mitnehmen wollten. Er selbst habe während seines Aufenthaltes in Polen Leute der russischen Spezialeinheit gesehen. Der Beschwerdeführer möchte deshalb nicht nach Polen zurück, da er dort nicht in Sicherheit wäre.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin T.T. brachte im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahmen vom 15.03.2008 und vom 18.04.2008 vor, sie hätte ihre Heimat aufgrund der Probleme ihres Ehegatten verlassen und würden ihre Fluchtgründe auch für ihre mj. Kinder S.M. und S.A. sowie den in Österreich nachgeborenen Sohn S.H. gelten.

 

Am 18.03.2008 wurde seitens des Bundesasylamtes ein Wiederaufnahmeersuchen betreffend der Beschwerdeführerin und den beiden mj. Beschwerdeführern S.M. und S.A. gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates an die Republik Polen abgefertigt.

 

Ein ebensolches Wiederaufnahmeersuchen wurde auch betreffend den Beschwerdeführer S.S. am 04.04.2008 sowie für den nachgeborenen S.H. am 28.05.2008 abgefertigt.

 

Der Beschwerdeführerin T.T. wurde am 19.03.2008, sowie am 16.06.2008 für den nachgeborenen S.H., dem Beschwerdeführer S.S. wurde am 09.04.2008 das Führen von Konsultationsverfahren mit Polen mitgeteilt.

 

Mit Erklärungen vom 20.03.2008 8.4.2008 und 28.05.2008 übermittelte Polen die Zustimmung zur Rückübernahme der Beschwerdeführerin T.T. und deren mj. Kindern, sowie zur Rückübernahme des Beschwerdeführers S.S. gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II).

 

Die von Dr. med. I.H. durchgeführten Untersuchungen des Erst- und Zweitbeschwerdeführers hatten zum Ergebnis, dass aus medizinischer Sicht eine psychische Störung, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde, nicht festgestellt werden konnte.

 

Mit den Bescheiden vom 18.06.2008, Zahlen 08 03.055-EAST Ost, 08 02.516-AST Ost (gemeint ist wohl EAST Ost), 08 02.518-EAST Ost, 08 2.519-EAST Ost, 08 03.396-EAST Ost, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurückgewiesen und wurde Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) für zuständig erklärt. Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in letztgenannten Mitgliedstaat gemäß § 10 Abs. 4 AsylG für zulässig erklärt.

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht werden konnten, dass die Antragsteller tatsächlich konkret Gefahr liefen, in Polen Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihnen eine Verletzung ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte, zumal S.S. angab, während seines Aufenthaltes in der Nähe des polnischen Betreuungslagers Leute der russischen Spezialeinheit zwar gesehen, jedoch keinen persönlichen Kontakt mit ihnen gehabt zu haben.

 

Gegen diesen Bescheid richteten sich die mit Schriftsatz vom 27.06.2008 fristgerecht eingebrachten Beschwerden der Beschwerdeführer. Darin wird im Wesentlichen behauptet, dass dem Erstbeschwerdeführer S.S. während seiner niederschriftlichen Einvernahmen nicht ausreichend Gelegenheit geboten wurde, seine Gründe, weshalb er Polen verließ, zu schildern. Des Weiteren sei Polen kein sicherer Drittstaat und sei die Krankenversorgung der Beschwerdeführer in Polen nicht gesichert. Tschetschenische Flüchtlinge würden in den meisten Fällen keinen Flüchtlingsstatus, sondern lediglich eine "pobyt tolerowany", Duldung erhalten, welche die Betroffenen vom Schulbesuch, einer Ausbildung und einer Arbeitserlaubnis ausschließen würde. Im Falle einer Ausweisung wären die Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit unmenschlicher Behandlung ausgesetzt.

 

Der Asylgerichtshof hat über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

Die Identität der fünf Beschwerdeführer steht aufgrund der Vorlage von als unbedenklich zu qualifizierenden Personaldokumenten fest.

 

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass ein Familienleben der Beschwerdeführer im Sinne des Art. 8 EMRK zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich besteht.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG trat das Asylgesetz 2005, BGBl I 100/2005, mit 01. Jänner 2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997), BGBl. I Nr. 76/1997, trat mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG).

 

Da gegenständliche Anträge am 15.03.2008 beziehungsweise am 03.04.2008 sowie am 15.04.2008 gestellt wurden, ist das Asylgesetz 2005 anzuwenden.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs 3 und Abs 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt das Konsultationsverfahren mit Polen aufgrund der plausiblen Angaben der Beschwerdeführer beziehungsweise deren gesetzlichen Vertreterin zu deren Reiseweg eingeleitet. Mit der Mitteilung von Polen zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführer wurden die Angaben der Beschwerdeführer bestätigt. Es ist somit davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer über Polen in die Europäische Union einreisten (ihren letzten Angaben zufolge vor etwa einem Jahr).

 

In den Art. 5ff der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.

 

Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates lautet, wie folgt:

 

"Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 18 Absatz 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylwerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

 

Die Beschwerdeführer reisten von einem Drittland kommend ohne Visum illegal nach Polen und letztlich nach Österreich, sodass gem. Art. 10 Abs. 2 leg. cit. Polen zur Prüfung der Asylanträge zuständig ist.

 

Lediglich der Vollständigkeit halber ist ergänzend auszuführen, dass selbst für den Fall, dass die sich aus Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates ergebende Zuständigkeit Polens für die Prüfung der Asylanträge nicht bestünde, letztlich gem. Art 13 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates doch wieder die Zuständigkeit Polens zur Prüfung der Asylanträge gegeben wäre, da die Beschwerdeführer zuerst in Polen Asylanträge stellten und Art. 13 normiert, dass, falls sich anhand der Kriterien der Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig ist.

 

Für im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nachgeborene Kinder regelt Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates:

 

"Für die Zwecke dieser Verordnung ist die Situation eines mit dem Asylwerber einreisenden Minderjährigen, der durch die Definition des Familienangehörigen in Artikel 2 Ziffer i) gedeckt ist, untrennbar mit der seines Elternteils oder seines Vormunds verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Asylantrags dieses Elternteils oder Vormunds zuständig ist, auch wenn der Minderjährige selbst kein Asylwerber ist. Ebenso wird bei Kindern verfahren, die nach der Ankunft des Asylwerbers im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten geboren werden, ohne dass ein neues Zuständigkeitsverfahren für diese eingeleitet werden muss."

 

Daraus ergibt sich, dass für die Prüfung des Asylantrags des in Österreich nachgeborenen Beschwerdeführers S.H. jener Mitgliedstaat zuständig ist, welcher auch den Asylantrag der Mutter zu prüfen hat, also Polen.

 

Gemäß Artikel 16 Abs. 1 lit. c der VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates ist der Mitgliedstaat, der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag sich noch im Prüfungsstadium befindet und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikel 20 wieder aufzunehmen.

 

Dem Bundesasylamt ist nun darin beizupflichten, dass die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückzuweisen sind. Denn einerseits ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Polens gemäß Art. 10 Abs. 1 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c beziehungsweise gemäß Art. 4 Abs. 3 iVm Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates, andererseits kann aus folgenden Gründen nicht angenommen werden, dass Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Gebrauch zu machen:

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die

 

reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art 19 Dublin II VO).

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO², K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

Was das handschriftl. Vorbringen in der Beschwerdeschrift betrifft, worin der Erstbf die Fluchtgründe schildert, warum er aus seinem Herkunftsland, sowie später aus Polen geflüchtet sei, wird auf obige Ausführungen verwiesen und festgehalten, dass es dem Bf nicht einmal ansatzweise gelungen ist, die reale Gefahr eines fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Polen glaubhaft zu machen. Im Gegenteil machte der Erstbf keine Angabe, die polnischen Behörden (außer Asyl betreffend) jemals kontaktiert zu haben. Nachdem der Erstbf auch bereits in Polen eine Aufenthaltsbewilligung "pobyt" bekommen hat und sich die poln. Behörden auch ausdrücklich bereit erklärt haben, alle Bf im Rahmen der Verpflichtungen nach dem Dubliner Übereinkommen zu übernehmen, kann nicht erkannt werden, dass gerade diesen Beschwerdeführern der Zugang zum Asylverfahren in Polen verweigert werden würde.

 

Was die Fluchtgründe betrifft, die die Bf veranlasst haben, ihr Herkunftsland zu verlassen, sind materiell-rechtlicher Natur und von Polen zu prüfen.

 

Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK:

 

Es leben keine Familienangehörigen der Beschwerdeführer in Österreich. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl 1802, 1803/06-11). Dies wurde auch von den Beschwerdeführern beziehungsweise von deren gesetzlichen Vertreterin zu keinem Zeitpunkt behauptet.

 

Kritik am polnischen Asylwesen, mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK:

 

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen nicht erkennbar und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden.

 

Im konkreten Fall stützten sich die Beschwerdeführer auf mehrere in der Beschwerde zitierte Berichte, wonach Polen als östliches EU-Land mit stark zunehmenden Flüchtlingszahlen konfrontiert sei und angesichts der gravierenden Probleme im polnischen Sozial- und Gesundheitssystem bedeute die Zunahme eine erhebliche zusätzliche Belastung. Daher komme es zu gravierenden Defiziten in der medizinischen und sozialen Versorgung von Asylsuchenden und Flüchtlingen. Des Weiteren würden die Anerkennungszahlen zeigen, dass tschetschenische Flüchtlinge in den meisten Fällen lediglich eine Duldung ("pobyt tolerowany") erhalten.

 

Aus den Feststellungen der Erstbehörde ergibt sich, dass mit 29.04.2004 die "Richtlinie über die Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes" (2004/83/EG) erlassen wurde. Seitens der Europäischen Kommission sind keine rechtlichen Schritte gesetzt worden, wonach Polen die diesbezüglichen Bestimmungen nicht umgesetzt hätte. Dies betrifft auch die Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG.

 

Selbst Ausländer mit "bloß" bewilligten, tolerierten Aufenthalt, können Familienleistungen wie Familienbeihilfe und Familienbeihilfezuschläge, einmaliges Mutterschaftsgeld oder Betreuungsleistungen- Pflegegeld und Pflegeleistungen beanspruchen. Im Bereich der Bildung hat der Ausländer mit bewilligtem toleriertem Aufenthalt auf denselben Regeln wie der polnische Staatsbürger das Recht auf kostenlosen Schulunterricht in den öffentlichen Grundschulen, Gymnasien und Oberschulen als auch in den öffentlichen Kunstschulen und öffentlichen Anstalten für Lehrausbildung.

 

Die Beschwerdeführer konnten keine besonderen Gründe, die für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK in Polen sprechen, glaubhaft machen, weshalb die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005, wonach ein Asylwerber in einem "Dublinstaat" Schutz vor Verfolgung findet, greift.

 

Medizinische Aspekte:

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohen und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf die jüngste diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR zur Frage einer ausreichenden medizinischen Behandlung in Zusammenhang mit Art. 3 EMRK zu verweisen:

 

GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06

 

AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05

 

PARAMASOTHY gg. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03

 

RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03

 

HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05

 

OVDIENKO gg. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04

 

AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04

 

NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03

 

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

 

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

 

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finnland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

 

Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interessen zulässig sein (vgl. PARAMSOTHY gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 14492/05; mit diesem Judikat des EGMR wurde präzisiert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach neunjährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht den selben Standard haben sollten wie in den Niederlanden).[...]

 

In besonderem Maße instruktiv für die Frage, ob eine posttraumatische Belastungsstörung oder andere schwere psychische Erkrankungen einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entgegenstehen, sind die beiden erst jüngst ergangenen Entscheidungen AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05 und GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06.

 

Im ersteren Fall ging es um eine iranische Asylwerberin, bei der von zwei psychiatrischen Gutachtern unabhängig von einander schwere psychische Störungen in Gestalt von schweren Depressionen, akuten Selbstmordgedanken und ein multikausales Trauma infolge diverser Erlebnisse diagnostiziert worden war. Ein Gutachter war zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Beschwerdeführerin im Falle einer Abschiebung in den Iran ein reales Risiko eines Selbstmordes bestand [...] Die gegen die Abschiebung der Beschwerdeführerin in deren Herkunftsstaat Iran erhobenen Beschwerde mit der Begründung eine solche verstoße infolge des schlechten Gesundheitszustandes der BW gegen Art. 3 EMRK, wies der EGMR ab [...]

 

Der Entscheidung GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06 lag ua. der Fall zugrunde, dass der Zweitbeschwerdeführer - ein russischer Asylwerber, der drei(!) Selbstmordversuche begangen bzw. mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich hatte und dem von Gutachern einhellig ein schwere psychische Erkrankung ua. in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine akute Selbstmordgefährdung bescheinigt worden war - seine Abschiebung nach Russland mit dem Hinweis auf seinen schlechten und infolge aktueller Suizidgefahr lebensbedrohlichen Gesundheitszustand in Beschwerde zog. Auch diese Beschwerde wies der EGMR mit einer über weite Strecken identen Begründung wie in der Entscheidung AYEGH gg. Schweden ab. [...]

 

Die dargestellten Entscheidungen zeigen deutlich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (siehe dazu nunmehr auch VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9).

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR leitet sich der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab ab. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Im vorliegenden Fall konnte von keinem der Beschwerdeführer eine schwere psychische Krankheit belegt werden, respektive die Notwendigkeit weiterer Erhebungen seitens des Asylgerichtshofes. Auch die von Dr. med. I.H. durchgeführten Untersuchungen der Beschwerdeführer T.T. und S.S. ergaben, dass aus medizinischer Sicht eine psychische Störung, die bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde, nicht festgestellt werden konnte.

 

Auch aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf einen existenzbedrohenden Zustand ersichtlich.

 

Vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer S.S. im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme an, er habe eine kranke Wirbelsäule jedoch sei er in Polen keiner Untersuchung unterzogen worden. In Österreich habe er bereits eine Therapie gemacht, jedoch sei trotz der fünf Behandlungen bislang keine Besserung eingetreten. Die Therapie sei nunmehr beendet.

 

Diesbezüglich ist auf die Feststellungen der Erstbehörde zur medizinischen Versorgung in Polen zu verweisen. Asylwerber haben in Polen Zugang zu medizinischer Versorgung aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Amt für Repatriierung und Fremde (polnische Asylbehörde) und dem Zentralklinikum des Innenministeriums in Warschau. Diese Versorgung umfasst neben allen medizinischen Anwendungen und Untersuchungen u.a. auch psychologische Hilfe, die ein Fremder in den Aufnahmezentren beanspruchen kann.

 

In Polen werden Asylwerber über das Zentralkrankenhaus des Ministeriums für Inneres und Administration den für sie zuständigen Krankenhäusern zugeteilt. In Fällen dringender Behandlung ist jedes Krankenhaus in Polen zuständig. Die medizinische Versorgung von Asylwerbern entspricht in Polen derjenigen von polnischen StaatsbürgerInnen.

 

Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung der fünf Beschwerdeführer nach Polen keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar. Die Beschwerdeführer beziehungsweise deren gesetzliche Vertreterin konnten dieser Ansicht des Asylgerichtshofes jedenfalls nicht durch ihre vagen und unbelegten Ausführungen in ihren Beschwerden entgegentreten.

 

Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art 3 Abs 2 VO 343/2003 infolge drohender Verletzung von Art 3 oder Art 8 EMRK zu verpflichten.

 

Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung nach Polen in Vollzug der Ausweisung aus Österreich erforderlich erschienen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist "Familienangehöriger" iSd AsylG ua. der Elternteil eines minderjährigen Kindes, der Ehegatte oder das zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratete minderjährige Kind eines Asylwerbers. Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG gilt der Antrag des Familienangehörigen (das Gesetz verweist auf § 2 Z 22 - gemeint ist § 2 Abs. 1 Z 22 - AsylG) eines Asylwerbers auf internationalen Schutz als "Antrag auf Gewährung desselben Schutzes". Die Behörde hat gemäß § 34 Abs. 4 AsylG Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind "unter einem" zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

 

Die Beschwerdeführer sind Familienangehörige (iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG) des jeweils anderen, alle haben einen Asylantrag gestellt, keinem wurde bisher Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt, das Verfahren keines von ihnen wurde bisher zugelassen. Daher sind die Abs. 1 Z 3 und Abs. 4 des § 34 AsylG anzuwenden.

 

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur - insoweit vergleichbaren - Vorgängerbestimmung (§ 10 Abs. 5 AsylG 1997) bedeutet dies auch, dass dann, wenn das Verfahren auch nur eines Familienangehörigen zuzulassen ist, dies auch für die Verfahren aller anderen gilt (VwGH 18.10.2005, 2005/01/0402). Sollte daher der Asylantrag eines Familienangehörigen der Beschwerdeführer zuzulassen sein, so würde dies auch für den Antrag der übrigen Beschwerdeführer gelten.

 

Die Beschwerdeverfahren, welche die Eltern und die Geschwister betreffen, haben nicht ergeben, dass ihre Verfahren zuzulassen wären. Daher ergibt sich auch daraus nicht, dass das Verfahren der einzelnen Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 4 AsylG zuzulassen wäre.

 

Gemäß § 41 Abs 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren, gesundheitliche Beeinträchtigung, medizinische Versorgung, real risk
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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