TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/15 E1 242397-0/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.07.2008
beobachten
merken
Spruch

E1 242.397-0/2008-11E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Fahrner als Einzelrichterin über die Beschwerde der A. G., geb. 00.00.1962, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.09.2003, FZ. 03 13.849-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.06.2006 ,14.09.2007 sowie 17.01.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Beschwerdeführerin, ein Staatsangehörige von Armenien, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 13.05.2003 einen Asylantrag.

 

2. Im Zuge einer am selben Tag durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme gab sie an, "ganz große Probleme" in Armenien gehabt zu haben. Ihr Mann hätte politische Konflikte gehabt, sei von seinen Gegnern festgenommen und gequält worden und würden sie deswegen dauernd verfolgt werden.

 

3. Am 05.08.2003 wurde die Beschwerdeführerin neuerlich niederschriftlich einvernommen, wobei sie angab, bis 2003 in Erewan gelebt zu haben und an diesem Tag gemeinsam mit ihrem Gatten, ihrem Sohn, ihren drei Töchtern und ihrem Neffen mit dem PKW mit gefälschten armenischen Reisepässen in die Ukraine aufgebrochen zu sein. Diese Fahrt habe ca. vier Tage gedauert. Nach einem Tag Aufenthalt in der Ukraine sei man mit demselben Auto und demselben Fahrer nach Österreich aufgebrochen, welche Fahrt wiederum ca. vier Tage gedauert habe.

 

4. Am 09.09.2003 wurde die Beschwerdeführerin wiederum niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte sie zusammengefasst vor, dass die Probleme 1989 mit dem Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan begonnen hätten. Ihre Mutter sei Aserbaidschanerin und nach Aserbaidschan gezogen, wohingegen sie und ihre Kinder in Erewan geblieben seien, wo sie immer wieder als Nichtarmenier beschimpft worden seien. Aufgrund dieser Beschimpfungen habe ihr Sohn M. auch die Schule abbrechen müssen.

 

Im Jahr 2000 sei auf den Gatten der Beschwerdeführerin ein Mordversuch unternommen und jener zu Unrecht ins Gefängnis gebracht worden. Sie habe zwei Jahre lang keine Verbindung zu ihm gehabt, ehe durch Bezahlung eines Geldbetrages seine Entlassung bewirkt werden konnte.

 

Ihr Gatte sei Mitglied einer Oppositionspartei, welche auch Oppositionspartei heiße, und hätten nach der Präsidentschaftswahl im Februar 2003 die Probleme für diese Partei begonnen. Ende April seien ihr Mann und mehrere seiner Kollegen festgenommen und die ganze Nacht geschlagen worden. Am nächsten Morgen sei er wiederum freigelassen und ihm gesagt worden, dass er nicht gegen die Regierung sein dürfe. Anschließend hätten sei das Land verlassen

 

Für den Fall der Rückkehr befürchte sie, wegen ihres Mannes von der Regierung verfolgt zu werden.

 

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.09.2003, Zahl: 03 13.849-BAG, wurde der Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Armenien gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

 

Begründend führt die Erstbehörde aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich einer aktuellen Bedrohungssituation in Armenien aus den in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides genannten Gründen nicht glaubhaft sei, weshalb keine Bedrohungssituation pro futuro festgestellt werden konnte.

 

Spruchpunkt II. begründete die Erstbehörde damit, dass bereits die Angaben zum Fluchtgrund nicht glaubhaft seien, weshalb auch nicht glaubhaft sei, dass die Beschwerdeführerin in Armenien in irgendeiner Form der Verfolgung ausgesetzt sein könnte. Weiters seien keine Umstände bekannt, dass Armenien eine solche extreme Gefährdungslage bestehe, dass gleichsam jeder, der nach Armenien zurückkehre, einer Gefährdung im Sinne des Art 3 EMRK ausgesetzt sei.

 

6. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30.09.2003 fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

7. Der Unabhängige Bundesasylsenat führte am 30.06.2006 im Verfahren der Beschwerdeführerin, ihres in der Zwischenzeit ebenfalls nach Österreich eingereisten Sohnes R., welcher am 24.06.2004 einen Asylantrag gestellt hatte (Zahl: 254.904), sowie der gemeinsam mit der Beschwerdeführerin eingereisten Familienmitglieder eine mündliche Verhandlung durch, an welcher die Beschwerdeführerin samt ihrem Gatten und den beiden Söhnen gemeinsam mit der von ihnen am selben Tag bevollmächtigten Mag. M. A. von Asyl in Not teilnahm, sich die Erstbehörde jedoch entschuldigen ließ.

 

Nach Einvernahme der Beschwerdeführerin, ihres Gatten sowie des Sohnes R. wurde die mündliche Verhandlung zur Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens erstreckt.

 

8. Nachdem das Vollmachtsverhältnis zu Frau Mag. M. A. mit Schreiben vom 08.03.2007 von Asyl in Not aufgelöst worden war, wurde mit Schriftsatz vom 28.03.2007 bekannt gegeben, dass die Beschwerdeführerin nunmehr durch Rechtsanwalt Mag. P. S. vertreten wird.

 

9. Nachdem die Sachverständige Dr. T. S. am 27.06.2007 ein schriftliches Gutachten erstattet hatte, wurde die mündliche Verhandlung am 14.09.2007 fortgesetzt, an welcher die gegenständliche Beschwerdeführerin, ihr Gatte, ihre beiden Söhne sowie ihre drei Töchter gemeinsam mit ihrer Rechtsvertreterin teilnahmen, sich das Bundesasylamt wiederum entschuldigen ließ.

 

Dabei wurde die Beschwerdeführerin ebenso wie ihr Gatte einvernommen.

 

10. Die Sachverständige Dr. T. S. erstellte per 25.10.2007 ein ergänzendes Gutachten, welches an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin mit der Möglichkeit, eine Stellungnahme dazu abzugeben, übermittelt wurde.

 

11. Diese Stellungnahme wurde mit Schriftsatz vom 26.11.2007 erstattet.

 

12. Im Verfahren der Söhne der Beschwerdeführerin führte der Unabhängige Bundesasylsenat am 17.01.2008 eine weitere mündliche Verhandlung durch, an deren Teilnahme sich das Bundesasylamt wiederum entschuldigen ließ. In diesem Verfahren wurden - unter Anwesenheit des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin - eben einerseits deren Söhne einvernommen, andererseits jedoch auch die Beschwerdeführerin selbst und deren Gatte, welche seitens des Rechtsvertreters stellig gemacht wurden.

 

Weiters wurde in dieser mündlichen Verhandlung folgendes Berichtsmaterial dargetan:

 

AA über die asyl - und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 20.03.2007;

 

Bericht zur Fact Finding Mission Georgien, Armenien und Aserbaidschan vom 01.11.2007;

 

armenisches und aserbaidschanisches Staatsbürgerschaftsrecht.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Beweis wurde erhoben durch

 

Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt der Beschwerdeführerin sowie in die Verwaltungsakte ihres Gatten, ihrer Söhne, ihrer mj. Töchter, sowie ihres Neffen, durch Einsichtnahme in die oben unter Punkt I.12. genannten, für das gegenständliche Verfahren relevanten Länderdokumentationen, durch Einholung eines Gutachtens sowie eines ergänzenden Gutachtens der Dr. T. S. sowie durch Einvernahme der Beschwerdeführerin, ihres Gatten sowie ihrer beiden Söhnen in der mündlichen Verhandlung.

 

Festgestellt wird nachstehender Sachverhalt:

 

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin und ihren Fluchtgründen:

 

Die Beschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen, ist 1962 geboren und Staatsangehörige von Armenien.

 

Sie ist die Ehegattin des A. K., geboren 1962, und die Mutter des A. M., geboren 1985, der mj. A. N., geboren 1991, der mj. A. O., geboren 1995, sowie der mj. A. L., geboren 1995, welche sämtlich gemeinsam mit der Beschwerdeführerin nach Österreich eingereist und deren Asylverfahren ebenfalls im Beschwerdestadium anhängig sind. Weiters ist sie die Mutter des A. R., geboren 1983, welcher am 24.06.2004 nach Österreich eingereist ist und dessen Asylverfahren ebenfalls im Beschwerdestadium anhängig ist.

 

Schließlich ist die Beschwerdeführerin die Tante des A. H., geboren 1981, welcher gemeinsam mit der Beschwerdeführerin und ihrer Familie im Mai 2003 nach Österreich eingereist ist, dessen Asylverfahren jedoch mit Aktenvermerk des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 30.06.2006, Zahl: 242.394/0-IX/25/03, gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt wurde, zumal jener unbekannten Aufenthaltes ist.

 

Der Gatte der Beschwerdeführerin hat 2008 einen Verkehrsunfall erlitten, bei welchem er schwer verletzt wurde, insbesondere in Form eines Bruches des Oberschenkels sowie von inneren Verletzungen im Bauchbereich.

 

Nicht festgestellt werden kann, der genaue Unfallshergang, insbesondere das oder die weiters daran beteiligte(n) Fahrzeug(e), sowie dass vor diesem Unfall auf das Fahrzeug des Gatten der Beschwerdeführerin geschossen worden sei.

 

Festgestellt werden kann auch nicht, dass der Gatte der Beschwerdeführerin aufgrund dieses Unfallgeschehens zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.

 

Nicht festgestellt werden kann weiters, dass der Gatte der Beschwerdeführerin in Armenien Mitglied einer Partei gewesen sei und aus diesem Grund Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre.

 

Nicht festgestellt werden kann ferner, dass die Beschwerdeführerin aserbaidschanischer Abstammung sei.

 

Zur Situation in Armenien:

 

2.2.1. Mischehen

 

Schätzungen zu Folge leben derzeit noch etwa 6.000 Azeris in Armenien. Die Zahl ist jedoch nicht genau bekannt, nachdem viele dieser Personen ihre Namen in der Zwischenzeit geändert haben und gut integriert in Armenien leben. NGOs besuchen jedoch regelmäßig bekannte Fälle von Azeris in Armenien. Aktuelle Problemstellungen speziell für Azeris oder Angehörige von Mischehen in Armenien sind nicht bekannt geworden. Grundlegend hat das Thema nach übereinstimmenden Aussagen seit einigen Jahren seine Aktualität verloren.

 

In den letzten Jahren konnte beobachtet werden, dass sich die Situation gegenüber Angehörigen von Mischehen entspannt hat. Die Bevölkerung hegt jedoch nach wie vor ein gewisses Misstrauen gegenüber Azeris, egal ob in einer Mischehe lebend oder nicht. Jedoch ist die Einstellung der Bevölkerung hier einem gewissen Wandel unterworfen, besonders was die Einstellung zu Azeris betrifft, die selbst in Armenien leben. Übergriffe sind seit Jahren keine mehr bekannt geworden.

 

Auch alle internationalen Organisationen in Armenien bestätigten, dass Mischehen schlicht kein Thema mehr in Armenien sind und keine diesbezüglichen Probleme seit Jahren registriert werden konnten, die in Richtung öffentliche Bedrohung oder körperliche Unversehrtheit gehen würden.

 

Im Rahmen der Erstellung einer jüngeren Studie konnten noch 20 "gemischte Familien" ausgeforscht werden. In all diesen Fällen konnten nach Rücksprache mit den Betroffenen keine wie auch immer gearteten besonderen Probleme mit Behörden oder im Alltagsleben wahrgenommen werden. Diskriminierungen im Alltagsleben können aber konsequenterweise nicht ausgeschlossen werden.

 

Es gibt in Armenien aber noch einige "versteckte" Mischehen. In einem weiteren speziellen Projekt von "Our Home Armenia" konnten etwa 60 Azeris in Armenien ausgeforscht werden. Keine dieser Personen hat von besonderen Problemen in Armenien berichtet und über eine spezielle Sicherheitsgefährdung ist derzeit nichts bekannt.

 

Nicht auszuschließen ist, dass es im Rahmen einer möglichen weiteren Verschlechterung der Beziehungen zwischen Armenien und Aserbaidschan es auch zu einer Verschärfung der Lage für die wenigen verblieben Azeris in Armenien kommt. Derzeit ist dies jedoch nicht der Fall.

 

2.2.2. Rückkehrfragen

 

2.2.2.1. Grundversorgung der Bevölkerung

 

In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zu Verbesserung der Lebenssituation bei.

 

Die Gas- und Stromversorgung ist gewährleistet. Immer mehr Haushalte werden an die Gasversorgung angeschlossen. Leitungswasser steht dagegen, insbesondere in den Sommermonaten in manchen Gegenden, auch in einigen Vierteln der Hauptstadt, nur stundenweise zur Verfügung. Die Wasserversorgung wird jedoch laufend verbessert.

 

Ein nicht geringer Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Ansonsten überwinden viele auch durch die traditionellen Familienbande Versorgungsschwierigkeiten. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen durch Verwandte im Ausland unterstützt.

 

Das gesetzlich festgeschriebene Existenzminimum beträgt in Armenien (wie auch in Berg-Karabach) 24.000 Dram (derzeit ca. 50 Euro) im Monat. Das durchschnittliche Familieneinkommen ist dagegen mangels zuverlässiger Daten nur schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten, dazu privaten Geschäften und Gelegenheitsjobs nach. Die sprichwörtliche Geschäftstüchtigkeit der Armenier ermöglicht es

 

vielen, sich ein Zubrot zu verdienen. Die dabei erzielten Einkünfte lassen sich schwer beziffern, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer die Beträge niedriger angeben, als sie

 

tatsächlich sind, um Steuerzahlungen zu umgehen.

 

Die wirtschaftliche Lage führt nach wie vor dazu, dass viele Armenier das Land verlassen wollen. Der Migrationsdruck hält an, da ein Angleichen des Lebensstandards an westeuropäisches Niveau trotz hoher Wirtschaftswachstumsraten in Kürze nicht zu erwarten ist. Es sollen seit dem Zerfall der Sowjetunion bereits mindestens 600.000 Armenier ihr Land

 

verlassen haben. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Zahl der Emigranten noch wesentlich

 

höher liegt; eine Schätzung geht von bis zu 1.9 Mio. Personen aus.

 

2.2.2.2 Behandlung von Rückkehrern

 

Rückkehrer werden nach Ankunft in Armenien in die Gesellschaft integriert und nutzen häufig die erworbenen Deutschkenntnisse bzw. ihre in Deutschland geknüpften Kontakte. Sie haben Zugang zu allen Berufsgruppen (auch Staatsdienst). Sie haben überdurchschnittliche Chancen, Arbeit zu finden. Fälle, in denen Rückkehrer festgenommen oder misshandelt wurden, sind nicht bekannt.

 

Beweiswürdigung:

 

Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren diesbezüglich stets gleich lautenden Angaben, welchen Glauben geschenkt wurde. Die Feststellungen zu den Familienmitgliedern der Beschwerdeführerin ergeben sich aus deren Verwaltungsakten.

 

Der Umstand, dass der Gatte der Beschwerdeführerin 2000 in einen Verkehrsunfall involviert war und dabei verletzt wurde, resultiert aus den von diesem vorgelegten medizinischen Unterlagen, wobei die Verletzungsfolgen bzw. Operationsnarben auch durch österreichische Ärzte bestätigt wurden.

 

Hinsichtlich des exakten Unfallherganges konnte jedoch nur eine Negativfeststellung getroffen werden, zumal die diesbezüglichen Angaben divergierten.

 

So hat der Gatte der Beschwerdeführerin in seiner ersten Einvernahme am 13.05.2003 angegeben, dass man versucht habe, ihn umzubringen, und ihn ein Auto überfahren habe.

 

Wenngleich diese am Tag des Aufgriffes des Gatten der Beschwerdeführerin beim illegalen Grenzübertritt getätigte Aussage noch nicht all zu schwer zu gewichten ist, so fällt doch auf, dass der Gatte der Beschwerdeführerin anlässlich einer niederschriftlichen Einvernahme am 09.09.2003 angibt, 2000 Opfer eines Mordversuches durch die "Mafia des Präsidenten" geworden zu sein und dabei Schusswunden erlitten zu haben. Von derartigen Schusswunden ist - wovon jedoch auszugehen wäre - nicht einmal in der vom Beschwerdeführer selbst vorgelegten Krankengeschichte eines armenischen Krankenhauses zu lesen.

 

Insbesondere gibt der Gatte der Beschwerdeführerin selbst in der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2006 an, dass zwar auf ihn geschossen worden sei, er aber keine Schussverletzung erlitten habe.

 

Was dieses Schussattentat betrifft, so hat dies der Gatte der Beschwerdeführerin in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung am 14.09.2007 so geschildert, dass am rechten Straßenrand eine schwarzer Geländewagen gestanden sei, wobei dessen Front in Richtung des von ihm gelenkten, entgegenkommenden PKWs gerichtet gewesen sei. Vom Fenster der Beifahrerseite dieses Geländewagens aus sei einmal auf die Windschutzscheibe seines Wagens geschossen worden, welcher in der Mitte getroffen worden sei. Daraufhin sei ihm auf seiner Fahrbahnseite ein PKW entgegengekommen, mit welchem er zusammengestoßen sei. Der Gatte der Beschwerdeführerin hat auch eine entsprechende Skizze angefertigt.

 

Demgegenüber schildert der Sohn der Beschwerdeführerin, R., in seiner mündlichen Verhandlung vom 17.01.2008, dass er zwei Stunden nach dem Verkehrsunfall zum Unfallort gegangen sei und am Wagen seines Vaters ca. drei Einschusslöcher an der Fahrertür (also auf der linken Fahrzeugseite) gesehen habe, und zwar in einer Diagonale von links unten nach rechts oben zum Türholm, wo sich das Schloss befinde. Über Vorhalt der von seinem Vater angefertigten Skizze, bleibt er dabei, die Einschusslöcher gesehen zu haben, gibt jedoch an, bislang noch nicht darüber - auch nicht seinem Vater gegenüber - gesprochen zu haben. Außerdem gehe er aufgrund der Geländebeschaffenheit davon aus, dass der Jeep entgegengekommen sein müsste. Vielleicht sei auch noch von einem anderen Auto auf seinen Vater geschossen worden. Im Gerichtsverfahren sei es jedoch sinnlos gewesen, diesbezüglich irgendwelche Aussagen zu machen.

 

Diese Aussage des A. R. wurde in der Folge dem Gatten der Beschwerdeführerin selbst vorgehalten, welcher jedoch an seiner bisherigen Darstellung festhielt.

 

Bereits aufgrund dieser divergierenden Aussagen konnte eine entsprechende Feststellung betreffend ein Schussattentat nicht getroffen werden. Auch der seitens der Sachverständigen Dr. T. S. bzw. deren Mitarbeiter befragte Rechtsanwalt des Gatten der Beschwerdeführerin kann sich zwar daran erinnern, dass in der Verhandlung von Schüssen die Rede gewesen sei, vermag jedoch keine Details zu nennen, obwohl es sich dabei doch um einen nicht alltäglichen Vorfall handelte. Es lässt sich daher auch daraus nichts für eine entsprechende Feststellung eines Schussattentats gewinnen.

 

Auch die weiteren Angaben des Gatten der Beschwerdeführerin zum gegenständlichen Verkehrsunfall waren widersprüchlich.

 

So gibt dieser in seinem erstinstanzlichen Verfahren an, zu Unrecht beschuldigt worden zu sein, einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht zu haben. In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2006 gibt er an, dass der andere Fahrer diesen Unfall überlebt habe und er selbst zu Unrecht angeklagt worden sei. Er habe dem anderen Fahrer auch freiwillig USD 3.000,00 gegeben, zumal dieser ja unbeteiligter Dritter sei und nichts dafür könne, dass auf den Gatten der Beschwerdeführerin geschossen worden sei.

 

Anlässlich der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2007 gibt der Gatte der Beschwerdeführerin davon abweichend an, dass in dem PKW, mit welchem er zusammengestoßen sei, glaublich vier bis fünf Personen gesessen seien, welche angeblich Staatsbedienstete gewesen seien. Die 3.000,00 USD habe er unter Druck bezahlen müssen, wobei dies aber nicht von ihm selbst, sondern von seinen Eltern gemacht worden sei.

 

Im eklatanten Widerspruch dazu steht wiederum die Aussage des Sohnes R. der Beschwerdeführerin, welcher in seiner mündlichen Verhandlung vom 17.01.2008 angibt, dass bei dem gegenständlichen Autounfall fünf Leute gestorben seien, und zwar die Familie eines Staatsbediensteten. Auch der in dieser Verhandlung einvernommene Gatte der Beschwerdeführerin gibt nunmehr an, dass die Familie des Bruders des Staatsbediensteten fünf Menschen verloren habe, weswegen er deren Rache fürchte.

 

Aufgrund dieser zahlreichen Widersprüche hinsichtlich der Anzahl der verletzten oder gar getöteten Personen sowie der im Laufe des gegenständlichen Verfahrens erfolgten Steigerung des Vorbringens in der Form, dass Angehörige eines Staatsbediensteten involviert seien, konnte letztlich nur eine Negativfeststellung zum Unfallshergang getroffen werden.

 

Aber auch zum Gerichtsverfahren und der Haftstrafe des Gatten der Beschwerdeführerin war letztlich eine Negativfeststellung zu treffen.

 

So gibt der Gatte der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren an, eine Gefängnisstrafe von neun Jahren erhalten zu haben, aufgrund einer Amnestie jedoch nach zwei Jahren wieder freigekommen zu sein, jedoch auch insgesamt USD 8.000,00 bezahlt zu haben, um vorzeitig freizukommen.

 

In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2006 führt der Gatte der Beschwerdeführerin aus, zu sechs Jahren unbedingter Haft verurteilt worden zu sein. Durch Bezahlung eines Bestechungsgeldes an den Gefängnisleiter, welcher wohl mit dem Richter kooperiert habe, sei seine Strafe auf drei Jahre reduziert worden, durch nochmalige Bezahlung eines Bestechungsgeldes sei er noch ein Jahr früher aus dem Gefängnis entlassen worden.

 

Diesbezüglich legte der Gatte der Beschwerdeführerin auch eine Information der Strafvollzugsanstalt vor, welche seine Mutter bei der Gefängnisleitung beigeschafft habe und in welcher bestätigt werde, dass der Gatte der Beschwerdeführerin von 2000 bis 2003 im Gefängnis gewesen sei. Beim letzteren Datum handle es sich laut dem Gatten der Beschwerdeführerin um jenes Datum, zu welchem er entlassen hätte werden sollen. Tatsächlich habe er jedoch durch Bestechung seine Haftentlassung bereits mit 2002 erwirken können.

 

Demgegenüber gibt der Gatte der Beschwerdeführerin in der fortgesetzten mündlichen Verhandlung vom 14.09.2007 an, zu neun Jahren Haft verurteilt geworden zu sein, welche Strafe durch ein im August 2001 erlassenes Amnestiegesetz auf sechs Jahre verkürzt worden sei. Nach zwei Jahren, sohin nach einem Drittel seiner Haftstrafe, sei er wegen guter Führung entlassen worden.

 

Wenngleich bereits die Widersprüche zwischen den einzelnen Einvernahmen die getroffene Negativfeststellung zu tragen vermögen, so ist doch auch noch näher auf die "Entlassungsbestätigung" einzugehen. Abgesehen davon, dass es laut dem Gutachten der Dr. T. S. nicht wahrscheinlich ist, dass überhaupt eine derartige Bestätigung ausgestellt wird, ist in dieser auch erwähnt, dass der Gatte der Beschwerdeführer zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt worden sei, welche seitens des selben Gerichts am 2001 auf fünf Jahre gesenkt worden sei, was jedoch im Widerspruch zu den Ausführungen des Beschwerdeführers steht. Insbesondere ist von einer Verurteilung zu neun Jahren Haft darin nicht die Rede.

 

Diese Strafe von neun Jahren wird zwar auch vom seinerzeitigen Anwalt des Beschwerdeführers erwähnt, ebenso die Verkürzung dieser Strafe durch ein Amnestiegesetz auf sechs Jahre. Laut dem ergänzenden Gutachten der Dr. T. S., welches der Beschwerdeführerin bzw. deren Rechtsvertreter auch bekannt war, zumal in der Verhandlung der Söhne R. und M. vom 17.01.2008 darauf Bezug genommen wurde, sind die Aussagen dieses Anwaltes, N. B., jedoch mit Vorsicht zu genießen, zumal dieser in einem in Deutschland anhängigen Asylverfahren, welches seinen Neffen betroffen habe, Angaben zu dessen Gunsten gemacht habe, welche von jenen der dort ebenfalls befragten Personen abgewichen seien.

 

Aus all diesen Gründen konnten nur entsprechende Negativfeststellungen getroffen werden.

 

Auch die Mitgliedschaft des Gatten der Beschwerdeführerin zu einer politischen Partei konnte nicht festgestellt werden.

 

So hat der Gatte der Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren angegeben, aktives Mitglied der "Oppositionspartei" - welche auch so heiße - gewesen zu sein. Dies wird auch von der Beschwerdeführerin selbst in ihrem eigenen erstinstanzlichen Verfahren bestätigt.

 

In der Folge legte der Gatte der Beschwerdeführerin diverse Urkunden, insbesondere einen Mitgliedsausweis von 2002 vor, welcher jedoch keinen Parteinamen aufwies. In der mündlichen Verhandlung vom 30.06.2006 wies der Gatte der Beschwerdeführerin darauf hin, dass es sich dabei um die Volkspartei handle.

 

Aus dem Gutachten der Dr. T. S. hingegen geht jedoch zum einen hervor, dass die vom Gatten der Beschwerdeführerin zu dieser Partei gemachten Angaben so nicht zutreffend seien, zum anderen sei der Gatte der Beschwerdeführerin der Leiterin des Büros der Volkspartei in Erewan nicht bekannt und wurde der vorgelegte Parteiausweis mit der angeführten Nummer überdies jemand anderem ausgestellt. Auch sei der Gatte der Beschwerdeführerin - im Widerspruch zu den von ihm vorgelegten Urkunden - auch niemals Mandatar oder Delegierter der Volkspartei gewesen.

 

Der Asylgerichtshof sieht keinen Anlass, an dieser Auskunft zu zweifeln, zumal kein Grund offensichtlich ist, weshalb die Volkspartei eine allfällige Mitgliedschaft des Gatten der Beschwerdeführerin verleugnen sollte.

 

Die Zweifel an der Mitgliedschaft des Gatten der Beschwerdeführerin bei einer Partei werden überdies dadurch verstärkt, dass dieser in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 09.09.2003 zunächst überhaupt nicht erwähnt, im April 2003 von Regierungsmitgliedern für eine Nacht lang angehalten und geschlagen worden zu sein. Erst über Vorhalt der diesbezüglichen Aussage der gegenständlichen Beschwerdeführerin bestätigt er dies. Die diesbezügliche Rechtfertigung des Gatten, aufgeregt gewesen zu sein und sich nicht alles gemerkt zu haben, stellt nach Ansicht des Asylgerichtshofes eine bloße Schutzbehauptung dar, zumal sich dieser Vorfall - sofern er stattgefunden hat - in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur Ausreise des Beschwerdeführers ereignet hat und nach der Aussage der Beschwerdeführerin zumindest nicht auszuschließen ist, sogar der Auslöser dafür gewesen zu sein. Aus diesem Grund ist es eben nicht nachvollziehbar, dass dieser Vorfall seitens des Gatten der Beschwerdeführerin bei seiner eigenen Einvernahme völlig unerwähnt bleibt. Dies insbesondere auch deshalb, zumal der Gatte der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2007 selbst angibt, dass dieser Vorfall seinen Entschluss, Armenien zu verlassen, bestärkt habe.

 

Der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass durch die Negativfeststellung hinsichtlich einer Parteimitgliedschaft des Gatten der Beschwerdeführerin wiederum auch der Unfallshergang bzw. das Schussattentat - laut seinem erstinstanzlichen Vorbringen sei er Opfer eines Mordversuches seitens der "Mafia der Regierung" geworden - in Zweifel zu ziehen ist.

 

Nachdem also hinsichtlich der Parteimitgliedschaft des Gatten der Beschwerdeführerin sowie eines allfälligen, politisch motivierten Attentats auf diesen lediglich Negativfeststellungen getroffen werden konnten, war die logische Konsequenz daraus, dass auch die vorgebrachte (drohende) Verfolgung der Beschwerdeführerin wegen ihres Gatten nicht festgestellt werden konnte.

 

Die Negativfeststellung betreffend die aserbaidschanische Abstammung der Beschwerdeführerin war deshalb zu treffen, zumal diese zum einen auf der bloßen Behauptung der Beschwerdeführerin und ihrer Familienmitglieder beruht und in kleinster Weise bescheinigt wurde.

 

Zum anderen ergibt sich auch aus den im Laufe des Verfahrens getätigten Aussagen der Beschwerdeführerin, dass eine allfällige aserbaidschanische Abstammung nicht der Grund für ihre Ausreise aus Armenien gewesen ist.

 

So führt die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Asylantragstellung am 13.05.2003 wörtlich folgendes aus:

 

"[...] Wir hatten ganz große Probleme in Armenien. Alles hat mit meinem Mann zu tun. Mein Mann hat politische Konflikte [...]"

 

Von einer Verfolgung aufgrund einer allfälligen aserbaidschanischen Abstammung erwähnte sie zu diesem Zeitpunkt hingegen (noch) nichts.

 

Auch bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 05.08.2003 ist dies noch kein Thema, sondern führt die Beschwerdeführerin dort aus, dass sie Staatsangehörige von Armenien sei, der Volksgruppe der Armenier angehöre und armenisch, russisch und deutsch spreche. Ihre gesamte Schulausbildung (Grundschule, Hauptschule, Berufsschule) habe sie in Armenien absolviert.

 

Erst bei der niederschriftlichen Einvernahme am 09.09.2003 gibt die Beschwerdeführerin erstmals an, in Armenien immer wieder als Nichtarmenierin beschimpft worden zu sein. Für den Fall ihrer Rückkehr befürchte sie jedoch ausschließlich, wegen der oppositionellen Gesinnung ihres Gatten von der Regierung verfolgt zu werden. Sie selbst habe jedoch keine konkreten Probleme mit der Regierung gehabt.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat vom 30.06.2006 gibt die Beschwerdeführerin an, in Erewan geboren zu sein und von den Behörden als Armenierin geführt zu werden. Die aserbaidschanische Herkunft scheine auch in den Dokumenten nicht auf und spreche sie auch nicht aseri. Lediglich ihre Arbeitskolleginnen im Krankenhaus hätten von der aserbaidschanischen Abstammung gewusst und diese publik gemacht, weshalb sie 1989 gekündigt worden sei.

 

Anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat vom 14.09.2007 steigert die Beschwerdeführerin das einschlägige Vorbringen dahingehend, dass alle in Armenien über ihrer aserbaidschanische Herkunft Bescheid wüssten, dies auch, obwohl sie auch die Bezirke gewechselt habe. Auch nach ihrer Dienstbeendigung im Krankenhaus habe es immer Probleme gegeben, sie habe keinen Meldezettel erhalten, ihr Gatte habe nach seinem Gefängnisaufenthalt keine Registrierung erhalten und ihre Töchter seien nicht in die Schule gegangen.

 

In mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat im Verfahren ihrer Söhne am 17.01.2008 steigert die auch dort einvernommene Beschwerdeführerin ihr Vorbringen nochmals, indem sie anführt, 1993 von Frauen der Nachbarschaft gehänselt, mit Steinen beworfen und zusammengeschlagen worden zu sein. Auch bei einem anderen Vorfall, als sie Brot kaufen wollte, sei ihr dies verweigert, sie beschimpft und zusammengeschlagen worden. 1995, als sie mit ihren Zwillingstöchtern schwanger war und sie die Wehen bekommen habe, habe ihr der Notarzt den Transport ins Spital verweigert, als er ihren aserbaidschanischen Namen, welcher A. gelautet habe, gesehen habe. Erst in ihrem Ehevertrag sei ihr jetziger Familienname gestanden. In ihrem Pass, welcher ihr im Alter von 18 Jahren (also 1980) ausgestellt worden sei, seien noch der Name A. und die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit erwähnt gewesen. Sie sei keine armenische Staatsangehörige und auch in ihrem Ehevertrag stehe als Staatsbürgerschaft Aserbaidschan.

 

Diese letzten Aussagen der Beschwerdeführerin widersprechen jedoch eindeutig ihren früheren Angaben, insbesondere jenen vom 30.06.2006, wonach sie von den Behörden als Armenierin geführt worden und die aserbaidschanische Herkunft auch in den Dokumenten nicht aufgeschienen sei. Ferner hat auch ihr Gatte die geschilderten Vorfälle an keiner Stelle erwähnt, wovon jedoch auszugehen wäre.

 

Auch spricht die oben dargestellte Steigerung des Vorbringens im Laufe des Verfahrens gegen eine Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin, zumal erfahrungsgemäß davon auszugehen ist, dass die von Asylwerbern bei ihrer ersten Befragung gemachten Angaben am ehesten der Wahrheit entsprechen und diese es nicht verabsäumen würden, sich bietende Möglichkeiten zur Erstattung eines bedeutenden Vorbringens - wie es eben die Zugehörigkeit zu einer im Heimatstaat bekämpften Gruppierung ist - ungenützt verstreichen zu lassen (vgl. VwGH vom 07.06.2000, 2000/01/0205).

 

Gegen die Glaubwürdigkeit der Beschwerdeführerin spricht auch, dass diese zunächst anlässlich ihrer Asylantragstellung am 13.05.2003 angegeben hat, dass ihr Vater den Vornamen T. trage, wobei es sich laut Wissen des Asylgerichtshofes um einen typisch armenischen Vornamen handelt.

 

Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 05.08.2003 hingegen gibt die Beschwerdeführerin an, dass ihr Vater unbekannt sei. Auch in den mündlichen Verhandlungen vor dem unabhängigen Bundesasylsenat vom 30.06.2006 und 17.01.2008 führt sie aus, ihren Vater nicht zu kennen.

 

Weiters liegt auch ein Widerspruch dahingehend vor, dass die Beschwerdeführerin in ihrem erstinstanzlichen Verfahren (Einvernahme vom 09.09.2003) ausgesagt hat, dass ihr Sohn M. aufgrund seiner teilweise aserbaidschanischen Abstammung und der aus diesem Grund erfolgenden Beschimpfungen die Schule abbrechen musste. Demgegenüber gibt der Sohn M. in seinem Verfahren an, zwar wegen der aserbaidschanischen Abstammung seiner Mutter von Nachbarn und in der Schule laufend beschimpft worden zu sein, letztere jedoch freiwillig verlassen zu haben.

 

Selbst wenn sich die von der Beschwerdeführerin geschilderten Vorfälle tatsächlich ereignet haben sollten, so stehen diese auch in keinem zeitlichen Zusammenhang mit der Ausreise, weil jene bereits Jahre zuvor stattgefunden haben. Im Übrigen hätten die Beschwerdeführerin und ihre Familie laut den getroffenen Länderfeststellungen aufgrund der Mischehe keine Probleme in Form von Bedrohungen oder Verletzungen zu erwarten.

 

Die getroffenen Länderfeststellungen gründen sich auf das auszugsweise zitierte Dokumentationsmaterial, welches in der mündlichen Verhandlung der Söhne der Beschwerdeführerin vom 17.01.2008 dargelegt wurde, an welcher Verhandlung auch die Beschwerdeführerin und der gemeinsame Rechtsvertreter teilgenommen haben. Diesen Länderberichten wurde jedoch nicht entgegengetreten und waren sie daher, zumal sie auch aus zuverlässigen Quellen stammen, diesem Erkenntnis zu Grunde zu legen. In diesem Zusammenhang sei auch festgehalten, dass kein aktuellerer Bericht des Auswärtigen Amtes vorliegt als der zitierte vom 20.03.2007.

 

Rechtliche Beurteilung:

 

4.1. Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs 1 AsylG 1997 werden Asylanträge, die bis zum 30.04.2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 geführt. Die §§ 8, 15, 22, 23 Abs 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a sind gemäß § 44 Abs 3 leg cit idF BGBl I Nr. 101/2003 auch auf Verfahren gemäß Abs 1 anzuwenden.

 

Nachdem der gegenständliche Asylantrag vor dem 30.04.2004 gestellt wurde, ist zusammengefasst also das AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 126/2002 mit den soeben genannten Maßgaben anzuwenden.

 

4.2. Gemäß § 38 Abs 1 AsylG 1997 entscheidet der unabhängige Bundesasylsenat über Rechtsmittel gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 75 Abs 7 AsylG 2005 idF BGBl I Nr 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenats, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

4.3. Das gegenständliche Verfahren war am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Die erkennende Richterin des Asylgerichtshofes war Mitglied des unabhängigen Bundesasylsenats und haben am 30.06.2006 am 14.09.2007 und 17.01.2008 bereits mündliche Verhandlungen stattgefunden. Gemäß der zitierten Bestimmung des § 75 Abs 7 Z 1 ergibt sich daher die Zuständigkeit der erkennenden Richterin, das Verfahren als Einzelrichterin weiterzuführen.

 

4.4. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention [GFK]) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011, VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131, VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011, VwGH 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131).

 

4.4. Aus dem oben festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin eine Verfolgung ihrer Person nicht glaubhaft machen und diese daher auch nicht festgestellt werden konnte.

 

Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die fluchtkausalen Angaben des Asylwerbers - wie vorliegend - als nicht glaubhaft, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt werden und ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (VwGH, 09.05.1996, 95/20/0380).

 

Es waren daher die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht gegeben und war daher Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen.

 

4.5. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG hat die Behörde im Fall der Abweisung eines Asylantrages von Amtswegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß Artikel 5 § 1 des Fremdenrechtspaketes, BGBl I Nr. 100/2005, ist das Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997), BGBl I Nr. 75/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr. 151/2004, mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten. Gemäß § 126 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, ist dieses mit 01.01.2006 in Kraft getreten.

 

Gemäß 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des § 8 Abs. 1 AsylG 1997 auf § 57 FrG nunmehr auf § 50 FPG zu beziehen.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Zurückweisung, Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrecht und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG 2005).

 

Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Abschiebung Fremder in einen Staat, in dem sie zwar im Sinne des Abs. 2, jedoch nicht im Sinne des Abs. 1 bedroht sind, nur zulässig, wenn sie aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder wenn sie von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten (Art. 33 Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge).

 

Gemäß Abs. 6 leg. cit. ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Die Regelungsgehalte von § 57 FrG und § 50 FPG unterscheiden sich nicht in einer solchen Weise, dass es für den vorliegenden Fall von Bedeutung wäre. Die Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sich - mittelbar oder unmittelbar - auf § 57 FrG bezieht, lässt sich daher auf § 50 FPG übertragen.

 

4.6. Wie bereits oben ausgeführt, ist eine an asylrechtlich relevante Merkmale im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK anknüpfende Verfolgung nicht anzunehmen, so dass die Anwendbarkeit des § 57 Abs. 2 FrG ausscheidet.

 

Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat Artikel 2 oder 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würden oder für die Beschwerdeführerin als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Nach dem festgestellten Sachverhalt besteht aber auch kein Hinweis auf solch "außergewöhnliche Umstände", welche eine Rückkehr der Beschwerdeführerin nach Armenien unzulässig machen könnten. Die Grundversorgung ist nach den getroffenen Feststellungen gewährleistet, weiters besteht in Armenien keine extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Artikel 2 oder 3 EMRK ausgesetzt wäre.

 

Rückkehrer werden in die Gesellschaft integriert, haben Zugang zu allen Berufsgruppen und können dabei ihre allfälligen Deutschkenntnisse nutzen.

 

Der Beschwerdeführerin ist eine erwachsene Frau im Alter von 46 Jahren, die an keinen Krankheiten leidet. Die Beschwerdeführerin ist gelernte Krankenschwester und war laut eigenen Angaben bis 1989 als solche tätig. Sie wurde bislang in Armenien von ihrem Ehegatten unterstützt und ist davon auszugehen, dass sie auch in Hinkunft in Armenien ihren Lebensunterhalt - mit Unterstützung durch ihren Ehegatten bzw. ihre Familie - bestreiten kann.

 

Bei Berücksichtigung aller bekannten Fakten deutet auch nichts darauf hin, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückverbringung in seinen Herkunftsstaat als Zivilperson der realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wäre.

 

Demnach war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen und insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Familienverfahren, gesteigertes Vorbringen, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, non refoulement
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten