TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/15 B3 248723-0/2008

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Veröffentlicht am 15.07.2008
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Spruch

GZ: B3 248723-0/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde von G.S., geboren am 00.00.1971, ein Staatsangehöriger von Usbekistan, vertreten durch H.S., vom 1. April 2004 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. März 2004, Zahl:

03 17.019-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 1. Februar 2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und G.S. gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idF BG BGBl. I Nr. 126/2002, Asyl gewährt. Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass G.S. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 7. Juni 2003 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erklärte gemäß § 8 AsylG seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Republik Usbekistan für zulässig (Spruchpunkt II.).

 

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Am 1. Februar 2008 führte die Rechtsmittelbehörde in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurden der Beschwerdeführer, seine Ehefrau und seine Schwiegermutter einvernommen. Weiters wurden das länderkundliche Gutachten von Univ. Prof. Dr. R.P. vom Institut für Rechtsphilosophie, Religions- und Kulturrecht der Universität Wien, vom 20. Jänner 2006 (Beilage 1 zur Verhandlungsschrift [VS]), der Bericht des U.S. Department of State vom 14. September 2007, Uzbekistan, International Religious Freedom Report 2007 (Beilage 2 zur VS), der Bericht des U.S. Department of State vom 6. März 2007, Uzbekistan, Country Reports on Human Rights Practices - 2006 (Beilage 3 zur VS), die ACCORD Anfragebeantwortung vom 28. Juni 2006, Zahl: a-4911, (Beilage 4 zur VS), der Bericht des Freedom House, Freedom in the World - Uzbekistan 2007 (Beilage 5 zur VS), der Bericht der International Crises Group vom 22. August 2007, Uzbekistan: Stagnation and Uncertainty (Beilage 6 zur VS), der Bericht von Amnesty International Deutschland, Jahresbericht 2007 zu Usbekistan (Beilage 7 zur VS), der Bericht von Human Rigths Watch vom November 2007, Nowhere to Turn, Torture and Ill-treatment in Uzbekistan (Beilage 8 zur VS) und das Gutachten von Mag. N.R. vom 31. Dezember 2006 zur UBAS Zahl: 236.490 (Beilage 8 zur VS), erörtert.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

1.1. Zur hier relevanten Situation in der Republik Usbekistan:

 

1.1.1. Demographische Angaben:

 

Usbekistan (usbek. O'zbekiston; amtlich Republik Usbekistan, usbek. O'zbekiston Respublikasai) ist der bevölkerungsreichste Staat in Zentralasien und grenzt an alle üblicherweise zu Zentralasien gezählten Staaten (Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Afghanistan und Turkmenistan).

 

Usbekistan hat eine Gesamtbevölkerung von 26.851.195 Einwohnern (Stand 2005) und eine durchschnittliche Bevölkerungsdichte von 59 Einwohnern pro km². Die Besiedlung verteilt sich jedoch ungleichmäßig auf das Land. So steigt die Bevölkerungsdichte in den zu mehreren Staaten gehörenden Ferghana-Becken auf über 400 Einwohner pro km².

 

Die Bevölkerung Usbekistans besteht nach offiziellen Angaben von 1993 zu 73,7 % aus Usbeken, 5,5 % Russen, 5,1 % Tadschiken, 4,2 % Kasachen, 2 % Krimtataren, 2 % Karakalpaken, 1,1 % Koreanern. Zu den kleineren Minderheiten zählen Uiguren, Deutsche (etwa 40.000), Meschetische Türken, Aserbaidschaner und Türken. In manchen Landesteilen, wie dem Gebiet um die Städte Samarkand und Buchara ist eine ethnische Zuordnung allerdings kaum möglich, da die dortige Bevölkerung traditionell zweisprachig (usbekisch- und tadschikischsprachig) ist und eine Trennung in zwei verschiedene Völker erst durch die moderne amtliche Terminologie eingeführt worden ist. Insofern ist die sprachliche und kulturelle "Usbekisierung" Teil einer nationalstaatlichen Konsolidierung nach übernommenen sowjetischen und türkischen Staatsvorstellungen.

 

Die Religion der Mehrheit der Bevölkerung ist der Islam (zumeist Sunniten, schiitische Minderheiten, vor allem in Buchara und Samarkand). Zudem gibt es Christen (Angehörige der Russischen Orthodoxen Kirche, der Armenisch-Apostolischen Kirche, Katholiken und Protestanten (vor allem Baptisten und Evangeliums-Christen), gläubige Juden, Buddhisten, Baha'i und Krishnaiten. Im Unterschied zu den Bevölkerungen in den Nachbarländern Kasachstan, Kirgisien und Turkmenistan - die bis heute im Nomadentum wurzeln und lange nur oberflächlich islamisiert waren war die Region des heutigen Usbekistan schon seit dem frühen Mittelalter ein Kerngebiet islamischer Kultur. Wesentlich dafür war die hoch entwickelte, persisch geprägte Stadtkultur. Insbesondere die alten Zentren in der heutigen Landesmitte, Buchara und Samarkand, haben kulturell eine außergewöhnliche Geschichte. Die Sprache und Kultur Persiens wird noch heute von vielen Menschen im Umkreis dieser Städte gepflegt, während sich die Staatssprache Usbekisch aus osttürkischen Idiomen entwickelte. Die iranisch-kulturelle Prägung wird etwa auch darin deutlich, dass das traditionelle indoiranische Neujahrsfest Newroz (usebkisch: Navro'z), ein gesetzlicher Feiertag ist.

 

1.1.2. Die Verfassungsordnung Usbekistans:

 

Usbekistan ist gemäß der Verfassung eine präsidiale Demokratie. Derzeit unterstützen alle im Parlament vertretenen Parteien den Präsidenten Islam Karimov. Politisch ist Usbekistan in 12 Provinzen, die autonome Republik Karakalpakistan und den Stadtbezirk Taschkent untergliedert. Das Gerichtswesen ist konventionell aufgebaut, jedoch wird in allen Kommentaren ein hoher Grad an Korruption bemängelt.

 

Eine besondere Bedeutung haben die so genannten Nachbarschafts-Komitees ("Mahalla-Komitees"), deren Einrichtung sich immer wieder als zweischneidiges Schwert erweist. Sie erfüllen unterschiedliche soziale Funktionen aus und sind damit auch ein Instrument der sozialen Kontrolle. Jedes Komitee bestellt einen Nachbarschaftswächter, der für die öffentliche Ordnung und das moralische Klima in der "Mahalla" zu sorgen hat. Hauptsächlich zur Hintanhaltung des islamistischen Extremismus eingesetzt, kann diese soziale Kontrolle auch für Angehörige religiöser Minderheiten zum Problem werden.

 

Usbekistan ist Mitglied in folgenden internationalen Organisationen:

GUS, SCO, UNO, Economic Cooperation Organization (ECO), OATCT, Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), Zentralasien-Gipfel der Türkischen Republiken.

 

1.1.3. Zur aktuellen politischen Lage:

 

Usbekistan bemühte sich, gute Beziehungen sowohl zu Russland, als auch zum Westen zu unterhalten. Diese werden als Verbündete gegen den islamischen Fundamentalismus betrachtet, der von Regierungsseite als größte äußere Bedrohung des Landes dargestellt wird. Die Menschenrechtssituation wurde durch den Westen bis zur Niederschlagung der Unruhen in Andischan weitestgehend ignoriert, u. a. die Regierung Karimov sich nicht an durch Russland dominierte Bündnissen der GUS-Staaten (Organisation für kollektive Sicherheit, Euro-Asiatische Wirtschaftsunion) beteiligte, sondern dem Russlandskeptischen Bündnis GUUAM (Georgien, Ukraine, Usbekistan, Aserbaidschan, Moldawien) beitrat und den USA und Deutschland Stützpunkte für die in Afghanistan stationierten Einheiten zur Verfügung stellte.

 

Nach dem 11. September 2001, als Usbekistan die USA in ihrem "Kampf gegen den Terror" unterstützte, waren die Beziehungen zwischen den USA und Usbekistan sehr gut.

 

Am 12./13. Mai 2005 kam es in Andischan im Ferghana-Tal zu Demonstrationen gegen die Regierung von Präsident Karimow. Auslöser war ein Prozess gegen 23 lokale Kleinunternehmer, die beschuldigt wurden, Mitglieder einer Splittergruppe von Hizb ut-Tahrir (siehe unten) zu sein. Mehrere Teilnehmer der Kundgebung gegen den Prozess wurden von Sicherheitskräften verhaftet. Daraufhin stürmten Demonstranten das lokale Gefängnis und befreiten Hunderte Gefangene. Die Regierung setzte am 13. Mai 2005 Sicherheitskräfte ein, die den Aufstand mit massivem Gewalteinsatz niederwarfen. Laut Regierungsangaben wurden 169 Menschen getötet, darunter 32 Sicherheitskräfte. Menschenrechtsorganisationen sprachen dagegen von 500 bis 1000 Toten unter weitgehend unbewaffneten Demonstranten. Die mehrtägigen Unruhen, die neben Andischan auch in anderen Städten nahe der Grenze zu Kirgisistan stattfanden, wurden von der Regierung Karimov der Hizb ut-Tahrir und international agierenden islamistischen Terroristen zugeschrieben und ihre blutige Unterdrückung als Kampf gegen den Terror ausgegeben. Präsident Karimov lehnte eine von UN, EU und USA geforderte Untersuchung ab. Human Rights Watch bezeichnete im Juni 2005 die Vorgänge nach der ausführlichen Befragung von mehr als 50 Augenzeugen als Massaker. Nach der Niederschlagung der Unruhen in Andischan war Usbekistan international isoliert und veränderte seine außenpolitische Orientierung. Die USA und die EU verhängten Sanktionen gegen Usbekistan. Die Vollversammlung der UNO nahm am 23. November 2005 eine Resolution an, die Usbekistan verurteilte. Für die Resolution stimmten 73 Staaten, 58 enthielten sich der Stimme und dagegen stimmten Aserbaidschan, Kasachstan, Russland, Tadschikistan, Turkemistan und Weißrussland. 2005 kam es auch zur Schließung der westlichen Stützpunkte. Russland nützte die Isolierung Usbekistans aus, um seine Position in der Region zu stärken. Die russischen Behörden lieferten auf Ansuchen der usbekischen Regierung mehr als zehn Personen aus, die von den usbekischen Behörden gesucht gesucht wurden. Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow stellte fest, dass Usbekistan durch den "internationalen Terrorismus" bedroht werde. Usbekistan erklärte seine Bereitschaft, sich dem durch Russland dominierten Verteidigungsbündnis der GUS-Staaten (Organisation für kollektive Sicherheit) anzuschließen und unterzeichnete ein Bündnis mit Russland.

 

1.1.4. Zur Situation der Menschenrechte im Allgemeinen:

 

Die Situation der Menschenrechte in Usbekistan wird von allen einschlägigen Menschenrechtsorganisationen als äußerst schlecht ("dramatisch, "drastisch", "disaströs", "very poor") beurteilt. Wesentliche Lebensbereiche, die auch eine Nähe zu menschenrechtlichen Garantien aufweisen (wie Gerichtsbarkeit, Bildungswesen, Gesundheitswesen), werden als durch ein hohes Maß an Korruption gekennzeichnet dargestellt.

 

Die Medien sind durch die offizielle Informationsagentur dominiert, trotz formeller Abschaffung der Zensur und der Garantie der Meinungsfreiheit sieht die Praxis anders aus, was sich vor allem auch im Vorgehen gegen unliebsame Journalisten immer wieder zeigt. In letzter Zeit wurden immer häufiger auch über Diskriminierungen gegen Tadschiken berichtet. Bereits 1998 kam es zu Bücherverbrennungen, persischsprachige Medien und Zeitungen wurden unterdrückt.

 

Die gesetzlich vorgesehene Registrierung von Parteien und Religionsgemeinschaften wird sehr restriktiv bzw. schikanös gehandhabt, Aktivitäten von Minderheitsreligionen werden häufig eingeschränkt. Das usbekische Religionsgesetz von 1998 sieht ein hohes Maß an staatshoheitlicher Aufsicht vor und steht unter massiver internationaler Kritik.

 

Laut Amnesty-Bericht 2004 missachteten die usbekischen Behörden "trotz einiger weniger Gesetzes- und Justizreformen nach wie vor ihre internationalen und nationalen Verpflichtungen im Bezug auf die Menschenrechte und unternahmen nichts, um die miserable Menschenrechtslage zu verbessern.

 

...

 

1.1.5. Die Merkmale der gegenwärtigen Situation lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

 

Auflösung der russischsprachigen Bevölkerungsgruppe;

Wirtschaftlicher Niedergang für die Mehrheit der Bevölkerung;

Ressourcenverteilung (Eigentum und Macht) nach verwandtschaftlichen Merkmalen (Familie, Klan, Freunde, Klanverband, Ethnie), wodurch die russischsprachige und bucharajüdische Bevölkerung generell benachteiligt wird und damit verbunden diktatorische Machtstrukturen, die Willkür gegen schutzlose Personen ausüben;

ethnische, konfessionelle, kulturelle Überlagerungen der sozialen Spannungen, u.a. starker Zulauf zu islamistischen Gruppen, die allerdings von der Regierung Karimov mit brachialen Methoden bekämpft werden.

 

Neben der politischen Instabilität sind es vor allem wachsende Arbeitslosigkeit, Unsicherheit bezüglich der Zukunft, fehlende Kenntnisse der usbekischen Sprache, die als Staatssprache immer mehr durchgesetzt wird, welche zur Abwanderung führen. ...

 

Die Abwanderung der russischsprachigen Bevölkerung und speziell der jüdischen Bevölkerung ist ein kumulativer Prozess mit Sogwirkung. Die verbliebenen Juden gehören älteren Jahrgängen an, da die jüngeren Personen fast gänzlich weggezogen sind. Ein Wiederaufleben des jüdischen Gemeindelebens ist auch unter eher unwahrscheinlichen Verbesserungen der Lebensbedingungen kaum zu erwarten, unter gleich bleibenden Lebensbedingungen wird bestenfalls die gesamte russischsprachige Bevölkerungsgruppe weiter existieren. Im Falle eines weiteren Absinkens des Lebensstandards, und der damit verbundenen zusätzlichen ethnischen und religiösen Radikalisierung ist mit einem Exodus dieser gesamten Bevölkerungsgruppe mit Ausnahme einiger hoch qualifizierter Spezialisten und reicher Geschäftsleute zu rechnen. Die Regierung Karimov bemüht sich jedenfalls die russischsprachige Bevölkerung und die Bucharajuden zu behalten. Es herrscht daher offiziell kein antijüdisches Klima und eine staatliche Verfolgung von Juden in Usbekistan ist gegenwärtig nicht gegeben.

 

Ungeachtet dessen, dass in den größeren Städten Usbekistans, vor allem in Samarkand, immer noch ein tolerantes, interethnisches Klima erhalten geblieben ist, wird die Situation für Minderheiten zunehmend prekärer. Es besteht vor allem für Angehörige der russischsprachigen Bevölkerung bzw. der jüdischen Minderheit eine gewisse Schutzlosigkeit, die sich auch in Drohungen und Erpressungen äußert. Dies gilt sowohl für Übergriffe oft nicht mehr kontrollierbarer Behörden, als auch nationalistischer bzw. religiös-fundamentalistischer Gruppen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die oben erwähnte Einrichtung der "Mahalla-Komitees" zu verweisen, deren "polizeiliche" Funktionen für Angehörige von Minderheiten und damit auch für die jüdischen Bürger ein deutliches Bedrohungspotential aufweisen. Wie die Demonstrationen in Andischan verdeutlicht haben, entsteht aus der Verknüpfung von ökonomischen und sozialen Missständen mit Machtansprüchen islamistisch/dschihadistischer Gruppen eine explosive politische Mischung. Es wird ein Klima erzeugt, in dem auch die bucharajüdische Minderheit zunehmend mit einer feindlichen Umwelt konfrontiert wird, was durch die antizionistische Propaganda islamistischer Gruppen eine politische Unterfütterung erhält. Häufig wird die Schuld für die gegenwärtige schlechte Lage in Usbekistan dem Westen und im Besonderen den Juden, gegeben. Derartige Verschwörungstheorien verschlechtern die Situation der jüdischen Minderheit permanent. Es gehört auch zur politischen Agitation von Islamisten, die Regierung Karimov der "Zusammenarbeit mit den Zionisten" zu beschuldigen.

 

In dem so umschriebenen Klein-Klima ist aus den genannten Gründen bei Verfolgungsmaßnahmen durch Private kaum staatlicher Schutz zu erwarten.

 

Quelle: länderkundliches Gutachten von Univ. Prof. Dr. R.P. (Beilage 1 zu VS).

 

1.2. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am 1. Juli 1972 in Taschkent geboren. Er ist ein usbekischer Staatsbürger, Angehöriger der russischen Volksgruppe und der orthodoxen Religionsgemeinschaft. Er ist mit G.A., welche jüdischer Abstammung ist, verheiratet und der Vater von G.Z., sowie des in Österreich geborenen G.P..

 

Der Beschwerdeführer betrieb eine Imkerei. 2002 kamen drei moslemische Männer zum Beschwerdeführer und verlangten Schutzgeld in Form von 150 kg Honig und drohten, dass der Beschwerdeführer ohne Zahlung seine Imkerei nicht weiter betreiben dürfe. Der Beschwerdeführer vertröstete diese Männer, weil er nicht die Menge Honig zur Verfügung hatte. Als die Männer am nächsten Tag kamen und den Beschwerdeführer nicht vorfanden, schlugen sie die Ehefrau und die Tochter des Beschwerdeführers krankenhausreif zusammen. Der Beschwerdeführer zeigte diesen Vorfall bei der zuständigen Polizeibehörde an, die jedoch seine Anzeige nicht entgegen nahm. Am 00.00.2002 wurde die Imkerei des Beschwerdeführers von mehreren Personen in Brand gesteckt und der Beschwerdeführer bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen und ins nahe gelegene Spital gebracht. Ermittlungen, die aufgrund der Brandlöschung von der Feuerwehr und der Polizei zunächst eingeleitet wurden, wurden wieder eingestellt. Dem Beschwerdeführer wurde von Major T. zu verstehen gegeben, dass er selbst daran schuld sei, dass seine Imkerei niedergebrannt worden sei. Nach seiner Spitalsentlassung drohte der Beschwerdeführer T., sich an höhere Instanzen zu wenden, wenn die Ermittlungen nicht weitergeführt würden. Daraufhin erhielten der Beschwerdeführer, seine Ehefrau und seine Schwiegermutter von Unbekannten Drohbriefe und Drohanrufe. Drohinhalt war, dass aufgrund ihrer russischen bzw. jüdischen Abstammung massive körperliche bzw. sexuelle Übergriffe stattfänden, sollten sie Usbekistan nicht verlassen. Den dazu erstatteten Anzeigen gingen die zuständigen Sicherheitsbehörden Usbekistans nicht nach. Am 00.00.2002 wurde die Ehefrau des Beschwerdeführers zu Major T. geladen, der sie in weiterer Folge mit zwei Polizisten mehrmals vergewaltigte. Am 00.00.2002 kamen Männer zur Schule der Tochter des Beschwerdeführers und wollten diese entführen. Diese Entführung konnte jedoch durch die anwesenden Schüler und Lehrer verhindert werden. Am 00.00.2002 wurde die Wohnung des Beschwerdeführers mit Steinen beworfen. Unbekannte wollten die Tür aufbrechen. Mit Hilfe von Nachbarn konnten (weitere) Übergriffe abgewendet werden. Der Beschwerdeführer zeigte diesen Vorfall wieder an. Die zuständige Polizeibehörde leitete erneut keine Ermittlungen ein. Daraufhin flüchtete der Beschwerdeführer mit seiner Familie und seiner Schwiegermutter am 17. Jänner 2003 aus Usbekistan.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus folgender Beweiswürdigung:

 

2.1. Die Feststellungen zur Situation in Usbekistan stützen sich auf die zitierte Quelle, die in der Verhandlung erörtert wurde. Angesichts der Seriosität dieser Quelle und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen die Verfahrensparteien nicht entgegengetreten sind, besteht für den Asylgerichtshof kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln. Überdies stimmen sie mit den Inhalten der anderen, in der Verhandlung erörterten Berichte überein.

 

2.2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinem glaubwürdigen Vorbringen, den vorgelegten usbekischen Reisepässen von ihm und seiner Ehefrau (AS 107f) sowie aus der Geburtsurkunde seines Sohnes (AS 3 zur Zahl 05 16.316-BAL).

 

2.2.2. Die Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers basieren auf folgenden Überlegungen: Bei Einbeziehung des persönlichen Eindrucks vom Beschwerdeführer, seiner Ehefrau und seiner Schwiegermutter, der im Rahmen der Berufungsverhandlung gewonnen werden konnte, ist deren Angaben zu den Geschehnissen in Usbekistan vor der Ausreise im Jänner 2003 Glaubwürdigkeit zuzubilligen; die diesbezüglichen Angaben im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren erweisen sich als detailreich, frei von Widersprüchen und stellen sich - vor dem Hintergrund usbekischer Verhältnisse - auch als plausibel dar. Zusätzlich werden sie durch die vorgelegten Anzeigen des Beschwerdeführers bei der Polizeistation bzw. die behördlichen Schreiben, wonach zunächst Ermittlungen eingeleitet wurden, diese jedoch wieder eingestellt wurden (AS 51f, 59 f, 99f, 111f) sowie der vorgelegten Krankenbestätigung über den Krankenhausaufenthalt des Beschwerdeführers (AS 127) untermauert.

 

Zu den Ausführungen des Bundesasylamtes ist Folgendes festzuhalten:

Das Bundesasylamt argumentiert lediglich, die vom Beschwerdeführer "präsentierte Fluchtgeschichte" sei zu "blass, wenige detailreich und zu oberflächlich und daher infolge als keinesfalls glaubhaft zu qualifizieren". Dem ist entgegen zu halten, dass der Beschwerdeführer - wie oben ausgeführt - bereits vor dem Bundesasylamt ausgesprochen detailreich und durch zahlreiche Dokumente unterstützt sein Vorbringen erstattete. Es ist somit nicht nachvollziehbar, wie das Bundesasylamt zu seiner Argumentation gelangen konnte.

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1.1. Gemäß § 75 Abs. 1 Asylgesetz 2005 sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 idF der AsylG-Novelle 2003 sind Verfahren über Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt worden sind, nach den Bestimmungen des AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

3.1.2. Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag vor dem 1. Mai 2004 gestellt; das Verfahren war am 31. Dezember 2005 anhängig; das Verfahren ist daher nach dem AsylG idF BG BGBl. I 126/2002 zu führen.

 

3.2.1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

3.2.2. Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor der nunmehr zuständigen Richterin stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

3.3.1. Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 23 AsylG (bzw. § 23 Abs. 1 AsylG idF der AsylGNov. 2003) ist auf Verfahren nach dem AsylG, soweit nicht anderes bestimmt ist, das AVG anzuwenden (vgl. auch Art. II Abs. 2 lit. D Z 43 a EGVG). Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Rechtsmittelinstanz, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

 

3.3.2. Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH 24.3.1999, 98/01/0352). Das einer "inländischen Fluchtalternative" innewohnende Zumutbarkeitskalkül setzt voraus, dass der Asylwerber im in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (VwGH 8.9.1999, 98/01/0614, 29.3.2001, 2000/20/0539).

 

3.3.3.1. Vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen zur Situation in der Republik Usbekistan besteht für den Beschwerdeführer angesichts des zu seinen Asylgründen festgestellten Sachverhalts eine objektiv nachvollziehbare Verfolgungsgefahr:

 

Bei einer Rückkehr in die Republik Usbekistan muss der Beschwerdeführer mit weiteren Übergriffen von denjenigen (Privat-)Personen rechnen, die ihn bereits in der Vergangenheit massiv bedroht und attackiert haben. Diese Verfolgungsgefahr ist asylrelevant, weil sie ihre Ursache in der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur russischen Ethnie bzw. der jüdischen Abstammung seiner Ehefrau hat. Ob diese Übergriffe Dritten oder staatlichen Behörden zuzurechnen sind, ist nicht von entscheidender Bedeutung, weil es für einen Verfolgten keinen Unterschied macht, ob er aufgrund staatlicher Verfolgung mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ihm dieser Nachteil aufgrund einer von dritten Personen ausgehenden, vom Staat nicht ausreichend verhinderbaren Verfolgung mit derselben Wahrscheinlichkeit droht. In beiden Fällen ist es ihm nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohl begründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 14.5.2002, 2001/01/0140). Von einer Schutzwilligkeit bzw. effektiven Schutzgewährung usbekischer Behörden gegen (ethnisch bzw. religiös motivierte) Übergriffe ist nicht auszugehen. Weiters steht dem Beschwerdeführer keine zumutbare Ausweichmöglichkeit innerhalb der Republik Usbekistan zur Verfügung, weil er weder über ein familiäres Netz noch über eine Existenzgrundlage verfügt.

 

3.3.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, wegen seiner russischen Volksgruppenzugehörigkeit bzw. der jüdischen Abstammung seiner Ehefrau verfolgt zu werden, außerhalb der Republik Usbekistans aufhält und dass auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe vorliegt. Gemäß § 12 AsylG war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Schlagworte
Familienverband, inländische Schutzalternative, Lebensgrundlage, Misshandlung, private Verfolgung, Religion, Schutzunfähigkeit, Schutzunwilligkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Zumutbarkeit, Zurechenbarkeit
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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