TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/15 S5 400427-1/2008

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Veröffentlicht am 15.07.2008
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Spruch

GZ: S5 400.427-1/2008/3E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des A.M., geb. 00.00.1985, StA. der Russischen Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.7.2008, Zahl: 08 04.292-EAST Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger von Russland, stammt aus Tschetschenien und ist eigenen Angaben zufolge von Weißrussland aus mit dem Zug am 6.4.2008 nach Polen gereist, wo er am selben Tag einen Asylantrag gestellt hat (vgl. Aktenseite 19 sowie Eurodac-Treffer Aktenseite 11). Er ist sodann eigenen Angaben zufolge am 14.5.2008 illegal ins österreichische Bundesgebiet weitergereist, wo er schließlich am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

 

Mit E-mail vom 16.5.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme des Asylwerbers.

 

Polen hat sich mit Fax vom 21.5.2008, datiert 19.5.2008, (Aktenseite 153) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Polen zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er sich in Polen nicht sicher fühle. In Polen habe er jene Personen von einer Spezialeinheit der Miliz gesehen, die er bereits in seiner Heimat gesehen und gefürchtet habe. Er nehme an, dass er auch in Polen von diesen Leuten verfolgt werden könnte. In Österreich fühle er sich sicher. In Österreich lebe seit 4 Jahren sein Bruder. Dieser könne ihn finanziell unterstützen.

 

Eine am 23.6.2008 von einer Fachärztin der Allgemeinmedizin und psychotherapeutischen Medizin, Dr. med. I.H., durchgeführte Untersuchung des Asylwerbers hatte zum Ergebnis, dass beim Asylwerber bis zum Untersuchungstag bis auf die von ihm angegebenen Schlafstörungen keine Symptome einer krankheitswertigen psychischen Störung zu explorieren seien. Weiters gebe es keine typischen Symptome einer Traumafolgestörung oder einer anderen psychischen Störung (Aktenseite 86).

 

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.7.2008, Zahl: 08 04.292-EAST Ost gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Sachverhalt insbesondere hinsichtlich der familiären Bindungen zu seinem Bruder und einem bestehenden Abhängigkeitsverhältnis nicht ausreichend ermittelt worden sei. Zu seinem in Österreich seit 4 Jahren lebenden Bruder habe er immer schon ein sehr enges Verhältnis gehabt. Bis zu dessen Flucht nach Österreich habe er mit diesem zusammengelebt. Sein Bruder habe ihn bereits in Tschetschenien finanziell unterstützt. Auch habe ihm sein Bruder seine Flucht finanziert. Er lebe, seit er in Österreich sei, bei seinem Bruder und fahre nur regelmäßig nach Traiskirchen (EAST Ost), um die Leistungen aus der Grundversorgung nicht zu verlieren. Er verbringe mit seinem Bruder den Alltag gemeinsam.

 

Für ihn sei Polen kein sicherer Staat, er habe in Polen jene Personen, die in S. Säuberungsaktionen durchgeführt und alle tschetschenischen Männer auf der Straße kontrolliert hätten, wieder gesehen und fürchte, von diesen in Polen verfolgt zu werden. Seit dem Aufeinandertreffen in Polen mit den oben bezeichneten Männern habe er erneut schwere psychische Probleme, sodass es im Falle seiner Überstellung nach Polen zu einer Retraumatisierung kommen würde.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber wieder aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Zu den in der Beschwerde geäußerten Befürchtungen, wonach der Asylwerber im Falle seiner Rücküberstellung nach Polen Gefahr liefe, in Polen möglicherweise von jenen Miliz-Angehörigen verfolgt zu werden, auf welche er bereits in Tschetschenien gestoßen sei, ist auszuführen, dass Polen als Mitgliedstaat der EU zweifellos in der Lage und auch willens ist, vor allfälligen Übergriffen Privater, wie sie der Beschwerdeführer befürchtet, effektiv Schutz zu bieten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass den Angaben des Beschwerdeführers auch nicht entnommen werden kann, dass dieser im Rahmen seines Aufenthaltes in Polen jemals versucht hätte, sich bezüglich der Erlangung polizeilichen Schutzes an die polnischen Sicherheitskräfte zu wenden bzw. umso weniger, dass diese ihm entsprechenden Schutz versagt hätten.

 

Soweit der Asylwerber in seiner Beschwerde erstmals behauptet, dass er traumatisiert sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass er einer medizinischen Untersuchung zugeführt worden ist, die

 

keinerlei Anzeichen für eine Traumafolgestörung bzw. eine sonstige psychische Störung ergeben hat (Aktenseiten 89). Seine diesbezüglichen Behauptungen sind demgemäß erkennbar bloß der Versuch, die Zulassung zum österreichischen Asylverfahren zu erzwingen.

 

Soweit der Asylwerber in seiner Beschwerde geltend macht, im Falle seiner Rückschiebung nach Polen in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt zu werden, da zwischen ihm und seinem in Österreich wohnhaften Bruder eine enge familiäre Verbundenheit bestünde, ist auszuführen, dass das Vorliegen einer intensiven Nahebeziehung zu seinem Bruder schon angesichts der langen Zeitspanne, in welcher der Asylwerber von seinem nunmehr seit vier Jahren in Österreich befindlichen Bruder getrennt war und der Kürze des nunmehrigen Aufenthaltes des Asylwerbers im Bundesgebiet, verneint werden muss. Dass eine besondere familiäre Verbundenheit zu seinem Bruder bestünde, kann überdies deshalb ausgeschlossen werden, da der Asylwerber im Rahmen der Erstbefragung weder das genaue Geburtsdatum seines Bruders noch dessen Adresse anzugeben wusste (vgl. Aktenseite 17) und erst im Beschwerdeschriftsatz dessen exaktes Geburtsdatum anführte. Vor dem Hintergrund, dass es sich beim Bruder des Asylwerbers - wie dieser behauptet - um seine Hauptbezugsperson handelt, mutet es lebensfremd an, dass dieser nicht einmal über derartig grundlegende Umstände wie etwa die Adresse sowie das Geburtsdatum dieses Verwandten genaue Angaben zu erstatten vermochte, sodass der Eindruck entsteht, dass der Asylwerber seine angebliche familiäre Verbundenheit zum Bruder nur deshalb geltend machte, um seine Chancen auf einen möglichen Weiterverbleib im Bundesgebiet zu erhöhen. Wenn der Asylwerber in seiner Beschwerde behauptet, mit seinem Bruder zusammenzuleben und nur zwecks der Vermeidung des Verlusts der Leistungen aus der Grundversorgung regelmäßig die Betreuungsstelle des Bundesasylamtes in Traiskirchen aufzusuchen, ist ihm entgegenzuhalten, dass von einer lediglich sporadischen Anwesenheit des Asylwerbers in der Betreuungsstelle in Traiskirchen keinesfalls die Rede sein kann, was sich anhand der - von Amts wegen beigeschafften - Karteikarte betreffend Zu- und Abgangsaufzeichnungen des Asylwerbers in der Betreuungsstelle Traiskirchen (ho. OZ 2) unschwer erkennen lässt. Hinsichtlich des vom Asylwerber ins Treffen geführten finanziellen Abhängigkeitsverhältnisses zu seinem Bruder ist zu betonen, dass eine aktuelle finanzielle Abhängigkeit von seinem Bruder schon deshalb auszuschließen ist, da der Asylwerber (wie er selbst zugesteht) Leistungen aus der Grundversorgung erhält, etwaige finanzielle Zuschüsse des Bruders sohin keinesfalls zur Existenzsicherung des Asylwerbers geboten scheinen, zumal dieser erstinstanzlich auf die Frage, ob sein Bruder ihn gegebenenfalls auch im Falle seiner Rücküberstellung nach Polen finanziell unterstützen könnte, ausdrücklich erklärt hat: "Natürlich könnte er das." (Aktenseite 95).

 

Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass sich im Verfahren nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohenden Krankheit (im Endstadium), die überdies in Polen nicht behandelbar wäre, leidet, sodass nach der strengen Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK seine Überstellung nach Polen nicht einmal ansatzweise eine für eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK relevante Gravität erreicht. Umstände, die darauf schließen ließen, dass der Antragsteller in Polen selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind letztlich ebenso wenig vorhanden, wie dass ihm Polen entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihm im Heimatstaat unmenschliche Behandlung drohen würde.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Glaubwürdigkeit, Lebensgrundlage, medizinische Versorgung, Sicherheitslage, soziale Verhältnisse, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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