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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art10 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der I Handelsgesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wirtschaftskammer Österreich (Präsident), vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, vom 25. September 1997, Zl. Präs 244-4/97/Wa/Do, betreffend Eintragungsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat der Wirtschaftskammer Österreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde gegenüber der beschwerdeführenden Partei gemäß § 57b Abs. 1 Handelskammergesetz (im Folgenden: HKG) festgestellt, dass diese gemäß § 57b Abs. 1, 2 und 4 HKG sowie des Eintragungsgebührenbeschlusses der Vollversammlung der Wirtschaftskammer Wien vom 19. November 1992 anlässlich der Erlangung einer näher genannten Berechtigung für einen näher bezeichneten Standort eine Eintragungsgebühr in Höhe von S 10.000,-
- zu entrichten habe.
In der Begründung dieses Bescheides vertritt die belangte Behörde die Auffassung, die Richtlinie 69/335/EWG - indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital - (im Folgenden: Kapitalverkehrsrichtlinie) stehe der Erhebung von Eintragungsgebühren gemäß § 57b HKG nicht entgegen. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Pflicht, die Eintragungsgebühr zu entrichten, werde nicht durch die Eintragung der Gesellschaft oder der juristischen Person, die Inhaber eines Unternehmens sei, sondern durch die Erlangung der Berechtigung zum selbstständigen Betrieb von Unternehmungen bestimmter Sektoren, ausgelöst. Die Eintragungsgebühr sei grundsätzlich unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens zu entrichten; lediglich bei der Höhe der Eintragungsgebühr werde nach der Rechtsform differenziert.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 6. März 1998, B 2757/97-3, ab; antragsgemäß wurde die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die beschwerdeführende Partei gab eine Replik ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht die beschwerdeführende Partei (sinngemäß zusammengefasst) geltend, es bestehe ein Widerspruch zwischen § 57b Abs. 1 und 2 HKG zu Art. 10 lit. c der Kapitalverkehrsrichtlinie. Die Richtlinienwidrigkeit werde gerade darin gesehen, dass auf Grund der Rechtsform der beschwerdeführenden Partei als Kapitalgesellschaft die doppelte Eintragungsgebühr erhoben werde. Die Eintragungsgebühr sei keine Abgabe mit Gebührencharakter im Sinne des Art. 12 der Kapitalverkehrsrichtlinie, sondern vielmehr eine Abgabe die Art. 10 lit. c der Kapitalverkehrsrichtlinie widerspreche. Die Eintragungsgebühr werde zum Zeitpunkt der Erteilung der Berechtigung fällig. Die Eintragungsgebühr sei nicht als Entgelt für eine konkrete, individuelle Leistung der Kammer zu sehen, sondern vielmehr eine Leistung, die von den Mitgliedern allgemein zur Abdeckung des Aufwandes der Kammer verlangt werde.
Jedes Kammermitglied ist im Grunde des § 3 Abs. 2 HKG (das im Beschwerdefall noch anzuwenden ist) ex lege Mitglied der jeweils fachlich zuständigen Fachgruppe (Innung, Gremium) und der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft sowie auch der analogen Selbstverwaltungskörperschaften auf Bundesebene (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1992, Zl. 92/04/0105).
Gemäß § 57b Abs. 1 HKG sind anlässlich der Erlangung von Berechtigungen nach § 3 Abs. 2 HKG Eintragungsgebühren zu entrichten. Diese werden von der Fachgruppe bzw. im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz HKG von der Landeskammer nach Anhörung der Fachvertreter beschlossen.
Nach § 57b Abs. 2 HKG beträgt der Normalsatz der Eintragungsgebühr höchstens S 5.000,--. Die Eintragungsgebühr ist von natürlichen Personen, offenen Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften sowie von eingetragenen Erwerbsgesellschaften in einfacher Höhe zu entrichten, von Gebietskörperschaften, Genossenschaften, Vereinen und allen anderen juristischen Personen in doppelter Höhe.
Die Eintragungsgebühr wird gemäß § 57b Abs. 4 HKG von der Fachgruppe (im Falle des § 29 Abs. 3 zweiter Satz HKG von der Landeskammer), im Bereich der Sektion Handel von dieser vorgeschrieben und eingehoben.
§ 57g Abs. 1 HKG bestimmt, dass die zur Vorschreibung einer Grundumlage oder Eintragungsgebühr zuständige Körperschaft (bei Vorschreibung der Eintragungsgebühr im Bereich der Sektion Handel diese Sektion) über Art und Ausmaß der Umlagepflicht einen Bescheid zu erlassen hat, wenn dies von der zahlungspflichtigen Person spätestens einen Monat nach der Vorschreibung verlangt wird.
Die Kapitalverkehrsrichtlinie (in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985) sieht nach ihrer letzten Begründungserwägung auch die Aufhebung anderer indirekter Steuern mit den gleichen Merkmalen wie die Gesellschaftsteuer vor. Diese Steuern, die nicht erhoben werden dürfen, sind namentlich im Art. 10 der Kapitalverkehrsrichtlinie angeführt, der lautet:
"Abgesehen von der Gesellschaftsteuer erheben die Mitgliedstaaten von Gesellschaften, Personenvereinigungen und juristischen Personen mit Erwerbszeck keinerlei andere Steuern oder Abgaben auf
a)
die in Art. 4 genannten Vorgänge;
b)
die Einlagen, Darlehen oder Leistungen im Rahmen der im Art. 4 genannten Vorgänge;
c) die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszeck auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann."
Art. 12 der Kapitalverkehrsrichtlinie bestimmt:
"(1) In Abweichung von den Art. 10 und 11 können die Mitgliedstaaten Folgendes erheben:
...
e) Abgaben mit Gebührencharakter;
..."
Im Beschwerdefall ist strittig, ob die gegenständliche Eintragungsgebühr mit Art. 10 lit. c der Kapitalverkehrsrichtlinie in Widerspruch steht.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die unmittelbare Wirkung der genannten Richtlinienbestimmung unstrittig ist (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 25. September 1997, Zl. 97/16/0050).
Weiters ist vorweg auf die Frage einzugehen, ob Art. 10 lit. c der Kapitalverkehrsrichtlinie schon deshalb im Beschwerdefall nicht anzuwenden sei, weil es sich bei der gegenständlichen Eintragungsgebühr um eine Abgabe mit Gebührencharakter im Sinne des Art. 12 der Kapitalverkehrsrichtlinie handle. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ist die Qualifizierung einer Steuer, Abgabe oder Gebühr nach Gemeinschaftsrecht nach den objektiven Merkmalen der Steuer unabhängig von ihrer Qualifizierung im nationalen Recht vorzunehmen (Urteil vom 27. Oktober 1998 in der Rechtssache C- 4/97, Manifattura italiana Nonwoven SpA, Slg. 1998, I-6469, Randnr. 19, mit weiteren Nachweisen). Da zwischen den nach Art. 10 der Kapitalverkehrsrichtlinie verbotenen Abgaben und den Abgaben mit Gebührencharakter zu unterscheiden ist, sind zu den Letztgenannten nur Abgaben zu rechnen, die sich nach den Kosten der erbrachten Leistung richten. Eine Abgabe, die keinen Zusammenhang zu den tatsächlichen Aufwendungen für diese Leistungen aufweist oder sich nicht nach den Aufwendungen, deren Entgelt sie ist, sondern nach den gesamten Verwaltungs- und Investitionskosten der zuständigen Dienststelle richtet, ist eine Abgabe, für die allein das Verbot des Art. 10 der Richtlinie gilt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 26. September 2000 in der Rechtssache C-134/99, IGI - Investimentos Imobiliaros SA, Randnr. 26, mit weiteren Nachweisen). Für den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zu finden, dass ein derartiger Zusammenhang zu den tatsächlichen Aufwendungen für die Eintragung gegeben sei (und wird Derartiges auch von der beschwerdeführenden Partei nicht behauptet). Es liegt auch nicht der Fall vor, dass die Bemessung der Kosten nur pauschal erfolgt sei, wobei die unmittelbar mit der Durchführung der Eintragung verbundenen Kosten sowie die auf diesen Vorgang entfallenden Teile der allgemeinen Kosten die (lediglich) bestimmenden Faktoren seien (vgl. dazu auch das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 26. September 2000, a.a.O, Randnr. 27 und 28; vgl. auch die Randnr. 29 und 30). Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Kammerumlagen als steuerähnliche Abgaben, nicht als Gebühren zu verstehen sind (vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1995, Slg. 14072).
Es ist somit darauf einzugehen, ob Art. 10 lit. c der Kapitalverkehrsrichtlinie der Erhebung der gegenständlichen Grundumlage entgegensteht. Dies ist schon aus folgendem Grund zu verneinen:
Das Verbot des Artikel 10 Buchstabe c der Kapitalverkehrsrichtlinie ist dadurch gerechtfertigt, dass die betreffenden Abgaben zwar nicht auf die Kapitalzuführungen als solche, wohl aber wegen der Formalitäten im Zusammenhang mit der Rechtsform der Gesellschaft, also des Instruments zur Kapitalansammlung, erhoben werden, sodass auch die Beibehaltung dieser Abgaben die Erreichung der mit der Richtlinie 69/335 verfolgten Ziele gefährden würde (vgl. insbesondere die Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 18. Jänner 2001 in der Rechtssache C-113/99, Herta Schmid, als Masseverwaltung im Konkurs über das Vermögen der P.P. HandelsgmbH in Liquidation, Slg. 2000, I-0000, Randnr. 24, vom 21. September 2000 in der Rechtssache C-19/99, Modelo, Randnr. 24, und vom 26. September 2000 in der Rechtssache C-134/99, IGI, I-0000, Randnr. 22).
Hingegen weist die Eintragungsgebühr keinen formellen Zusammenhang mit der Eintragung der ihr unterliegenden Gesellschaften in das Firmenbuch auf. Die Eintragung einer Gesellschaft in das Firmenbuch hängt nicht von der Zahlung dieser Abgabe ab; unterbleibt die Zahlung, führt dies nicht zur Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch.
Die Eintragungsgebühr knüpft auch nicht an die Erledigung sonstiger der Ausübung einer Tätigkeit vorangehender Formalitäten an, der diese Gesellschaften auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden können; sie wird nicht (im Sinne der vordargestellten Rechtsprechung) als "Formalität(en) im Zusammenhang mit der Rechtsform der Gesellschaft, also des Instruments zur Kapitalansammlung, erhoben". Sie ist keine (notwendige) Bedingung für die Beteiligung der beschwerdeführenden Partei (als juristische Person) am Wirtschaftsleben allgemein (eine solche muss nicht notwendig eine mit der Kammermitgliedschaft verbundene Tätigkeit sein). Anders gesagt, die Rechtsform der Gesellschaft als Instrument zur Kapitalansammlung wird von dieser Abgabe nicht berührt, sondern nur das Tätigwerden der Gesellschaft in einem Bereich des Wirtschaftslebens, wobei auch dabei die Abgabe unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens zu entrichten ist und lediglich bei der Höhe der Eintragungsgebühr nach der Rechtsform differenziert wird. Diese Differenzierung erscheint auch vor dem Hintergrund des Vorbringens der belangten Behörde in der Gegenschrift, dass die im Gesetz vorgesehene doppelte Eintragungsgebühr aus der bei diesen juristischen Personen durchschnittlich höheren Kapitalausstattung resultiere, sowie weiters des Umstandes, dass nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch andere juristische Personen wie z.B. Gebietskörperschaften dem erhöhten Satz für die Abgabe unterliegen können, unbedenklich; die (allfällige) Frage, dass im Wege der doppelten Eintragungsgebühr in der Art einer verschleierten Gesellschaftssteuer die Erreichung der mit der Kapitalverkehrsrichtlinie verfolgten Ziele gefährden würde, stellt sich derart nicht.
Bei diesem Ergebnis, war nicht (mehr) auf die Frage einzugehen, ob die Eintragungsgebühr der Prämisse der Kapitalverkehrsrichtlinie entspricht, dass die Kapitalverkehrsrichtlinie, wie sich aus ihrer Überschrift ergibt, nur "die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital", erfasst, die in dieser Richtlinie vorgesehene Harmonisierung sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften nicht auf die direkten Steuern, die wie die Körperschaftsteuer in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, erstreckt (vgl. nochmals das Urteil vom 18. Jänner 2001, Randnr. 24, mit weiteren Nachweisen).
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. März 2001
Gerichtsentscheidung
EuGH 61997J0004 Nonwoven VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Richtlinie unmittelbare Anwendung EURallg4/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1998040053.X00Im RIS seit
01.06.2001Zuletzt aktualisiert am
11.11.2011