TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/16 S11 400089-1/2008

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Veröffentlicht am 16.07.2008
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Spruch

S11 400.089-1/2008/2E

 

P. Y., 1986, StA: Weissrussland

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichter über die Beschwerde des P. Y., geb. 1986, alias G. R., geb. 1987. Staatsangehöriger von Belarus, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.06.2008, Zahl: 0804.288-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 und 10 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.

 

Der nunmehrige Beschwerdeführer reiste laut eigenen Angaben am 12.05.2008 von Grodno/Belarus, mit Unterstützung eines Schleppers, in einem LKW versteckt, über eine ihm nicht bekannte Route am 14.05.2008 illegal nach Österreich ein. Zuvor habe er sich ab 13.10.2007 in Tschechien aufgehalten und dort am 13.10.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Am 10.05.2008 sei er von Tschechien wieder nach Grodno und von dort schließlich am 12.05.2008 nach Österreich gereist.

 

Er stellte am 14.05.2008 in der Erstaufnahmestelle Ost einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 15.05.2008 fand vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Traiskirchen eine Erstbefragung, sowie am 10.06.2008 eine Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, in Gegenwart eines Rechtsberaters, statt.

 

Am 16.05.2008 richtete das Bundesasylamt an Tschechien ein Ersuchen um Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 (Dublin II VO), welches am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde.

 

Am 21.05.2008 bestätigte der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift den Erhalt der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 AsylG vom 21.05.2008, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Konsultationen mit Tschechien geführt würden. Die Mitteilung über die Führung von Konsultationen wurde dem Beschwerdeführer sohin innerhalb der 20-Tagesfrist nach der Antragseinbringung, übermittelt.

 

Mit Schreiben vom 29.05.2008 stimmten die Tschechischen Behörden der Übernahme des Beschwerdeführers zur Prüfung des Asylantrags gem. Art. 16 Abs. 1 lit. c der Dublin II-VO zu.

 

Der nunmehrige Beschwerdeführer brachte im Verfahren folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt vor:

 

Es wolle nicht nach Tschechien zurück, da er dort den Mann getroffen habe, der ihn im Jänner 2007 in Belarus geschlagen habe. Auch die tschechische Polizei schlage. So sei er im April 2008 mit einem Zug von Prag nach Havirov gefahren, wo er einer Fahrkarten- und Ausweiskontrolle unterzogen worden sei. Nach Überprüfung über Funk habe man ihm Handschellen angelegt und von ihm 2.000 Kronen verlangt, widrigenfalls man ihn auf die Polizeistation bringen werde. Man habe ihn schließlich auf der Station in Ostrava eineinhalb Stunden in eine Zelle gesetzt und ihm danach sein gesamtes Geld abgenommen. Dann habe man ihm ein paar Ohrfeigen gegeben und ihn gehen lassen.

 

Nähere Angaben über die Polizisten konnte er in der Einvernahme trotz Rückfrage nicht machen. Eine Anzeige oder Beschwerde habe er nicht gemacht, einen nachvollziehbaren Grund dafür konnte er trotz Rückfrage nicht nennen. Er meinte lediglich Tschechien sei wie Belarus, bei einer Beschwerde über einen Beamten werde nichts gemacht, so habe er es auch nicht versucht.

 

Eventuelle gesundheitliche Probleme erwähnte er weder dem Rechtsberater noch dem Bundesasylamt gegenüber.

 

2. Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 11.06.2008, zugestellt am 16.06.2008, Zl: 0804.288-EAST Ost, den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates Tschechien zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Tschechien ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Tschechien zulässig sei.

 

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass der Antragsteller keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft machen konnte, dass er tatsächlich Gefahr liefe, in Tschechien Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wäre oder ihm eine Verletzung der in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe.

 

Der Beschwerdeführer habe keine Vorbringen hinsichtlich Zweifel an einer ausreichenden Versorgung oder an der Rechtmäßigkeit des tschechischen Asylverfahrens erstattet, obwohl er bereits über einen längeren Zeitraum mit der Situation in Tschechien konfrontiert gewesen sei und dazu gegebenenfalls entsprechende Angaben machen könnte, wenn diesbezügliche Gründe vorgelegen wären. Dem Vorbringen hinsichtlich des Geschehens im Rahmen der Ausweiskontrolle wurde kein Glauben geschenkt. Weder könne der Beschwerdeführer Beweismittel vorlegen, noch habe er eine Anzeige oder Beschwerde eingebracht. Insbesondere aufgrund der tschechischen Sprachkenntnisse sei er dazu in der Lage gewesen. Selbst wenn man dem Beschwerdeführer Glauben schenke, könne dieser Vorfall nicht ausreichen, eine drohende Verletzung der in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechtre erkennen zu lassen. Ebensowenig sei die Behauptung, er habe einen Mann getroffen, mit dem er bereits in Belarus Probleme gehabt hätte, zielführend, da er nicht einmal den Versuch behauptete, sich mit den tschechischen Behörden diesbezüglich in Verbindung zu setzen, geschweige denn, dass die tschechischen Behörden nicht in der Lage oder nicht willens wären ihn gegebenenfalls zu schützen.

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht am 27.06.2008 auf dem Faxwege Berufung (nunmehr als Beschwerde anzusehen) erhoben. Darin wird im Wesentlichen behauptet, dass der Sachverhalt durch die Behörden nicht ausreichend ermittelt worden sei. Die psychologische Erkrankung des Beschwerdeführer, welche in Tschechien sehr oft aufgetreten sei, sei nicht einmal thematisiert worden, obwohl er von Traiskirchen aus wegen derselben Panikatacken ins Krankenhaus B. eingeliefert worden wäre. Ein diesbezüglicher Bericht des Landesklinikums B. von 2008 wurde vorgelegt. Er leide an einer hypertensiven Entgleisung im Rahmen einer psychischen Belastungsreaktion und habe auch in Tschechien mehrfach Nervenzusammenbrüche erlitten, wobei er im Lager von keinem Arzt behandelt worden wäre. Die medizinische Versorgung in Tschechien sei sehr mangelhaft. Vom LK B. wären regelmäßig Kontrollen angeordnet worden. Die psychische Erkrankung sei von Bundesasylamt nicht festgestellt worden, was einen Verstoß gegen § 30 AsylG darstelle.

 

Weiters führe er nunmehr einen detaillierten Verlauf des Vorfalles während der Zugskontrolle an. Er habe gegenüber der Erstbehörde sehrwohl angegeben, weshalb eine Anzeige oder Beschwerde nicht zumutbar gewesen sei. Weiters habe die Behörde zu prüfen, ob Tschechien tatsächlich ein sicherer Dublinstaat sei. Insbesondere würden Rückkehrer nach einem beschleunigten Asylverfahren behandelt, das in den meisten Fällen zu einer Antragsabweisung führe.

 

Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 07.07.2008 beim Asylgerichtshof ein.

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Am 01.07.2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, in den jeweilig geltenden Fassungen nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6 bis 12 bzw. 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Tschechiens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c Dublin II VO kraft vorangegangener erster Asylantragstellung in der Europäischen Union gemäß Art 13. Dublin II VO besteht. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben und ist diese im Verfahren nicht bestritten worden.

 

Ebenso unbestrittenermaßen ist im Asylverfahren des Beschwerdeführers noch keine Sachentscheidung in Tschechien gefallen.

 

2.1.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

2.1.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/ Liebminger, Dublin II VO, K13. zu Art. 19 Dublin II VO).

 

Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin II VO, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II VO), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II VO umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K8-K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat festgestellt, dass der Rechtsschutz des Gemeinschafts-rechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt, Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in Bezug auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.

 

2.1.2.1. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Es leben keine Angehörigen der Kernfamilie des Beschwerdeführers in Österreich. Die diesbezüglichen Ausführungen der Erstbehörde treffen zu, und ist in der Beschwerde auch nicht bestritten worden. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl 1802, 1803/06-11).

 

2.1.2.2. Kritik am tschechischen Asylwesen

 

Konkretes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Tschechien in Hinblick auf belarussische Asylwerber unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden. Der bloße Umstand, dass eine Reihe von Asylverfahren - hier explizit Verfahren von Rückkehrern - in den meisten Fällen negativ endet ist kein ausreichendes Argument die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG erschüttern zu können. Weder liegen Kenntnisse über automatische Ablehnungen vor, noch wurden solche behauptet.

 

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren). Solche Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005) sind schon auf Basis der erstinstanzlichen Feststellungen nicht erkennbar und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden.

 

Im konkreten Fall läuft das Vorbringen des Beschwerdeführers darauf hinaus, dass von vorneherein und ohne jegliche konkrete Belege (die im Lichte des § 5 Abs. 3 AsylG und der zum Zeitpunkt des EU-Beitrittes erfolgten normativen Vergewisserung über die "Sicherheit" der neu beitretenden Mitgliedstaaten - wenn sie nicht notorisch sind - aber vom Asylwerber vorzulegen sind und diesfalls nicht eine explorative Erhebungsverpflichtung der Asylbehörden im Sinn eines Erkundungsbeweises besteht) aus der aktuellen Asylpraxis in Tschechien vorweisen zu können, die Annahme gerechtfertigt wäre, dass alle Asylverfahren in Tschechien die europäischen Menschenrechtsstandards qualifiziert unterschreiten. Wäre dies aber der Fall, würden die gemeinschaftsrechtlich zuständigen europäischen Organe verpflichtet sein, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Tschechien einzuleiten, da Tschechien so nicht Mitglied der EU, als auch einer dem Menschenrechtsschutz verpflichteten europäischen Wertegemeinschaft, sein dürfte. Für eine derartige Sichtweise bestehen aus Sicht des Asylgerichtshofes aber keine Anhaltspunkte.

 

2.1.2.3. Medizinische Krankheitszustände; Behandlung in Tschechien

 

Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung sehr schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außerge-wöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art. 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Überstellung nach Tschechien sind der Aktenlage nicht zu entnehmen. Auch konnte vom Beschwerdeführer keine Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Asylgerichthofes belegt werden.

 

Der Beschwerdeführer hat während zweier Einvernahmen und gegenüber dem Rechtsberater in keinster Weise eine wie auch immer geartete physische oder psychische Erkrankung erwähnt. Dementsprechend war die Behörde auch nicht gehalten, weitere Ermittlungen in dieser Richtung zu tätigen.

 

Der von Beschwerdeführer vorgelegte Bericht des Landesklinikums B. von 2008 wurde insofern nicht in die Beurteilung der Erstbehörde im erstinstanzlichen Bescheid miteinbezogen - wie in der Beschwerde moniert wurde - da dieser bereits am 16.06.2008 dem Beschwerdeführer nachweislich zugestellt wurde. Im Bericht wird dem Beschwerdeführer eine erstmalige Hypertensive Entgleisung im Rahmen einer psychischen Überlastungsreaktion bescheinigt, die keine medikamentöse Therapie erfordere. Lediglich Kontrollen beim Hausarzt/Internisten wurden empfohlen. Der Beschwerdeführer wurde nach Verabreichung von Beruhigungsmittel wieder entlassen.

 

Eine Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung ist damit jedoch keinesfalls erreicht und konnte auch in keiner Weise sonstig glaubhaft gemacht werden. Vielmehr wurde dem Vorbringen bezüglich bereits in Tschechien aufgetretener Panikattacken insofern kein Glaube geschenkt, als derartiges in den Einvernahmen nie vorgebracht wurde und auch der vorliegende Befund keinesfalls eine gröbere psychische Störung erkennen lässt. Aus diesen Gründen und der mangelnden asylrechtlichen Relevanz der Diagnose wurde von weiteren Erhebungen Abstand genommen.

 

2.1.2.4. Bedrohung durch belarussischen Staatsangehörige in Tschechien/Übergriffe der Polizei

 

Das entsprechende vage Vorbringen des Beschwerdeführers kann in Ermangelung irgendwelcher Informationen, wonach die tschechischen Sicherheitsorgane nicht in der Lage oder nicht Willen wären, im Falle eines Übergriffes durch einen Verfolger entsprechend einzuschreiten - bereits unbeschadet der Frage der Glaubwürdigkeit - nicht als relevant im Hinblick auf eine allfällige erheblich wahrscheinliche Verletzung des Art. 3 EMRK gewertet werden.

 

Darüber hinaus ist grundsätzlich von Amts wegen nicht bekannt ist, dass der tschechische Staat die Menschenrechte nicht achte oder an sich nicht in der Lage sei Menschenrechte sowie Leib und Leben von Menschen zu schützen, und dem Beschwerdeführer bei allfälligen gegen ihn gerichteten kriminellen Handlungen in Tschechien nicht die Möglichkeit offen stände, diese zur Anzeige zu bringen und staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Somit kann im konkreten Fall bei einer Rückkehr kein reales Risiko für den Beschwerdeführer erblickt werden.

 

Als ebenso unwahrscheinlich sind die Vorbringen hinsichtlich der angeblichen Übergriffe der Polizei zu werten. Die Ausführungen der Erstbehörde zu einer Anzeigemöglichkeit sind schlüssig und nachvollziehbar, sodass sich der Asylgerichtshof diesbezüglich anschließen kann. Der nicht erfolgte Versuch einer Beschwerde oder Anzeige spricht eher für das Vorliegen von bloßen Schutzbehauptungen, das als Erklärung dafür angeführte Beispiel des Freundes stellt keinen logisch nachvollziehbaren Grund dafür dar, dass ein Versuch nicht einmal unternommen wurde. Diesbezügliche weitere Erhebungen waren daher sowohl von der Erstbehörde als auch vom Asylgerichtshof nicht vorzunehmen.

 

2.1.2.5. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise der Erstbehörde keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 VO 343/2003 infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK zu verpflichten.

 

2.1.3. Spruchpunkt I der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2.2. Die Erwägungen der Erstbehörde zu Spruchpunkt II waren vollinhaltlich zu übernehmen.

 

2.3. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, gesundheitliche Beeinträchtigung, Glaubwürdigkeit, medizinische Versorgung, real risk, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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