S5 400.429-1/2008/3E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde der S.M., geb. 00.00.1983, StA. von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.7.2008, Zahl: 08 05.324-EAST West, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Die Asylwerberin ist Staatsangehörige von Nigeria und hat am 31.3.2005 in Norwegen einen Asylantrag gestellt, der bereits am 30.12.2005 rechtskräftig abgelehnt worden ist (vgl. Eurodac-Treffer Aktenseite 13 u. Aktenseite 59). Sie ist sodann von Norwegen aus zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt illegal ins österreichische Bundesgebiet weitergereist, wo sie schließlich am 18.6.2008 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
Mit E-mail vom 20.6.2008 ersuchte Österreich Norwegen um Übernahme der Asylwerberin.
Norwegen hat sich mit Schreiben vom 24.6.2008 (Aktenseite 59) bereit erklärt, die Asylwerberin gem. Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen und ihren Asylantrag zu prüfen.
Anlässlich ihrer niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte die Antragstellerin nach Vorhalt, dass Norwegen zur Prüfung ihres Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass sie nicht nach Norwegen zurückwollte. Sie würde, sofern sie nach Norwegen überstellt werden sollte, nach Nigeria abgeschoben.
Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.7.2008, Zahl: 08 05.324-EAST West, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Antragstellerin gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Norwegen ausgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat die Asylwerberin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass ihr seitens des Bundesasylamtes zu Unrecht nicht geglaubt worden sei, dass sie gegen Ende des Jahres 2005 Norwegen verlassen habe und in ihre Heimat zurückgekehrt wäre. Sie habe ihre Heimkehr nach Nigeria überzeugend dargelegt, auch seien ihre diesbezüglichen Angaben unwidersprochen geblieben. Das Bundesasylamt hätte keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie sich seit ihrer Asylantragstellung in Norwegen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchgehend im Gebiet der Mitgliedstaaten aufgehalten hätte. Im Falle ihrer Überstellung nach Norwegen drohe ihr, dass Norwegen das sog. verkürzte Asylverfahren anwenden würde, was für sie bedeuten würde, dass sie innerhalb weniger Wochen nach Nigeria zurückgeschoben würde.
Mit Schriftsatz vom 15.7.2008 (ho. OZ 2) ergänzte die Asylwerberin ihr Beschwerdevorbringen insofern, als sie erneut bekräftigte, dass die Beweiswürdigung des Bundesasylamtes, wonach ihr die Glaubwürdigkeit bezüglich der von ihr behaupteten neuerlichen Ausreise nach Nigeria versagt worden sei, unschlüssig sei. Auch sei das Ermittlungsverfahren mangelhaft, da das Bundesasylamt keinerlei Ermittlungen hinsichtlich ihres Vorbringens, Norwegen im Jänner 2006 verlassen zu haben, getätigt hätte. Entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes sei eine Überstellung ihrer Person nach Norwegen nicht zulässig, da ihr dort ihre weitere Abschiebung nach Nigeria drohe und eine solche Kettenabschiebung sie in ihrem Recht gemäß Art. 3 EMRK verletzen würde.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.
§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:
(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über
Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.
(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.
(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen
1. zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und
2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung
(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.
Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Norwegen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, die Asylwerberin wieder aufzunehmen und ihren Asylantrag zu prüfen.
Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum norwegischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Norwegen sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.
Lediglich der Vollständigkeit halber sei zur Verdeutlichung erwähnt, dass sich für den Asylgerichtshof keine Zweifel hinsichtlich der schlüssigen Beweiswürdigung des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid ergeben haben, sodass letztlich der im Beschwerdeverfahren von der Asylwerberin erneut - pauschal und ohne jegliche Beweismittel - aufgestellten Behauptung, nach ihrer Asylantragstellung in Norwegen das Gebiet der Mitgliedstaaten verlassen zu haben und nach Nigeria zurückgekehrt zu sein, kein Gewicht zukommen kann. Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, "glaubwürdig und plausibel" (vgl. ho. OZ 2, Seite 4) ihr mehr als dreimonatiges Verlassen der Mitgliedstaaten dargelegt zu haben, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Glaubwürdigkeit ihrer gesamten Angaben (so auch bezüglich der von ihr behaupteten freiwilligen Rückkehr nach Nigeria) schon allein aufgrund des Umstandes, dass diese im Rahmen ihrer Erstbefragung wider besseren Wissens geleugnet hat, vor ihrer Asylantragsstellung in Österreich jemals zuvor in einem Mitgliedstaat um Asyl angesucht zu haben, geschmälert wird (Aktenseite 25). Schon hier entsteht der Eindruck, dass die Asylwerberin vor den Behörden offenbar Angaben erstattet, wie es ihr gerade opportun scheint und sichtlich auch keine Scheu zeigt, bewusst unwahre Angaben zu erstatten. Auch verdeutlichen die oberflächlichen und sichtlich ausweichenden Antworten der Asylwerberin auf die ihr gestellten konkreten Fragen in Bezug auf ihre angebliche Heimreise nach Nigeria (vgl. Aktenseite 91 ff.) im Rahmen ihrer Einvernahme am 30.6.2008 letztlich nur, dass sie die Behauptung bezüglich ihrer Rückkehr nach Nigeria bewusst wahrheitswidrig bloß deshalb ins Treffen geführt hat, um die Führung ihres Asylverfahrens in Österreich zu erzwingen. Letztlich ist dem Bundesasylamt auch darin zuzustimmen, dass die von der Asylwerberin behauptete Heimreise nach Nigeria schon deshalb stark in Zweifel gezogen werden muss, da der allgemeinen Lebenserfahrung zufolge nicht glaubhaft erscheint, dass jemand, der die enormen Strapazen und den (finanziellen) Aufwand einer derart langen Reise von Nigeria nach Norwegen zuvor auf sich genommen hat, um vor erlittenen Verfolgungshandlungen im Heimatland in Europa Schutz zu suchen, nur wenige Monate später erneut - und ohne jegliche Anhaltspunkte, dass die Situation im Herkunftsstaat nunmehr sicherer sei - freiwillig ins Heimatland zurückzureisen sollte. Ausgehend von diesen Erwägungen erscheint somit, wie bereits auch das Bundesasylamt zutreffend im angefochtenen Bescheid festgehalten hat, keinesfalls glaubhaft, dass die Asylwerberin nach ihrer Asylantragstellung in Norwegen das Gebiet der Mitgliedstaaten bis zum heutigen Zeitpunkt jemals verlassen hätte.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im
Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444).
Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass sich im Verfahren nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dass die Beschwerdeführerin an einer lebensbedrohenden Krankheit (im Endstadium), die überdies in Norwegen nicht behandelbar wäre, leidet, sodass nach der strengen Judikatur des EGMR zu Art. 3 EMRK ihre Überstellung nach Norwegen nicht einmal ansatzweise eine für eine Verletzung seiner Rechte gem. Art. 3 EMRK relevante Gravität erreicht. Umstände, die darauf schließen ließen, dass die Antragstellerin in Norwegen selbst einer unmenschlichen Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre, sind vor dem Hintergrund der erstinstanzlichen Feststellungen somit letztlich ebenso wenig vorhanden, wie dass ihr Norwegen entsprechenden Schutz versagen würde, sofern ihr im Heimatstaat unmenschliche Behandlung drohen würde, sodass sich letztlich auch die von ihr in der Beschwerde geäußerten Befürchtungen hinsichtlich einer möglichen Kettenabschiebung von Norwegen nach Nigeria als haltlos erweisen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.