TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/16 E7 300430-1/2008

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Veröffentlicht am 16.07.2008
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Spruch

E7 300.430-1/2008-8E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter gemäß über die Beschwerde der D. S., geb. 2005, St.A. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.03.2006, Zl. 05 15.943-BAS, nach Durchführung von mündlichen Verhandlungen am 06.06.2007 und 13.02.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von D. S. in die Russische Föderation nicht zulässig ist.

 

III. Gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003, wird D. S. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 16.07.2009 erteilt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Die 2005 in Österreich geborene Beschwerdeführerin (BF), Tochter des D. Z. (GZ. 259.394) und der D. T. (GZ. 259.395) stellte am 28.9.2005 durch ihre Mutter als gesetzliche Vertreterin einen Asylantrag in Form eines Antrags auf Gewährung desselben Schutzes im Familienverfahren gem. § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 1997 BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) i.d.F. BGBl. I Nr. 101/2003. Ausdrücklich gab ihre Mutter dabei an, dass persönliche Fluchtgründe der BF nicht vorliegen. Als Identitätsnachweis legte sie einen sogen. Mutter-Kind-Pass, später im Verfahren einen Auszug aus dem Geburtenbuch des Standesamtes S. vor.

 

2. Am 28.02.2005 wurde an der Außenstelle Salzburg des Bundesasylamtes hierzu eine erstinstanzliche Einvernahme der Eltern der BF durchgeführt.

 

3. Der Asylantrag des Vaters der BF wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.03.2005, Zahl: 04 08.629-BAS, gemäß § 7 AsylG abgewiesen und wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russ. Föderation für zulässig erklärt. Zugleich wurde er gem. § 8 Abs. 2 AsylG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.03.2006, Zl. 05 15.943-BAS, wurde auch der Asylantrag der BF gemäß § 7 AsylG abgewiesen, die Zulässigkeit der Abschiebung der BF in die Russ. Föderation gem. § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt und die BF gem. § 8 Abs. 2 AsylG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

 

Festgestellt wurde von der Erstbehörde das Bestehen der Familiengemeinschaft der BF mit ihren Eltern sowie dass sie keine eigenen Fluchtgründe iSd GFK vorgebracht habe. Im Hinblick auf die Abweisung des Asylbegehrens ihres Vaters und die Feststellung der Zulässigkeit seiner Abschiebung sowie dessen Ausweisung durch die Erstbehörde sei im sogen. Familienverfahren gem. § 10 AsylG auch die BF betreffend spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

5. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 27.03.2006 fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

6. Das gg. Verfahren wurde mit 16.08.2007 wegen längerfristiger Erkrankung des vormals zuständigen Senatsmitglieds der Berufungsbehörde dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Richter des Asylgerichtshofs zugeteilt.

 

7. Dieser führte am 13.02.2008 eine mündliche Verhandlung in der Sache der BF sowie der damit verbundenen Rechtssachen ihrer Angehörigen durch.

 

Zum genaueren Verlauf dieser Verhandlung wird auf die Entscheidung in der Rechtssache des Vaters der BF verwiesen.

 

9. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom heutigen Tage unter oben genannter GZ. wurde die Beschwerde des Vaters der BF gegen Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 7 AsylG rechtskräftig abgewiesen. Zugleich wurde dessen Beschwerde gegen Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russ. Föderation gem. § 8 Abs. 1 AsylG nicht zulässig ist, und wurde ihm zugleich gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres erteilt.

 

II. Der zur Entscheidung berufene Richter des Asylgerichtshofs hat erwogen:

 

1. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 2 AsylG 1997 werden Asylanträge, die ab dem 1. Mai 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 in der jeweils geltenden Fassung geführt, weshalb auf den vorliegenden, nach diesem Datum gestellten Antrag die Bestimmungen des AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 anzuwenden sind.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005, diesem hinzugefügt durch Art. 2 Z. 54 Asylgerichtshofgesetz AsylGHG 2008, sind am 1.Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gem. § 75 Abs. 7 Z. 1 haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofs ermannt wurden, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in den bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen. Im gg. Fall war daher vor dem Hintergrund des oben dargestellten Verfahrensverlaufs der unten zeichnende Richter des Asylgerichtshofs als Einzelrichter zur Fortsetzung des vor dem 1. Juli 2008 begonnenen Verfahrens und zur Entscheidung über die gg. Anträge des BF berufen.

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. In analoger Anwendung dieser Bestimmung tritt an die Stelle des Begriffes "Berufungswerber" der Begriff "Beschwerdeführer".

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat das erkennende Gericht, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 10 AsylG idF BGBl. I Nr. 101/2003 stellen Familienangehörige (§ 1 Z 6) eines Asylberechtigen, subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 iVm 15) oder Asylwerbers einen Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. Für Ehegatten gilt dies überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den ersten Asylantrag eingebracht hat.

 

Gemäß Absatz 2 leg. cit. hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen einem Asylberechtigten mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) BGBl Nr. 210/1958, mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Gemäß Absatz 5 leg. cit. hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Dies ist entweder die Gewährung von Asyl oder subsidiärem Schutz, wobei die Gewährung von Asyl vorgeht, es sei denn alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Antragsteller erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Gemäß § 1 Z 6 leg. cit. ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind (Kernfamilie) eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigten ist.

 

Entscheidungsrelevante Tatbestandsmerkmale sind "die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 MRK" und der Umstand, dass dieses Familienleben mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht zumutbar ist. Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art 8 MRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31). Nach dem zitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jener Kinder durch Art. 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der MRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.

 

2. In Ermangelung individueller Verfolgungsgründe der BF hat die Erstbehörde ihre Entscheidung zutreffender Weise auch im Hinblick auf das Vorliegen der Familienangehörigeneigenschaft bei der Antragstellerin im Verhältnis zu ihren Eltern entlang der Bestimmungen des sogen. Familienverfahrens getroffen.

 

Die BF gehört als dessen Tochter der Kernfamilie des D. Z. an. Dem Akteninhalt nach ist der familiäre Status der BF, auch aufgrund der vorgelegten Urkunden, als geklärt anzusehen. Im gegenständlichen Fall liegt jedenfalls ein Familienverfahren gemäß § 10 AsylG vor.

 

Verfahrensrechtlich gibt der § 10 Abs. 5 AsylG vor, dass Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers zwar gesondert zu prüfen sind, aber die Verfahren (aller Familienangehörigen) sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang.

 

3. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom heutigen Tage unter oben genannter GZ. wurde die Beschwerde des Vaters der BF gegen Spruchpunkt I des erstinstanzlichen Bescheides gemäß § 7 AsylG rechtskräftig abgewiesen. Zugleich wurde dessen Beschwerde gegen Spruchpunkt II des erstinstanzlichen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russ. Föderation gem. § 8 Abs. 1 AsylG nicht zulässig ist, und wurde ihm zugleich gemäß § 8 Abs. 3 iVm § 15 Abs. 2 AsylG 1997 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer eines Jahres erteilt.

 

Auf die weiterführende Begründung im Erkenntnis des Vaters der BF wird an dieser Stelle verwiesen.

 

4. Da die BF die minderjährige Tochter des D. Z. ist, dem mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom heutigen Tag gemäß § 8 Abs. 3 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt wurde, und ihr eine Fortsetzung des bestehenden Familienlebens iSd Art. 8 EMRK mit ihrem Vater in einem anderen Staat nicht möglich ist, war auch der BF in Anwendung des § 10 Abs. 5 AsylG 1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 subsidiärer Schutz zuzuerkennen.

 

5. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, Familienverfahren, subsidiärer Schutz
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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