TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/18 B9 309470-2/2008

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.07.2008
beobachten
merken
Spruch

B9 309470-2/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I 4/2008 (AsylG) und 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des A. N. geb. 1981, StA. Bosnien-Herzegowina, vom 06.06.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2008, AZ. 08 04.304 EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Berufungswerber (in der Folge Beschwerdeführer genannt) behauptete im Zuge des Verfahrens Staatsangehöriger von Bosnien-Herzegowina und im Jahre 1990 legal in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Er stellte am 05.12.2006 im Stande der Strafhaft den (ersten) Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich seiner mündlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 14.12.2006 gab er im Wesentlichen an, sich seit 1990 mit seiner Schwester, seinen Großeltern sowie seinem Onkel in Österreich zu befinden. Seine Eltern seien zu Kriegsbeginn von Serben ermordet worden. Der Beschwerdeführer habe sein Heimatland verlassen, weil Serben sein Haus zerstört hätten und fürchte sich generell vor den Leuten, die seine Eltern umgebracht hätten. Den Antrag auf internationalen Schutz stelle der Beschwerdeführer, weil er sein Visum verloren habe, nachdem er im Gefängnis gewesen sei.

 

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des LG für Strafsachen 2006 wegen §§ 127, 128 Abs. 1/4, 129/1 u. 3, 130 (4.Fall) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt.

 

Gegen den Beschwerdeführer wurde seitens des Fremdenpolizeilichen Büro Wien mit Bescheid vom 23.05.2006, Zl. III-756542/FrB/06 ein Aufenthaltsverbot, gültig bis 23.05.2011 verhängt.

 

Das Bundesasylamt hat den Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 16.01.2007, Zahl: 06 13.173-BAW, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und den Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bosnien-Herzegowina nicht zuerkannt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien-Herzegowina ausgesprochen. Einer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid wurde gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

 

Gegen diesen erstinstanzlichen Bescheid vom 16.01.2007, zugestellt am 20.01.2007, erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22.01.2007 fristgerecht Berufung.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 12.02.2007, GZ: 309.470/1/3E-XI/33/07, wurde diese Berufung vom 22.01.2007 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.01.2007, Zahl: 06 13.173-BAW, gemäß §§ 3, 8 AsylG abgewiesen.

 

Mit Urteil des LG für Strafsachen von 2007 wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 229/1, 241e/3, 15, 127, 129/1 u. 2, 130 (1. Satz, 1. Fall) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt.

 

Am 15.05.2008 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.05.2008 gab der Beschwerdeführer zum Grund seines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz im Wesentlichen an, dass er seit 18 Jahren in Österreich sei und in Bosnien niemanden habe. Er wolle bei seiner Familie in Wien bleiben, seine Freundin heiraten, eine Familie gründen und mit ihr ein normales Leben führen.

 

Im Rahmen der in der Folge am 23.05.2008 und am 30.05.2008 durchgeführten erstinstanzlichen Einvernahmen durch das Bundesasylamt brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor:

 

Einvernahme am 23.05.2008:

 

"F: Welche ist Ihre Muttersprache und welche Sprachen sprechen Sie sonst noch?

 

A: Meine Muttersprache ist Bosnisch, ich spreche besser Deutsch. Ich bin damit einverstanden, dass die Einvernahme in der Sprache Deutsch, welche ich ausreichend beherrsche, durchgeführt wird.

 

F: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?

 

A: Ja.

 

F: Wurden Ihnen die Orientierungsinformation, das Merkblatt zum Asylverfahren und die Informationsblätter zur Dublin II VO und zur EURODAC-VO in einer Ihnen verständlichen Sprache ausgefolgt?

 

A: Ja.

 

Es wird Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind. Sie sind verpflichtet, am Asylverfahren mitzuwirken, sämtliche Termine einzuhalten und Ladungen Folge zu leisten, da sonst Nachteile für Sie entstehen können. Insbesondere sind Sie dazu angehalten, die Wahrheit zu sagen und an der Feststellung des für das Asylverfahren notwendigen Sachverhaltes mitzuwirken.

 

Es ist wichtig, dass Sie die Wahrheit sagen und nichts verschweigen. Denn sollte das Bundesasylamt Ihrem Ersuchen um Asylgewährung nicht nachkommen und Sie gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel einbringen, können Sie bei der Berufungsbehörde im Allgemeinen keine neuen Tatsachen und Beweismittel mehr vorbringen. Aus diesem Grunde ersuchen wir Sie, uns jetzt alle Tatsachen im Zusammenhang mit Ihrem Asylersuchen mitzuteilen und wenn Sie im Besitz von Beweismittel sind, legen Sie diese vor.

 

Sie werden auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und keinesfalls an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden.

 

Sie wurden weiters darüber informiert, dass Sie jede Änderung der Zustelladresse unverzüglich dem Bundesasylamt bekannt zu geben haben.

 

F: Haben Sie das verstanden?

 

A: Ja.

 

F: Entsprechen die Angaben die Sie bisher in Österreich gemacht haben alle der Wahrheit?

 

A: Ja, diese Angaben sind korrekt.

 

F: Sind die Angaben, die Sie im Rahmen der Erstbefragung vor dem PAZ Wien am 15.05.2008 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemacht haben richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

 

A: Ja.

 

F: Möchten Sie zu den von Ihnen im Zuge der Erstbefragung gemachten Angaben, insbesondere zu Ihrer Person oder vorgelegten Dokumenten und den Angaben bezüglich Ihres Fluchtweges oder Fluchtgrundes etwas berichtigen?

 

A: Ich möchte dazu noch angeben, dass meine Großmutter, die meine letzte Verwandte in Bosnien war, 2008 verstorben ist.

 

F: Wollen Sie Ihre Angaben über den Reiseweg welche Sie im ersten Verfahren gemacht haben aufrecht halten oder möchten Sie diese korrigieren?

 

A: Nein. Der Reiseweg stimmt. Ich bin seit 1990 durchgehend hier in Österreich.

 

F: Können Sie sich noch daran erinnern, welches Vorbringen Sie im ersten Verfahren, welches unter der Az.: 06 13.173 geführt wurde, dargestellt haben?

 

A: Ja. Ich war seit 18 Jahren nicht mehr in Bosnien. Soweit ich mich erinnern kann, und soweit ich es von meiner Großmutter und meinem Onkel weiß, wurden die Grundstücke meiner Familie von Serben genommen und deshalb bin im Jahr 1990 zusammen mit meinen Großeltern, meiner Schwester und meinem Onkel nach Österreich gekommen. Meine Eltern wurden damals umgebracht, weil sie das Land nicht verlassen wollten.

 

F: Haben Sie seit Ihrer ersten Antragstellung das Bundesgebiet verlassen?

 

A: Nein.

 

F: Sie sagten in der Erstbefragung, dass Sie der Erklärung zur freiwilligen Rückkehr nicht zugestimmt hätten. Diese befindet sich aber unterschrieben im Akt. Wie erklären sie das?

 

A: Soweit ich es weiß, habe ich nichts unterschrieben. Ich beabsichtige nicht, in meine Heimat zurückzukehren.

 

Es werden Ihnen nun allgemeine Fragen gestellt. Bitte beantworten Sie diese mit Ja oder Nein. Sie erhalten später noch die Möglichkeit, dazu nähre Angaben zu machen!

 

F: Sind Sie vorbestraft?

 

A: Ja.

 

F: Wurden Sie jemals von den Behörden Ihres Heimatlandes erkennungsdienstlich behandelt?

 

A: Nein.

 

F: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren anhängig?

 

A: Nein.

 

F: Waren Sie jemals im Gefängnis?

 

A: Ja, aber nur in Österreich. Ich war 22 Monate in Haft und wurde nach meiner Entlassung aus der Strafhaft sofort in Schubhaft genommen.

 

F: Gehörten Sie jemals einer politischen Partei an?

 

A: Nein.

 

F: Gehörten Sie jemals einer bewaffneten Gruppierung an?

 

A: Nein.

 

F: Mit welchem Status haben Sie sich nach Ihrer erstmaligen Einreise nach Österreich aufgehalten?

 

A: Ich hatte Visa für Österreich.

 

F: Wann haben Sie zuletzt um Verlängerung Ihres Visums angesucht?

 

A: Im Jahr 2003.

 

F: Wie wurde dieser Antrag entschieden?

 

A: Ich habe keine Verlängerung des Visums erhalten, da ich keine Arbeit mehr hatte.

 

F: Haben Sie sich nach dieser Ablehnung neuerlich um ein Visum angesucht?

 

A: Nein. Ich bin dann nach Wien gezogen und habe dann die falschen Leute kennen gelernt.

 

F: Sie haben dann am 05.12.2006 Ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz eingebracht. Haben sich Ihre Fluchtgründe seit Ihrem ersten/letzten Verfahren geändert?

 

A: Nein.

 

F: Ihr erster Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig abgewiesen wurde. Warum stellen Sie einen neuerlichen Antrag?

 

A: Weil ich nirgendwo hin kann. Ich habe in Österreich alles, meine Familie, meine Freundin und meinen Sohn.

 

F: Wann wurde Ihr Sohn geboren?

 

A: 2007. Damals war ich in Haft.

 

F: Welche Staatsbürgerschaft hat Ihr Sohn?

 

A: Die israelische Staatsbürgerschaft.

 

F: Seit wann lebt Ihre Freundin in Österreich?

 

A: Seit ungefähr 20 Jahren.

 

F: Welchen Status hat Ihre Freundin?

 

A: Sie hat ein Visum. Sie hat aber auch einen Antrag auf die österreichische Staatsbürgerschaft gestellt. Sie befindet sich aber seit 4 Monaten in Israel auf Urlaub. Sie ist mit ihrer Mutter und unserem Sohn nach Israel gereist.

 

F: Nennen Sie die Namen Ihrer Lebensgefährtin und Ihres Sohnes?

 

A: M. I.. Mein Sohn heißt M. S..

 

F: Ist die Beziehung zur Lebensgefährtin noch aufrecht?

 

A: Ja.

 

F: Wann haben Sie zuletzt gesehen?

 

A: Vor ca. 5 Monaten. Ich habe auch meinen Sohn gesehen, als ich auf Ausgang war.

 

Belehrung:

 

Dies ist Ihr zweites Asylverfahren. Ihr erstes Asylverfahren wurde rechtskräftig negativ abgeschlossen. Der AW wurde dahingehend manuduziert, dass entsprechend der österreichischen Gesetzeslage, niemals in einer Angelegenheit zweimal entschieden wird.

 

F: Was befürchten Sie im Fall der Rückkehr in Ihr Heimatland?

 

A: Ich habe keine Ahnung. Ich habe dort nichts. Wenn ich eine Familie dort hätte, wäre ich vielleicht wieder zurückgekehrt. Aber ich habe gar nichts, nicht einmal ein Haus wo ich leben könnte. Ich wüsste nicht, wohin ich dort gehen soll.

 

F: Haben Sie im Bereich der EU, in Norwegen oder in Island Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht?

 

A: Ja, in Österreich habe ich meine Schwester, meine zwei Onkel, zwei Tanten, mehrere Cousinen.

 

F: Kennen Sie den derzeitigen Aufenthaltstatus Ihrer Lebensgefährtin?

 

A: Ich war in der Annahme, dass sie einen unbefristeten Aufenthaltstitel hat.

 

F: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu Ihr?

 

A: Gestern. Ich rufe sie jeden Tag an. Sie hat mir gestern erst gesagt, dass ich ihr 600,- ¿ schicken soll, damit sie sich ein Flugticket kaufen kann, um nach Österreich zu kommen.

 

F: Haben sich seit Ihrem Aufenthalt in Österreich neue Fluchtgründe ergeben?

 

A: Nein, keine.

 

Sie werden aufgefordert Bemühungen dahingehend anzustellen, für das weitere Verfahren jedenfalls identitätsbezeugende Dokumente, aber auch Bescheinigungsmittel bzw. Beweise für das Fluchtvorbringen beizuschaffen.

 

Mir wird nun zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt ist, meinen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

F: Möchten Sie dazu Stellung nehmen?

 

A: Ich kann derzeit dazu nichts sagen.

 

Ich nehme zur Kenntnis, dass ich nach einer Frist von mindestens 24 Stunden im Beisein eines Rechtsberaters im Zuge einer niederschriftlichen Befragung die Möglichkeit habe, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen. Vom Termin werde ich schriftlich in Kenntnis gesetzt. Sollte ich der Aufforderung nicht nachkommen und die Betreuungsstelle verlassen, muss ich damit rechnen, dass das Verfahren eingestellt wird.

 

Anmerkung: Der AW wird aufgefordert, sich mit der Rückkehrberatung in Verbindung zu setzen, wo er über eine eventuelle freiwillige Rückkehr in sein Heimatland informiert wird. Diesbezüglich erhält der AW einen Ausdruck. Der AW erklärt, dass er das verstanden habe.

 

Anmerkung: Die schriftliche Mitteilung gem. § 29/3 Asylgesetz wurde dem AW durch den Dolmetsch übersetzt und übergeben.

 

F: Haben Sie den einvernehmenden Referenten während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?

 

A: Ja.

 

F: Möchten Sie eine Ablichtung der Niederschrift?

 

A: Ja.

 

Die Niederschrift habe ich gelesen. Der Inhalt ist richtig und ich bestätige dies mit meiner Unterschrift.

 

Ich bestätige auch mit meiner Unterschrift, dass ich eine Kopie der Niederschrift erhalten habe."

 

Einvernahme am 30.05.2008:

 

"F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen wegen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?

 

A: Nein.

 

F: Sind Sie mit dem Rechtsberater, der Ihnen für diese Einvernahme zur Seite gestellt wird, einverstanden?

 

A: Ja.

 

F: Haben Sie sich einer Rechtsberatung unterzogen?

 

A: Ja.

 

F: Fühlen Sie sich psychisch und physisch in der Lage, die Befragung zu absolvieren?

 

A: Ja. Ich befinde mich aber seit 20 Tagen in Hungerstreik.

 

Erklärung: Ihre Angaben sind Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren und Sie sind verpflichtet, wahrheitsgemäße und vollständige Angaben zu machen. Diesen Angaben kommt in der Erstaufnahmestelle verstärkte Glaubwürdigkeit zu.

 

Alle persönlichen Daten und Vorbringen in diesem Verfahren unterliegen der österreichischen Gesetzgebung hinsichtlich Amtsverschwiegenheit und Datenschutz.

 

F: Haben Sie Beweismittel oder identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie einen Vertreter beziehungsweise einen Zustellbevollmächtigten in Ihrem Asylverfahren?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie in Österreich aufhältige Eltern oder Kinder (Blutverwandtschaft oder durch Adoption begründet).

 

A: Nein. Meine Lebensgefährtin und mein Sohn befinden sich derzeit in Israel. Sie müssen dort auf das Ergebnis des Antrages auf Verlängerung des Visums warten.

 

F: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Falls dies der Fall ist, beschreiben Sie diese Gemeinschaft.

 

A: Ich habe in Österreich eine Schwester, zwei Tanten, zwei Onkel und mehrere Cousinen.

 

F: Wann haben Sie zuletzt mit diesen Verwandten zuletzt in Lebensgemeinschaft gelebt?

 

A: Vor ungefähr zehn Jahren.

 

Vorhalt: Sie haben am 23.05.2008 eine Verfahrensanordnung des Bundesasylamtes gem. § 29/3/4 AsylG 2005 übernommen, in welcher Sie über die beabsichtigte Vorgangsweise des Bundesasylamtes in Kenntnis gesetzt wurden. Es wurde Ihnen mitgeteilt, dass seitens des Bundesasylamtes die Absicht besteht, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Sie haben nun die Gelegenheit, dazu noch einmal Stellung zu beziehen.

 

A: Ich habe in Bosnien keine Verwandten mehr und auch keine Bleibe. Ich war seit 18 Jahren nicht mehr dort und wüsste nicht, wo ich mich dort aufhalten sollte.

 

Dem RB wird die Möglichkeit gegeben, Fragen oder Anträge zu stellen.

 

Der RB hat keine weiteren Fragen oder Anträge.

 

F: Haben Sie den einvernehmenden Beamten verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen und sich konzentrieren?

 

A: Ja.

 

F: Konnten Sie meinen Fragen folgen?

 

A: Ja.

 

Für das Bundesasylamt sind keine weiteren Fragen mehr offen. Über Ihren Antrag wird bescheidmäßig abgesprochen, der Bescheid wird Ihnen persönlich übergeben.

 

Ich bestätige mit meiner Unterschrift, dass ich den Inhalt dieser Niederschrift gelesen habe, dass es sich dabei um meine eigenen, vollständigen Angaben handelt, dass diese der Richtigkeit entsprechen und ich alles verstanden und nichts mehr hinzuzufügen habe."

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2008, Zl. 08 04.304- EAST Ost, wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 15.05.2008 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien ausgewiesen (Spruchpunkt II.). Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer noch am 04.06.2008 zugestellt. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden konnte. Es sei davon auszugehen, dass die im zweiten Antrag vorgebrachten Fluchtgründe schon zum Zeitpunkt des Verlassens seines Herkunftsstaates bestanden hätten und er auch diese gekannt habe.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung (in Folge als Beschwerde bezeichnet), in welcher er lediglich sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat über die Beschwerde vom 06.06.2008 erwogen:

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG. Gemäß § 61 Abs. 3 Z 2 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen die mit dieser Entscheidung verbundene Ausweisung.

 

Nach § 75 Abs. 4 AsylG begründen ab- oder zurückweisende Bescheide "auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 [...] in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG)."

 

Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, welche die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, (außer in den Fällen der §§ 69 und 71 AVG) wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24.02.2005, Zlen. 2004/20/0010 bis 0013, VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391, VwGH 20.03.2003, Zl. 99/20/0480, VwGH 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. VwGH 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

 

Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen. Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (vgl. VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235, VwGH 15.10.1999, Zl. 96/21/0097; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 83 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235, VwGH 15.10.1999, Zl. 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913, und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

 

In Bezug auf wiederholte Asylanträge muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (vgl. VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391, VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315, VwGH 24.02.2000, Zl. 99/20/0173, VwGH 21.10.1999, Zl. 98/20/0467).

 

Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich an Hand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind; in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. VwGH 04.04.2001, Zl. 98/09/0041, VwGH 07.05.1997, Zl. 95/09/0203; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 105 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur). Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30.05.1995, Zl. 93/08/0207).

 

Da das Bundesasylamt mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag zurückgewiesen hat, ist Gegenstand der vorliegenden Entscheidung des Asylgerichtshofes nur die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.

 

Bei Anwendung des § 68 Abs. 1 AVG ist derjenige Bescheid als Vergleichsbescheid heranzuziehen, mit dem zuletzt materiell in der Sache entschieden wurde (vgl. VwGH E 26.07.2005, Zl. 2005/20/226).

 

Der Beschwerdeführer stützt sein im Rahmen seiner nunmehr zweiten Asylantragstellung getätigtes Vorbringen im Wesentlichen auf Gründe, welche er bereits im ersten, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren vorgebracht hat und welche bereits in diesem Verfahren Gegenstand der Beurteilung waren. In diesem ersten, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers als unglaubwürdig bewertet. Das nunmehr im zweiten Asylverfahren getätigte Vorbringen stellt sich in den wesentlichen Punkten als Wiederholung des bereits im ersten Asylverfahren getätigten und rechtskräftig als unglaubwürdig erkannten Vorbringens dar, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass diesem Vorbringen ein glaubwürdiger Kern zukäme.

 

Hinsichtlich des nunmehrigen Vorbringens des Beschwerdeführers, dass er bei seiner Lebensgefährtin und seinem Sohn in Österreich bleiben wolle ist, wie bereits die Behörde erster Instanz zutreffend ausführte, darauf hinzuweisen, dass die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers zusammen mit dem gemeinsamen Sohn in Israel aufhältig ist und deren Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung am 13.11.2007 abgelehnt wurde. Eine gemeinsame Lebensführung des Beschwerdeführers mit seiner Lebensgefährtin ist daher in Österreich nicht möglich.

 

In der persönlichen Sphäre des Beschwerdeführers sind daher keine Umstände eingetreten, welche geeignet wären, einen zulässigen neuerlichen Asylantrag zu begründen, sind doch diesem - bereits im rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren für unglaubwürdig erachteten - Vorbringen keine neuen asylrelevanten Sachverhaltsänderungen zu entnehmen, welchen darüber hinaus im Hinblick auf die bereits rechtskräftig festgestellte Unglaubwürdigkeit zumindest ein glaubhafter Kern zukäme. Auch in der Beschwerde des Beschwerdeführers finden sich keine neuen individuellen Gründe, welche eine allenfalls in der Person des Beschwerdeführers gelegene neue, individuelle Bedrohung begründen könnten.

 

Auch sind keine von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstände hervorgekommen, welche als Änderung des Sachlage im Hinblick auf eine Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu beurteilen wären. Nach dem Gesagten erweist sich die Zurückweisung des neuerlichen Antrages im Grunde des § 68 Abs. 1 AVG als rechtsmäßig, sodass die Beschwerde im Spruchteil I. des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Beschwerdeführers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Hinsichtlich der Ausweisung des Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina wird auf die zutreffenden Ausführungen der Behörde erster Instanz verwiesen, welche zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben werden.

 

Die Beschwerde war daher spruchgemäß zur Gänze abzuweisen. Gemäß §§ 41 Abs. 4 AsylG, 67d Abs. 1 AVG i.V.m. Art. II Abs. 2 lit. D Z 43a EGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die öffentliche Verkündung des Erkenntnisses hatte gemäß § 67g Abs. 2 Z 1 AVG zu entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten