TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/18 S5 260562-2/2008

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Veröffentlicht am 18.07.2008
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Spruch

S5 260.562-2/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des P. S., geb. 1981, StA. der Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.6.2008, Zahl:

08 01.991-EAST Ost, gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Der Asylwerber ist Staatsangehöriger der Türkei und mittels eines gültigen, von Rumänien ausgestellten Visums am 3.2.2008 in Rumänien eingereist, von wo aus er dann nach Österreich weiterreiste und eigenen Angaben zufolge am 21.2.2008 im Bundesgebiet ankam. Am 26.2.2008 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz (vgl. Aktenseite 5 u. 29).

 

Der Asylwerber hatte bereits zuvor, nachdem er mittels eines ungarischen Visums aus der Türkei über Ungarn nach Österreich gereist war, am 14.3.2005 in Österreich einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23.5.2005, Zahl: 260.562/0-III/07/05, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen und der Asylwerber unter einem aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen worden war. Der Asylwerber war sodann vor seiner Überstellung nach Ungarn am 22.7.2006 freiwillig in die Türkei zurückgereist (vgl. hierzu Aktenseite 55 des Dublinaktes).

 

Mit E-mail vom 5.3.2008 ersuchte Österreich Rumänien um Übernahme des Asylwerbers.

 

Rumänien hat sich mit Schreiben vom 21.3.2008 (Aktenseite 41 des Dublinaktes) bereit erklärt, den Asylwerber gem. Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahmen vor dem Bundesasylamt erklärte der Antragsteller nach Vorhalt, dass Rumänien zur Prüfung seines Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, dass er im Rahmen seiner Schubhaft in Österreich von Personen, die bereits in Rumänien gewesen seien, gehört hätte, dass in Rumänien keine Menschenrechte existieren würden. Diese Personen hätten ihm auch gesagt, dass er im Falle seiner Überstellung nach Rumänien sicher in sein Heimatland zurückgeschickt würde. Er sei psychisch durcheinander und habe Schlafprobleme (Aktenseite 167).

 

Der Asylwerber legte erstinstanzlich einen fachärztlichen Befundbericht des sozialpsychiatrischen Ambulatoriums vom 13.5.2008, verfasst von Dr. B. H., vor, wonach beim Asylwerber Angst und eine depressive Reaktion diagnostiziert worden sei (Aktenseite 241).

 

Eine am 16.5.2008 von einer Fachärztin der Allgemeinmedizin und psychotherapeutischen Medizin, Dr. med. I. H., von Amts wegen durchgeführte Untersuchung des Asylwerbers hatte zum Ergebnis, dass beim Asylwerber zum Untersuchungstag keine schwere psychische Störung festgestellt werden konnte. Dem Asylwerber sei vom PSD Wien

(75) 1/3 abends verordnet worden, was einen Hinweis auf "eine sehr milde Störung" geben könnte. Diesbezüglich habe der Asylwerber schon einen therapeutischen Effekt bemerkt. Bei einer Überstellung in jegliches Land der Europäischen Union, in welchem eine Fortführung der medikamentösen Therapie gewährleistet werden könne, könne daher von keiner unzumutbaren Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ausgegangen werden (Aktenseite 177).

 

Dieser Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.6.2008, Zahl: 08 01.991-EAST Ost, gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Rumänien ausgewiesen.

 

Gegen diesen Bescheid hat der Asylwerber fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass er selbst niemals um ein rumänisches Visum angesucht habe. Die Feststellung des Bundesasylamtes, wonach es sich bei seinem Reisepass und seinem Visum weder um ein Falsifikat noch um eine Verfälschung handle, sei aktenwidrig und nur eine Vermutung. Sofern das Bundesasylamt ihm im angefochtenen Bescheid die Glaubwürdigkeit mit der Begründung abgesprochen habe, dass er bei seiner Erstbefragung unwahre Aussagen getätigt habe, ist einzuwenden, dass er bei jener Einvernahme sehr müde und unkonzentriert gewesen sei. Weiters stünden einander zwei unterschiedliche, einander widersprechende Gutachten bezüglich seines Gesundheitszustandes gegenüber und sei nicht nachvollziehbar, weshalb sich das Bundesasylamt am Gutachten von Dr. H. orientiert habe.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Rumänien hat auf Grundlage des Art. Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, den Asylwerber aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum rumänischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Rumänien sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Soweit der Asylwerber behauptet, dass jene Feststellung, wonach sein Reisepass bzw. Visum weder ein Falsifikat noch eine Verfälschung wäre, aktenwidrig sei und diese Feststellung überdies nur auf einer Vermutung basieren würde, ist zum einen zu entgegnen, dass allein die seitens Rumänien erfolgte Zustimmung zur Aufnahme des Asylwerbers auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) bereits die Echtheit des erteilten Visums indiziert. Zum anderen ist auf die Angaben des Asylwerbers im Rahmen seiner Befragung vor der Fremdenpolizei am 26.2.2008 zu verweisen, worin dieser zunächst zugesteht, anlässlich der zuvor erfolgten Erstbefragung gelogen zu haben und sodann ausdrücklich bestätigt, durch Organisation seitens der Schlepper ein rumänisches Visum in seinen eigenen türkischen Reisepass ausgestellt bekommen zu haben, anlässlich der Antragstellung auch selbst am Konsulat gewesen zu sein (Aktenseite 29). Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 4.3.2008 bekräftigte der Asylwerber schließlich erneut, vor der Fremdenpolizei die Wahrheit angegeben zu haben (Aktenseite 91), sodass letztlich seine später erstatteten Angaben am 4.6.2008, wonach er bei der Fremdenpolizei doch gelogen habe, da es "damals schon sehr spät" gewesen sei und er nicht mehr gewusst hätte, was er gesagt habe (Aktenseite 217) als bloße Ausrede erscheinen. Vielmehr entsteht aufgrund seiner erst nachfolgend aufgestellten - seinen vorigen Angaben gänzlich entgegenstehenden - Behauptung, an der Organisation des Visums doch in keinster Weise beteiligt gewesen zu sein, der Eindruck, dass der Asylwerber durch nunmehr bewusst wahrheitswidrige Angaben eine Durchführung seines Asylverfahrens in Österreich zu erzwingen versucht.

 

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass letztlich selbst unter der hypothetischen Annahme, dass das Visum des Asylwerbers zwar tatsächlich für ihn, jedoch durch betrügerische Handlungen erschlichen worden sein sollte, dies nichts an der grundsätzlichen Zuständigkeit des visumerteilenden Mitgliedstaates, konkret an der Zuständigkeit Rumäniens, ändern könnte (vgl. Art 9 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) u. Filzwieser/Liebminger, Dublin II- VO2, 2006, K27 u. 28 zu Art. 9).

 

Bezogen auf jenes Vorbringen in der Beschwerde, worin der Asylwerber rügt, dass sich das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid lediglich am Gutachten Dr. H. und nicht an dem von ihm vorgelegten Befund des psychosozialen Dienstes orientiert hätte, ist Folgendes auszuführen:

 

Zunächst ergibt ein Vergleich beider Gutachten, dass die gutachterliche Stellungnahme Dr. H. aus einem ausführlichen Befund und einem darauf basierenden schlüssigen Gutachten besteht (Aktenseite 175 u. 177), hingegen dem fachärztlichen Befundbericht des sozialpsychiatrischen Ambulatoriums lediglich zu entnehmen ist, dass beim Asylwerber "Angst und depressive Reaktion" diagnostiziert worden ist, sich in diesem Bericht zwar auch ein Hinweis auf die medikamentöse Therapie des Asylwerbers findet, weitere Ausführungen oder eine ausführliche Amnamnese allerdings fehlen (vgl. Aktenseite 241). Ein Vergleich beider Gutachten lässt somit unschwer erkennen, dass das Gutachten Dr. H. genauer und umfassender ist als der vom Asylwerber vorgelegte fachärztliche Befundbericht, sodass die vom Bundesasylamtes erfolgte Orientierung an ersterem Gutachten im Hinblick auf die Beurteilung der Überstellungsfähigkeit des Asylwerbers gerechtfertigt erscheint.

 

Jene Ausführungen in der Beschwerde, wonach jene beiden Gutachten einen "gravierend anders lautenden Inhalt" hätten (Aktenseite 393), erweisen sich überdies als völlig haltlos, da im Gutachten Dr. H. sogar explizit auf den vom Asylwerber vorgelegten Befund und die darin vermerkte medikamentöse Behandlung Bezug genommen und unter einem das mögliche Vorliegen einer "milden psychischen Störung" beim Asylwerber (Aktenseite 177) auch zugestanden wird. Ausgehend davon kann somit nicht erkannt werden, dass beide Gutachten einander diamentral entgegenstünden.

 

Soweit der Asylwerber im Beschwerdeschriftsatz ausführt, dass im Gutachten Dr. H. lediglich angeführt würde, dass er zum Untersuchungszeitpunkt an keiner schweren psychischen Störung leiden würde, ist anzumerken, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Rumänien in casu jedenfalls dann nicht zulässig wäre, wenn dort wegen fehlender Behandlung sehr schwerer Krankheiten eine existenzbedrohende Situation drohte und diesfalls das Selbsteintrittsrecht der Dublin II VO zwingend auszuüben wäre.

 

In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

 

Zusammenfassend führt der VfGH aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.

 

Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt...

 

Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Im vorliegenden Fall konnte vom Beschwerdeführer keine schwere psychische Krankheit bzw. die Notwendigkeit, weitere Erhebungen seitens des Asylgerichtshofes anzustellen, belegt werden. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf einen aktuellen existenzbedrohenden Zustand ersichtlich. Dies ergibt sich aus dem oben erwähnten Gutachten Dr. H., wonach beim Asylwerber keine schwere psychische Störung, die einer Überstellung nach Rumänien entgegenstünde, festgestellt werden konnte (vgl. Aktenseite 175). Aus den erstinstanzlichen Länderfeststellungen lässt sich weiters entnehmen, dass für Asylwerber in Rumänien das Recht besteht, in Krankenhäusern kostenlos grund- und notversorgt zu werden, wobei Asylwerber mit besonderen Behandlungserfordernissen eine besondere medizinische Betreuung erfahren (Seite 28 des angefochtenen Bescheides), sodass letztlich keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Fortführung der aktuellen medikamentösen Therapie des Asylwerbers in Rumänien nicht gewährleistet werden könnte. Die Überstellungsfähigkeit wurde somit im fortgesetzten erstinstanzlichen Verfahren bereits medizinisch in schlüssiger Form bejaht und ist dem nichts Entscheidendes entgegengesetzt worden. Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung des Beschwerdeführers nach Rumänien keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar. Der Beschwerdeführer konnte dieser Ansicht des Asylgerichtshofes jedenfalls in seiner Beschwerde nicht entgegentreten.

 

Soweit der Asylwerber in seiner Beschwerde geltend macht, im Falle seiner Rückschiebung nach Rumänien in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK verletzt zu werden, da zwischen ihm und seinen in Österreich wohnhaften Verwandten ein schutzwürdiges Beziehungs- oder Abhängigkeitsverhältnis bestünde, ist einzuwenden, dass der Asylwerber im Rahmen seiner erstinstanzlichen Einvernahme am 4.6.2008 sogar ausdrücklich verneint hat, dass sein Privat- und Familienleben durch eine aufenthaltsbeendende Maßnahme beeinträchtigt würde (Aktenseite 221). Dass keine enge Nahebeziehung zwischen ihm und seinen in Österreich befindlichen Verwandten besteht, ergibt sich überdies aus dem Umstand, dass der Asylwerber in seiner Beschwerde erklärt hat, bei keinem seiner Verwandten im Bundesgebiet zu leben. Hinzu kommt, dass der Asylwerber erst seit wenigen Monaten (erneut) im Bundesgebiet aufhältig ist, und naturgemäß schon aufgrund der Kürze seines nunmehrigen Aufenthaltes das Vorliegen eines besonders engen Bandes zwischen ihm und seinen hier lebenden Verwandten verneint werden muss und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein solches vor seiner Einreise ins Bundesgebiet bestanden hat. Auch reicht die vom Asylwerber behauptete finanzielle Unterstützung durch seine im Bundesgebiet lebenden Verwandten nicht aus, um ein "Familienleben" iSd Art. 8 EMRK zu begründen. Für die erkennende Behörde liegen sohin keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Beschwerdeführer durch eine etwaige Rückschiebung nach Rumänien eine Verletzung seines Rechts gemäß Art. 8 EMRK drohen würde.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, gesundheitliche Beeinträchtigung, Glaubwürdigkeit, medizinische Versorgung, real risk, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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