TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/21 C2 400492-1/2008

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Veröffentlicht am 21.07.2008
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Spruch

C2 400492-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Marth als Einzelrichter über die Beschwerde der F. Y., geb. 1975 alias 1990 alias 1985 alias 1988, StA. China, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.06.2008, FZ. 08 02.157-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Berufung wird gemäß § 68 AVG und § 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

Die nunmehr berufende Partei hat am 23.07.2004 einen Asylantrag Schutz gestellt.

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der unter i. bezeichnete Asylantrag der berufenden Partei mit Bescheid (Zahl: 04 15.034-EASt Ost) vom 23.8.2004, erlassen am 25.8.2004, abgewiesen. Unter einem wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der berufenden Partei nach China zulässig sei; diese wurde aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Zur Begründung wird auf jenen Bescheid verwiesen. Der Bescheid erwuchs mangels Berufung in Rechtskraft. In weiterer Folge wird das unter i. und ii. dargestellte Verfahren als Erstverfahren bezeichnet.

 

Am 3.3.2008 wurde von der berufenden Partei ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, sie wurde einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen (Protokoll siehe AS 23 bis 27).

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, in dem die berufende Partei am 12.3.2008 (Protokoll siehe AS 41 bis 49) und am 17.3.2008 (Protokoll wurde offenbar versehentlich zum Akt des Erstverfahrens geheftet, nunmehr unnummeriert am Ende des ggst. Verfahrensaktes) wurde der unter iii. bezeichnete Antrag der berufenden Partei mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 25.6.2008, erlassen am 26.6.2008, wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Unter einem wurde die berufende Partei aus dem Bundesgebiet nach China ausgewiesen. Zur Begründung wird auf jenen Bescheid verwiesen.

 

Mit am 26.6.2008 bei der die Berufungswerberin anhaltenden Anstaltsleitung eingebrachter Berufung wurde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid berufen. Zur Begründung wird auf die Berufung im Verwaltungsakt verwiesen.

 

Im Verfahren vor dem Bundesasylamt und vor dem Asylgerichtshof wurden im gegenständlichen Verfahren keine bisher nicht erwähnten Beweismittel vorgelegt.

 

II.

 

a. Die nachfolgenden Feststellungen gründen sich auf die oben erwähnten Beweismittel und auf den gesamten erstinstanzlichen Verwaltungsakt sowie auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof.

 

b. Festgestellt wird:

 

Die berufende Partei ist volljährige und chinesische Staatsangehörige.

 

Die Berufungswerberin hat sowohl vor der Polizei als auch vor dem Bundesasylamt nach der Nennung mehrerer falscher Geburtsdaten angegeben, 1975 geboren zu sein. Ihr ist zumindest so weit zu folgen, dass sie sowohl zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides im Erstverfahren als auch während der Dauer des gegenständlichen Verfahrens volljährig war, da sie keinen Vorteil aus diesen Angaben hätte, wenn sie falsch wären.

 

Hinsichtlich der Staatsangehörigkeit ist auf die Angaben der berufenden Partei, ihre Sprach- und Ortskenntnis zu verweisen.

 

Im Verfahren über den Asylantrag vom 23.07.2004 wurde rechtskräftig festgestellt, dass der Berufungswerberin keine Verfolgung in China droht und sie ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach China zulässig sei.

 

Die Berufungswerberin hatte im Erstverfahren noch angegeben, dass sie in China von ihrer Adoptivmutter schlecht behandelt worden und auch sehr arm gewesen sei. Im gegenständlichen Verfahren hatte die nunmehrige Berufungswerberin vorgebracht, dass sie in China mit einem alkohol- und spielsüchtigen Mann verheiratet gewesen wäre, der von Mafiaangehörigen im Rahmen eines Versuches, die Schulden des Ehemannes einzutreiben, ermordet worden wäre; nach dem Tod des Ehemannes hätte die Mafia von der Berufungswerberin verlangt, die Schulden zu begleichen und dabei auch ihre kleine Tochter bedroht. Die Gründe hätten - so die Berufungswerberin auf explizite Nachfrage - schon 2004 bestanden, die im Erstverfahren vorgebrachten Gründe würden nicht der Wahrheit entsprechen und andere Fluchtgründe würde es nicht geben. Weiters ginge es der Berufungswerberin gesundheitlich nicht gut, sie hätte sich im Jänner 2007 einer Operation unterzogen, habe aber weder Befunde noch sei sie in ärztlicher Behandlung.

 

Der Inhalt des Vorbringens ergibt sich aus den unbedenklichen Verwaltungsakten.

 

Auch aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass der das Erstverfahren erledigende Bescheid des Bundesasylamtes der Berufungswerberin am 25.8.2004 rechtskräftig zugestellt wurde (siehe vor allem die Übernahmebestätigung auf S. 123 des Aktes des Erstverfahrens).

 

Im gegenständlichen Verfahren hat der Berufungswerber keine entscheidungsrelevanten neuen Vorbringen dargelegt.

 

Aus dem Vorbringen ergibt sich weiters, dass alle Verfolgungshandlungen vor dem 25.8.2004 stattgefunden haben; eine Steigerung der Verfolgung ist dem Vorbringen nicht zu entnehmen.

 

Die berufende Partei wurde im Erstverfahren nicht zielstaatbezogen aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

 

Dies ergibt sich aus dem unbedenklichen Verwaltungsakt.

 

Der berufenden Partei steht in Österreich kein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylrechtes zu.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei sowie aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt.

 

Die berufende Partei hat keine relevanten Familienangehörigen in Österreich.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei sowie aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt.

 

Die berufende Partei hatte niemals ein anderes als das vorübergehende Aufenthaltsrecht als Asylwerber.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei sowie aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt.

 

Die berufende Partei hat keine Verwandte in Österreich. Allfällige freundschaftliche Beziehungen sind zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem sich die berufende Partei ihrer unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst war.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei sowie aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt und dem Asylgerichtshof.

 

Eine Integration der berufenden Partei in Österreich ist nicht zu erkennen.

 

Die Berufungswerberin konnte auf explizite Nachfrage nicht darlegen, dass sie in Österreich integriert ist, sie konnte keine gewichtigen privaten Interessen an ihrem Aufenthalt in Österreich benennen.

 

Der Inhalt des Vorbringens ergibt sich aus den unbedenklichen Verwaltungsakten, siehe vor allem AS 47.

 

Die berufende Partei ist in Österreich unbescholten. Das Vorliegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen ist nicht bekannt. Die berufende Partei ist illegal in das Bundesgebiet eingereist.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei sowie aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt und dem Asylgerichtshof.

 

c. Rechtlich folgt daraus:

 

c.1.: Zur Berufung/Beschwerde gegen Spruchpunkt I des im Spruch genannten Bescheides

 

Anzuwenden war das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet, durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegt eine Berufung gegen eine Entscheidung nach § 68 AVG vor, sodass der erkennende Richter als Einzelrichter zur Entscheidung zuständig war.

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die Rechtskraft - damit ist auch die Beurteilung von Tatsachen oder Beweismittel gemeint, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, auch wenn diese gegebenenfalls nicht vorgebracht wurden (vgl. VwGH v. 25.4.2007 2004/20/0100) - eines ergangenen Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag nur dann nicht entgegen und berechtigt daher die Behörde nur dann nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 24.03.1993, Zl. 92/12/0149; 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Die objektive (sachliche) Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", das heißt durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten, bestimmt. Die durch den Bescheid entschiedene Sache (i.S.d. § 8 AVG) wird konstituiert durch die Relation bestimmter Fakten (die den Sachverhalt bilden) zu bestimmten Rechtsnormen (die den Tatbestand umschreiben) [vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetz2, (1998), Anm 12 zu § 68 AVG]. Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). Eine Modifizierung des Vorbringens, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.

 

Für die Berufungsbehörde ist Sache i.S.d. § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (vgl. VwGH 30.06.1992, Zl. 89/07/0200; 20.04.1995, Zl. 93/09/0341). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

 

Wie wohl die Berufungswerberin vorgebracht hatte, dass sie in China von Angehörigen der Mafia wegen der Schulden ihres Mannes verfolgt werden würde und dieses Vorbringen insoweit eine Neuerung darstellt, als dies im Erstverfahren nicht vorgebracht wurde. Allerdings hat die Berufungswerberin nichts vorgebracht, was auf die Begründung oder Intensivierung der Fluchtgründe nach der Rechtskraft des das Erstverfahren erledigenden Bescheides hindeuten würde. Somit sind auch diese neu vorgebrachten, aber alten Fluchtgründe von der Rechtskraft des das Erstverfahren erledigenden Bescheides erfasst (vgl. VwGH v. 25.4.2007 2004/20/0100), ebenso wie der Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Berufungswerberin nach China. Neu ist lediglich das Vorbringen der Berufungswerberin, dass sie sie 2007 einer Operation unterzogen wurde und es ihr gesundheitlich nicht gut gehe. Dieses Vorbringen ist aber viel zu unbestimmt, mit keinerlei Beweismittel untermauert und auch nicht entscheidungsrelevant, da einerseits eine derartige Operation nach aller Lebenserfahrung nach mehr als einem Jahr ausgeheilt ist und der Umstand, dass es der Berufungswerberin "nicht gut gehe" unter dem Gesichtspunkt, dass diese eine ärztliche Behandlung nicht für nötig gehalten hatte und auch offensichtlich haftfähig ist, als nicht so schwerwiegend zu werten sei, dass diese subjektiv wahrgenommene gesundheitliche Beeinträchtigung im Hinblick auf Art. 3 EMRK für die Gewährung des Status des Subsidiär Schutzberechtigten auch nur ansatzweise in Betracht kommen könnte.

 

Daher war die Berufung gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides abzuweisen.

 

c.2.: Zur Berufung gegen Spruchpunkt II des im Spruch genannten Bescheides

 

Zur Anwendbarkeit der relevanten Rechtsvorschriften und zur Zuständigkeit des entscheidenden Senates siehe oben c.1. i. und ii..

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, mit einer Ausweisung zu verbinden, sofern diese nicht gemäß § 10 Abs. 2 AsylG unzulässig ist.

 

Zur Frage der Verbindung einer Entscheidung nach § 68 AVG mit einer Ausweisung: Zuerst ist die Frage zu klären, ob eine Zurückweisung des Antrags nach § 68 AVG eine Entscheidung "nach diesem Bundesgesetz" im Sinne des § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist und somit von der Ermächtigung der leg.cit., eine Ausweisung auszusprechen, mit umfasst ist. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes ist von einer Entscheidung nach dem AsylG 2005 schon dann zu sprechen, wenn die Erledigung eines Antrags auf internationalen Schutz Gegenstand des Verfahrens ist, unabhängig davon, welche Bestimmung die Rechtsgrundlage für den Spruch der Erledigung darstellt. Der Asylgerichtshof übersieht hierbei nicht, dass nach dem AsylG 1997 (auch in der Fassung der AsylG-Nov 2003, BGBl. I Nr. 101/2003) eine Zurückweisungsentscheidung nicht mit einer Ausweisung zu verbinden ist, da § 5a Abs 1 AsylG 1997 lediglich bei zurückweisenden Entscheidungen nach den §§ 4, 4a und 5 AsylG 1997 und § 8 Abs 2 AsylG 1997 bei abweisenden Entscheidungen die Grundlage für die Verbindung der Ausweisung mit der zurück- oder abweisenden Entscheidung darstellen und eine solche für Entscheidungen nach § 68 AVG im AsylG 1997 fehlte. Auch übersieht der Asylgerichtshof nicht, dass nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 10, ausgeführt wird, dass die "Aufrechterhaltung dieses mit der Asylgesetznovelle 2003 eingeführten, verwaltungsökonomischen Systems ..., dass im Regelfall ab- oder zurückweisende Entscheidungen in einem mit einer Ausweisung zu verbinden sind" intendiert war. Nach Ansicht des Asylgerichtshofes sprechen die Erläuternden Bemerkungen hier allerdings nicht gegen eine Ausweitung des "verwaltungsökonomischen Systems" der Verbindung einer ab- oder zurückweisenden Entscheidung mit einer Ausweisung, soweit eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz vorliegt. Unzweifelhaft haben die Behörden in Asylverfahren - also Verfahren zur Erledigung eines Antrags auf internationalen Schutz - das AsylG 2005 anzuwenden, auch wenn der Antrag in weiterer Folge nach den Bestimmungen des AVG zurückzuweisen ist. Daher handelt es sich bei Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz - im Gegensatz zu Anträgen auf Wiederaufnahme eines Verfahrens oder Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand - um Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz, auch wenn der Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird. In diese Richtung sind auch die Erläuternden Bemerkungen zu § 10 zu verstehen, die davon ausgehen, dass, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz zurück- oder gänzlich abgewiesen wird, diese Entscheidung mit einer Ausweisung zu verbinden ist, soweit dies nicht unzulässig ist. Im gegenständlichen Fall war daher die Zurückweisungsentscheidung mit einer Ausweisungsentscheidung zu verbinden, wenn diese nicht unzulässig gewesen wäre.

 

Zur Frage der Unzulässigkeit der Ausweisungsentscheidung: Eine Ausweisungsentscheidung nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist allerdings - trotz Vorliegen der Voraussetzungen der leg. cit. - unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt (§ 10 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005) oder wenn die Ausweisung eine Verletzung von Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in Folge: EMRK), darstellen würde. Darüber hinaus stellt sich in Verfahren, bei denen ein Antrag als entschiedene Sache zurückgewiesen wurde und im ersten Verfahren bereits eine asylrechtliche - also zielgerichtete - Ausweisung ausgesprochen wurde, die bisher weder durch eine - zumindest in Richtung Zielland gehende - Reisebewegung, die zum Verlassen des Bundesgebiets geführt hätte, konsumiert wurde, noch bei Fehlen von entscheidungsrelevanten Änderungen im Sachverhalt die Frage, in wie weit die Wirkung der Rechtskraft der ersten Ausweisungsentscheidung einer Verbindung der zurückweisenden Entscheidung wegen res iudicata mit einer Ausweisung entgegensteht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs wird eine Ausweisungsentscheidung gemäß § 17 Abs. 1 FrG 1993 gegenstandslos, wenn dem Fremden nach Erlassung (wieder) ein Recht zum Aufenthalt zukommt, somit sein Aufenthalt nachträglich legalisiert wird (VwGH 26.11.1999, 97/21/0907). In wie weit diese Judikatur auf ein Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 zu übertragen ist oder lediglich an ein Aufenthaltsrecht anknüpft, das nach den fremdenpolizeilichen oder aufenthalts- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen erteilt wird, ist für den gegenständlichen Fall nicht relevant, da dem Berufungswerber lediglich "Faktischer Abschiebeschutz" nach § 12 AsylG 2005 zukam, der mit einer Legalisierung des Aufenthalts nichts zu tun hat und daher die Ausweisungsentscheidung aus dem Erstverfahren in ihrer Rechtskraft nicht berührt. Festzuhalten bleibt, dass es im Bereich der asylrechtlichen Ausweisungsentscheidungen - von der oben dargestellten Möglichkeit eine Zurückweisungsentscheidung in Verfahren nach dem AsylG 2005 prinzipiell mit einer Ausweisung zu verbinden, abgesehen - zu keiner materiellen Änderung der Rechtslage gekommen ist; eine asylrechtliche Ausweisungsentscheidung ist im Regime des AsylG 2005 unter denselben materiellen Voraussetzungen auszusprechen, wie im Regmine des AsylG 1997. Die Rechtskraft einer Entscheidung dient der aus dem rechtsstaatlichen Prinzip erwachsenden Notwendigkeit der Rechtssicherheit (dem "Rechtsfrieden") (siehe hiezu etwa Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 S. 580); daher wäre eine Durchbrechung der Rechtskraft ohne einem der Rechtssicherheit zumindest gleichrangigen Ziel - etwa der Rechtmäßigkeit - zu dienen, als Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip zu sehen und daher gegebenenfalls als - im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation - als unzulässig anzusehen und zu unterlassen. Unter Rechtskraft ist einerseits Unanfechtbarkeit (formelle Rechtskraft), aber auch Unwiderrufbarkeit und Unwiederholbarkeit (materielle Rechtskraft) zu verstehen. Die Rechtskraft schließt also jede neue Verhandlung und Entscheidung in derselben Sache aus (siehe hiezu etwa Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 S. 579 mit weiteren Literaturnachweisen). Bei unverändertem Sachverhalt ist daher eine rechtskräftig erledigte Angelegenheit nicht neuerlich aufzurollen.

 

Daraus ergibt sich, dass - soweit dem Asylwerber zwischen dem Erstverfahren und der Zurückweisung wegen entschiedener Sache kein Aufenthaltsrecht zukam - eine wegen entschiedener Sache zurückweisende Entscheidung nur dann mit einer Ausweisung zu verbinden ist, wenn

 

im Erstverfahren keine Ausweisung ausgesprochen wurde, weil hiezu noch keine gesetzliche Ermächtigung bestanden hat oder

 

sich der Sachverhalt im Hinblick auf § 10 Abs. 2 AsylG 2005 entscheidungsrelevant geändert hat (Anmerkung: eine Änderung im Hinblick auf Art. 2, 3 EMRK oder auf das 6. oder 13. ZPEMRK kommt nicht in Betracht, da diese schon denklogisch einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache entgegensteht.) oder

 

der Asylwerber das Bundesgebiet Richtung Zielstaat verlassen hat und somit die Ausweisungsentscheidung im Erstverfahren konsumiert hat.

 

Zu unterbleiben hat eine asylrechtliche Ausweisungsentscheidung, wenn diese - obwohl rechtlich möglich - im Erstverfahren unterblieben ist und es zu keiner entscheidungsrelevanten Änderung im Sachverhalt gekommen ist. Dies ist hier allerdings nicht der Fall.

 

Festzuhalten ist allerdings, dass die Ausweisungsentscheidung im Erstverfahren eine - wenn auch rechtswidrig erlassene - fremdenpolizeiliche, weil nicht drittstaatsbezogen Ausweisung, war, die somit keine Sperrwirkung für eine im gegenständlichen Verfahren allenfalls zu erlassende asylrechtliche Ausweisung haben kann; diese war daher nicht schon per se unzulässig, es war deren Zulässigkeit im Einzelfall zu überprüfen.

 

Dass dem Berufungswerber ein Aufenthaltsrecht außerhalb des AsylG zukommen würde, hat sich im Verfahren nicht ergeben.

 

Ein Eingriff in das Privatleben liegt im Falle einer Ausweisung immer vor. Dieser ist allerdings nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht schwerwiegender als das öffentliche Interesse Österreichs an einer Ausweisung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Ordnung im Fremdenpolizei- und Zuwanderungswesen. Dies ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der Integration der Fremden, die sich jedenfalls seit 23.07.2004 im Bundesgebiet aufhält und niemals einen anderen als einen vorübergehenden, asylrechtlichen Aufenthaltstitel hatte. Der VwGH hat im Erkenntnis vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479 festgehalten, dass ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet. Daher war festzustellen, ob der Berufungswerber, der sich länger als drei aber noch keine vier Jahre im Bundesgebiet aufhält, inzwischen so stark integriert ist, dass seine Ausweisung eine Verletzung des Rechts auf das Privatleben darstellen würde. Da die Berufungswerberin aber keine Verwandten im Bundesgebiet hat, diese alle in China leben würden, allfällige freundschaftliche Beziehungen zu einem Zeitpunkt eingegangen wurde, an dem sie sich ihrer prekären aufenthaltsrechtlichen Position bewusst war und sie trotz ihres langen Aufenthalts nicht hinreichend deutsch kann, sowie eine soziale Integration nicht zu erkennen war, konnte trotz des Fehlens von Verurteilungen oder schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen keine so starke Integration erkannt werden, dass das Recht auf Achtung des Privatlebens die öffentlichen Interessen überwiegt, etwa auch, da die Berufungswerberin, durch die Missachtung der rechtskräftigen Ausweisung aus dem Erstverfahren, gezeigt hat, dass sie mit den rechtlichen Normen in Österreich nicht verbunden ist und darüber hinaus die Berufungswerberin nicht selbsterhaltungsfähig ist. Daher ist eine Verletzung des Rechts auf Privatleben durch die Ausweisung nicht zu erkennen.

 

Dass die Ausweisung einen Eingriff in das Familienleben der berufenden Partei darstellen könnte, hat sich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens - auch unter Zugrundelegung der Aussagen der berufenden Partei - nicht ergeben. Es kann daher auch keine Verletzung dieses Rechts erkannt werden.

 

Die Berufung hinsichtlich Spruchpunkt III war daher abzuweisen.

 

c.3. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, familiäre Situation, Interessensabwägung, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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