TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/21 C2 312628-2/2008

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Veröffentlicht am 21.07.2008
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Spruch

C2 312628-2/2008/3E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Marth als Einzelrichter über die Beschwerde des S. M., geb. 1988, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2008, FZ. 08 04.487-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung von S. M. vom 11.06.2008 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2008, Zahl: 08 04.487-EAST Ost, wird abgewiesen gemäß § 68 AVG, § 10 AsylG.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

Die nunmehr berufende Partei hat am 19.1.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der unter i. bezeichnete Asylantrag der berufenden Partei mit Bescheid (Zahl: 07 00.648-BAT) vom 30.5.2007, erlassen am 1.6.2007, sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Unter einem wurde die berufende Partei aus dem Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Zur Begründung wird auf jenen Bescheid verwiesen.

 

Nach Ergreifung einer rechtzeitigen Berufung wurde die durch Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 16.7.2007, Gz. 312.628-1/2E-XIII/66/07, hinsichtlich aller Spruchpunkte abgewiesen; die Behandlung der gegen jenen Bescheid erhobenen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof wurde von diesem mit Beschluss vom 26.9.2007, Zahl 2007/19/0760-3 abgelehnt.

 

Am 22.5.2008 wurde von der berufenden Partei abermals ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht, die berufende Partei gab unter anderem an, dass sie im April 2008 nach ihrer Rückkehr nach Indien wieder in den Bereich der Europäischen Union eingereist sei.

 

Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der unter iv. bezeichnete Antrag der berufenden Partei mit im Spruch bezeichneten Bescheid vom 4.6.2008, erlassen am 4.6.2008, wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen. Weiters wurde die berufende Partei aus dem Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Dem Vertreter der berufenden Partei wurde der Bescheid am 6.6.2008 zugestellt. Zur Begründung wird auf jenen Bescheid verwiesen.

 

Mit am 11.6.2008 zur Post gegebener Berufung wurde gegen den im Spruch bezeichneten Bescheid berufen. Zur Begründung wird auf die Berufung im Verwaltungsakt verwiesen.

 

Im Verfahren vor dem Bundesasylamt und vor dem Asylgerichtshof wurden im gegenständlichen Verfahren keine Beweismittel vorgelegt; im Verfahren über den unter i. bezeichneten Antrag wurde ein auf den Berufungswerber lautender Reisepass als Beweismittel vorgelegt bzw. von Amts wegen beigeschafft.

 

II.

 

a. Die nachfolgenden Feststellungen gründen sich auf die oben erwähnten Beweismittel und auf den gesamten erstinstanzlichen Verwaltungsakt sowie auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof.

 

b. Festgestellt wird:

 

Die berufende Partei ist volljährig und indischer Staatsangehöriger.

 

Der Berufungswerber hat während des gesamten Verfahrens zum Geburtsdatum gleiche Angaben gemacht. Weiters ist dem Berufungswerber in den festgestellten Angaben zu glauben, weil er durch falsche Angaben keinen Vorteil hätte und im Verfahren nichts hervorgekommen ist, was gegen diese Annahme spricht. Die Staatsangehörigkeit des Berufungswerbers steht auf Grund seiner Angaben, seiner Sprachkenntnisse und seinem Wissen über seinen Herkunftsstaat fest.

 

Im Verfahren über den Antrag vom 19.1.2007 wurde rechtskräftig festgestellt, dass der Berufungswerber keine Verfolgung im gesamten Staatsgebiet Indiens ausgesetzt ist und dass ihm die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative zumutbar ist.

 

Mit am 18.7.2007 dem Berufungswerber zugestellten Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates, der mit der Zustellung in Rechtskraft erwachsen ist, wurde festgestellt, dass dem Berufungswerber - unabhängig von einer allfälligen Verfolgung durch Private in seinem Herkunftsgebiet - eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht. Daher wurde eine Verfolgung im gesamten Staatsgebiet Indiens nicht glaubhaft gemacht; siehe hiezu II.2. iv. des unter iii. bezeichneten Bescheides.

 

Im gegenständlichen Verfahren hat der Berufungswerber keine entscheidungsrelevanten neuen Vorbringen dargelegt.

 

Der Berufungswerber hatte abermals behauptet, in Indien von Privatpersonen - nämlich Verwandten, mit denen ein Grundstücksstreit bestehen würde - verfolgt zu werden (siehe etwa S. 25, 37). Es sei zu weiteren Tötungshandlungen gekommen, die Mutter und der Bruder der berufenden Partei sei in Indien von den ihn verfolgenden Verwandten getötet worden. Allerdings, selbst wenn man die Richtigkeit des Vorbringens unterstellen würde, steht dem Berufungswerber immer noch eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung; als ihm dieser Umstand in der Einvernahme vor dem Bundesasylamt vorgehalten wurde, gab der Berufungswerber lediglich an, dass er Angst hätte, von seinem Verfolger gefunden zu werden. Wie jedoch schon im Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates (siehe I. iii.) festgestellt wurde, besteht kein reales Risiko, dass eine Privatperson einen Feind indienweit finden könne, selbst wenn sie dies versuchen würde, da nicht einmal die Polizei mangels indienweitem Meldewesen und Ausweispflicht in der Lage ist, einen Menschen zu finden, soweit es sich nicht um einen gesuchten Schwerverbrecher handelt. Daher war hinsichtlich der Entscheidungsrelevanz ein neuer Sachverhalt nicht zu erkennen. Im Rahmen der Berufung konnte der Berufungswerber auch nicht darlegen, warum sein Vorbringen nicht von der Rechtskraft des unter iii. bezeichneten Bescheides erfasst sein soll, sodass schließlich obige Feststellung zu treffen war.

 

Die berufende Partei hat nach dem Erstverfahren Österreich verlassen.

 

Dies steht auf Grund seiner Aussage vor dem Bundesasylamt, nach der er nach Italien gefahren sei, fest; es hat sich im Verfahren kein Grund ergeben, warum diese Aussage nicht der Wahrheit entsprechen solle.

 

Der berufenden Partei steht in Österreich kein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylrechtes zu.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei, sowie aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt.

 

Die berufende Partei hat keine relevanten Familienangehörigen in Österreich.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei, sowie aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt.

 

Die berufende Partei hatte seit seiner Einreise im Mai 2008 kein anderes als das vorübergehende Aufenthaltsrecht als Asylwerber.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei, sowie aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt.

 

Die berufende Partei hat keine Verwandte in Österreich. Allfällige freundschaftliche Beziehungen sind zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem sich die berufende Partei ihrer unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst war.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei sowie aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt und dem Asylgerichtshof.

 

Die berufende Partei kann nicht deutsch und hat keine Arbeit in Österreich.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei, die nicht in deutsch einvernommen werden konnte und auch nicht behauptet hat, deutsch zu sprechen sowie aus dem Umstand, dass die berufende Partei weder vorgebracht hat in Österreich zu arbeiten noch amtsbekannt ist, dass die berufende Partei einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen dürfte. Eine selbständige Tätigkeit ist dem Berufungswerber bis zum 22.8.2008 gemäß § 7 Grundversorgungsgesetz-Bund verboten.

 

Die berufende Partei ist in Österreich unbescholten. Das Vorliegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen ist nicht bekannt. Die berufende Partei ist illegal in das Bundesgebiet eingereist.

 

Dies ergibt sich aus der Aussage der berufenden Partei sowie aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens vor dem Bundesasylamt und dem Asylgerichtshof.

 

c. Rechtlich folgt daraus:

 

c.1.: Zur Berufung/Beschwerde gegen Spruchpunkt I des im Spruch genannten Bescheides

 

Anzuwenden war das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung.

 

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gemäß § 60 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 und nach § 68 AVG durch Einzelrichter. Gemäß § 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gemäß § 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zuständigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegt eine Berufung gegen eine Entscheidung nach § 68 AVG vor, sodass der erkennende Richter als Einzelrichter zur Entscheidung zuständig war.

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, dann, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Die Rechtskraft - damit ist auch die Beurteilung von Tatsachen oder Beweismittel gemeint, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, auch wenn diese gegebenenfalls nicht vorgebracht wurden (vgl. VwGH v. 25.4.2007 2004/20/0100) - eines ergangenen Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag nur dann nicht entgegen und berechtigt daher die Behörde nur dann nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 24.03.1993, Zl. 92/12/0149; 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). Die objektive (sachliche) Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", das heißt durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten, bestimmt. Die durch den Bescheid entschiedene Sache (i.S.d. § 8 AVG) wird konstituiert durch die Relation bestimmter Fakten (die den Sachverhalt bilden) zu bestimmten Rechtsnormen (die den Tatbestand umschreiben) [vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetz I2, (1998), Anm 12 zu § 68 AVG]. Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). Eine Modifizierung des Vorbringens, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.

 

Für die Berufungsbehörde ist Sache i.S.d. § 66 Abs. 4 AVG ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gem. § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (vgl. VwGH 30.06.1992, Zl. 89/07/0200; 20.04.1995, Zl. 93/09/0341). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

 

Der Berufungswerber hatte - wie schon im Erstverfahren - angeführt, dass er Verfolgung durch seinen Onkel wegen eines Grundstücksstreits fürchte. Wie allerdings unter II.b. iii. angeführt, handelt es sich im Hinblick auf die Entscheidungsrelevanz um die gleiche Sache, die mit unter I. iii. zitierten Bescheid erledigt worden ist, sodass das Bundesasylamt berechtigt war, den gegenständlichen Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

 

Daher war die Berufung gegen Spruchpunkt I. des im Spruch bezeichneten Bescheides abzuweisen.

 

c.2.: Zur Berufung gegen Spruchpunkt II des im Spruch genannten Bescheides

 

Zur Anwendbarkeit der relevanten Rechtsvorschriften und zur Zuständigkeit des entscheidenden Senates siehe oben c.1. i. und ii..

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, mit einer Ausweisung zu verbinden, sofern diese nicht gemäß § 10 Abs. 2 AsylG unzulässig ist.

 

Zur Frage der Verbindung einer Entscheidung nach § 68 AVG mit einer Ausweisung: Zuerst ist die Frage zu klären, ob eine Zurückweisung des Antrags nach § 68 AVG eine Entscheidung "nach diesem Bundesgesetz" im Sinne des § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist und somit von der Ermächtigung der leg.cit., eine Ausweisung auszusprechen, mit umfasst ist. Nach Ansicht des unabhängigen Bundesasylsenates ist von einer Entscheidung nach dem AsylG 2005 schon dann zu sprechen, wenn die Erledigung eines Antrags auf internationalen Schutz Gegenstand des Verfahrens ist, unabhängig davon, welche Bestimmung die Rechtsgrundlage für den Spruch der Erledigung darstellt. Der unabhängige Bundesasylsenat übersieht hierbei nicht, dass nach dem AsylG 1997 (auch in der Fassung der AsylG-Nov 2003, BGBl. I Nr. 101/2003) eine Zurückweisungsentscheidung nicht mit einer Ausweisung zu verbinden ist, da § 5a Abs 1 AsylG 1997 lediglich bei zurückweisenden Entscheidungen nach den §§ 4, 4a und 5 AsylG 1997 und § 8 Abs 2 AsylG 1997 bei abweisenden Entscheidungen die Grundlage für die Verbindung der Ausweisung mit der zurück- oder abweisenden Entscheidung darstellen und eine solche für Entscheidungen nach § 68 AVG im AsylG 1997 fehlte. Auch übersieht der unabhängige Bundesasylsenat nicht, dass nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu § 10, ausgeführt wird, dass die "Aufrechterhaltung dieses mit der Asylgesetznovelle 2003 eingeführten, verwaltungsökonomischen Systems ..., dass im Regelfall ab- oder zurückweisende Entscheidungen in einem mit einer Ausweisung zu verbinden sind" intendiert war. Nach Ansicht des unabhängigen Bundesasylsenates sprechen die Erläuternden Bemerkungen hier allerdings nicht gegen eine Ausweitung des "verwaltungsökonomischen Systems" der Verbindung einer ab- oder zurückweisenden Entscheidung mit einer Ausweisung, soweit eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz vorliegt. Unzweifelhaft haben die Behörden in Asylverfahren - also Verfahren zur Erledigung eines Antrags auf internationalen Schutz - das AsylG 2005 anzuwenden, auch wenn der Antrag in weiterer Folge nach den Bestimmungen des AVG zurückzuweisen ist. Daher handelt es sich bei Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz - im Gegensatz zu Anträgen auf Wiederaufnahme eines Verfahrens oder Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand - um Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz, auch wenn der Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird. In diese Richtung sind auch die Erläuternden Bemerkungen zu § 10 zu verstehen, die davon ausgehen, dass, wenn ein Antrag auf internationalen Schutz zurück- oder gänzlich abgewiesen wird, diese Entscheidung mit einer Ausweisung zu verbinden ist, soweit dies nicht unzulässig ist. Im gegenständlichen Fall war daher die Zurückweisungsentscheidung mit einer Ausweisungsentscheidung zu verbinden, wenn diese nicht unzulässig gewesen wäre.

 

Zur Frage der Unzulässigkeit der Ausweisungsentscheidung: Eine Ausweisungsentscheidung nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist allerdings - trotz Vorliegen der Voraussetzungen der leg. cit. - unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt (§ 10 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005) oder wenn die Ausweisung eine Verletzung von Art. 8 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in Folge: EMRK), darstellen würde. Darüber hinaus stellt sich in Verfahren, bei denen ein Antrag als entschiedene Sache zurückgewiesen wurde und im ersten Verfahren bereits eine asylrechtliche - also zielgerichtete - Ausweisung ausgesprochen wurde, die bisher weder durch eine - zumindest in Richtung Zielland gehende - Reisebewegung, die zum Verlassen des Bundesgebiets geführt hätte, konsumiert wurde, noch bei Fehlen von entscheidungsrelevanten Änderungen im Sachverhalt, die Frage, in wie weit die Wirkung der Rechtskraft der ersten Ausweisungsentscheidung einer Verbindung der zurückweisenden Entscheidung wegen res iudicata mit einer Ausweisung entgegensteht. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs wird eine Ausweisungsentscheidung gemäß § 17 Abs. 1 FrG 1993 gegenstandslos, wenn dem Fremden nach Erlassung (wieder) ein Recht zum Aufenthalt zukommt, somit sein Aufenthalt nachträglich legalisiert wird (VwGH 26.11.1999, 97/21/0907). In wie weit diese Judikatur auf ein Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 zu übertragen ist oder lediglich an ein Aufenthaltsrecht anknüpft, dass nach den fremdenpolizeilichen oder aufenthalts- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen erteilt wird, ist für den gegenständlichen Fall nicht relevant, da dem Berufungswerber lediglich "Faktischer Abschiebeschutz" nach § 12 AsylG 2005 zukam, der mit einer Legalisierung des Aufenthalts nichts zu tun hat und daher die Ausweisungsentscheidung aus dem Erstverfahren in ihrer Rechtskraft nicht berührt. Festzuhalten bleibt, dass es im Bereich der asylrechtlichen Ausweisungsentscheidungen - von der oben dargestellten Möglichkeit eine Zurückweisungsentscheidung in Verfahren nach dem AsylG 2005 prinzipiell mit einer Ausweisung zu verbinden, abgesehen - zu keiner materiellen Änderung der Rechtslage gekommen ist; eine asylrechtliche Ausweisungsentscheidung ist im Regime des AsylG 2005 unter denselben materiellen Voraussetzungen auszusprechen, wie im Regmine des AsylG 1997. Die Rechtskraft einer Entscheidung dient der aus dem rechtsstaatlichen Prinzip erwachsenden Notwendigkeit der Rechtssicherheit (dem "Rechtsfrieden") (siehe hiezu etwa Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht³ S. 580); daher wäre eine Durchbrechung der Rechtskraft ohne einem der Rechtssicherheit zumindest gleichrangigen Ziel - etwa der Rechtmäßigkeit - zu dienen, als Verstoß gegen das rechtsstaatliche Prinzip zu sehen und daher gegebenenfalls als - im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation - als unzulässig anzusehen und zu unterlassen. Unter Rechtskraft ist einerseits Unanfechtbarkeit (formelle Rechtskraft), aber auch Unwiderrufbarkeit und Unwiederholbarkeit (materielle Rechtskraft) zu verstehen. Die Rechtskraft schließt also jede neue Verhandlung und Entscheidung in derselben Sache aus (siehe hiezu etwa Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 S. 579 mit weiteren Literaturnachweisen). Bei unverändertem Sachverhalt ist daher eine rechtskräftig erledigte Angelegenheit nicht neuerlich aufzurollen.

 

Daraus ergibt sich, dass - soweit dem Asylwerber zwischen dem Erstverfahren und der Zurückweisung wegen entschiedener Sache kein Aufenthaltsrecht zukam - eine wegen entschiedener Sache zurückweisende Entscheidung nur dann mit einer Ausweisung zu verbinden ist, wenn

 

im Erstverfahren keine Ausweisung ausgesprochen wurde, weil hiezu noch keine gesetzliche Ermächtigung bestanden hat oder

 

sich der Sachverhalt im Hinblick auf § 10 Abs. 2 AsylG 2005 entscheidungsrelevant geändert hat (Anmerkung: eine Änderung im Hinblick auf Art. 2, 3 EMRK oder auf das 6. oder 13. ZPEMRK kommt nicht in Betracht, da diese schon denklogisch einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache entgegensteht.) oder

 

der Asylwerber das Bundesgebiet Richtung Zielstaat verlassen hat und somit die Ausweisungsentscheidung im Erstverfahren konsumiert hat.

 

Zu unterbleiben hat eine asylrechtliche Ausweisungsentscheidung, wenn diese - obwohl rechtlich möglich - im Erstverfahren unterblieben ist und es zu keiner entscheidungsrelevanten Änderung im Sachverhalt gekommen ist. Dies ist hier allerdings nicht der Fall.

 

Allerdings ist die berufende Partei - wie oben festgestellt - aus Österreich ausgereist und nach ihren Angaben sogar nach Indien heimgereist, sodass die Ausweisung aus dem Erstverfahren jedenfalls konsumiert ist. Daher war zu prüfen, ob die Ausweisung aus den Gründen des § 10 Abs. 2 AsylG unzulässig wäre.

 

Dass dem Berufungswerber ein Aufenthaltsrecht außerhalb des AsylG zukommen würde, hat sich im Verfahren nicht ergeben.

 

Ein Eingriff in das Privatleben liegt im Falle einer Ausweisung immer vor. Dieser ist allerdings nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht schwerwiegender als das öffentliche Interesse Österreichs an einer Ausweisung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Ordnung im Fremdenpolizei- und Zuwanderungswesen. Dies ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung der Integration des Fremden, der sich seit 21.5.2008 im Bundesgebiet aufhält, aber niemals einen anderen als einen vorübergehenden, asylrechtlichen Aufenthaltstitel hatte. Der VwGH hat im Erkenntnis vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479 festgehalten, dass ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet. Daher war festzustellen, ob der Berufungswerber auf Grund seiner besonders stark erfolgten Integration eine Ausnahme von dieser Regel darstellen würde. Da der Berufungswerber aber keine Verwandten im Bundesgebiet hat, allfällige freundschaftliche Beziehungen zu einem Zeitpunkt eingegangen ist, an dem er sich seiner prekären aufenthaltsrechtlichen Position bewusst war, illegal eingereist und auf Dauer nicht selbsterhaltungsfähig ist, konnte trotz des Fehlens von Verurteilungen oder schwerwiegenden Verwaltungsübertretungen keine besondere, über das Regelmaß hinausgehende Integration erkannt werden. Daher ist eine Verletzung des Rechts auf Privatleben durch die Ausweisung nicht zu erkennen.

 

Dass die Ausweisung einen Eingriff in das Familienleben der berufenden Partei darstellen könnte, hat sich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens - auch unter Zugrundelegung der Aussagen der berufenden Partei - nicht ergeben. Es kann daher auch keine Verletzung dieses Rechts erkannt werden.

 

Die Berufung hinsichtlich Spruchpunkt III war daher abzuweisen.

 

c.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Interessensabwägung, mangelnde Asylrelevanz, private Streitigkeiten, Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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