S3 315.241-2/2008/6E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Einzelrichter über die Beschwerde des V.B., geb. 00.00.1985, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.03.2008, GZ 07 10.371-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG und § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der Spruch lautet:
Der Antrag auf internationalen Schutz von V.B. vom 07.11.2007 wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wird V.B. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Der Beschwerdeführer brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 14.09.2007 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz ein.
Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.09.2007 gab er zu seinem Reiseweg an, er sei über Weißrussland nach Polen gefahren und dort am 10.08.2006 in Terespol angehalten worden.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 10.08.2006 in Polen und am 29.12.2006 in Belgien einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Das Bundesasylamt richtete am 17.09.2007 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen. Mit Schreiben vom 18.09.2007, eingelangt am 19.09.2007, stimmte Polen dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung ausdrücklich zu.
Am 05.10.2007 fand eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers statt.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.10.2007, GZ. 07 08.494-EAST Ost, wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist, sowie II. der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig ist.
Die Berufung gegen diesen Bescheid wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25.10.2007, GZ. 315.241-1/3E-XVI/48/07, mit der Maßgabe abgewiesen, dass im Spruchpunkt I. im zweiten Satz die Bestimmung des Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung ergänzt wurde. In der Begründung wurde insbesondere dargelegt, dass kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes bestehe, weil die Sicherheit des Beschwerdeführers in Polen gewährleistet sei und weder eine besonders schwere Erkrankung im Sinn der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK noch eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK vorliege. Dieser Bescheid erwuchs mit seiner Zustellung am 29.10.2007 in Rechtskraft.
In weiterer Folge stellte der Beschwerdeführer am 07.11.2007 in der Schubhaft den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 07.11.2007 gab der Beschwerdeführer an, er habe nicht in Polen bleiben wollen, weil er in Österreich eine Schwester habe. In Polen sei auch seine Sicherheit nicht gewährleistet.
Der Beschwerdeführer wurde am 08.11.2007 wegen Haftunfähigkeit zufolge seines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen und war in weiterer Folge flüchtig.
Am 20.11.2007 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen. Diese Mitteilung wurde gemäß § 8 in Verbindung mit § 23 ZustG durch Hinterlegung im Akt zugestellt.
Gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25.10.2007 erhob der Beschwerdeführer eine zur Zl. 2008/19/0013 protokollierte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 04.01.2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 19.03.2008 wiederholte der Beschwerdeführer seine Befürchtung, dass in Polen seine Sicherheit nicht gewährleistet sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der (zweite) Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz abermals gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist, sowie II. der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig ist.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der im Wesentlichen das frühere Vorbringen wiederholt wird.
Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 21.04.2008, GZ 315.241-2/5Z-XVI/48/08, wurde das Verfahren gemäß § 38 AVG bis zum Abschluss des beim Verwaltungsgerichtshof zur Zahl 2008/19/0013 anhängigen Verfahrens ausgesetzt.
Der Verwaltungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 11.06.2008, 2008/19/0013-6, die Behandlung der gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25.10.2007 erhobenen Beschwerde ab.
2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Beschwerde wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Seit dem Abschluss des ersten Asylverfahrens des Beschwerdeführers in Österreich mit der am 29.10.2007 erfolgten Zustellung des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25.10.2007 ist keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten, insbesondere haben sich die für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates sowie eine etwaige Ausübung des Selbsteintrittsrechtes maßgeblichen Umstände nicht geändert.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Nach § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe näherer Bestimmungen weiterzuführen.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung (z. B. VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100; 30.6.2005, 2005/18/0197; 25.4.2002, 2000/07/0235) liegen verschiedene "Sachen" im Sinn des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. In Bezug auf wiederholte Asylanträge muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Asylwerbers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinanderzusetzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. Aus § 69 Abs. 1 AVG ergibt sich, dass eine neue Sachentscheidung nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern auch im Falle desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln ausgeschlossen ist, die bereits vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, aber erst nachträglich hervorgekommen sind. Demnach sind aber auch Bescheide, die - auf einer unvollständigen Sachverhaltsbasis ergangen - in Rechtskraft erwachsen sind, verbindlich und nur im Rahmen des § 69 Abs. 1 AVG einer Korrektur zugänglich. Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegen.
Unter der Voraussetzung, dass in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten Umständen, die zu einer Verneinung der Zuständigkeit Österreichs und zur Feststellung der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäische Union gemäß § 5 AsylG 2005 geführt haben, keine Änderung eingetreten ist, ist ein im Bundesgebiet neuerlich gestellter Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (VwGH 07.05.2008, 2007/19/0466).
Im vorliegenden Fall steht der Behandlung des zweiten Antrages des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegen. Denn seit dem Abschluss des ersten Asylverfahrens mit der am 29.10.2007 erfolgten Zustellung des Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 25.10.2007 trat keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes ein. Insbesondere das Vorbringen des Beschwerdeführers zu angeblichen Sicherheitsproblemen in Polen wurde bereits im Vorbescheid abgehandelt. Auch die 6-Monats-Frist nach Art. 19 Dublin-Verordnung für die Überstellung des Beschwerdeführers nach Polen ist noch nicht abgelaufen, weil durch seine Flucht eine Verlängerung der Frist und durch die Erhebung einer Beschwerde mit aufschiebender Wirkung eine Fortlaufshemmung der Frist eintrat.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn
1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder
2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung idF BGBl I Nr. 75/2007 ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
Nach Abs. 4 dieser Bestimmung gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Im vorliegenden Fall liegen nun keine Umstände vor, die eine Ausweisung des Beschwerdeführers nach Polen als unzulässig erscheinen ließen. Insbesondere sind keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinn des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ersichtlich, zumal weder ein - nicht auf das Asylgesetz 2005 gestütztes - Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch die Ausweisung eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellt. Darüber hinaus liegen auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 vor. Zu diesem Spruchpunkt kann im Übrigen auf den angefochtenen Bescheid verwiesen werden.
Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die öffentliche Verkündung des Erkenntnisses hatte gemäß § 41 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 zu entfallen.