TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/23 E2 310497-1/2008

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Veröffentlicht am 23.07.2008
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Spruch

E2 310.497-1/2008-7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Huber-Huber als Einzelrichter über die Beschwerde des S.M., geb. 00.00.1985; StA. Bosnien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.02.2007, FZ. 05.19717-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.04.2008 beschlossen:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 iF BGBl. I Nr. 101/2003 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: "BF"), seinen Angaben nach Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, reiste am 16.11.2005 illegal in das Bundesgebiet von Österreich ein und beantragte die Gewährung von Asyl.

 

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.02.2007, Zahl: 05 19.717-BAG, wurde der Asylantrag von S.M. gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen (Spruchpunkt I). Weiters wurde die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina gemäß § 8 Absatz 1 Asylgesetz für zulässig erklärt (Spruchpunkt II) und der BF gemäß § 8 Abs. 2 Asylgesetz aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien und Herzegowina ausgewiesen (Spruchpunkt III).

 

3. Gegen diesen Bescheid wurde rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht. Mit der Beschwerde wird der Bescheid in allen Spruchpunkten bekämpft und Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

 

4. Der Asylgerichtshof hat als Unabhängiger Bundesasylsenat für den 22.04.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und dazu den BF, einen Vertreter des Bundesasylamtes sowie einen Dolmetscher für die serbische Sprache geladen. Die Verhandlung wurde in Anwesenheit des BF und des geladenen Dolmetschers durchgeführt.

 

II. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens:

 

1. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde Beweis erhoben durch:

 

Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt;

 

Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung;

 

Anfrage an die österreichische Botschaft in Sarajewo zum Thema der Echtheit der vorgelegten ärztlichen Bestätigung, zur ethnischen Zusammensetzung in der Gemeinde O., Angaben über die Stationierung und Zuständigkeit der Polizei oder eines Ombudsmannes für die Gemeinde O. sowie darüber, ob Erkenntnisse vorhanden sind, dass in der Gegend von O. - im Besonderen in Z. - von muslimischen Banden Überfälle auf serbische Bürger aus ethnischen und/oder religiösen Motiven stattfinden. Die Anfragebeantwortung wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert;

 

Einsichtnahme in folgende Länderdokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat und die Herkunftsregion des BF sowie deren Erörterung in der mündlichen Verhandlung:

 

Bericht des deutschen auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Bosnien und Herzegowina vom 07.08.2006;

 

Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe mit der aktuellen Situation in Bosnien - Herzegowina vom Juli 2006 und

 

Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, Bosnien und Herzegowina, Länderreport Band 1, April 2007.

 

2. Der Asylgerichtshof geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem Sachverhalt aus:

 

2.1. Zur Person des BF:

 

2.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bosnien - Herzegowina, Angehöriger der serbischen Volksgruppe mit orthodoxem Glaubensbekenntnis. Er ist am 00.00.1985 in V. (heute serbische Entität von Bosnien - Herzegowina) geboren und lebte bis 1993 in Z. (bosnische Entität von Bosnien - Herzegowina). Nachdem das Elternhaus des BF im Jahr 1993 niedergebrannt wurde, lebte er mit seinem Vater in einem Haus in der serbischen Entität, welches früher von Muslimen bewohnt war und das die Familie des BF im Jahr 2000 wiederum verlassen musste. Während der Vater des BF zu diesem Zeitpunkt nach Z. (bosnische Entität von Bosnien - Herzegowina) zurückgekehrt ist, lebte der BF bis zu seinem Schulabschluss 2004 weiterhin auf dem Gebiet der serbischen Entität bei einem Bekannten seiner Familie, um anschließend seinem Vater in die bosnische Entität nachzufolgen. Der BF besuchte 7 Jahre die Grundschule und 4 Jahre eine allgemein bildende höhere Schule in V.. Nach dem Schulabschluss verrichtete er Gelegenheitsarbeiten bis er nach Österreich ausreiste. In Österreich lebt der BF in der Grundversorgung. Gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden vom BF weder geltend gemacht noch konnten für das Vorliegen solcher im Rahmen der mündlichen Verhandlung Anhaltspunkte gewonnen werden.

 

2.2.. Zum Asylvorbringen des BF:

 

2.2.1. Der BF begründete sein Asylvorbringen im Wesentlichen damit, dass er als Angehöriger der serbischen Volksgruppe in seinem letzten Heimatort der auf dem Gebiet der bosnischen-kroatischen Föderation liegt, mehrmals von teilweise ihm bekannten Angehörigen der muslimischen Bevölkerung aus seinem Wohngebiet überfallen, und mit Holzstücken verprügelt worden sei, so dass er Verletzungen erlitten hatte und in ein Krankenhaus auf dem serbischen Gebiet von Bosnien - Herzegowina verbracht werden musste. Die Verletzungen hätten einen mehrtägigen Krankenhausaufenthalt zur Folge gehabt. Weder die Polizei im Gebiet der bosnisch-kroatischen Föderation noch jene in der serbischen Entität hätten eine Anzeige gegen die Angreifer entgegengenommen. Letztere habe mit der Begründung der Unzuständigkeit die Anzeige abgelehnt und Erstgenannte habe den BF von vornherein aus der Dienststelle verwiesen, ohne auf sein Anbringen überhaupt einzugehen. Eine Rückübersiedlung in den serbischen Teil von Bosnien - Herzegowina, um den Drohungen und Angriffen zu entgehen, käme nicht in Betracht, da der Staat Bosnien und Herzegowina trotz dem Vorhandensein von Gesetzen nicht funktioniere. In einer der Städte könne er nicht Aufenthalt nehmen, da er dort auf der Straße leben müsste. Der BF brachte somit vor, als Serbe von Privatpersonen verfolgt zu werden und vermeinte, staatlichen Schutz nicht in Anspruch nehmen zu können. Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative schloss er für sich aus.

 

2.3. Zum Herkunftsland des BF:

 

"Der Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina (BIH) wurde im Dezember 1995 nach dreieinhalbjährigem Krieg durch das Daytoner Rahmenabkommen für den Frieden geschaffen. Er ist aufgeteilt in zwei flächenmäßig gleich große Landesteile (Entitäten): die Republika Srpska mit der Hauptstadt Banja Luka und die Föderation mit der Hauptstadt Sarajewo. Sarajewo ist gleichzeitig Hauptstadt des Gesamtstaats. Die BIH-Gesamtstaatsverfassung wurde im Anhang des Dayton-Abkommens verabschiedet. BIH ist ethnisch fragmentiert.

 

Die Republika Srpska (RS) ist zentral organisiert und in Gemeinden gegliedert. Über 90% der RS-Bevölkerung sind heute serbischer Herkunft.

 

Die Föderation (FBIH) gliedert sich in zehn Kantone; jeder Kanton setzt sich aus mehreren Gemeinden zusammen. Der südwestliche Teil der FBIH wird mehrheitlich von Kroaten bewohnt (Kantone 8 und 10: Westherzegowina und Livno), ebenso im Norden der FBIH der Kanton 2 (Posavina). In Mittel- und Nordbosnien (Kantone 1, 3, 4, 5, 9: Una-Sana, Tuzla, Zenica-Doboj, Podrinje, Sarajewo) überwiegen die Bosniaken. In Zentralbosnien (Kanton 6) gibt es kroatische Enklaven (z.B. Busovaca, Kiseljak, Vitez) in mehrheitlich bosniakischem Gebiet, auch der Kanton 7 (Herzegowina-Neretva) ist gemischt (kroatisch/bosniakisch)." (Quelle: Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Bosnien und Herzegowina vom 07.08.2006)

 

"Repressionen Dritter

 

Es kommt gelegentlich zu Übergriffen auf Personen oder deren Angehörigen aufgrund ihrer politischen Aktivitäten durch Dritte. 2004 wurde z.B. im Osten der RS (Milici) ein Menschenrechtsaktivist niedergeschlagen. Im Wahlkampf kam es 2004 zu Einschüchterungen von Reportern durch Unbekannte. Ein Reporter wurde in Bosansko Grahovo im Westbosnischen Kanton der FBIH nachts in seinem Haus brutal zusammengeschlagen. Ihm wurden offenbar wegen seiner Berichterstattung die Beine gebrochen. In 2005 sind dem Auswärtigen Amt keine Vorfälle bekannt geworden.

 

Ausweichmöglichkeiten

 

Soweit es sich bei den Opfern von Repressionen um Angehörige einer der drei konstitutiven Volksgruppen handelt, können sie ihnen grundsätzlich dadurch entgehen, dass sie sich in einen anderen Teil des Staatsgebiets begeben. Die Rückkehr in Mehrheitsgebiete ist für alle drei Ethnien möglich. Der UNHCR weist aber darauf hin, dass sich die Lage für Einzelfälle, z.B. Zeug(inn)en aus Kriegsverbrecherprozessen, Kriegstraumatisierte und intern Vertriebene, anders darstellen kann.

 

Wer sich als Angehöriger einer konstitutiven Volksgruppe - also als Bosniake, Kroate oder Serbe - aus einem sog. "Minderheitsgebiet" in ein "Mehrheitsgebiet" begibt, findet dort "seine" Verwaltung vor. Diese Ausweichmöglichkeiten sind attraktiv für diejenigen, die in die kroatisch dominierten und wirtschaftlich besser gestellten Gegenden ausweichen, sie sind unattraktiv hinsichtlich der wirtschaftlich am Boden liegenden Gegenden der RS, v.a. im Osten des Landes.

 

Todesstrafe

 

EMRK-Protokoll Nr. 6 trat 2003 in Kraft, die Todesstrafe ist abgeschafft. Laut Verfassung garantieren der Gesamtstaat und die Entitäten allen Personen die in der EMRK und den Zusatzprotokollen verankerten Rechte. Beide Entitäten haben inzwischen die Todesstrafe aus den Strafgesetzbüchern gestrichen. Bereits verhängte Todesurteile wurden schon seit Kriegsende nicht vollstreckt bzw. in Haftstrafen umgewandelt."

 

(Quelle: Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Bosnien und Herzegowina vom 07.08.2006)

 

"1. Situation für Rückkehrer

 

a. Grundversorgung

 

Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, insbesondere Grundnahrungsmitteln, aber auch mit Kleidung und Heizmaterial, ist landesweit sichergestellt.

 

Die Ernährungslage für Rückkehrer ist jedoch im Zusammenhang mit dem niedrigen Lebensstandard der Gesamtbevölkerung zu sehen. Der durchschnittliche monatliche Nettolohn in der FBIH liegt bei umgerechnet ca. 290 Euro, in der RS bei ca. 200 Euro. Die Versorgungslage für viele Familien bleibt wegen fehlender Einkommen und hoher Arbeitslosigkeit (ca. 40%) schwierig.

 

Ein besonderes Problem ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit (ca. 70%).Die durchschnittliche Rentenhöhe (ca. 60-100 Euro) ist ohne in ländlichen Gebieten übliche, in den Städten oft nicht mögliche Subsistenzwirtschaft unzureichend für eine Grundversorgung mit Nahrungsmitteln für eine Einzelperson. Sozialhilfe beläuft sich auf umgerechnet 5-50 Euro. Ein Fünftel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze und hat weniger als 150 Euro monatlich zur Verfügung. Die Armut in BIH gilt als ein Grund für die sinkende Lebenserwartung. Laut einem UNICEF-Bericht lag die Sterblichkeitsrate 1970 bei 7/000, 2003 bei 8/000. Die Kindersterblichkeit lag 2005 bei 14.5/000 (europäischer Durchschnitt: 9.3/000).

 

Humanitäre Hilfsprogramme aus dem Ausland, z.B. in Form von einkommensschaffenden Maßnahmen für Rückkehrer, spielen nach wie vor eine Rolle. Die Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft zur Wiederherstellung von Wohnraum sind auf beide Landesteile ausgerichtet. Mangels anderer Möglichkeiten müssen Rückkehrer häufig in Flüchtlingsunterkünften untergebracht werden. Ebenso wie die Belegung variiert auch die Qualität der Unterkünfte. Mitte 2006 waren laut UNHCR noch ca. 1.300 Asylbewerber, Flüchtlinge und intern Vertriebene in Sammelunterkünften untergebracht:

 

Die Behandlung der Rückkehrer durch Dritte ist abhängig davon, ob eine Rückkehr in Minderheitengebiete oder Mehrheitsgebiete vorliegt. In Minderheitengebieten kommt es immer wieder zu Übergriffen gegen Rückkehrer oder zur Zerstörung ihrer Wohnungen und Häuser. Die Situation in vormals umstrittenen Städten hat sich jedoch verbessert. Während sich die Vorfälle in der FBIH meist auf verbale Angriffe und Sachbeschädigungen beschränkten, kommt es auch heute noch in der RS zu Angriffen mit Schusswaffen, schwerer Sachbeschädigung, dem Einsatz von Sprengstoff, Körperverletzungen und Todesfolgen. Die meisten Übergriffe in der FBIH ereignen sich in kroatischen Mehrheitsgebieten: Capljina, Livno sowie West-Mostar. Aber auch Diskriminierungen von kroatischen Rückkehrern sind nicht ausgeschlossen, z.B. in der Gegend um Vare¿.

 

Städtische Gebiete wie Zenica und Sarajewo sind in besonderem Maße Rückkehrziele für

 

Minderheiten, Diskriminierungen haben dort eher Ausnahmecharakter.

 

Rückkehrer in Mehrheitsgebiete sind zuweilen Konflikten ausgesetzt. Ursachen hierfür können ökonomischer Natur sein (Eigentumsverhältnisse, angespannter Arbeitsmarkt), z.T. bestehen gegen Rückkehrer aber auch Ressentiments. Sie finden daher oft eine unfreundliche Aufnahme bis hin zu gelegentlichen Feindseligkeiten. In Einzelfällen werden Rückkehrer als vermeintlich vermögende und privilegierte Personen beraubt oder erpresst."

 

(Quelle: Auswärtiges Amt, Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Bosnien und Herzegowina vom 07.08.2006)

 

"3.2 Polizeiwesen

 

Während sich die kroatischen und bosniakischen Polizeieinheiten (wenigstens nominell) nach dem Krieg zusammenschlossen und nun eine Föderationspolizei und zehn kantonale Polizeikorps bilden, ist die Polizei in der Republika Srpska zu keiner übergeordneten Organisation und Koordination bereit. Die dreizehnte unabhängig organisierte Polizeieinheit ist diejenige des autonomen Distrikts Brcko. Diese fragmentierte Struktur ist sehr aufwändig und verschlingt gegen 10 Prozent aller öffentlichen Ausgaben - das Doppelte des von der EU vorgesehenen Betrages. Die Organisation des Polizeiwesens der Föderation ist zu komplex, um effizient zu funktionieren. So hat jeder der zehn Kantone jeweils ein Polizeiministerium und eigene Polizeigesetze.

 

Die Polizei der Republika Srpska ist weiterhin nationalistisch ausgerichtet. Sie verweigert nicht nur die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), sondern beschützt mutmaßliche Kriegsverbrecher und beschäftigt diese sogar. Zudem behindert sie die Rückkehr von Flüchtlingen. Erst vor wenigen Monaten und auf internationalen Druck hin haben die Polizeikräfte in der Republika Srpska begonnen, von der Föderation oder vom ICTY angeklagte Personen festzunehmen.

 

Derzeit verhindern noch die Verfassung und wichtige Gesetze der beiden Entitäten, dass die Polizeikräfte auf dem Territorium der jeweils anderen Entität aktiv werden dürfen. Größere Ermittlungen oder Operationen über die Entitätsgrenzen sind nicht möglich, was die Bekämpfung des organisierten Verbrechens, der Kleinkriminalität und der Korruption von PolitikerInnen außerordentlich erschwert.

 

Eine Reform des Polizeiwesens ist für die Zukunft von Bosnien und Herzegowina entscheidend: Ohne eine solche können die internationale Gemeinschaft und das Büro des Hohen Repräsentanten ihre Mission im Land nicht beenden. Sie ist auch Bedingung für eine NATO-Partnerschaft für den Frieden. Auch hängen davon erfolgversprechende Verhandlungen mit der EU über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen ab. Bisher sind alle Reformversuche am Widerstand von Politiker- Innen aus der Republika Srpska gescheitert. Diese verweisen darauf, dass geplante Reformen die Souveränität der Republika Srpska verletzen.

 

Die European Union Police Mission (EUPM) unterstützt die bosnisch-herzegowinischen Polizeieinheiten. Mit ihrer Hilfe soll während der nächsten zwei Jahre der Reformprozess unterstützt, sollen lokale und regionale Zusammenarbeit sowie die Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Angriff genommen werden. Insgesamt zählt die EUPM jedoch lediglich 198 (davon 28 zivile) internationale und 200 bosnisch- herzegowinische Angestellte. Der Unwille lokaler Polizeistellen, ethnisch motivierte Vorkommnisse aufzuklären und zu verfolgen, behindert in vielen Gebieten weiterhin die Sicherheitslage und das Sicherheitsgefühl von Minderheitenangehörigen und RückkehrerInnen.

 

5 Wirtschaft

 

Von wirtschaftlichen Problemen, insbesondere der großen Arbeitslosigkeit sind große Teile der Bevölkerung betroffen. Die Arbeitslosenquote beträgt rund 45 Prozent. Allerdings sind auf dem informellen Sektor neue Jobs entstanden. Diese sind jedoch geprägt von extrem tiefen Löhnen und fehlender Konstanz. Am größten ist die Arbeitslosigkeit bei den Jungen: Derzeit sind 178'000 Personen im Alter zwischen 15 und 29 Jahren arbeitslos, ein Grund dafür, dass 70 Prozent dieser Altersgruppe das Land verlassen wollen.

 

Die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten pro Person sind für das Jahr 2005 mit 453.75 Konvertible Mark (KM)21 angegeben. Die Nettodurchschnittslöhne lagen 2004 in der Föderation bei durchschnittlich 534 KM, in der Republika Srpska bei 433 KM. 62 Prozent der Bevölkerung haben ein Haushaltseinkommen von weniger als 500 KM pro Monat, in bosnjakischen Mehrheitsgebieten beträgt der Anteil 66 Prozent und ist auf derselben Höhe wie in den serbischen Mehrheitsgebieten. In kroatischen Mehrheitsgebieten liegt der Anteil bei 28 Prozent. Sechs Prozent der Bevölkerung sind unterernährt. Der wirtschaftliche Aufschwung lässt auf sich warten, da sich kaum Investoren finden lassen. Die Politiker sind primär ihrer Klientel verpflichtet, der Beamtenapparat ist aufgebläht und die ethnisch begründete Teilung des Landes ist für die Wirtschaft unvorteilhaft. Hinzu kommt eine völlig unzureichende öffentliche Infrastruktur, die sich von den Folgen des Krieges noch keineswegs erholt hat.

 

Erste wirtschaftliche und strukturelle Reformen wurden angegangen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beginnen sich langsam zu verbessern, da der Wirtschaftsraum auf gesamtstaatlicher Ebene sukzessive gestärkt wird.

 

6 Humanitäre Situation

 

In der Zeit der sozialistischen Republik Jugoslawien waren hauptsächlich die Firmen, d.h. die ArbeitgeberInnen für die Gesundheitsversorgung und das soziale Wohlergehen ihrer Angestellten verantwortlich. Es gibt derzeit in den beiden Entitäten noch keine einheitlichen Regelungen zu Pensions- und Krankenkassen, bzw. Regelungen werden nicht umgesetzt.27

 

6.1 Arbeitslosenunterstützung

 

Gemäss den neuesten Regelungen hat in Bosnien-Herzegowina nur Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer sich innerhalb von 60 Tagen nach der letzten Kündigung beim Arbeitsamt arbeitslos meldet und weder selbst gekündigt noch die Kündigung mitverantwortet hat. Arbeitslosenunterstützung finanziert sich aus Lohnanteilen und kommt daher auch nur denen zugute, die seit der Schaffung dieses Versicherungstyps (nach dem Krieg) eingezahlt haben. Entsprechend gering ist die Zahl derjenigen, die Arbeitslosenunterstützung beziehen. Personen, die kein Arbeitslosengeld beziehen können und arbeitsfähig sind, erhalten weder Sozialhilfe noch Kindergeld. Meist bleibt ihnen nichts anderes übrig, als im grauen Arbeitsmarkt tätig zu werden, das heißt für 1 KM pro Tag zu arbeiten. Dieses Schicksal teilen viele im Land gebliebene Personen mit den RückkehrerInnen. Personen, die im informellen Sektor Arbeit gefunden haben, können sich erst zwölf Monate nach Beendigung dieser Tätigkeit wieder beim Arbeitsamt registrieren lassen.

 

6.2 Sozialhilfe

 

Zuständig für jegliche Form der Unterstützung ist die Gemeinde, in der die bedürftige Person registriert ist. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage besteht die Sozialhilfe nur aus einem kleinen Betrag, der nicht immer regelmäßig ausbezahlt wird. Die Zahl der Bedürftigen übersteigt bei weitem die Zahl der Unterstützten. Das staatlich geregelte Sozialhilfe-Verfahren ist primär für alte und kranke Personen gedacht. Die Bedingungen für die Gewährung von Sozialhilfe sind sehr restriktiv und die Beiträge sind niedrig:

Diejenigen, die sie erhalten, können alleine davon nicht leben. Personen, die beim Arbeitsamt als arbeitslos registriert sind und als arbeitsfähig eingestuft werden, haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Voraussetzungen für eine Bewilligung sind fehlende Arbeitsfähigkeit und das Fehlen eines sozialen oder familiären Netzwerks. Es kann mehrere Monate bis Jahre dauern, bis das Antragsverfahren abgeschlossen ist. Während dieser Zeit gibt es keine anderweitige staatliche Unterstützung.

 

7 Rückkehr

 

Die Anzahl der RückkehrerInnen hat in den letzten Jahren immer mehr abgenommen. Im Jahr 2005 waren es noch insgesamt 5'885 Personen (1'138 Personen aus dem Ausland, 4'747 IDPs), die zurückgekehrt sind. Das erste Problem bei einer Rückkehr stellt die Registrierung dar. Sie hat möglichst schnell nach der Rückkehr zu erfolgen und beinhaltet die Anmeldung bei der Meldebehörde (häufig die Polizeidienststelle) und das Beantragen einer neuen Identitätskarte. Anträge auf Registrierung als Flüchtling, Vertriebener oder bedürftige Person sind in der Gemeinde an das Ministerium für Flüchtlinge und Vertriebene zu stellen.

 

Trotz einer theoretischen Niederlassungsfreiheit ist es möglich, dass die Gemeinde die Registrierung an das Vorhandensein von Wohnraum (Eigentums-/Mietwohnung oder Unterkommen bei Verwandten) in der betreffenden Gemeinde knüpft. "Solange man nicht registriert ist, ist man niemand". Das ist dann gravierend, wenn die Registrierung lange auf sich warten lässt und das ist eher die Regel als die Ausnahme. Die Registrierung ist Voraussetzung für Unterstützungsleistungen und Wiederaufbauhilfen, aber auch für die Rückerstattung von Eigentum. Bei allen Antragsverfahren gilt es, knappe Fristen einzuhalten, auch wenn dann die Verfahren Monate oder Jahre bis zur tatsächlichen Auszahlung allfälliger Leistungen dauern können. Die Anmeldefrist für Arbeitslosengeld haben die meisten RückkehrerInnen bereits verpasst. Erfahrungsgemäß haben RückkehrerInnen kaum eine Chance, Sozialhilfe zu erhalten. Aus dem Ausland zurückkehrende Personen können eine Rente beantragen, wenn sie vor der Ausreise rentenberechtigt waren und die Bedingungen hinsichtlich Alter und Arbeitsjahre erfüllen. Renten, die in der Föderation ausgezahlt werden, sind deutlich höher als in der Republika Srpska, was zur Benachteiligung der zahlreichen aus der Republika Srpska vertriebenen, nun in der Föderation lebenden Personen führt. RückkehrerInnen können gemäss dem Abkommen von Dayton eine Rückerstattung des im Krieg verlorenen Eigentums anstreben. Voraussetzung ist Anmeldung in der jeweiligen Gemeinde. Zwar waren im Jahr 2005 bereits 93 Prozent aller beantragten Rückgaben von Eigentum/Häusern abgewickelt, doch bedeutet das nicht, dass eine tatsächliche Heimkehr möglich war. Weil viele RückkehrerInnen sich sozial und wirtschaftlich benachteiligt und diskriminiert fühlten oder sich aufgrund der geänderten Mehrheitsverhältnisse ein Leben in ihrem Herkunftsort nicht vorstellen konnten, zogen sie vor, am Ort ihrer Zuflucht zu bleiben. Sie verkauften also ihre rückerstatteten Häuser und wohnen wieder in der Region, in die sie während des Krieges geflüchtet waren oder wo ihre Volksgruppe die Mehrheit bildet. Nur wenige, vor allem ältere Minderheitenangehörige, riskieren ein Leben in ihren Herkunftsgemeinden. Diese gehören größtenteils zur Kategorie der ärmsten Bevölkerung. Die sehr häufig praktizierte Form einer "Rückkehr" durch Verkauf des eigenen Hauses an die aktuelle Mehrheitsbevölkerung widerspricht dem Ziel des Dayton-Abkommens, durch Rückkehr die im Krieg erfolgten ethnischen Säuberungen wieder rückgängig zu machen. Sie wird aber stillschweigend toleriert. Auch an den Orten, wo RückkehrerInnen zwar zur Mehrheit gehören, wo sie aber vor dem Krieg nicht gelebt haben, haben sie mit bürokratischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Sie müssen in ihre Herkunfts-Entität reisen, um Renten zu beziehen oder Leistungen der Krankenversicherung zu beanspruchen. Personen, die ins Ausland gegangen sind und nun zurückkehren, sind generell als Versager angesehen, die es nicht geschafft haben, ihre Verwandten vom Ausland her zu unterstützen. Man kommt ihnen nicht entgegen. Lokale Machthaber machen ihnen das Leben schwer, indem sie erst nach Wartefristen von bis zu mehreren Jahren den Zugang zu Strom, Wasser, Strassennetz, Gesundheitsversorgung, sozialem Schutz und Ausbildung gewähren. Mangels Alternativen mussten viele RückkehrerInnen in der Vergangenheit in Kollektiv- oder Transitzentren untergebracht werden. Deren Aufhebung ist wegen der untragbaren baulichen und hygienischen Verhältnisse längst geplant. Doch auch im Jahr 2005 lebten in der Föderation noch etwa 4'500 Personen in solchen Unterkünften. In der Republika Srpska sind diese Zentren offiziell bereits geschlossen, doch leben weiterhin Personen in ihnen. Die physische Sicherheit von RückkehrerInnen ist nicht immer gewährleistet. Angriffe auf sie blieben in der Vergangenheit häufig unbestraft. Es sollen noch über 670'000 Minen im Boden liegen, die meisten in der Gegend von Sarajevo. RückkehrerInnen sind mehr als andere gefährdet, Opfer von Minenexplosionen zu werden, weil Hausruinen oder andere verlassene Gebäude, in die zurückgekehrt werden soll, vermint sind. Für Kinder enden Minenexplosionen meist tödlich."

 

(Quelle: Schweizerische Flüchtlingshilfe, aktuelle Situation in Bosnien - Herzegowina vom Juli 2006)

 

"5. Sicherheitslage

 

Seit Kriegsende hat sich die die allgemeine Sicherheitslage stabilisiert und wesentlich verbessert. Dies war bereits bei der Reduktion der Truppen anlässlich der Kommandoübergabe von der NATO an die EU im Jahr 2004 deutlich geworden. Öffentliche Sicherheit wird in der Bevölkerung trotz Verbesserungen der letzen Jahre aber nicht als Regelfall wahrgenommen. Die Angst vor gewaltsamen Auseinandersetzungen, falls die internationalen Truppen abziehen, ist weit verbreitet. Tatsächlich werden immer wieder geheime Waffenlager entdeckt, die ein Hinweis auf vorhandene extremistische Strömungen sind. Hinzukommen (organisierte) Kriminalität, wachsende Korruption und ein desolates Justizsystem.

 

Auf gesamtsstaatlicher Ebene gibt es keine Polizei. Jede Entität und der Distrikt Brcko hat seine eigenen Polizeikräfte. In der RS gibt es neben dem Innenministerium fünf Polizeibezirke, in der Föderation hat jeder der 10 Kantone jeweils ein Polizeiministerium und eigene Polizeigesetze. Eine Polizeireform mit dem Ziel, eine einheitliche, ethnisch neutrale Polizei für ganz Bosnien und Herzegowina zu schaffen, scheiterte bisher noch am Widerstand der RS. Bis 2002 wurden alle Polizeibeamten von der "International Police Task Force der UN-Mission" (IPTF) überprüft; gegenüber 160 Polizisten wurden Berufsverbote verhängt, in über 35 Fällen wegen Kriegsverbrechen. Jedoch wurden Polizisten dennoch in vielen Fällen weiter beschäftigt oder wieder eingestellt. Die EUPolizeimission (EUPM), seit 2003 die Nachfolgemission der IPTF, überwacht und begleitet die Arbeit der Polizei. Sie stellte 2005 bei der Polizei der Republika Srpska 170 und in der Föderation 32 schwere Dienstvergehen fest.47 Es wird berichtet, dass die Methoden der Polizei mitunter von Härte und Willkür gekennzeichnet seien, insbesondere gegenüber Minderheiten. Auch würden ethnisch und religiös motivierte Taten von der Polizei häufig nicht mit dem nötigen Nachdruck verfolgt. Der Unwille lokaler Polizeistellen, ethnisch motivierte Vorkommnisse aufzuklären und zu verfolgen, behindere in vielen Gebieten weiterhin die Sicherheitslage und das Sicherheitsgefühl von Minderheitenangehörigen und Rückkehrern. Es wird von Fällen berichtet, in denen im Zuge polizeilicher Verhöre Gewalt gegenüber Roma-Angehörigen und Vertretern anderer Minderheiten und Randgruppen angewendet werde. Das Antifolterkomitee des Europarats berichtete 2004, dass viele der befragten Häftlinge ausgesagt haben, von der Polizei korrekt behandelt zu werden. Aber es habe auch im ganzen Land Beschwerden über Misshandlungen sowohl im Zuge der Festnahme als auch bei Befragungen durch die Polizei gegeben, meistens in Form von Schlägen und Tritten. Ethnisch motivierte Misshandlungen an Roma durch die Polizei werden dadurch begünstigt, dass es kaum Roma-Angehörige in den Polizeieinheiten gibt. Auch der Frauenanteil bei der Polizei ist gering, außerdem soll es landesweit noch 200 Polizisten geben, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren.

 

5.2 Nationalismus

 

Eine Untersuchung aus 2005 hat ergeben, dass inzwischen mehr als 70 % der Befragten die Toleranz zwischen den Ethnien als gut bezeichnen oder damit zufrieden sind.50 Dennoch kommt es weiterhin zu verbalen und körperlichen Übergriffen gegen (Minderheiten-)Rückkehrer und andere Minderheiten (v. a. Roma). Während sich die Vorfälle gegen Minderheitenrückkehrer in der Föderation meist auf verbale Angriffe und Sachbeschädigungen beschränken, kommt es auch heute noch in der RS zu Angriffen mit Schusswaffen, schwerer Sachbeschädigung, dem Einsatz von Sprengstoff, Körperverletzungen mit Todesfolgen. Die meisten Übergriffe in der Föderation ereignen sich in kroatischen Mehrheitsgebieten: Capljina, Livno West-Mostar. Aber auch Diskriminierungen von kroatischen Rückkehrern sind nicht ausgeschlossen, z.B. in der Gegend um Vare¿. Städtische Gebiete wie Zenica und Sarajewo sind in besonderem Maße Rückkehrziele für Minderheiten, Diskriminierungen haben dort eher Ausnahmecharakter. Der polizeiliche Schutz ist für Rückkehrer in vielen Fällen unzureichend, weil entweder keine hinlänglichen Schutzmaßnahmen ergriffen oder Ermittlungsverfahren unzureichend durchgeführt werden. Racheakte für während des Krieges verübtes Unrecht sind bislang, entgegen vielen Befürchtungen, nicht bekannt geworden. Laut einem UNHCR-Bericht ging die Zahl der registrierten "return-related incidents" in letzter Zeit zurück (2005: 135 Fälle, 2003: 277 , 2002: 430 Fälle). Auch in Mehrheitsgebieten sind Rückkehrer zuweilen Konflikten ausgesetzt. Ursachen hierfür sind aber eher ökonomischer Natur (Eigentumsverhältnisse, angespannter Arbeitsmarkt), zum Teil bestehen gegen Rückkehrer aber auch Ressentiments. Sie finden daher oft eine unfreundliche Aufnahme bis hin zu gelegentlichen Feindseligkeiten. In Einzelfällen werden Rückkehrer als vermeintlich vermögende und privilegierte Personen beraubt oder erpresst. Da sich die ehemaligen verfeindeten Bevölkerungsgruppen - Bosniaken, Kroaten, Serben - auch religiös definieren, ist die Religionszugehörigkeit potentieller Anknüpfungspunkt für Diskriminierungen verschiedener Art. Dies zeigen immer wiederkehrende Vorfälle wie die Zerstörung von Grabsteinen, Sachbeschädigungen von Moscheen und Kirchen oder Häusern von Mitbürgern anderen Glaubens sowie tätliche Angriffe Dritter aus religiösen Motiven. Neben ethnischen Symbolen werden auch Kirchen und Gebäude von Glaubensgemeinschaften Ziele von Gewalttaten. In der Regel kommt es dabei zu Sachbeschädigungen (Graffitischmierereien, Friedhofschändungen, Störung bei Friedhofsbesuchen, etc.), aber auch zu tätlichen Angriffen. Angriffe auf Roma sollen laut Ministerium für Menschenrechte und Flüchtlinge und European Roma Rights Center relativ häufig stattfinden. Statistiken hierzu fehlen. Die Übergriffe reichen von Beschimpfungen bis hin zu Schießereien und Granatenattacken.

 

5.4 Kriminalität

 

Die schwierige Wirtschaftslage hat zwar zu einer Zunahme der Kleinkriminalität (Autodiebstähle und Einbrüche) geführt, ansonsten gilt Bosnien aber als sicheres Land. Allerdings stellen organisierte Kriminalität (vor allem illegaler Waffenhandel, Drogen- und Menschenschmuggel) sowie Korruption weiterhin Hindernisse auf dem Weg zu mehr Stabilität in Bosnien und Herzegowina dar. Nach vertraulichen Einschätzungen der europäischen Polizei in Bosnien (EUPM) hat die organisierte Kriminalität die Politik unterwandert. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein hochrangiger Politiker wegen Bestechlichkeit angeklagt wird. Ohne den Druck der europäischen Polizei würden viele Fälle nicht verfolgt. In seltener Einigkeit verhindern die Volksgruppen bisher eine Reform der Sicherheitskräfte. Die zersplitterten Polizeieinheiten sind schlecht ausgerüstet und wissen nicht, was in der benachbarten Stadt passiert, wenn die im muslimischen oder serbischen Teil des Landes liegt. Dadurch bietet Bosnien ideale Bedingungen für Verbrechen aller Art und ist heute nach Einschätzungen von EUPM ein Zentrum für den Drogenschmuggel und Menschenhandel in ganz Europa. Schließlich hat Bosnien, als Land in der Mitte des früheren Jugoslawien seit jeher die Funktion einer Drehscheibe. Es existieren umfangreiche Berichte von internationalen Menschenrechtsorganisationen über Frauenhandel in, nach und durch Bosnien zum Zwecke der Prostitution. Bosnien gilt in erster Linie als Ziel-, in zweiter Linie als Transitland. Nach einer Studie von 2004 gab es von 1999-2003 ca. 160 nachweislich minderjährige Opfer von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung in Bosnien (nahezu ausschließlich Mädchen), davon seien 77 aus Bosnien und 83 aus dem Ausland gewesen. Die Zahl könne aber in Wahrheit deutlich höher liegen. Eine besonders anfällige Gruppe für die Gefahr der Kinderprostitution sind Roma."

 

(Quelle: Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Informationszentrum Asyl und Migration, Bosnien und Herzegowina, Länderreport Band 1, April 2007)

 

3. Beweiswürdigung

 

3.1. Die Identität und Herkunft des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vorgelegten Führerschein und seinen diesbezüglich unbedenklichen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

 

3.2. Die Angaben des BF über die in seinem Heimatort stattgefundenen Vorfälle sind glaubhaft. Das Vorbringen wurde in mündlicher Verhandlung kohärent dargelegt und stimmt weitgehend mit dem jeweiligen Vorbringen der Cousins des BF überein. Es weicht auch nicht wesentlich von den früheren Schilderungen im erstinstanzlichen Verfahren ab und wurde außerdem durch Krankenhausbestätigungen belegt. Somit erachtet es der Asylgerichtshof als plausibel und nachvollziehbar, dass der BF mehrmals von einer Gruppe von Personen niedergeschlagen und verletzt wurde, so dass er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Der Asylgerichtshof verkennt nicht, dass - wie sich aus der Berichtslage ergibt - im gesamten Gebiet der Republik Bosnien -Herzegowina ethnisch motivierte Überfälle stattfinden und gerade auch Angehörige der Minderheiten, die in Mehrheitsgebieten leben, davon betroffen sein können.

 

3.4. Die Feststellungen zur Situation im Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina, zur dortigen Sicherheitslage und Rückkehrsituation stützen sich auf die aus der internationalen Berichterstattung allgemein bekannten Tatsachen sowie auf die zitierten aktuellen Quellen. Die Parteien des Verfahrens sind den in der Beschwerdeverhandlung erörterten Feststellungen nicht entgegengetreten. Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der mit der internationalen Berichterstattung übereinstimmenden Inhalte besteht für den Asylgerichtshof kein Grund, die Richtigkeit der Länderfeststellungen in Zweifel zu ziehen. Die zitierten Berichtsauszüge ergeben ein ausgewogenes und anschauliches Bild über die derzeitige Lage im Herkunftsland des BF.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Festgestellter Sachverhalt:

 

Der BF erzählte in mündlicher Verhandlung, dass er mit seiner gesamten Familie, zu der auch seine Cousins S.D. (ho. GZ: E2 306.705) und S.S. (ho. GZ E2 310.498) zu zählen sind, welche zugleich mit dem BF in Österreich um Asyl angesucht hatten, im Jahr 1993 den Heimatort Z., welcher auf dem Gebiet der heutigen bosnischen Föderation liegt, aufgrund der Kriegswirren verlassen musste. Die Familien lebten in der Folge im serbischen Mehrheitsgebiet von V., das zur Republika Srpska gehört, in einem Haus, welches von den früheren muslimischen Besitzern (ebenfalls aufgrund der Kriegswirren) verlassen wurde. Im Jahr 2000 mussten die beiden Familien wieder ausziehen und die Eltern des BF sind in der Folge in ihren ehemaligen Heimatort Z. zurückgekehrt, während der BF noch bis zum Jahr 2004 im serbischen Teil bei einem serbischen Bekannten der Familie verblieb. Nach Abschluss der Schule kehrte auch der BF in seinen Heimatort Z. zurück. Dort verdiente er sich seinen Lebensunterhalt mit Holzarbeiten für einen serbischen Arbeitgeber.

 

Seinen Asylantrag begründete er in der Folge im Wesentlichen damit, dass er täglich von Muslimen bedroht werde. Er könne sich nicht frei auf der Straße bewegen, weil er ständig beschimpft und misshandelt werde. Am 22.12.2004 und am 01.10.2005 sei er von Muslimen so schwer verprügelt worden, dass ein Spitalsaufenthalt notwendig gewesen sei. Weil im zuständigen Polizeiwachzimmer O. nur Muslime tätig seien, sei die Anzeige nicht entgegen genommen worden. Auch eine Anzeige bei der serbischen Polizei in der Republik Srpska sei wegen Unzuständigkeit abgewiesen worden. Seit Kriegsende würden sich die Serben und Muslime hassen und deshalb sei er als Serbe in seinem Dorf nicht mehr sicher. Sein Dorf werde von Muslimen bewohnt und er und seine Familie seien die einzigen, die der serbischen Ethnie angehören.

 

2. Rechtlich folgt:

 

2.1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter zu führen.

 

Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt."

 

2.2. Gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: AsylG) hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951, BGBL. Nr. 55/1955, iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

2.3. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG), wenn ein Asylantrag abzuweisen ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Wenn der Asylantrag abzuweisen ist und die Überprüfung gem. Abs. 1 ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde gem. Abs. 2 leg. cit. diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Gem. § 124 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBL I Nr. 100/2005, treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verweisen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. Im § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wird auf die Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen. Folglich ist hinsichtlich der Prüfung des Refoulements auf § 50 FPG abzustellen.

 

Gem. § 50 Abs. 1 FPG 2005 ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Gem. Abs. 2 leg. cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

3. Abweisung des Antrages auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 Asylgesetz

 

3.1. Der BF macht Übergriffe durch Privatpersonen wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt werden, sondern es kann eine dem Staat zuzurechnende asylrelevante Verfolgungssituation auch dann gegeben sein, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, von Privatpersonen ausgehende Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, sofern, diesen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - Asylrelevanz zukommen sollte (VwGH 08.07.2000/ 99/20/0203; 21.09.2000, 98/20/0557).

 

3.2. Die Flüchtlingseigenschaft kommt nicht zu, wenn eine "inländische Fluchtalternative" offen steht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss sich die Verfolgungsgefahr auf das gesamte Staatsgebiet des Herkunftsstaates beziehen. Dieser Begriff trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art I Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (zB. VwGH 10.03.2994, 93/01/0079 "In keinem Teil des Herkunftsstaates darf Verfolgungssicherheit bestehen," mit Verweis auf Steiner, Österreichisches Asylrecht, 30; siehe auch VwGH 08.06.2000, 99/20/0597 u.a.). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614; 08.09.1999, 98/01/0503; 08.06.2000, 99/20/0597; 19.10.2000, 98/20/0430). In daraus resultierenden schlechteren wirtschaftlichen oder sozialen Bedingungen allein kann kein staatliche Verfolgung erblickt werden, vorausgesetzt, der Asylwerber gerät in dem in Frage kommenden Gebiet nicht in eine ausweglose Lage, die ihm jegliche Existenzgrundalge entzieht (VwGH 08.06.2000, 99/20/0597; 19.10.2000, 98/20/0430).

 

3.3. Der BF lebte seit seiner Rückkehr aus dem Gebiet der Republika Srpska (serbische Entität von Bosnien und Herzegowina), in welcher er mit seiner Familie während der Kriegszeit vertrieben wurde und danach noch zum Zwecke des Schulbesuches bis zum Jahr 2004 verblieb, wieder in seinem ursprünglichen Heimatort Z.. Dieser Ort liegt in einer Region, die mehrheitlich von bosnischen Muslimen bewohnt wird, unweit der Grenze zur Republika Srpska. Die glaubhafte Darstellung des BF, dass er in seinem Wohngebiet von Angehörigen der bosnischen Muslime, die dort die Mehrheit darstellen, mehrmals körperlich attackiert und verletzt wurde, führt den Asylgerichtshof zur Annahme, dass in seinem Heimatort seitens der Mehrheitsbevölkerung versucht wird, die wenigen noch bzw. wieder ansässigen Angehörigen der serbischen Volksgruppe durch wiederholt gewaltsame Attacken zu vertreiben. Schutz durch die örtlich zuständige Polizei von O. kann der BF aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit nicht wirklich erwarten, zumal diese mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit serbischen Polizisten sondern mit solchen aus der Föderation besetzt ist. Dies bedeutet aber nicht, dass dem BF auf dem übrigen Staatsgebiet des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina keine Schutz vor derartigen Verfolgungshandlungen zuteil wird. Der BF kann sich wiederum auf das Gebiet der Republika Srpska begeben, wo er serbische Verwaltung vorfindet und den örtlich begrenzten Bedrohungen entgehen könnte. Einerseits hat er nicht geltend gemacht, dass ihn die Gruppe der bosnischen Muslime aus seiner Heimatregion bis auf das Gebiet der Republika Sprska verfolgen würde und andererseits konnte er auch nicht glaubhaft darlegen, dass ihm die serbisch besetzte Polizei auf dem Gebiet der Republika Srpska in diesem Fall keinen Schutz gewähren würde. Der BF wurde in diesem Teil von Bosnien und Herzegowina ärztlich behandelt. Aufgrund seiner Angaben ist auch davon auszugehen, dass die Anzeige des BF bei der serbischen Polizei entgegengenommen wurde. Wenn die serbische Polizei aufgrund der politischen Realität nicht in der Lage ist, Straftaten auf dem Gebiet der Föderation zu verfolgen bzw. eine solche Verfolgung wegen örtlicher Unzuständigkeit ablehnt, heißt das nicht, dass sie den BF nicht auf dem Gebiet der Republika Srpska gegen Angriffe aus dem bosnisch-muslimischen Teil - sofern solche überhaupt die Entitäten übergreifend stattfinden - schützen könnte und ihn - im Bedarfsfall - auch schützt. Insofern steht dem BF eine innerstaatliche Fluchtalternative zu Verfügung. Gründe in der Person des BF, die eine solche unzumutbar erscheinen lassen, konnte der Asylgerichtshof nicht feststellen. Der BF machte keinerlei Gründe geltend, die in seiner Person liegen und die die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative ausschließen würden. Im Verfahren sind solche auch sonst nicht hervorgekommen. Er ist ledig, gesund, ohne Sorgepflichten und in einem jungen Alter, das es ihm nicht unmöglich macht, etwa durch Annahme von Hilfsarbeiten oder andere Tätigkeiten die für sein Leben notwendigen Mittel zu beschaffen. Wenn auch die wirtschaftlichen Bedingungen in der Republika Srpska schlechter als auf dem Gebiet der Föderation sind, schließt dies ein wirtschaftliches Fortkommen nicht aus bzw. lässt dies die Annahme nicht zu, dass dem BF dadurch die Existenzgrundlage völlig entzogen wäre. Dafür spricht auch, dass sich der BF noch über Jahre nach Kriegsende bis zum Jahr 2004 auf dem Gebiet der Republika Srpska aufgehalten und offenbar ein Fortkommen - wenn auch durch Unterstützung - gehabt hat. Dem BF steht überdies eine Aufenthaltsnahme in einer der größeren Städte von Bosnien und Herzegowina (zB. in Sarajewo) offen, wo erfahrungsgemäß die Möglichkeiten der Schaffung einer Existenzgrundlage vielfältiger vorhanden und leichter zugänglich sind. Ethnische Unterschiede spielen dort eine geringere Rolle. Im Ergebnis steht dem BF daher die innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung und ist ihm eine solche auch zumutbar. Schon aus diesem Grunde kann kein Asyl gewährt werden.

 

4. Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina gemäß § 8 Absatz 1 Asylgesetz:

 

4.1. Der Fremde hat glaubhaft zu machen, dass er im Sinne des § 50 Absatz 1 und Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz (vormals § 57 Absatz 1 und 2 Fremdengesetz) aktuell bedroht ist, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, Zahl 2000/01/0443; VwGH 26.2.2002, Zahl 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zahl 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 Absatz 1 Asylgesetz zu beachten (VwGH 25.1.2001, Zahl 2001/20/0011, damals noch zu § 8 Asylgesetz vor der Novelle 2003). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, Zahl 93/18/0214). Der Prüfungsrahmen des § 50 Fremdenpolizeigesetz (vormals § 57 Fremdengesetz) ist durch § 8 (nunmehr: § 8 Absatz 1) Asylgesetz auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt (VwGH 22.4.1999, Zahl 98/20/0561).

 

4.2. Wie bereits ausgeführt, bestehen zwar Anhaltspunkte für die Annahme, dass das Leben oder die Freiheit des BF aus Gründen der Zugehörigkeit zur serbischen Volksgruppe in der unmittelbaren Umgebung seines Wohnortes bedroht ist und würde insofern ein Fall des § 50 Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz (vormals § 57 Absatz 2 Fremdengesetz) vorliegen. Aber auch für diesen Fall gilt, dass dies nur dann relevant wird, wenn eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative nicht gegeben ist. Der vorliegende Fall wurde bereits unter II.3. einer asylrechtlichen Prüfung unterzogen und festgestellt, dass dem BF die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative zumutbar ist. Insofern braucht es lediglich eines Verweises auf die dortigen Ausführungen und kann aus dem gleichen Grund keine konkrete Gefährdung des BF im Falle der Abschiebung in den Herkunftsstaat Bosnien und Herzegowina gem. § 50 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz festgestellt werden.

 

4.3. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in dessen Herkunftsstaat Artikel 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt würde oder für den BW als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes gegeben ist (§ 50 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz). Es besteht kein Hinweis auf solch "außergewöhnliche Umstände", die eine Abschiebung unzulässig machen könnten. In Bosnien und Herzegowina besteht aktuell keine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Artikel 2 und 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgesetzt wäre. Der BF hat auch keinen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" glaubhaft behauptet, der ein Abschiebungshindernis bilden könnte. Auch in diesem Zusammenhang ist in Betracht zu ziehen, dass dem BF die Aufenthaltsnahme in serbischen Gebieten des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina oder in einer der größeren Städte offen steht und infolge seiner nicht beeinträchtigten psychischen und physischen Verfassung zumutbar ist. Einen internationalen oder innerstaatlichen Konflikt, der den BF im Falle der Rückkehr als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt am Leben bedroht, gibt es im Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina derzeit nicht.

 

Es ergab sich somit kein Abschiebungshindernis, so dass die Gewährung von subsidiärem Schutz ausgeschlossen ist.

 

5. Zulässigkeit der Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Bosnien Herzegowina gemäß § 8 Absatz 2 Asylgesetz:

 

5.1. Im Beschwerdeverfahren konnte kein Familienbezug des Beschwerdeführers zu in Österreich dauernd aufhältigen Personen festgestellt werden. Solches wurde vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Der in Österreich lebende Cousin des Beschwerdeführers ist ebenfalls Asylwerber. Dessen Asylantrag wurde mit Bescheid vom heutigen Tag ebenso abgewiesen, sodass auch aus diesem Grund die Ausweisung keine Verletzung des Privat- oder Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellt. Der Bruder des BF; S.D. (ho. GZ: 306.705), verließ Österreich unter Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe freiwillig und dessen Asylverfahren wurde am 16.06.2008 als gegenstandlos abgelegt. Eine weitere Prüfung, ob ein Eingriff in das Recht auf Schutz des Familienlebens eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Artikel 8 Absatz 2 EMRK), erübrigt sich somit in diesem Zusammenhang.

 

5.2. Ist im gegenständlichen Fall ein Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführer zu verneinen, so bleibt noch zu prüfen, ob mit der Ausweisung ein Eingriff in sein Privatleben einhergeht und wenn dies zutrifft, ob dieser Eingriff eine im Sinne des o. a. Artikel. 8 Absatz 2 EMRK zulässige Maßnahme darstellt.

 

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

 

Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art "Handreichung des Staates" - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA [aaO.]) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde. Der EGMR hat diese Frage zwar noch nicht abschließend entschieden, jedoch in Fallkonstellationen das Recht auf Privatleben erörtert, in denen ein legaler Aufenthalt der Beschwerdeführer nicht vorlag. Hat er in der Rechtssache GHIBAN (aaO.) zu einem rumänischen Staatsangehörigen, der wegen Staatenlosigkeit nicht abgeschoben werden konnte, die Frage letztlich noch offen gelassen ("Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Aufenthalt des Bf. unter diesen Umständen eine ausreichende Grundlage für die Annahme eines Privatlebens war..."), so nahm er in der bereits mehrfach zitierten Rechtssache Sisojeva (aaO.) einen Eingriff in das Privatleben an, obwohl die Beschwerdeführer in Lettland keinen rechtmäßigen Aufenthalt hatten.

 

Wenn man - wie die aktuelle Entwicklung der Judikatur des EGMR auch erkennen lässt - dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.

 

Im Falle des am 16.11.2005 illegal nach Österreich eingereisten Beschwerdeführers hat das bisherige Verfahren keine Anhaltpunkte für die Annahme besonderer sozialer oder wirtschaftlicher Beziehungen in Österreich ergeben bzw. wurden solche von diesem auch nicht behauptet. Aber auch eine anderweitige Aufenthaltsverfestigung, die die Annahme einer Prävalenz extrafamiliärer Bindungen gegenüber jenen zum Herkunftsstaat rechtfertigen würde, liegt beim BF nicht vor.

 

Unter dem Gesichtspunkt eines geordneten Fremdenwesens erweist sich die Ausweisung des Beschwerdeführers als dringend geboten. In Folge des gegenständlich negativ beschiedenen Asylverfahrens würde der zukünftige Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet ein unrechtmäßiger sein, was eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens von beachtlichem Ausmaß darstellen würde. Dazu kommt, dass dem Beschwerdeführer - schon mangels Erfüllung der in § 21 Absatz 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz normierten Voraussetzung, dass sein Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz vom Ausland aus zu stellen ist - auch nicht die erforderliche Bewilligung nach den niederlassungs- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen erteilt werden darf. Bei Abstandnahme von der Ausweisung könnte sich der Beschwerd

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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