TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/24 A2 248436-2/2008

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Veröffentlicht am 24.07.2008
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Spruch

A2 248.436-2/2008/7E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerde des G.A., geb. 00.00.1987, StA. Algerien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 14.12.2007, Zl. 04 00.739-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.03.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I 126/2002/idgF als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 idgF wird G.A. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein Staatsbürger aus Algerien hat am 15.01.2004 beim Bundesasylamt - unter der Angabe am 00.00.1987 geboren zu sein - einen Asylantrag eingebracht. Dazu wurde er am 16.03.2004 (Aktenseiten 29 bis 35 im Akt des BAA) in der Außenstelle Salzburg des Bundesasylamtes im Beisein seines gesetzlichen Vertreters niederschriftlich einvernommen.

 

2. Das Bundesasylamt hat den Asylantrag mit Bescheid vom 18.03.2004, Zahl: 04 00.739-BAS gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und unter einem festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Algerien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Die Zustellung erfolgte an den damals angenommen gesetzlichen Vertreter (Jugendamt, Salzburg).

 

3. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Unabhängigen Bundesasylsenat nach Durchführung einer Berufungsverhandlung am 16.10.2007 mit mündlich verkündetem Bescheid gemäß § 63 Abs. 5 AVG als unzulässig zurückgewiesen; dies mit der Begründung, dass aufgrund der jetzt vorgelegten Personaldokumente davon auszugehen sei, dass der (nunmehrige) Beschwerdeführer tatsächlich am 00.00.1979 geboren sei. Sohin hätte auch die Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, nach der seinerzeitigen Gesetzeslage an den Beschwerdeführer selbst erfolgen müssen.

 

4. Am 04.12.2007 wurde der (nunmehrige) Beschwerdeführer nochmals in der Außenstelle Salzburg des Bundesasylamtes niederschriftlich einvernommen (Aktenseiten 111 bis 121 im Akt des BAA). Sein damaliges Vorbringen (sowohl in der Einvernahme vom 16.03.2004 als auch in der Einvernahme vom 04.12.2007) wurde im nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesasylamtes, vom 14.12.2007, Zahl: 04 00.739-BAS, wiedergegeben, sodass der diesbezügliche Teil des Bescheides des BAA auch zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses erhoben wird.

 

5. Das Bundesasylamt hat den Asylantrag mit nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.12.2007, Zahl: 04 00.739-BAS gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und unter einem festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Algerien gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 wurde der Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Algerien ausgewiesen.

 

Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur Lage in Algerien und sprach den Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund die Glaubwürdigkeit ab. Rechtlich führte das Bundesasylamt aus, dass nicht glaubhaft sei, dass dem Antragsteller im Herkunftsstaat Verfolgung drohe und sei der Asylantrag aus diesem Grunde abzuweisen gewesen.

 

Zu Spruchpunkt II argumentierte das Bundesasylamt, dass die allgemeine Lage in Algerien nicht dergestalt sei, dass jeder - ohne individuelle Gründe - Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden würde.

 

Zu Spruchpunkt III wurde darauf verwiesen, dass keine Bezugspunkte zu Österreich vorlägen.

 

6. Gegen diesen Bescheid des Bundesasylamtes, richtet sich die fristgerecht am 21.12.2007 beim Bundesasylamt eingebrachte Beschwerde. Begründend wird insbesondere ausgeführt, dass seine damaligen unrichtigen Angaben über seine Identität nicht bedeuten würden, dass seine nunmehr getätigten Angaben nicht den Tatsachen entsprechen würden. Des Weiteren wird das Ermittlungsverfahren des Bundesasylamtes gerügt und der Feststellung der Schutzfähigkeit des algerischen Staates entgegen getreten.

 

7. Auf Grund dieser Beschwerde wurde eine Auskunft der Staatendokumentation eingeholt und eine mündliche Verhandlung am 19.03.2008 anberaumt, an der der Beschwerdeführer und sein rechtsfreundlicher Vertreter teilnahmen. Das Bundesasylamt hatte seine Nicht-Teilnahme entschuldigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

 

Die Verhandlung nahm im wesentlichen folgenden Verlauf:

 

"(...)

 

Die berufende Partei gibt an, dass sie den Dolmetscher gut versteht; Einwände gegen seine Person bestehen nicht.

 

Der VL bezeichnet den Gegenstand der Verhandlung und fasst den bisherigen Gang des Verfahrens zusammen.

 

Der VL gibt den Parteien Gelegenheit, sich zum Gegenstand der Verhandlung zu äußern. Keine Äußerung.

 

Die Beweisaufnahme wird eröffnet.

 

BW gibt nach Wahrheitserinnerung (unrichtige Angaben werden im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt) und Belehrung gem. § 49 iVm § 51 AVG sowie nach Belehrung über die Geltendmachung von Kosten als Beteiligter (§ 51a, d AVG) vernommen an:

 

VL: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage an der Verhandlung teilzunehmen?

 

BW: Ich bin gesund.

 

VL: Ist Ihre dem bisherigen Verfahren zugrunde gelegte Identität richtig? Auf § 119 Abs 2 FPG wird hingewiesen.

 

BW: Meine Angaben zur Identität, die ich das letzte Mal gesagt habe, sind richtig.

 

VL: Waren Ihre Aussagen im erstinstanzlichen Verfahren (Einvernahme in Salzburg, am 04.12.2007) richtig und bleiben diese aufrecht ?

 

BW: Alles was ich dort gesagt habe war richtig.

 

Die richtige Schreibweise meines Namens ist G..

 

VL: Haben Sie alle Beweismittel in Vorlage gebracht? Möchten Sie noch irgendwelche verfahrensrelevante Dokumente bzw. Beweismittel vorlegen?

 

BW: Neue Beweismittel gibt es nicht.

 

VL: Wann haben Sie die in der Verhandlung vom 16.10.2007 erstmals vorgelegten Personaldokumente genau bekommen? Warum hat Ihre Schwester jahrelang gebraucht, diese Dokumente zu finden?

 

BW: Meine Schwester hat deshalb solange gebraucht, weil meine Familie in Algerien von einem Haus in ein anderes gezogen ist. Wir sind 9 Personen und da kommt einiges zusammen; ein großes Durcheinander. Daher hat es so lange gedauert. Ich habe in Österreich erfahren, dass eine algerische Familie Asyl erhalten hat und daher wieder Hoffnung auch für mein Verfahren geschöpft. Dann habe ich meine Schwester ersucht, sich um die Dokumente zu kümmern. Dann hat sie das gemacht. Ich habe mir dann hier den Rechtsanwalt genommen und ihm diese Dokumente übergeben.

 

BWV gibt informativ an, dass die Erstbesprechung mit dem BW am 20.08.2007 stattgefunden hat.

 

VL Wollen Sie Ihre bisherigen Angaben zur späten Angabe Ihrer wahren Fluchtgründe ergänzen?

 

BW: Meine damaligen Angaben waren richtig. Das waren die Gründe warum ich nicht sofort die richtigen Fluchtgründe angegeben habe. Ich war einfach der Meinung, dass Algerier kein Asyl bekommen. Erst, als ich von dieser algerischen Familie gehört hatte, hat sich das geändert.

 

VL: Zeigen Sie bitte auf der amtlichen Karte von Algerien Ihren Wohnort, den Ort Ihres Militäreinsatzes und das von Ihnen so bezeichnete Todesdreieck!

 

Der BW zeigt ohne Zögern seinen Herkunftsort D.. Die Grundausbildung war in B.. Wenn ich vom so genannten Todesdreieck spreche, war das zwischen Algier, Medea und Khemis Miliana. In der Nähe des zuletzt genannten Ortes war ich in dieser gebirgigen Gegend eingesetzt.

 

Alle Örtlichkeiten werden auf der Karte vorgefunden.

 

VL: Wer war der Mann der "A." Gruppe, den sie festgenommen hatten und der Sie auch kannte ?

 

BW: Der Mann der "A.-Gruppe", den ich festgenommen habe, ist nicht deren Anführer, sondern ein Mitglied namens K.M.. In einem gefürchteten Gebiet - seit 1992 war dort keine Militäreinheit mehr gewesen - hat eine terroristische Gruppe 2 Fahrzeuge der Nationalgarde überfallen, die Insassen getötet und die Waffen geraubt. Wir bekamen den Befehl, dorthin vorzudringen und die Terroristen zu liquidieren. Wir haben uns in 2 Gruppen geteilt, um die Terroristen die sich auf einem Berg versteckt hielten, einzukreisen. Die eine Gruppe hat Lärm gemacht, wurde von den Terroristen entdeckt und kam es zu einem Gefecht. Auch unsere Gruppe wurde dann von den Terroristen angefallen, 9 von uns wurden getötet. Wir restlichen sind dann den Berg hinunter geflohen. Es wurde Tag. Verstärkung kam. Einem von meiner Gruppe ist sogar die Kehle durchgeschnitten worden, überall konnte man Blut sehen. Die Verfolgung der Terroristen dauerte dann bis 16.00 Uhr nachmittags an. Wir wollten uns wegen der Verluste anschließend zurückziehen. Ein hoher Offizier schimpfte dann aber mit meinem Vorgesetzten und erhielten wir den Befehl die Terroristen nun weiter zu verfolgen. Bei mir war jetzt auch noch Rache für meine getöteten Kameraden im Spiel. Wir verbrachten die Nacht wieder am Berg. Am nächsten Tag um 6.00 Uhr früh bewegten wir uns dann wieder in einem uns unbekannten Terrain. Wir sahen dann aber Katzen und einen angebundenen Esel. Die Bauern unter uns kamen auf die Idee den Esel loszubinden und ihm zu folgen. So kamen wir um Eingang einer Höhle. Ich hatte als Neuling Angst in die Höhle hineinzugehen. Doch waren auch Berufssoldaten unter uns. Diese warfen Napalm-Bomben in die Höhle, doch rührte sich nichts. Drinnen in der Höhle fanden wir die erbeuteten Waffen der Nationalgarde, Lebensmittel und Listen mit Dienstanweisungen. Sonst war niemand in der Höhle. Draußen haben wir dann die Terroristen weiter gesucht. Wir sind dann schließlich auf eine Gruppe von 4-5 Personen gestoßen. Es kam zu einem Schusswechsel. Einer der Terroristen, K.M., der zufällig aus meiner Stadt stammte, wurde am Fuß verletzt und so konnten wir ihn festnehmen. Die andern konnten fliehen. Meine Gruppe bestand aus 30 Personen. Wie viele bei dem Schusswechsel dabei waren, kann ich nicht genau sagen. Es war auch ein Kommandeur bei uns in der Gruppe. K. war weit älter als ich, vielleicht hatte er mich als Kind gekannt. Persönlich kannte ich ihn zwar nicht, aber unsere Familien waren sich wechselseitig bekannt.

 

VL: Hatten Sie zuvor schon gewusst, dass K. ein Terrorist ist?

 

BW: Ja, die Polizei war schon sehr oft bei ihnen zu Hause gewesen.

 

VL: Schildern Sie bitte noch einmal, wann und unter welchen Umständen Sie die Drohbriefe erhalten haben!

 

BW: Der erste Brief kam 2 oder 3 Wochen nach der Festnahme von K. zu meiner Familie. Das läuft so ab, dass ein Unbekannter klopft und den Brief so an der Türschwelle hinterlässt, dass ihn niemand erkennen kann. Der zweite Brief kam dann 4 oder 5 Wochen später.

 

VL: Beschreiben Sie die Briefe !

 

BW: Die Umschläge waren nicht beschriftet. Darin befand sich ein handschriftlicher Zettel. Darin stand, ich sei ein Verräter, da ich der Armee diene. Ich würde bald sterben. Dieses Schreiben hatte auch eine Unterschrift. Ich nehme aber an, dass der Name gar nicht existiert. Interessanterweise befand sich auch ein Stempel dieser terroristischen Gruppe, "Bewaffnete Islamische Gruppe", darauf.

 

VL: Sind Sie sich mit den Zeitangaben sicher? Der zweite Brief kam 4, 5 Wochen nach dem ersten Brief?

 

BW: Ja. Die Briefe waren in der gleichen Art und in der gleichen Methode.

 

VL: Das stimmt zeitlich nicht ganz mit den Angaben vor dem BAS überein! (Vorhalt AS 119 BAA).

 

BW: Definitiv kann ich das nicht sagen. Es ist einfach zu lange her.

 

V: Schildern Sie bitte alle Ihre Kontakte zur ONVTAD!

 

BW: Das erste Mal war ich dort Anfang Juli 2001. Den Militärdienst habe ich am 00.00.2001 quittiert. Einige Zeit später, wahrscheinlich Ende Juli 2001, habe ich dann den Ausweis erhalten. Später war ich auch noch einige Male dort. Die Bestätigung habe ich am selben Tag wie den Ausweis erhalten. Diese diente dazu, dass ich bei der Arbeitssuche Vorteile haben würde.

 

VL: Mit dem konkret hatten Sie mit ONVTAD zu tun?

 

BW: Es arbeiteten dort mehrere Personen. Ich war aber immer bei einem Mann, in dessen Büro, er hatte auch eine Sekretärin. Sein Name ist mir aber nicht mehr erinnerlich.

 

VL: Was haben Sie bei den späteren Besuchen dort eigentlich besprochen?

 

BW: Ein Mann, der vom Terrorismus bedrängt wird, erzählt dort sein Leiden und erwartet Hilfe. Doch musste ich feststellen, dass diese Leute dort nicht durchschlagskräftig sind und mir eigentlich nicht helfen können.

 

VL: Wann waren Sie das letzte Mal dort?

 

BW: Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.

 

VL: Wenn Sie das vielleicht in Bezug zu Ihrer Ausreise setzen können?

 

BW: Ich glaube, es war 2 oder 3 Wochen vorher. Ich bin den ONVTAD-Leuten gar nicht böse, sie wollen helfen, aber können nicht.

 

VL: Gab es noch weiter Drohbriefe außer den 2 schon von Ihnen erwähnten?

 

BW: Es gab nur diese zwei Briefe. Es hängt aber damit zusammen, dass die Zeit zwischen der Entlassung aus der Armee und der Ausreise aus Algerien ziemlich kurz war.

 

VL: Wann sind Sie also ausgereist? Sie sagten, im Juli 2001 aus der Armee entlassen worden zu sein!?

 

BW: Das war September 2003, nein ich korrigiere, es war im September 2001. Dann bin ich nach Tunesien.

 

VL: Wie lange sind Sie in Tunesien geblieben? Den Asylantrag in Österreich haben Sie im Jänner 2004 gestellt.

 

BW: Ich habe mich in Tunesien bis Ende 2003 aufgehalten. In Tunesien war ich in Tbarg aufhältig. Dort gab es mehrere Algerier, die im Fremdenverkehr gearbeitet haben und mit denen habe ich gearbeitet. Ich war dort illegal. Die tunesischen Behörden wussten nichts von meinem Aufenthalt. Dann bin ich von Tunesien nach Österreich gekommen. Ich bin mit dem Schiff nach Italien und von dort bin ich mit dem LKW weitergefahren bis in die Stadt Salzburg.

 

VL: Wo haben Sie sich in den Monaten zwischen Juli und September 2001 aufgehalten?

 

BW: Ich habe eine Schwester, die an der libyschen Grenze in O. wohnt. Bei dieser habe ich mich in dieser Zeit aufgehalten. Sie ist dort verheiratet.

 

Ab 10.40 Uhr VB T. statt VB B..

 

VL: Haben Sie in Algerien noch zu jemandem Kontakt ?

 

BW: Meine Eltern leben noch in D.. Mein Vater heißt G.M., meine Mutter heißt R.Z..

 

Acht Geschwister leben in Algerien. Ich habe fünf Schwestern und drei Brüder.

 

Zwei Brüder und zwei Schwestern sind verheiratet, einer davon lebt im Heimatort, aber nicht bei meinen Eltern, die anderen leben nicht mehr zu Hause, sondern anderswo in Algerien.

 

Weiters habe ich einen Bruder und eine Schwester (das sind Zwillinge), diese studieren.

 

Zur wirtschaftlichen Situation der Familie: Mein Vater bezieht eine Pension.

 

Die wirtschaftliche Situation ist schlecht, den algerischen Staat sollte man diesbezüglich Vorhaltungen machen. Mir ist es auch jetzt nicht möglich, meiner Familie wirtschaftlich zu helfen.

 

VL: Stehen Sie in Kontakt zu Ihrer Familie und hören Sie etwas Neues betreffend Ihre Verfolgungssituation?

 

BW: Ich stehe mit ihnen in Kontakt. Die allgemeine Lage ist sehr schlecht. Jeden Tag passiert irgendetwas. Die westliche Welt hat eigentlich keine Ahnung, was dort vorgeht; nur wenn westliche Touristen entführt werden, wie es zum Beispiel jetzt der Fall ist, richtet sich das Licht etwas darauf.

 

VL wiederholt die Frage und ergänzt: Wurde zum Beispiel bei Ihrer Familie nach Ihnen gefragt? Sind neue Drohbriefe oder sonstige beunruhigende Ereignisse geschehen?

 

BW: Obwohl keine Drohbriefe mehr eingelangt sind, berichtet mir meine Familie, dass die Lage schlimmer geworden ist, als zur Zeit meiner Ausreise. Man hat mir geraten, auf keinen Fall jetzt nach Algerien zurückzukehren.

 

Man darf die aktuell tätigen Gruppen, insbesondere die "Al-Kaida" des Maghreb-Raumes, nicht unterschätzen, deren Aktivitäten reichen von der libyschen Grenze bis nach Mauretanien.

 

VL: Was würde geschehen, wenn Sie jetzt in Ihr Heimatland zurückkehren müssten?

 

BW: Ich wäre ein toter Mann.

 

VL: Befürchten Sie, dass sich die seinerzeitige Verfolgung vor Ihrer Ausreise fortsetzt?

 

BW: Ja. Man muss sich das so vorstellen wie bei einer Herde Schafe. Wenn ein Schaf der Herde entweicht, gilt die Aufmerksamkeit genau diesem und weniger den restlichen. Bei mir ist es so, dass sie wahrscheinlich wissen, dass ich in Europa bin und mich bei einer Rückkehr umso eher verfolgen würden. Die Nachricht über meine Rückkehr würde irgendwie herumgereicht werden und würden sie mich dann töten.

 

VL: Gibt es abgesehen von den Terroristen, noch andere Ängste oder Befürchtungen, zum Beispiel seitens des algerischen Staates, oder anderen Verfolgern?

 

BW: Nein, ich habe nur diese massiven Befürchtungen vor den Terroristen.

 

VL: Gibt es besondere Gründe (zB Familienbezug in Österreich), die Ihre Ausweisung aus Österreich als unzulässig erscheinen lassen?

 

BW: Meine Deutschkenntnisse sind gut. Ich habe eine Freundin, eine Heirat ist aber derzeit nicht beabsichtigt. Ich lebe in Räumlichkeiten des Sohnes der Vertrauensperson und sind das meine guten Freunde dort (die anwesende Vertrauensperson bestätigt dies).

 

Ich helfe jedem, der Hilfe braucht und würde ich sagen, dass ich diesbezüglich in I. gut bekannt bin.

 

Keine Fragen des BWV.

 

Der VL unterbricht die Verhandlung von 11.10 bis 11.20 Uhr zum Zweck einer Erholungspause.

 

VL verliest die im Berufungsverfahren eingeholten Auskünfte der Staatendokumentation vom 28.02.2008 und 18.03.2008. Ferner werden dem Verfahren zugrundegelegt:

 

*) USDOS Human Rights Report Algeria 2007 vom 11.03.2008

 

*) Dt. AA, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage Algerien vom 28.01.2008

 

VL erörtert im Speziellen die aktuelle Gefährdungssituation durch Terroristen und die möglichen Änderungen der Bedrohungslage seit der Ausreise des BW aus Algerien. VL hebt beispielsweise die Informationen zur ONVTAD hervor, woraus hervorzugehen scheint, dass der Beweiswert von dieser Organisation ausgestellter Bestätigungen relativ gering erscheint. Nach einer Quelle ist die Umgebung von D. aktuell für terroristische Aktivitäten bekannt.

 

Weitere Erhebungsmöglichkeiten sind im konkreten Fall unter Beachtung der geltenden datenschutzrechtlichen Beschränkungen aus Sicht des VL nicht ersichtlich.

 

Die Länderquellen werden dem BWV in Abschrift ausgehändigt.

 

Dem BWV wird eine Frist zur Stellungnahme von drei Wochen, ab dem heutigen Datum, eingeräumt.

 

Stellungnahme BW: Die Lage in Algerien wird in Österreich nicht richtig eingeschätzt. Die terroristischen Gruppierungen haben früher getrennt agiert. Jetzt arbeiten sie gemeinsam unter der Führung der Al-Kaida, daher hat sich die diesbezügliche Gefahr weiter verschärft.

 

Tagtäglich werden in Algerien Menschen die Kehlen durchgeschnitten und fallen Bomben. Viele Algerier wollen das aber vertuschen, um das Ansehen Algeriens, auch in Bezug auf den Tourismus und die Entwicklung der Marktwirtschaft nicht weiter zu beschädigen. Diese lieben ihr Land, so werden aber diese Informationen unterdrückt. Selbst im Norden gibt es aber kaum noch Touristen, im Süden in der Wüste besteht für Touristen das Risiko von Entführungen.

 

Ich liebe mein Land auch, aber muss hier bei Ihnen die Wahrheit angeben.

 

VL: Gibt es noch etwas, dass Sie angeben möchten, damit ich mir ein vollständiges Bild von Ihrer Person und Ihren Lebensumständen machen kann?

 

BW: Ich hoffe sehr auf ein positives Verfahrensergebnis. Es war für mich schwierig, die vorgelegten Dokumente zu beschaffen. Ich habe wie gesagt davon gehört, dass Algerier auch positive Entscheidungen erhalten.

 

Auf Befragen des VL, ob der BW alles verstanden und alles vorgebracht hat, gibt dieser an:

 

BW: Ich habe alles verstanden, alles vorgebracht und nichts mehr hinzuzufügen.

 

Ende der Vernehmung.

 

Weitere Beweisanträge oder sonstige Stellungnahmen: keine.

 

(...)".

 

8. Mit Schriftsatz vom 09.04.2008 nahm der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter Stellung zu den in der Verhandlung erörterten Länderberichten und der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005). Gemäß § 75 Abs. 1 erster Satz Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind alle am 31.12.2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Da der Beschwerdeführer seinen Asylantrag am 15.01.2004 gestellt hat, kommt im gegenständlichen Verfahren grundsätzlich das Asylgesetz 1997 in der Fassung BGBL. I Nr. 126/2002 zur Anwendung.

 

Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 haben Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2. Feststellungen

 

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

 

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Algerien, zugehörig dem moslemischen Glaubensbekenntnis und stammt aus der Stadt D.. Der Beschwerdeführer leistete von 00.00.2000 bis 00.00.2001 in Algerien seinen Wehrdienst. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe (Verfolgung durch Terroristen) werden der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt. Staatliche Verfolgung besteht nicht. Der Beschwerdeführer leidet nicht an existenzbedrohenden Erkrankungen.

 

Familienangehörige des Beschwerdeführers (Eltern, Geschwister) leben weiterhin an unterschiedlichen Wohnorten in Algerien.

 

Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner Beschäftigung nach. Er ist weder verheiratet, noch lebt er in einer Lebensgemeinschaft.

 

2.2. Zum Herkunftsstaat Algerien werden aufgrund der in der Verhandlung vom 19.03.2008 erörterten Quellen folgende Feststellungen in einer Gesamtschau getroffen:

 

Insbesondere zwischen 1992 und 1998 wurde die algerische Politik durch islamistischen Terror und staatliche Repression überschattet. Präsident Bouteflika betreibt seit seiner Amtsübernahme 1999 eine Politik mit dem Ziel der nationalen Aussöhnung (zuletzt mit Referendum angenommene "Charta für Frieden und Nationale Aussöhnung"). Hinweise auf gravierende Menschenrechtsverletzungen haben mit dem Rückgang des Terrorismus Ende der 90-er Jahre abgenommen (Auswärtiges Amt, Seite 5).

 

Die Aktivitäten terroristischer Gruppen sind in Algerien während der letzten vier Jahre deutlich zurückgegangen. Nach verschiedenen Schätzungen gibt es gegenwärtig lediglich noch drei oder vier aktive Terrorgruppen, deren Handlungsspielraum durch das konsequente Vorgehen der militärisch überlegenen Sicherheitskräfte immer kleiner wird. Kleinere Terrorgruppen halten sich noch im Bergland der Kabylei, in der Umgebung von T. und in den südlichen Landesteilen, besonders im Grenzgebiet zu Mali. In Algier und anderen großen Städten des Landes hat sich das Leben normalisiert. Gleichwohl kommt es an der östlichen Peripherie von Algier gelegentlich zu Anschlägen und Überfällen. Ziel solcher Aktionen sind im allgemeinen Sicherheitskräfte oder ehemalige Angehörige bzw. Unterstützer von Terrorgruppen. Unter diesen Personengruppen kommt es noch fast täglich zu Opfern. Die Mitte der 90-er Jahre durchgeführten gezielten Ermordungen von Intellektuellen, Journalisten und anderen Zivilisten kommen dagegen nicht mehr vor. Insgesamt hat sich die Zahl der durch terroristische Anschläge sowie durch Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und terroristischen Gruppen getöteten Personen im Jahr 2007 gegenüber dem Vorjahr erhöht. Die aktivste Terrorgruppe bleibt die GSPC ("Groupe Salafite pour la Prédication et le Combat"), die sich Anfang 2007 in "Al Qaida im islamischen Maghreb" umbenannte. Ziel der Anschläge sind vor allem Mitglieder der Sicherheitskräfte, seit Ende 2006 auch Ausländer (Auswärtiges Amt, Seite 6, 16 und 17, die gleiche Einschätzung ergibt sich auch aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 17.03.2008).

 

Es kann nicht festgestellt werden, ob eine Terrorgruppe unter einem Anführer namens A. aktiv ist (Anfragebeantwortung von Accord vom 28.02.2008).

 

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln und die medizinische Versorgung - letztere auf weitgehend niedrigem Niveau - sind gewährleistet. Besser ausgestaltete Krankenanstalten gibt es in allen Universitätsstädten, die medizinische Fakultäten aufweisen (zB Algier, Oran). Bei Rückkehrern kann es zu Problemen mit der Sozialversicherung kommen (Auswärtiges Amt, Seite 21).

 

Die Äußerung sachlicher Kritik an der algerischen Regierung und eine Asylantragstellung führen allein nicht zu Repressionen bei Rückkehr. Probleme könnten bei Vermutung islamistischer Tätigkeit bestehen. Nach algerischem Recht ist die illegale Ausreise verboten (Auswärtiges Amt, Seite 22).

 

Die Nationale Organisation für Terroropfer (L-Organisation nationale des victimes du terrorisme - ONVT) unterstützt Familien von Opfern bewaffneter Gruppen, insbesondere im Hinblick auf Entschädigungsansprüche. Mitglieder sind hauptsächlich Witwen, erwachsene Kinder und Eltern von Verstorbenen. Es wird nur Privatpersonen die Mitgliedschaft in der ONVT gestattet. Die Organisation stellt zwar Mitgliedausweise, jedoch keine Bescheinigungen aus. Es gibt einen großen Schwarzmarkt für gefälschte ONVT und ONVITAG-Dokumente (Anfragebeantwortung von Accord vom 28.02.2008, übermittelt von der Staatendokumentation mit Schreiben vom 17.03.2008).

 

3. Beweiswürdigung:

 

Der Asylgerichtshof hat durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt und durch die am 19.03.2008 durchgeführte mündliche Verhandlung Beweis erhoben.

 

3.1. Die Feststellungen zur Identität, Herkunft des Beschwerdeführers und den Familienumständen ergeben sich aus den diesbezüglich hinreichend konsistenten Angaben des Beschwerdeführers (siehe Verhandlungsschrift vom 19.03.2008, Seite 2 und 5) in Verbindung mit dem erstmals vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat in der Verhandlung vom 16.10.2007 vorgelegten Dokumenten (Geburtsurkunde, Militärdienstausweis - Kopie siehe Seite 123 und 125 im Akt des BAA).

 

3.2. Die Angaben zu den Fluchtgründen sind für den Asylgerichtshof nicht glaubwürdig.

 

3.2.1. Die Aussage des Asylwerbers stellt im Asylverfahren zweifellos das Kernstück dar. Hierbei ist es nach Ansicht des VwGH Sache des Asylwerbers, entsprechende, seinen Antrag untermauernde Tatsachenbehauptungen aufzustellen und diese glaubhaft zu machen.

 

Die Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen im wesentlichen gleich bleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst sehr spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängten, dass sie nur der Asylerlangung dienen sollten, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen. Als glaubwürdig könnten Fluchtgründe im allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, Zl. 95/20/0650).

 

3.2.2. Der Asylgerichtshof geht aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2008 und aufgrund einer Gesamtschau des Akteninhaltes davon aus, dass der vom Beschwerdeführer angegebene Fluchtgrund - Verfolgung durch Terroristen aufgrund seiner Teilnahme an einem Militäreinsatz, der zur Festnahme eines Terroristen geführt habe - nicht den Tatsachen entspricht; dies aus folgenden näheren Erwägungen:

 

3.2.2.1. Nicht bezweifelt wird, dass der Beschwerdeführer tatsächlich den allgemeinen Wehrdienst in Algerien im Zeitraum vom 00.00.2000 bis 00.00.2001 abgeleistet hat. Diese Feststellungen gründen sich auf den vorgelegten unbedenklichen Wehrdienstausweis (Kopie auf Seite 123 im Akt des BAA). Nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann jedoch, in welchem Gebiet der Beschwerdeführer während seines Wehrdienstes eingesetzt wurde und inwieweit er tatsächlich an antiterroristischen Operationen beteiligt war. Ungeachtet dieser Umstände konnte der Beschwerdeführer aber jedenfalls das entscheidungsrelevante Vorbringen - die geschilderte Verfolgung und Bedrohung durch Terroristen (Drohbriefe..) nicht glaubhaft machen (siehe 3.2.2.2 bis 3.2.2.5).

 

3.2.2.2. Für die Unglaubwürdigkeit der geschilderten Verfolgung durch die Terroristen sprechen insbesondere die Ungereimtheiten und Abweichungen in den Angaben zu den Zeitpunkten und zeitlichen Abständen des Erhaltes der Drohbriefe. Vor dem Bundesasylamt erklärte der Beschwerdeführer, dass er den ersten Drohbrief im Juni 2001 bekommen habe, der zweite Brief sei zwei/drei Wochen später gekommen (As. 119 im Akt des BAA). Im Rahmen der Verhandlung vor dem (seinerzeitigen) Unabhängigen Bundesasylsenat berichtete der Beschwerdeführer hinsichtlich des ersten Drohbriefes lediglich, dass dieser 2 oder 3 Wochen nach der Festnahme des Terroristen gekommen sei (ohne den Zeitpunkt der Festnahme konkret anzugeben). Den zweite Brief habe er dann 4 oder 5 Wochen nach dem ersten Brief erhalten (siehe Verhandlungsschrift, Seite 4). Aufgrund dieser Widersprüche wurde der Beschwerdeführer nochmals vom Verhandlungsleiter befragt, ob er sich mit den Zeitangaben sicher sei; dies im Hinblick auf die nicht übereinstimmenden Angaben vor dem Bundesasylamt, welche ihm in Folge vorgehalten wurden. Der Beschwerdeführer war jedoch auch auf Nachfrage nicht in der Lage den Zeitpunkt der Abgabe der Drohbriefe bzw. deren zeitlichen Abstände mit Sicherheit anzugeben, vielmehr verwies er lapidar darauf, dass "es zu lange her sei." Nach Ansicht der erkennenden Behörde sprechen diese unbestimmten und widersprüchlichen Schilderungen für die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers.

 

3.2.2.3. Darüber hinaus ist dem Bundesasylamt im Ergebnis Recht zu geben, dass der Beweiswert der Bestätigung der Organisation ONVTAD gering ist. Aus der seitens der Staatendokumentation übermittelten Anfragebeantwortung von Accord vom 28.02.2008 ergibt sich nämlich, dass die Organisation zwar Mitgliedausweise ausstellt, jedoch keine Bescheinigungen. Gefälschte ONVT und ONVITAG-Dokumente sind aber auf dem Schwarzmarkt erhältlich. Es ergeben sich somit aus den Feststellungen nicht unerhebliche Zweifel an der Echtheit des vorgelegten Dokumentes. Es erübrigen sich auch weitere Untersuchungen (sofern diese überhaupt möglich wären) über die grundsätzliche Ausstellung solcher Bestätigungen durch die Organisation ONVITAG, da selbst bei Existenz solcher Bestätigungen nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Bestätigung inhaltlich falsch ist.

 

Des Weiteren ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass in der vorgelegten Bestätigung nur eine einmalige Bedrohung am 00.00.2001 aufgeführt ist. Genauere Ausführungen, zur Art der Bedrohung, zu den (vermutlichen) Tätern etc. enthält diese Bestätigung nicht. Ungereimtheiten ergaben sich auch dadurch, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Verhandlung vor dem (seinerzeitigen) Unabhängigen Bundesasylsenat mitteilte, die Bestätigung und den Ausweis erst Ende Juli 2001 nach der Quittierung seines Militärdienstes erhalten zu haben. Die Bestätigung als auch der Mitgliedausweis der Organisation ONVTAD sind jedoch mit 00.00.2001 (somit vor dem Ausscheiden aus dem Militär) datiert. Anzumerken ist weiters, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat (nunmehr: Asylgerichtshof) nicht in der Lage war den Namen des Mitarbeiters der ONVTAD, welchen er sogar mehrmals aufgesucht habe, anzugeben. Ebenso konnte er nicht den Zeitpunkt seines letzten Besuches nennen. Auch sind seine Angaben zu den mehrmaligen Gesprächen mit dem Mitarbeiter der Organisation unbestimmt und ausweichend.

 

Aufgrund der dargestellten Bedenken kann der vorgelegten Bestätigung somit in einer Gesamtschau kein derartiger Beweiswert dahingehend zugesprochen werden, dass sie alle Argumente zur Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers entscheidend relativierte.

 

Nicht nachvollziehbar erscheint auch, warum der Beschwerdeführer sich nicht um Vorlage der angeblich der Organisation ONVTAD übergebenen Drohbriefe bemühte. Über die Notwendigkeit sämtliche Beweismittel vorzulegen musste er sowohl im Hinblick auf die negative Entscheidung des Bundesasylamtes und deren Begründung, als auch aufgrund der Erfahrung seines rechtsfreundlichen Vertreters Bescheid wissen.

 

3.2.2.4. Gegen die nunmehrige Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers spricht auch die Tatsache, dass er gemäß seinen derzeitigen Angaben jahrelang im österreichischen Asylverfahren unwahre Angaben tätigte. Das in der ersten Einvernahme vor dem Bundesasylamt erstattete Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen, wurde von ihm anlässlich seiner zweiten Einvernahme vor dem Bundesasylamt (welche nur aufgrund der vom Beschwerdeführer verschuldeten mangelnden rechtsgültigen Zustellung des ersten Bescheides des BAA nötig wurde) gänzlich ausgetauscht. Die Ausführungen des Beschwerdeführers, wonach er zunächst ein falsches Geburtsdatum angegeben habe, um in den Genuss von Privilegien für Minderjährige zu kommen und er nicht die wahren Fluchtgründe gesagt habe, da er der Meinung gewesen sei, dass Algerier kein Asyl bekommen, erklären nach Ansicht des Asylgerichtshofes nicht den Umstand der absichtlichen Täuschung der österreichischen Asylbehörden über die Fluchtgründe und können somit auch nicht als Indiz für die nunmehrige Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers gewertet werden.

 

3.2.2.5. Selbst bei Zugrundelegung der behaupteten Beteiligung an einem Militäreinsatz der zur Verhaftung eines Terroristen geführt haben soll, erschiene es weiters nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer als einfacher seine "allgemeine" Wehrdienst ableistenden Soldat nach Ausscheiden aus dem Militärdienst, weiterhin massiv durch Terroristen verfolgt werden sollte. Den Feststellungen ist zu entnehmen, dass Ziel der Aktionen der wenigen verbliebenen Terrorgruppen im Allgemeinen Sicherheitskräfte sind. Gezielte Ermordungen von Zivilisten kommen dagegen in der Regel nicht mehr vor (wenn auch vereinzelte zivile Opfer von Attentätern in Kauf genommen werden). Der Beschwerdeführer würde als Zivilperson nach Algerien zurückkehren und stände es ihm offen, seinen Aufenthalt in einem anderen Landesteil Algeriens zu wählen, um dadurch sowohl terroristischen Gruppen als auch der Familie des verhafteten Terroristen gegenüber nicht in Erscheinung zu treten.

 

3.2.2.6. Zusammenfassend ist der Asylgerichtshof zur Ansicht gelangt, dass der Beschwerdeführer, nach ursprünglicher Angabe nicht wahrheitsgemäßer Fluchtgründe und Identitätsdaten, aufbauend auf der Ableistung seines Militärdienstes (welchen er durch seinen Wehrdienstausweis nachzuweisen in der Lage ist) versucht ein inhaltlich unrichtiges Fluchtvorbringen zu konstruieren.

 

3.3. Die Feststellungen zum Herkunftsstaat Algerien gründen sich auf die genannten als unbedenklich erachteten objektiven und aktuellen Quellen. Im Einzelnen ist hervorzuheben:

 

3.3.1. Alle Quellen stimmen darin überein, dass islamistische Terroristen zwar weiterhin Anschläge begehen, dass aber die Zahl dieser Anschläge seit Ende der 90iger Jahre wesentlich zurückgegangen ist und Intellektuelle/Künstler/Zivilisten als solche nicht mehr Ziele solcher Anschläge sind. Unter dem Hinweis, dass sich jedenfalls in den größeren Städten die Sicherheitslage normalisiert hat, wäre es dem Beschwerdeführer jedenfalls leicht möglich, sich etwa in Oran oder einer anderen Großstadt niederzulassen.

 

Glaubwürdige Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer in irgendeiner Weise von algerischen Sicherheitsbehörden (etwa wegen Unterstützung des islamistischen Terrorismus) gesucht wird bzw. bei der Rückkehr belangt werden könnte, sind im Verfahren in Verbindung mit den relevanten Feststellungen zu Algerien nicht hervorgekommen. Der bloße Umstand, dass der Beschwerdeführer seinen Angaben nach nicht legal aus Algerien ausgereist ist, vermag diesbezüglich keine andere Beurteilung auszulösen; ebenso wenig das bloße Faktum einer allfälligen Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Berber (der Beschwerdeführer erklärte lediglich in der Einvernahme vor dem BAS vom 16.03.2004 der Volksgruppe der Berber anzugehören); eine diesbezügliche Gruppenverfolgung existiert nach einhelliger Berichtslage nicht.

 

3.3.2. Zur Wirtschaftslage zeigt sich aus den Feststellungen, dass diese - unbeschadet des Umstandes, dass sie zweifellos schlechter ist als im Bereich der Europäischen Union - in Algerien nicht (wie dies unter Umständen in einigen anderen Regionen Afrikas sein kann) dergestalt ist, dass im Falle einer Rückkehr eines jungen arbeitsfähigen Mannes wie des Beschwerdeführers eine existenzbedrohende Gefährdung entstehen könnte. Ähnliches gilt sinngemäß für medizinische Behandlungsmöglichkeiten, wie sich aus den diesbezüglich relevanten Ausführungen in den in das Verfahren eingeführten Quellen eindeutig und übereinstimmend ergibt; selbst, wenn es bei einer Rückkehr anfänglich zu sozialversicherungsrechtlichen Problemen käme (wie im Bericht des Auswärtigen Amtes als möglich angedeutet), kann doch schon aufgrund des sozialen Bezugsnetzes des Beschwerdeführers in Algerien von diesbezüglicher Unterstützung durch seine Familie ausgegangen werden.

 

3.3.3. Insgesamt ergab sich somit aus den verwendeten aktuellen Quellen ein im konkreten Fall hinreichendes Bild zur Beurteilung der Lage in Algerien in Bezug auf eine Prognose für die Rückkehr des Beschwerdeführers zum jetzigen Zeitpunkt, weshalb - auch mangels substantiierter Entgegnung dieser Quellen in der mündlichen Verhandlung und in der Stellungnahme vom 09.04.2008 - weitere Beweise wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen waren.

 

4. Rechtlich folgt:

 

4.1. Punkt I. des Erkenntnisses:

 

4.1.1. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden behauptet, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.

 

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichthofes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben.

 

Erachtet nämlich die Behörde - wie im gegenständlichen Fall - im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung nicht näher zu beurteilen (VwGH 09.05.1996, Zl. 95/20/0380).

 

Im Ergebnis hat das Verfahren wie dargestellt ergeben, dass im Falle der Rückkehr des Beschwerdeführers sich weder die ernstliche Gefahr einer politischen Verfolgung durch islamistische Terroristen (wegen unterstellter antiislamistischer Einstellung) ergäbe (die in eventu jedenfalls auch durch den algerischen Staat unter allfälliger Nutzung einer internen Relokationsmöglichkeit in Großstädte mit hinreichender Sicherheit verhindert werden könnte), noch eine Gefahr der Verfolgung (wegen allfällig unterstellter staatsfeindlicher Gesinnung wegen Asylantragstellung im Ausland oder sonstiger Umstände) durch den algerischen Staat besteht, weshalb diesbezüglich spruchgemäß zu entscheiden war.

 

4.1.2. Zum Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers ist Folgendes auszuführen:

 

Zur Auslegung des § 8 AsylG iVm § 50 FPG 2005 (Gemäß Art. 5 § 1 des Fremdenrechtspakets BGBl. I 100/2005 ist das FrG mit Ablauf des 31.12.2005 außer Kraft getreten; am 01.01.2006 ist gemäß § 126 Abs. 1. Fremdenpolizeigesetz 2005 (Art. 3 BG BGBl. I 100/2005; in der Folge: FPG) das FPG in Kraft getreten. Gemäß § 124 Abs. 2 FPG treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des FrG verweisen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen des FPG. Demnach ist die Verweisung des Art. 8 AsylG auf § 57 FrG nunmehr auf die "entsprechenden Bestimmungen" des FPG zu beziehen, das ist § 50 FPG.) ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992 und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002 BGBL, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

4.1.2.1. Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03).

 

4.1.2.2. Wie bereits oben unter II.3. ausgeführt, gelang es dem Beschwerdeführer nicht, eine Verfolgung im Sinne der GFK darzutun, daher bleibt zu prüfen, ob es im vorliegenden Fall begründete Anhaltspunkte dafür gibt, der Beschwerdeführer liefe Gefahr, in Algerien, einer Bedrohung im Sinne des § 50 Abs. 1 FPG unterworfen zu werden.

 

4.1.2.3.. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in sein Herkunftsland einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen als gesichert angenommen werden. Als jungem Erwachsenen kann auch die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden.

 

Davon, dass praktisch jedem, der nach Algerien abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzulässig erschiene, kann nicht die Rede sein.

 

Der Beschwerdeführer hat schließlich auch weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf seine Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

4.2. Teil II. des Erkenntnisses:

 

Ist ein Asylantrag abzuweisen und wurde gemäß § 8 Abs 1 AsylG 1997 festgestellt, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden (§ 8 Abs. 2 AsylG). Der Gesetzgeber beabsichtigt durch die zwingend vorgesehene Ausweisung von Asylwerbern, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung im Inland von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, zu verhindern (VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Bei einer Ausweisungsentscheidung nach § 8 Abs. 2 AsylG ist auf Art. 8 EMRK Bedacht zu nehmen (VfGH vom 15.10.2004, Zl. G 237/03, VfGH vom 17.03.2005, Zl. G 78/04 u.a.). Gemäß Artikel 8 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung uns seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

4.2.1. Das Bundesasylamt hat im angefochtenen Bescheid zutreffend dargelegt, dass angesichts der öffentlichen, fremdenrechtlichen Interessen an einer Ausweisung keine Verletzung des Privat- oder Familienlebens im Sinne von Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegt, das einer Ausweisung entgegenstehen könnte; dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer über keine Angehörigen in Österreich verfügt.

 

4.2.2. Auszuführen ist ferner, dass selbst bei Bejahung eines Eingriffes in das Privatleben (infolge beginnender Integration des Beschwerdeführers in Österreich, Deutschkenntnisse, Freundin und Bekannte) des Beschwerdeführers, die nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung nach Ansicht des Asylgerichtshofes zu Lasten des Beschwerdeführers ausfällt:

 

Insofern man im gegenständlichen Fall einen Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Recht auf Privatleben bejaht, ist eine Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK durchzuführen.

 

Bei der Interessensabwägung sind unterschiedliche Kriterien zu beachten (vgl. jüngst VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07, VfGH vom 01.10.2007, Zl. G 179, 180/07 unter Bezugnahme auf Judikatur des EGMR): Dies sind etwa die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Fall Ghiban, Appl. 11.103/03, NVwZ 2005, 1046), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Fall Abdulaziz ua., Appl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Fall Al-Nashif, Appl. 50.963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.4.1997, Fall X, Y und Z, Appl. 21.830/93, ÖJZ 1998,

271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Fall Boultif, Appl. 54.273/00), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582;

09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560;

16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 11.4.2006, Fall Useinov, Appl. 61.292/00). Auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, ist bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 05.09.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.01.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562).

 

Der VwGH hat im Erkenntnis vom 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479 festgehalten, dass ein dreijähriger auf die Stellung eines Asylantrages gestützter Aufenthalt im Bundesgebiet (regelmäßig) keine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat begründet.

 

Nach Ansicht des Asylgerichtshofes fällt somit unter Zugrundelegung dieser Kriterien die nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gebotene Abwägung zu Lasten des Beschwerdeführers aus. Der Beschwerdeführer hält sich zwar zum Entscheidungszeitpunkt seit etwa 4 1/2 Jahren in Österreich auf, der bisherige Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich stellt aber unter Berücksichtigung der Unbegründetheit des Asylantrages, der rechtswidrigen Einreise in das Bundesgebiet und der durch die falsche Altersangabe verursachten Verzögerung des Asylverfahrens keine derart schützenswerte Integration dar, dass allein aus diesem Grunde die Ausweisung für unzulässig zu erklären wäre. Aus Sicht des Asylgerichtshofes überwiegt daher das öffentliche Interesse an einer Effektuierung der vorliegenden n

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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