TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/24 A12 264323-0/2008

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Veröffentlicht am 24.07.2008
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Spruch

A12 264.323-0/2008/18E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Benda als Einzelrichter über die Beschwerde des I.I., geb. 00.00.1984, StA.

Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.09.2005, Zahl:

04 03.746-BAW, nach Durchführung dreier mündlicher Verhandlungen zu

Recht erkannt:

 

1. Die Beschwerde von I.I. wird gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen.

 

2. Gemäß § 8 Abs. 1 des AsylG 1997 idF BGBl I Nr. 2003/101 iVm § 50 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBI. I Nr. 100/2005 (FPG), wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von I.I. nach der Türkei zulässig ist.

 

3. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 1997 wird I.I. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach der Türkei ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I.1. Der am 00.00.1984 geborene Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei, türkischer Volksgruppenzugehörigkeit. Er reiste am 28.02.2004 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 04.03.2004 einen Asylantrag gemäß § 3 AsylG. Die niederschriftliche Einvernahmen des im Betreff Genannten fand am 07.04.2004 sowie 03.05.2004 vor dem Bundesasylamt statt.

 

Der Antragsteller brachte im Wesentlichen vor, dass er zum vormaligen Zeitpunkt in seinem Heimatland im Gefolge eines privaten Nachbarschaftsstreites bzw. einer schweren Verletzung eines seiner Nachbarn mit Todesfolge seinerseits zu einer Haftstrafe von 5 Jahren und 10 Monaten verurteilt worden zu sein, welche er zur Gänze verbüßt habe. Im weiteren führte der Antragsteller ins Treffen, nunmehr von der Familie des Getöteten Verfolgung befürchten zu müssen, wobei ihm diesbezüglich keinerlei behördlicher Schutz zuteil werden würde. Weiters führt der Antragsteller zentral ins Treffen, zum vormaligen Zeitpunkt durch die Strafjustizbehörden seines Heimatstaates- dies aufgrund seiner Qualifizierung seiner Strafmündigkeit zum Tatzeitpunkt - fälschlich gegen einschlägiges Verfahrensrecht verurteilt worden zu sein, weshalb nunmehr ihm jeglicher Schutz bei Hilfeersuchen an staatliche Exekutivbehörden verwehrt wäre, da seitens staatlicher türkischer Behörden versucht werde, den Justizirrtum bzw. die begangenen Verfahrensfehler zu vertuschen.

 

Das detaillierte Vorbringen des Antragstellers zum Sachverhalt wurde bereits im bekämpften Bescheid hinlänglich dargestellt und werden die bezughabenden Passagen der Erstentscheidung (Seite 2 - 7) zum Inhalt der gegenständlichen Entscheidung erklärt.

 

Zum Beweis seines Vorbringens brachte der Antragsteller das Urteil eines Strafgerichtes der Türkischen Republik bei.

 

2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.09.2005, Zl. 04 03.746-BAW, wurde der Antrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gleichzeitig festgestellt, dass gemäß § 8 Abs. 1 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Berufungswerbers nach der Türkei zulässig ist (Spruchpunkt II.). Der Antragsteller wurde gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach der Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

 

3. Gegen diese Entscheidung erhob der im Betreff Genannte fristgerecht und zulässig Beschwerde.

 

Im Rahmen drei abgeführter, öffentlicher mündlicher Berufungsverhandlungen vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat - als vormals zuständiger Rechtsmittelinstanz - wurde dem Antragsteller einerseits Gelegenheit geboten, neuerlich sein Vorbringen zur Sache zu erstatten sowie wurde im Rahmen der Folgeverhandlungen ein Sachverständiger für türkische Angelegenheiten dem ergänzenden Ermittlungsverfahren beigezogen sowie wurden im Rahmen der Folgeverhandlungen insbesondere das seitens des Antragstellers ins Treffen geführte gegen ihn abgehandelte Strafverfahren inkl. Urteil sowie der Sachverhaltskreis der von ihm behaupteten Blutracheangelegenheit erörtert.

 

Ihm Rahmen eines eingeleiteten Auslandserhebungsverfahrens über die österreichische Berufsvertretungsbehörde Ankara wurde das seitens des Beschwerdeführers vorgelegte strafgerichtliche Urteil einer Verifizierung und inhaltlichen Bewertung zugeführt.

 

Im Rahmen der Zweitverhandlung wurden dem Antragsteller die im zum gegenständlichen Asylverfahren parallel geführten Verfahren des leiblichen Bruders des Antragstellers auf selber Sachverhaltsgrundlage getätigten Ausführungen des länderkundlichen Sachverständigen zum Themenkreis der Blutrache vorgehalten.

 

II. Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in das erstinstanzliche Aktenkonvolut unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Antragstellers vor der Erstbehörde, den bekämpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz sowie durch niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers im Rahmen der abgeführten Berufungsverhandlungen sowie durch Beiziehung eines länderkundlichen Sachverständigen, welcher aufgefordert war, sachkundige Bewertungen zum Vorbringen des Antragstellers zu tätigen.

 

III. Zur Person des Berufungswerbers wird folgendes festgestellt:

 

Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger, ebensolcher Volksgruppenzugehörigkeit .

 

Der Antragsteller sowie dessen Bruder wurden zum vormaligen Zeitpunkt in minderjährigem Alter aufgrund eines Tötungsdeliktes nach durchgeführtem Strafverfahren rechtskräftig verurteilt und hat der Berufungsweber seine Strafe verbüßt.

 

Nicht festgestellt werden kann, dass der Antragsteller (bzw. auch dessen Familie) Verfolgung durch private Personen in der Art einer Blutrache - unter Verweigerung staatlicher Schutz- bzw. Hilfeleistung - ausgesetzt war bzw. pro futuro bei Rückkehr ist.

 

Der leibliche Vater bzw. weitere Familienangehörige des Berufungswerbers leben nach wie vor unbehelligt in der Türkei.

 

Der Antragsteller verfügt im Bundesgebiet über keinerlei Angehörige seiner Kernfamilie bzw. ist er volljährig. Über weitere enge soziale oder sonstige familiäre Bindungen zu dauernd aufenthaltsberechtigten Personen verfügt der Antragsteller im österreichischen Bundesgebiet nicht. Der Antragsteller ist derzeit in einem stabilen psychischen Zustand - dies nach absolvierter Gesprächstherapie.

 

IV. Zur Situation in der Türkei wird verfahrensrelevant festgestellt:

 

Festgestellt wird, dass in der Türkei das Gesundheitswesen psychisch kranken Menschen umfassenden Zugang zum Gesundheitsdienst und Beratungsstellen garantiert. Dauereinrichtungen für psychisch kranke, wie offen oder geschlossene Psychiatrien, betreute Wohnheime gibt es jedoch nur in begrenzter Kapazität für chronische Fälle, in denen familiäre Unterstützung nicht gewährleistet ist oder die eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen.

 

Insbesondere ist die Behandlung psychischer Erkrankungen einschließlich posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) ist in allen Krankenhäusern der Türkei möglich, die über eine Abteilung für Psychiatrie verfügen.

 

Einrichtungen der Sozialversicherungsanstalt SSK behandeln u. a. Patienten mit psychischen Erkrankungen.

 

Die Situation psychisch Kranker in der Türkei ist gekennzeichnet durch eine Dominanz krankenhausorientierter Betreuung bei gleichzeitigem Fehlen differenzierter ambulanter und komplementärer Versorgungsangebote. Für die Behandlung posttraumatischer Belastungsstörungen (siehe oben) werden in der Türkei die international anerkannten Klassifikationssystem ICD-10 und DSM-IV angewandt. Zu Behandlungskonzepten zählen, wie auch in Westeuropa üblich, unter anderem Psychotherapie mit Entspannungstraining, Atemtraining, Förderung des positiven Denkens und Selbstgespräche, kognitive Therapie, Spieltherapie sowie Medikationen wie Antidepressiva etc.

 

V. Beweiswürdigend wird ausgeführt:

 

Im Verfahren einerseits hinlänglich glaubhaft dargetan sowie durch unbedenkliche Urkunden glaubhaft gemacht ist die Tatsache, dass der Antragsteller zum vormaligen Zeitpunkt wegen eines Tötungsdeliktes in minderjährigem Alter rechtskräftig durch türkische Justizbehörden nach durchgeführtem Ermittlungsverfahren und Prozess verurteilt wurde und er seine Strafe verbüßt hat.

 

Hervorzuheben ist, dass der Antragsteller zu keinem Zeitpunkt des durchgeführten asylrechtlichen Ermittlungsverfahrens behauptet hat, von Seiten staatlicher Organe bei Rückkehr asylrechtlich relevante Verfolgung befürchten zu müssen.

 

Zu der vom Antragsteller ins Treffen geführten Verfolgungsgefährdung einer ihn treffenden Blutrache von Seiten der Opferfamilie ist auszuführen, dass im Verfahren durch den beigezogenen Sachverständigen plausibel herausgearbeitet wurde, dass ein solches Blutrachegefährdungspotential in casu mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht vorliegt:

 

So hat der Antragsteller im Verfahren aus eigenem zugestanden, dass sein Vater nach wie vor in der Türkei wohnhaft ist und wurde seitens des Sachverständigen zum Themenkreis Blutrache ausgeführt, dass diesbezüglich bei Vorliegen einer eben solchen jegliches männliche Familienmitglied der Kernfamilie dem selben Risikopotential ausgeliefert wäre wie der Berufungswerber selbst.

 

Da nun der Antragsteller im Verfahren ausdrücklich ausführte, dass der Vater in keinster Weise behelligt wurde bzw. auch derzeit keiner Gefährdung ausgesetzt ist, ist dem Ergebnis des Sachverständigen zu folgen, weshalb hieraus zu erschließen ist, dass in casu keinerlei Blutrachegefährdung vorliegen kann.

 

Im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 10.06.2008 führte der beigezogene länderkundliche Sachverständige - auf ergangene Fragestellung seitens der gewillkürten Vertretung des Antragstellers - aus, dass in casu kein politisch motiviertes Moment einer allfälligen Diskriminierung des Beschwerdeführers aus unsachlichen Gründen den Unterlagen und insbesondere dem vorliegenden Strafgerichtsurteil entnehmbar ist.

 

Hinsichtlich der vom Antragsteller als Ungereimtheit in seinem Fall ins Treffen geführten nicht verifizierbaren Darstellung seines Vergehens (Strafregisterauskunft) wurde seitens des Sachverständigen dergestalt entgegengetreten, dass in der Türkei jedenfalls ein Tilgungsgesetz besteht, sowie dass es bei gemeinrechtlichen Delikten auch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer Tilgung kommt bzw. kommen kann, weshalb das diesbezügliche Argument, dass durch ein nicht mehr Nachweisen können der Bescheinigung seiner strafrechtlichen Tat ein Verschleiern eines Justizirrtums oder fehlerhafter strafrechtlicher Vorgangsweise zu erkennen war, entkräftet wurde.

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass gemäß den Ausführungen des Sachverständigen in casu aufgrund des Vorbringens des Antragstellers mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Fall einer Blutrachegefährdung vorliegt.

 

Bei hypothetischer Zugrundelegung einer dennoch bestehenden solchen Gefährdung ist davon auszugehen, dass der Antragsteller - bei der gegebenen Fallkonstellation - jedenfalls mit effizienter Schutzgewährung im Rahmen der Möglichkeiten in einem solchen Fall rechnen kann.

 

Des Weiteren führte der Sachverständige erklärend plausibel im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 17.01.2008 - im Zuge des abgeführten Berufungsverfahrens des leiblichen Bruders des Antragstellers bei gleicher Sachverhaltsbehauptung - ins Treffen, dass selbst bei Vorliegen einer Blutrachegefährdung jegliche diesbezügliche Gefährdung, Drohung oder erfolgte Angriffe, strafrechtliche Handlungen im Sinne der türkischen Strafjustiz darstellen und dass in casu kein weiter hinzutretendes Risikopotential allenfalls aufgrund politischer oder anderer Sachverhaltsmomente gegeben ist. Der vorliegende Schutzwille der Behörden sowie die effiziente Schutzmöglichkeit wurde vom Sachverständigen ebenfalls bejaht. Insbesondere zum Themenkreis der Schutzverweigerung - bei hypothetischem Gegebensein einer Blutrachegefährdung - ist auszuführen, dass gemäß der Ausführungen des Sachverständigen im Rahmen der Berufungsverhandlung vom 17.01.2008 - im Verfahren des Bruders des Antragstellers bei selber Sachverhaltsbehauptung - hervorgetreten ist, dass der Antragsteller

-

wie auch sein leiblicher Bruder bei gleicher Sachverhaltsgrundlage

-

diesbezüglich bei Hilfeersuchen an die staatlichen Polizei- oder Exekutivorgane jedenfalls nicht mit einer Schutzverweigerung zu rechnen hat.

 

Die Feststellungen zur Allgemeinsituation in der Republik Türkei sowie zur medizinischen Versorgungsmöglichkeit basieren auf dem Bericht des deutschen ausfertigen Amtes vom 11.01.2007, welchen im Verfahren nicht in der Substanz widersprochen wurde.

 

Die Feststellungen zur Person des Berufungswerbers ergeben sich aus dessen Angaben im Verfahren und der im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Dokumente.

 

VI . Rechtliche Beurteilung:

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 75 Abs. 7 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

Am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

1.

 

Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

2.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

3.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes (AsylG 2005) sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31. Dezember 2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG werden Asylanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt werden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetztes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt. Nach § 44 Abs.3 AsylG sind die §§ 8,15,22,23 Abs.5 und 6,36,40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 auch auf solche Verfahren anzuwenden.

 

Gem. § 124 Abs. 2 des ebenfalls mit 1.1.2006 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, an deren Stelle die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Gemäß Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974, ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

 

Zentraler Aspekt des aus Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Zu fragen ist daher nicht danach, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Zurechnungssubjekt der Verfolgungsgefahr ist der Heimatstaat bzw. bei Staatenlosen der Staat des vorherigen gewöhnlichen Aufenthaltes. Daher muss die Verfolgungsgefahr (bzw. die wohlbegründete Furcht davor) im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben (VwGH 9.3.1999, 98/01/0370; VwGH 14.10.1998, 98/01/262).

 

Im durchgeführten Ermittlungsverfahren ist nicht hervorgetreten, dass der Antragsteller einer Blutrachegefährdung aufgrund eines Tötungsdeliktes unter gleichzeitiger Schutzgewährungsverletzung staatlicher Institutionen ausgesetzt ist, weshalb dem Antragsteller nicht wohlbegründete Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung zuzubilligen ist.

 

Rechtlich folgt aus dem festgestellten Sachverhalt, dass der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ist.

 

Selbst unter Zugrundelegung, dass im strafrechtlichen Fall des Antragstellers in der Türkei seitens türkischer Strafjustizbehörden Verfahrensfehler begangen worden seien bzw. es diesbezüglich zu einem Justizirrtum oder minderschwerenr Unregelmäßigkeiten gekommen wäre, kann hieraus nicht abgeleitet werden, dass der Antragsteller aus diesem Grund bei Rückkehr mit asylrechtlich relevanter Verfolgung zu rechnen hat und hat er dies auch selbst nicht behauptet.

 

Dass ihm im Gefolge allenfalls unterlaufener Verfahrensfehler oder eines von ihm behaupteten Justizirrtums nun jeglicher effiziente staatliche Schutz verweigert würde, wurde auch seitens des Sachverständigen im Rahmen der Berufungsverhandlung vom Jänner 2008 als gänzlich absurd dargestellt, weshalb auch diesbezüglich keinerlei Konsequenzen hinsichtlich eines allenfalls einzubringenden Schutzersuchens bei den Polizei- bzw. Exekutivbehörden herzuleiten wäre.

 

ad 2. Gemäß § 126 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 F G) tritt dieses Bundesgesetz mit Ausnahme des § 9 Abs. 1 mit 01. Jänner 2006 in Kraft. Gemäß § 126 Abs. 2 (Verfassungsbestimmung) tritt § 9 Abs. 1 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005 mit 01. Jänner 2006 in Kraft.

 

§ 124 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

 

§ 124

 

(1) Soweit in diesem Bundesgesetz auf Bestimmungen anderer Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Verweise auf andere Rechtsnormen beziehen sich auf die Rechtsnorm zum Zeitpunkt der Kundmachung des Verweises nach diesem Bundesgesetz.

 

(2) Soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen wird, treten an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

 

Gemäß § 50 Abs. 1 FPG ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

 

Gemäß Abs. 2 leg.cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974) es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß § 50 Abs. 3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs. 1 oder Abs. 2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden.

 

Gemäß § 8 AsylG hat die Behörde, im Falle einer Abweisung eines Asylantrages, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist.

 

§ 8 AsylG 1997 verweist auf § 57 Fremdengesetz (FrG), BGBl I 1997/75, wonach die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig ist, wenn dadurch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung zu § 57 Abs. 1 Fremdengesetz idF BGBl I Nr. 75/1997 erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele: VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Überdies ist nach § 57 Abs. 2 FrG die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 1955/55, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 1974/78).

 

Der Prüfungsrahmen des § 57 Abs. 1 FrG wurde durch § 8 AsylG auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (für viele:

VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 23.6.1994, 94/18/0295) und muss die drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein, ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 MRK zu gelangen.

 

Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG ist es erforderlich, dass der Fremde, die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.6.1997, 95/21/0294), und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 5.4.1995, 93/18/0289).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (VwGH 23.6.1994, 94/18/0295) und muss die drohende Maßnahme von einer bestimmten Intensität sein, ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 MRK zu gelangen.

 

Hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG ist es erforderlich, dass der Fremde, die für diese ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe, konkret und in sich stimmig schildert (VwGH 26.06.1997, 95/21/0294), und dass diese Gründe objektivierbar sind (VwGH 5.4.1995, 93/18/0289).

 

Auch war es dem Antragsteller sohin nicht möglich, objektivierbare Gründe eines Risikos im Sinne des § 50 FPG aufzuzeigen.

 

Insbesondere ist in casu nicht erweislich, dass der Beschwerdeführer aus medizinischen Gründen einem bezughabenden Risiko einer Art 3 EMRK Verletzung ausgesetzt wäre.

 

Hervorgehoben sei, dass des Weiteren der Antragsteller insbesondere nicht in seinen gewährleisteten Rechten gemäß Art. 2 bzw. Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) durch Rückverbringung verletzt würde.

 

ad 3. Der Antragsteller verfügt im österreichischen Bundesgebiet über keinerlei enge familiäre oder soziale Bindungen zur dauernd aufenthaltsberechtigten Personen, sondern verfügt insbesondere über Angehörige seiner Kernfamilie in seinem Herkunftsstaat - dies bei Volljährigkeit seiner eigenen Person.

 

Dass der Antragsteller durch Rückverbringung in dem gewährleisteten Recht auf Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 Abs. 1 EMRK berührt wäre, ist im Verfahren nicht hervorgekommen, deshalb spruchgemäß die Ausweisung auszusprechen war.

 

Die Ausweisung stellt daher keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, mangelnde Asylrelevanz, medizinische Versorgung, non refoulement, soziale Verhältnisse, staatlicher Schutz, strafrechtliche Verurteilung
Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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