B1 307.525-1/2008/6E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat gemäß §§ 61 Abs. 1, 75 Abs. 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 iVm § 66 Abs.4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Magele als Beisitzer über die Beschwerde von T. A., geb. 1973, Staatsangehörigkeit: Republik Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.10.2006, Zahl: 05 04.636-BAT, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde von T. A. vom 20.11.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.10.2006, Zahl: 05 04.636-BAT, wird gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idF BG BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen.
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von T. A. in die Republik Kosovo zulässig ist.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wird T. A. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Gang des Verfahrens und Sachverhalt
1.1 Der Beschwerdeführer, zum damaligen Zeitpunkt ein Staatsangehöriger der Republik Serbien und Montenegro albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo, beantragte am 05.04.2005 die Gewährung von Asyl.
In dem für die Begründung des Asylantrages vorgesehenen Abschnitt des Formblattes, mit welchem der Asylantrag gestellt wurde, führte der Beschwerdeführer durch handschriftliche Eintragung in albanischer Sprache gemäß der hergestellten Übersetzung aus, dass er sich seit dem Jahr 2002 bei einer Autobusstation in Montenegro aufgehalten habe. Er habe es nicht gewagt, in die Heimat zurückzukehren, da er dort verfolgt worden sei. Man habe ihm gesagt:
"Du hast mit den Serben zusammengearbeitet und die Häuser der Albaner niedergebrannt." In letzter Zeit habe er in Montenegro auch mit den Serben Probleme gehabt, die den Antragsteller geschlagen und ihn aufgefordert hätten, zu verschwinden. Der Beschwerdeführer belegte bei Antragstellung seine Identität durch Vorlage eines 2005 durch die serbischen Behörden ausgestellten Personalausweises, woraus ersichtlich ist, dass er aus dem Dorf N. der Gemeinde Pec stammt.
Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 07.04.2005 gab der Beschwerdeführer an, dass er im Jahre 2002 aus seinem Heimatort nach Montenegro gezogen sei. Er habe 1993 in Deutschland einen Asylantrag gestellt und sich dort bis zum Jahr 2000 aufgehalten. Die frühere Ehegattin des Beschwerdeführers habe eine Niederlassungsbewilligung für Deutschland besessen und er habe beabsichtigt, nach Mazedonien zu fahren, um dort ein Visum für Deutschland zu beantragen. Er habe sich dann aber scheiden lassen und deshalb kein Visum bekommen.
Auf die Frage nach Gründen für das Verlassen des Heimatlandes gab der Beschwerdeführer an, dass er Probleme mit den Albanern gehabt habe. Nach seiner Rückkehr aus Deutschland hätten diese ihm vorgeworfen, dass er mit den Serben zusammengearbeitet und Häuser der Albaner niedergebrannt hätte. Deshalb sei er nach Montenegro gezogen, weil er im Kosovo wegen der Albaner nicht mehr leben konnte. Diese hätten ihm nicht geglaubt, dass er in Deutschland gewesen sei, sondern gedacht, dass er im Krieg für die Serben gearbeitet hätte. In Montenegro habe er von Gelegenheitsarbeiten gelebt. Er sei dort von Serben bedroht und ab und zu auch geschlagen worden. Nachdem er einen Schulfreund getroffen habe, habe er gemeinsam mit diesem das Land verlassen. Er sei mit Schlepperunterstützung in einem Fahrzeug versteckt durch unbekannte Länder nach Österreich gefahren, wo er am 05.04.2005 illegal eingereist sei. Er habe niemals einen eigenen Reisepass besessen.
Auf Aufforderung, seine Probleme im Kosovo konkret darzustellen, gab der Beschwerdeführer an, dass "sie" (gemeint: die Verfolger) zu ihm nach Hause gekommen seien. Sie hätten zwei Mal mit dem Gewehr auf das Haus des Beschwerdeführers geschossen. Einmal hätten sie das Auto des Cousins des Beschwerdeführers, welches vor diesem Haus geparkt gewesen sei, abgebrannt. Zweimal sei das Heu, welches als Tierfutter verwendet worden sei, abgebrannt. Diese Vorfälle hätten seit der Rückkehr des Beschwerdeführers aus Deutschland bis zum Jahr 2002 stattgefunden. Er habe diese Vorfälle nicht bei der Polizei gemeldet, weil er nicht gewusst habe, wo er dies tun solle. Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte der Beschwerdeführer getötet zu werden.
Im Rahmen der weiteren niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 17.10.2005 gab der Beschwerdeführer an, dass er neben seinem Personalausweis auch einen UNMIK-Reisepass besitze, der vor zwei oder drei Monaten abgelaufen sei. Der Pass befinde sich im Kosovo bei seinen Eltern. Er sei von 1993 bis 1999 oder 2000 in Deutschland als Asylwerber aufhältig gewesen, wobei das Verfahren negativ entschieden worden sei. 1999 oder 2000 sei er nach Mazedonien gereist, um ein Visum für Deutschland zu bekommen. Er habe keines erhalten, da seine frühere Gattin infolge der Scheidung für ihn keine Verpflichtungserklärung abgegeben habe. Der Beschwerdeführer sei daraufhin aus Mazedonien in den Kosovo in seinen Geburtsort N. zurückgekehrt und habe sich vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2004 dort aufgehalten. Er habe von Gelegenheitsarbeiten gelebt. Zuletzt habe der Beschwerdeführer sich nicht bei seinen Eltern, sondern in der Gemeinde Peje für sieben Monate aufgehalten, wo er von seiner Familie versorgt worden sei. Der Ort L. sei durch einen zweistündigen Fußmarsch von N. aus zu erreichen.
Der Beschwerdeführer habe N. verlassen, weil er Probleme mit Gruppierungen gehabt habe. Die Leute hätten vom Beschwerdeführer Geld verlangt, da sie gewusst hätten, dass er in Deutschland gelebt habe und annahmen, dass er reich gewesen sei. N. mehrmals auf den Beschwerdeführer geschossen worden und man habe das Auto des Cousins des Beschwerdeführers in Brand gesetzt. Der Beschwerdeführer habe bei der Polizei Anzeige gegen unbekannte Täter erstattet, die Polizei habe die Täter aber nicht finden können. Der Beschwerdeführer konnte auf Befragen nicht angeben, um welche Gruppierung es sich handle und gab auch an, nicht zu wissen, ob es Albaner oder Serben gewesen seien. Er habe nicht erkennen können, ob es immer die gleichen Leute gewesen seien. Diese seien maskiert gewesen und hätten den Vater des Beschwerdeführers bedroht, nachdem dieser sich versteckt habe. Auch der Sohn des Beschwerdeführers sei durch unbekannte Leute auf der Straße angehalten und nach dem Aufenthalt des Beschwerdeführers befragt worden. Die Drohungen dieser Leute gegenüber dem Vater und dem Sohn des Beschwerdeführers hätten darin bestanden, dass sie getötet würden, wenn sie den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht bekannt geben. Diese Personen hätten gewusst, dass der Beschwerdeführer lange Zeit in Deutschland aufhältig gewesen sei und deshalb Geld besitze. Weiters sei der Beschwerdeführer verdächtigt worden, mit den Serben zusammengearbeitet zu haben. Auf Nachfrage, weshalb man den Beschwerdeführer verdächtigen sollte, mit den Serben zusammengearbeitet zu haben, führte dieser aus, dass diese Personen sich nicht sicher gewesen seien, ob der Beschwerdeführer in Deutschland gewesen sei oder mit Serben zusammengearbeitet habe. Zum Vorhalt, dass diese behaupteten widersprüchlichen Vorwürfe nicht plausibel seien, gab der Beschwerdeführer an, dass er dies von anderen Leuten gehört habe. Er wisse, dass sein Vater bzw. sein Sohn bedroht worden seien, da er mit seinem Vater telefoniert habe. Der Beschwerdeführer selbst habe nie Kontakt zu diesen Leuten gehabt und sie nie gesehen. Wenn sie in der Nacht gekommen seien, habe der Beschwerdeführer sich zu Hause versteckt und dessen Vater habe zu den Leuten gesagt, dass der Beschwerdeführer nicht zu Hause sei. Diese Leute seien dann wieder verschwunden. Sie seien innerhalb eines Monates drei oder vier Mal gekommen und danach habe es Monate gegeben, in denen sie gar nicht gekommen seien.
Zur Frage, wie der Beschwerdeführer über die Geldforderungen erfahren habe, obwohl er selbst nie mit den Leuten gesprochen habe, gab er an, dass dies zu seinem Vater gesagt worden sei. Die Leute seien das letzte Mal etwa vor einem Jahr - ungefähr gegen Ende des Jahres 2003 oder etwas später - zum Haus des Beschwerdeführers gekommen, bevor dieser sich nach Montenegro begeben habe.
Der Beschwerdeführer machte weiters Angaben über seinen behaupteten Aufenthalt in Montenegro und führte aus, dass er diesen Staat 2005 verlassen habe und am 05.04.2005 in Österreich angekommen sei. In Montenegro habe er von Albanern erfahren, dass es seinem im Kosovo aufhältigen Vater gut gehe und es keine Neuigkeiten gäbe.
Der Beschwerdeführer habe keine Verwandten und keine sonstigen Bindungen in Österreich. Er erklärte sich einverstanden, bei den deutschen Behörden Informationen über seinen dortigen Aufenthalt einzuholen.
Durch das Deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurde in einer Mitteilung vom 22.11.2005 an das Bundesasylamt bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer in Deutschland am 02.04.1993 einen Asylantrag gestellt hatte, der mit 13.09.1996 abgewiesen wurde, sowie in der Folge am 11.05.1998 einen Asylantrag gestellt hatte, über den das Verfahren seit 28.10.1999 negativ abgeschlossen ist. Weiters wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am 12.07.2000 aus Deutschland ausgereist sei und es wurden die Angaben zu seiner Identität aufgrund eines positiven Fingerabdruckabgleiches bestätigt. Von den deutschen Behörden wurden weiters jeweils eine Kopie des Bescheides des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge 1994 und des Urteils des bayrischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom August 1996 übermittelt, woraus ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer seinen in Deutschland gestellten Asylantrag damit begründet hatte, dass er sich der Einziehung zur restjugoslawischen Armee entzogen habe, wobei dieses Vorbringen als nicht glaubhaft beurteilt wurde.
1.2 Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I); weiters wurde mit diesem Bescheid die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Serbien, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II) und der Asylwebergemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien, Provinz Kosovo, ausgewiesen.
Im angefochtenen Bescheid wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft beurteilt und weiters festgestellt, dass sich aus der allgemeinen Lage im Herkunftsland des Antragstellers keine (refoulementschutzrechtlich relevante) Gefährdung ergebe. Die Ausweisung stelle keinen Eingriff in (die durch) Art. 8 EMRK (geschützte Rechtsposition des Beschwerdeführers) dar.
1.3 Gegen diesen Bescheid wurde in einer als "Einspruch" bezeichneten Eingabe vom 20.11.2006 das Rechtsmittel der Berufung erhoben, in welcher vorgebracht wird, dass Personen, die den Beschwerdeführer bereits früher umbringen wollten, noch immer hinter ihm her seien. Im Falle einer Abschiebung wäre er seines Lebens nicht mehr sicher. Aktuell sei ihm vor ca. einer Woche berichtet worden, dass er von Leuten gesucht wurde. Die Korruption im ehemaligen Jugoslawien sei unverändert vorhanden und der Beschwerdeführer könnte von keiner Behörde ausreichenden Schutz erwarten.
1.4 Am 22.07.2008 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof durchgeführt, an der der Beschwerdeführer teilgenommen hat und zu der das Bundesasylamt keinen Vertreter entsandt hat.
Dabei gab der Beschwerdeführer (BF) auf Befragen durch den Vorsitzenden Richter (VR) und die Beisitzende Richterin (BR) folgendes an:
"VR: Woher aus dem Kosovo stammen Sie und unter welchen Umständen haben Sie bis zu Ihrer Ausreise gelebt?
BF: Ich stamme aus N., aus der Gemeinde P.. Seit 1993 war ich in Deutschland. Bis nach dem Krieg im Jahre 1999 blieb ich in Deutschland.
VR: Sie sind nach einer Mitteilung der deutschen Behörden am 07.12.2000 aus Deutschland ausgereist. Wo haben Sie danach gelebt?
BF: Ich lebte eine kurze Zeit in N. im Kosovo. Danach lebte ich in Montenegro. Eine Zeit lang lebte ich im Gebirge. Danach habe ich einen Asylantrag gestellt.
VR: Wie lange haben Sie nach Ihrer Rückkehr im Jahr 2000 im Kosovo gelebt?
BF: Bis zum Jahre 2005, als ich in Österreich um Asyl ansuchte.
VR: Sie sprachen zuvor von einem Aufenthalt in Montenegro. In welcher Zeit hat dieser stattgefunden?
BF: Die genauen Daten weiß ich leider nicht mehr, aber ca. ein Jahr habe ich mich in Montenegro aufgehalten. Ich glaube, es war in den Jahren 2003 bis 2004.
VR: Aus welchem Land haben Sie Ihre Reise nach Österreich angetreten, aus dem Kosovo oder aus Montenegro?
BF: Aus Montenegro.
VR: Sie sind im April 2005 nach Österreich gekommen und haben den Asylantrag gestellt. Zuvor sagten Sie, dass Sie 2003 bis 2004 in Montenegro gewesen seien.
BF: Jetzt bin ich mir sicher, im Jahre 2004 war ich in Montenegro, denn von Montenegro reiste ich nach Österreich.
VR: Sie haben gegenüber dem BAA bereits Angaben darüber gemacht, weshalb Sie den Kosovo verlassen haben. Haben diese Angaben der Wahrheit entsprochen?
BF: Ja, ich hatte viele Probleme dort.
VR: Welche Probleme hatten Sie dort?
BF: Ich habe mich während des Krieges in Deutschland aufgehalten und habe auch nicht gekämpft. Nach meiner Rückkehr aus Deutschland hatte ich Probleme mit Gruppierungen, weil ich nichts für den Krieg im Kosovo beigetragen und auch nicht gekämpft habe. Aus diesem Grunde sah ich mich gezwungen, nach Montenegro zu reisen. Ich habe mich auch eine Zeit lang im Gebirge aufgehalten. Diese Gruppierungen wollten Geld von mir und fragten mich auch, mit wem ich zusammengearbeitet habe.
VR: Beschreiben Sie die konkreten Konfrontationen, die Sie mit diesen Gruppierungen gehabt haben.
BF: Sie haben oft bei mir zu Hause nach mir gesucht. Ich war in Deutschland verheiratet und als mein Sohn aus Deutschland in den Kosovo reiste, haben sie auch erfahren, dass ich einen Sohn habe. Sie suchten nach mir. Ich war nicht sicher, ich hatte Angst, konnte mit niemandem reden. Es war die Zeit nach dem Krieg, es ist viel passiert.
VR: Wie haben Sie sich gegenüber den Angehörigen dieser Gruppierung verhalten?
BF: Ich hatte noch nie direkten Kontakt zu diesen Gruppen, nur über meine Familie, die sie oft besucht haben.
VR: Wie hat Ihre Familie auf die Forderungen dieser Gruppe reagiert?
BF: Die Familie fragte, was sie von mir wollen. Die Familie hat zu denen gesagt, dass ich mich nicht zu Hause aufhalte, dass ich nur für eine kurze Zeit zu Hause war. Meine Familie hat mich geschützt, sie hat nie erzählt, wo ich mich wirklich aufhalte.
VR: Wo haben Sie sich aufgehalten, wenn diese Familie von dieser Gruppe angesprochen wurde?
BF: Eine Zeit lang war ich im Gebirge, mein Vater hat mir davon erzählt. Er hat mir auch Essen geschickt. Als ich mich dann in Montenegro aufgehalten habe, erhielt ich die Nachrichten über einen Albaner, der nach Montenegro reiste, nämlich, dass ich gesucht werde und nicht zurückkehren solle.
VR: Welche Familienangehörigen von Ihnen befinden sich noch im Kosovo?
BF: Zwei Brüder, meine Eltern, die Ehegatten und die Kinder meiner Brüder und mein Sohn leben dort.
VR: Leben diese Angehörigen in Ihrem Heimatdorf N. im Haus Ihrer Familie?
BF: Ja. Nur mein älterer Bruder wohnte für eine Zeit lang in Montenegro, jetzt nicht mehr.
VR: Haben Sie während Ihres Aufenthaltes im Kosovo im Sommer 2000 bis zu Ihrer Ausreise nach Montenegro ebenfalls in diesem Haus gelebt?
BF: Nein, nur für eine kurze Zeit und als ich meinen Sohn besucht habe.
VR: Wo haben Sie in dieser Zeit gelebt?
BF: Im Gebirge, aber auch in Montenegro.
VR: Ich habe Sie über die Zeit zwischen dem Sommer 2000 und Ihrer Reise nach Montenegro gefragt. Wo haben Sie sich im Kosovo aufgehalten in dieser Zeit, das waren 3 1/2 Jahre.
BF: Anfangs habe ich mich für eine sehr kurze Zeit bei meiner Familie aufgehalten, dann habe ich mich versteckt im Gebirge aufgehalten.
VR: Wie lange von diesen 3 1/2 Jahren sind Sie bei Ihrer Familie geblieben und wann sind Sie ins Gebirge gegangen?
BF: Die ersten fünf bis sechs Monate nach meiner Rückkehr aus Deutschland - vielleicht auch länger - habe ich mich zu Hause aufgehalten, aber nicht jeden Tag. Im Mai 2001 oder 2002 begab ich mich ins Gebirge.
VR: Wenn Sie sich im Mai 2001 ins Gebirge begeben haben, dann müssen Sie länger als sechs Monate bei Ihren Eltern gelebt haben und das gilt verstärkt, wenn Sie 2002 ins Gebirge gegangen sind.
BF: Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich mich zu Hause aufgehalten habe, aber ich habe meinen Wohnort ständig gewechselt, ich habe auch woanders gewohnt. Vielleicht habe ich auch länger bei meiner Familie gewohnt, ich hatte auch längeren Kontakt zu meiner Familie. Ich bin mir jedoch nicht ganz sicher.
VR: Wie haben Sie in dieser Zeit Ihren Lebensunterhalt verdient?
BF: So lange ich mich im Gebirge aufgehalten habe, wurde mir Essen von meiner Familie geschickt. In Montenegro habe ich Arbeit gesucht. Ich hatte überhaupt kein Einkommen im Kosovo. Das war auch nicht wichtig, die Arbeit hat mich nicht interessiert, ich war auch nicht frei.
VR: Wovon haben Sie gelebt?
BF: Ich wurde von meiner Familie unterstützt.
VR: Sie sind seit April 2005 in Österreich. Was haben Sie hier getan seither?
BF: Nichts habe ich getan. Ich habe kein Recht zu arbeiten. Ich war immer interessiert, zu arbeiten in Österreich. Strafrechtliche Probleme hatte ich keine.
VR: Haben Sie Verwandte oder sonstige Angehörige in Österreich?
BF: Nein, ich kenne niemanden hier.
VR: Nach Ihrer Darstellung haben Sie mit dieser Gruppierung niemals persönlich Kontakt gehabt und ist diese nur gegenüber Angehörigen Ihrer Familie aufgetreten. Warum haben Sie vor diesen Personen Angst? Was würden Sie befürchten, was Ihnen im Fall einer Rückkehr geschehen könnte?
BF: Meine Familie hat mir erzählt, dass viele Morde im Kosovo nach dem Krieg geschehen sind. Davor habe ich Angst. Ich konnte das Geld, das sie von mir verlangt haben, nicht bezahlen. Sie haben auch behauptet, dass ich Geld gespart hätte während meiner Zeit in Deutschland.
VR: Sind Sie gegenwärtig in Kontakt mit Ihren Familienangehörigen im Kosovo?
BF: Ja, ich telefoniere mit meinem Sohn.
VR: Wie geht es Ihren Familienangehörigen?
BF: Es geht ihnen gut, aber sie haben keine Arbeit. Ich habe noch etwas vergessen. Als ich nach Österreich kam, hat mein Sohn mit der Schule begonnen. Mein Vater hat ihn in die Schule geschickt. Auch mein Sohn hatte Probleme mit dieser Gruppierung, er wurde nach dem Aufenthaltsort des Vaters gefragt. Somit war mein Sohn nicht frei und konnte nicht alleine in die Schule gehen. Mein Vater hat ihn dann in die Schule begleitet.
VR: Hat Ihre Familie eine Landwirtschaft?
BF: Ja, sehr wenig.
VR: Trifft es zu, dass Ihre Familie gegenwärtig und in der Vergangenheit Ihren Lebensunterhalt aus der Landwirtschaft bestritten hat?
BF: Ja, der Ertrag reicht aber nicht für alle.
VR: Sie haben gegenüber dem BAA angegeben, dass Sie im Jahr 1999 oder 2000 nach Mazedonien gefahren seien, um ein Visum für Deutschland zu erhalten. Was für einen Reisepass haben Sie damals gehabt?
BF: Einen jugoslawischen Reisepass.
VR: Sie haben bei der Einvernahme am 17.10.2005 angegeben, dass Sie einen UNMIK - Reisepass besessen haben, der vor drei Monaten abgelaufen sei und sich bei Ihren Eltern befindet.
BF: Das war ein weiterer Reisepass und diesen Reisepass ließ ich bei meiner Familie zurück.
Es erfolgt der Vorhalt vorläufiger Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat laut Beilage "A" zur Verhandlungsschrift.
VR gibt dem BF Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Beurteilung.
BF: Was die Nahrungsmitteln betrifft, meine Familie hat nichts. Mein Vater erhält eine Rente in der Höhe von ¿ 40,--.
VR: Hatten Sie die Gelegenheit alles vorzubringen, was Sie im Verfahren sagen wollten?
BF: Ja, ich hätte noch eine Bemerkung. Ich hatte noch nie Probleme mit dem Gesetz in Österreich, habe nie Sozialhilfe vom Staat erhalten, war immer interessiert, in Österreich zu arbeiten. Eine Beschäftigungsbewilligung habe ich bis jetzt nicht. Ich habe versucht, hier zu bleiben und ich beabsichtige auch meinen Sohn nach Österreich zu holen.
VR: Sie haben die Motive für die von Ihnen behauptete Bedrohung von diesen Gruppierungen im Verfahren unterschiedlich beschrieben. Gegenüber dem BAA haben Sie in Ihrem schriftlichen Asylantrag und auch bei Einvernahmen angegeben, dass Ihnen vorgeworfen worden sei, mit Serben zusammenzuarbeiten und Häuser der Albaner niedergebrannt zu haben, in den Einvernahmen durch das BAA haben Sie vorgebracht, dass man von Ihnen wegen Ihres Aufenthaltes in Deutschland Geld verlangt habe, heute haben Sie gesagt, man hätte Ihnen vorgeworfen, dass Sie während der kriegerischen Auseinandersetzung keine Unterstützung für die albanische Sache geleistet hätten. Warum ist es zu diesen Unterschieden in der Darstellung gekommen?
BF: Ich sagte, dass sie mich gefragt haben, mit wem ich zusammengearbeitet hätte. Es entspricht auch der Wahrheit, diese Frage haben sie meiner Familie gestellt. Das haben sie auch zu meiner Familie gesagt, dass ich mit den Serben zusammengearbeitet und auch Häuser der Albaner niedergebrannt hätte.
VR: Es erscheint höchst unplausibel, dass man Ihnen einerseits vorwerfen sollte, während des kriegerischen Konflikts solche Handlungen gesetzt zu haben und andererseits deshalb von Ihnen Geld verlangt hätte, weil Sie während dieser Zeit in Deutschland gewesen seien. Was sagen Sie dazu?
BF: Diese Gruppe wusste nicht, wann ich in den Kosovo zurückgekehrt bin. Ob ich während des Krieges oder nach dem Krieg in den Kosovo zurückgekehrt sei. Als sie dann meinen Sohn gesehen haben, haben sie mitbekommen, dass ich auch nach dem Krieg aus Deutschland zurückgekehrt bin.
VR: Sie haben im Verfahren auch unterschiedliche Angaben über Ihren Aufenthalt nach Ihrer Rückkehr in den Kosovo gemacht. In Ihrem schriftlichen Asylantrag haben Sie behauptet, dass Sie sich seit 2002 in Montenegro aufgehalten hätten. Dies haben Sie auch in der Einvernahme vor dem BAA am 07.04.2005 bestätigt und haben allerdings bei der weiteren Einvernahme am 17.10.2005 angegeben, dass Sie sich vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2004 im Kosovo aufgehalten hätten. Auch heute haben Sie Ihre Angaben über Ihre Aufenthaltsorte und die jeweilige Aufenthaltsdauer im Kosovo im Zuge der Einvernahme verändert. Können Sie erklären, warum das so gekommen ist?
BF: Ich kann mich nicht an die genauen Daten und Jahre erinnern.
VR: Sie haben gegenüber dem BAA widersprüchliche Angaben dahingehend getätigt, ob Sie die behauptete Bedrohung bei der Polizei angezeigt hätten; Sie haben am 07.04.2005 angegeben, dass Sie das nicht getan hätten, dann am 17.10.2005 allerdings behauptet., dass Sie bei der Polizei Anzeige erstattet hätten. Können Sie das aufklären?
BF: In Montenegro habe ich Anzeige bei der Polizei erstattet.
VR: Nach der Niederschrift über Ihre Einvernahme am 17.10.2005 haben Sie diese Anzeige im Zusammenhang mit einem zuvor dargestellten Vorfall in Ihrem Heimatdorf N. behauptet und nicht im Zusammenhang mit einem Vorfall in Montenegro. Möchten Sie dazu etwas sagen?
BF: Ich persönlich war nicht bei der Polizei im Kosovo, sondern mein Bruder. Es entspricht der Wahrheit, ich habe in Montenegro Anzeige erstattet.
BR: Sie haben vorhin angegeben, dass die Gruppierung von Ihnen Geld verlangen hätte, Sie aber nicht zahlen hätten können. Wie viel Geld haben diese von Ihnen verlangt?
BF: Es war die Rede von einer großen Summe.
BR: Diese haben von Ihnen Geld verlangt und keine Summe genannt?
BF: So ist es.
BR: Das heißt, Sie hätten gar keine Chance gehabt zu bezahlen, weil Sie keine Summe wussten?
BF: Ja, das ist richtig.
BR: Wie oft haben diese Gruppierungen von Ihnen Geld verlangt?
BF: Drei bis vier Mal.
BR: In welchem Zeitraum?
BF: Das war direkt nach dem Krieg, als ich von Deutschland in den Kosovo zurückkehrte, 1999 oder 2000.
BR: In welchem Zeitraum haben diese das Geld verlangt?
BF: Nur Anfangs, als ich zurückgekehrt bin.
BR: Was waren die Konsequenzen, als Sie nicht bezahlt haben?
BF: Ich konnte nicht bezahlen, ich hatte nicht einmal für mich Geld. Ich kannte die Konsequenzen nicht, deshalb bin ich geflohen.
BR: Woher hatten Sie das Geld für die Schlepper in der Höhe von ¿ 2000,--, wenn Sie nicht einmal Geld für sich hatten?
BF: Das Geld habe ich von einem albanischen Freund geliehen. Auch ein anderer kranker Albaner aus einem Nachbardorf, mit dem ich gemeinsam nach Österreich gereist bin, hat mir geholfen bzw. mich finanziell unterstützt."
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo und gehört der albanischen Bevölkerungsgruppe an. Er stammt aus dem Dorf N. in der Gemeinde Peje. Der Beschwerdeführer hielt sich von 1993 bis zum Juli 2000 in Deutschland auf, wo über zwei von ihm gestellte Asylanträge abweisende Entscheidungen getroffen wurden. Die vom Beschwerdeführer im Verfahren behaupteten Bedrohungen durch eine nicht näher bezeichnete Gruppierung in seiner Herkunftsregion nach seiner Rückkehr in den Kosovo im Jahr 2000 ist der Entscheidung nicht als Sachverhalt zugrunde zu legen; das entsprechende Vorbringen im Verfahren hat nicht den Tatsachen entsprochen. Es kann dahingestellt bleiben, ob und wie lange sich der Beschwerdeführer vor seiner im April 2005 erfolgten illegalen Einreise nach Österreich in Montenegro aufgehalten hat.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine familiären oder sonstigen Bindungen und übt keine erlaubte Beschäftigung aus.
2.2 Zur Situation im Kosovo wird festgestellt:
1. a. Allgemeines:
Im Kosovo, einem Gebiet von ca. 11.000 qkm, leben - geschätzt - 2,1 Millionen Menschen, davon 92 Prozent ethnische Albaner, 5,3 Prozent Serben, 0,4 Prozent Türken, 1,1 Prozent Roma sowie 1,2 Prozent anderer Ethnien. Die Amtssprachen sind Albanisch und Serbisch. Auf Gemeindeebene werden auch Bosnisch, Romanes und Türkisch als Amtssprachen in Verwendung sein. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. A. P., Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 3-5]
1. b. Lageentwicklung:
1..b.1. Kosovo unter UN - Verwaltung
Am 24.03.1999 begann die NATO die Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel, "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern (und) das Morden im Kosovo zu beenden". Im Juni 1999 rückten die unter Führung der NATO gebildeten KFOR-Einheiten in den Kosovo ein. Am 10.06.1999 wurde das Gebiet auf der Basis der Sicherheitsrats-Resolution 1244 der vorläufigen zivilen UN-Verwaltung "United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK)" unterstellt. Völkerrechtlich gehörte der Kosovo aber nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2]
1. b.2. Statusverhandlungen
Der VN-Generalsekretär hat für die Verhandlungen zum Status des Kosovo den ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari zu seinem Sondergesandten ernannt. Ahtisaari hat am 21. Oktober 2005 die Statusgespräche begonnen. Nach anfänglicher Pendeldiplomatie zwischen Wien und Pri¿tina bzw. Belgrad begannen am 22. Februar 2006 direkte Gespräche zwischen beiden Delegationen. VN-Sondergesandter Ahtisaari hat am 02.02.2007 den Parteien einen Entwurf des Statuspakets übergeben. Abschließend hat sich der UN-Sicherheitsrat mit der Statuslösung befasst. In intensiven Verhandlungen bis Ende Juli 2007 konnte jedoch keine Einigung über einen Resolutionstext erzielt werden, und die Befassung des UN-Sicherheitsrates wurde zunächst auf Eis gelegt.
Unter Federführung einer "Troika" aus USA, Russland und EU begannen am 01.08.2007 neue Verhandlungen, die jedoch am 10.12.2007 endgültig scheiterten. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 7; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:
Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2]
1. b.3. Wahlen
Am 17.11.2007 fanden Parlaments-, Kommunal- und Bürgermeisterwahlen, die ohne besondere Zwischenfälle abliefen, statt. Der mit der Wahlbeobachtung betraute Europarat hat bestätigt, dass die Wahlen entsprechend der internationalen und europäischen Standards verlaufen sind. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. A. P., Verbindungsbeamter des BMI, Seite 28]
Am 9. Jänner 2008 hat das Parlament sowohl Präsident Fatmir Sejdiu in seinem Amt als auch das Kabinett von Ministerpräsident Hashim Thaci (Demokratische Partei des Kosovo, PDK) bestätigt. Das neue Kabinett hat zwei Vizeministerpräsidenten und 15 Minister, sieben davon kommen der PDK, fünf dem Koalitionspartner LDK
und drei den Minderheiten zu. [APA 09.01.2008: Kosovos neue Führungsspitze von Parlament bestätigt]
1. b.4. Unabhängigkeit des Kosovo
Das kosovarische Parlament erklärte am 17.02.2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten.
Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile über 30 Staaten, allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt.
Das neue Staatswesen ist zwar formal souverän, die internationale Staatengemeinschaft wird jedoch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch präsent sein. Die Außenminister der EU und die NATO haben sich verständigt, die KFOR nicht abzuziehen; rund 17.000 NATOSoldaten bleiben im Kosovo, darunter knapp 2.400 Deutsche. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Entsendung
einer ca. 2.000 Mann starken EU-Mission (EULEX) beschlossen. Sie soll die UN-Verwaltung (UNMIK) nach einer Übergangszeit ablösen. Rund 70 Experten sind für ein International Civilian Office (ICO) unter Leitung eines EU-Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen vorgesehen. Als Leiter von EULEX wurde der französische General und ehemalige KFOR-Kommandeur Yves de Kermabon zum EU-Sondergesandten (EUSR) der Niederländer Pieter Feith bestellt. Noch ist offen, wann und wie die Befugnisse auf die EU übergehen sollen. Es fehlen klare Regelungen für den Wechsel der Zuständigkeiten.
UNMIK kann sich formal aber erst dann aus dem Kosovo zurückziehen, wenn die noch geltende UN-Resolution 1244 durch den Sicherheitsrat außer Kraft gesetzt wird.
Unter UNMIK-Verwaltung haben sich im Kosovo demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte (provisorische) Regierung. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem bedarf an vielen Stellen noch der Verbesserung.
Eine kosovarische Polizei wurde aufgebaut, die sich bislang als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat. Der Transitionsprozess, d. h. die schrittweise Übertragung der Kompetenzen von UNMIK auf kosovarische Institutionen hat bereits begonnen. Nach dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die Republik Kosovo ein demokratisches, multiethnisch zusammengesetztes Staatswesen, das den Minderheiten starke Rechte zusichert. Der Entwurf enthält alle notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen oder Diskriminierung von Minderheiten. Nationale Identitäten, Kulturen, Religionen und Sprachen werden darin respektiert.
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]
Die Verfassung wurde am 15. Juni 2008 vom Parlament verabschiedet [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008], welche am selben Tag in Kraft trat. [Constitution of the Republic of Kosovo]
Die serbische Staatsführung bezeichnete die Verfassung der abtrünnigen Provinz als rechtlich nicht existent". Präsident Boris Tadic kündigte an, die Proklamation der Kosovo-Verfassung werde von Belgrad nicht als rechtsgültig anerkannt.
Der Kosovo bleibt unter internationalem Protektorat.
Laut den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem Internationalen Beauftragten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO-geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen.[ APA 10.06.2008: Der Kosovo will Heimat aller seiner Bürger sein]
Ob die Letztverantwortlichkeit im Kosovo bei der EU oder der UNO liegen wird, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008]
1. b.4.1.Staatsangehörigkeit:
Das Staatsangehörigkeitsgesetz der Republik Kosovo trat am 15.06.2008 in Kraft [Regulation no. 2000/13, 17 March 2000 On the Central Civil Registry, Law on Citizenship of Kosova
http://www.assembly-kosova.org/?krye=laws&lang=en&ligjid=243]
Die relevanten Bestimmungen lauten:
CHAPTER II ACQUISITION OF CITIZENSHIP
Article 5 Modalities of the acquisition of citizenship
The citizenship of Republic of Kosova shall be acquired:
a) by birth;
b) by adoption;
c) by naturalization;
d) based on international treaties
e) based on Articles 28 and 29 of this Law.
Übergangsbestimmungen:
CHAPTER V TRANSITIONAL PROVISIONS
Article 28 The Status of habitual residents of Republic of Kosova
28.1 Every person who is registered as a habitual resident of Republic of Kosova pursuant to UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry shall be considered a citizen of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens.
Article 29 Citizenship according to the Comprehensive Proposal for the Republic of Kosova Status Settlement
29.1 All persons who on 1 January 1998 were citizens of the Federal Republic of Yugoslavia and on that day were habitually residing in Republic of Kosova shall be citizens of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens irrespective of their current residence or citizenship.
29.2 Provisions of paragraph 1 of this Article apply also to direct descendants of the persons referred to in paragraph 1.
29.3 The registration of the persons referred to in paragraphs 1 and 2 of this Article in the register of citizens shall take effect upon the application of the person who fulfills the requirements set out in this Article.
29.4 The competent body shall determine in sub-normative acts the criteria which shall constitute evidence of the citizenship of the Federal Republic of Yugoslavia and habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998.
29.5 The competent body shall use the criteria set for the in UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry to determine habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998
Exkurs:
REGULATION NO. 2000/13
UNMIK/REG/2000/13
17 March 2000
ON THE CENTRAL CIVIL REGISTRY
Section 3
HABITUAL RESIDENTS OF KOSOVO
The Civil Registrar shall register the following persons as habitual residents of Kosovo:
(a) Persons born in Kosovo or who have at least one parent born in Kosovo;
(b) Persons who can prove that they have resided in Kosovo for at least a continuous period of five years;
(c) Such other persons who, in the opinion of the Civil Registrar, were forced to leave Kosovo and for that reason were unable to meet the residency requirement in paragraph (b) of this section; or
(d) Otherwise ineligible dependent children of persons registered pursuant to
subparagraphs (a), (b) and/or (c) of this section, such children being under the age of
18 years, or under the age of 23 years but proved to be in full-time attendance at a recognized educational institution.
2. Sicherheitslage im Kosovo:
2. a. Lageentwicklung:
Insgesamt hat sich die Sicherheitslage seit Juni 1999 verbessert, mit den Unruhen Mitte März 2004 wieder punktuell eingetrübt (ohne auf das Niveau von 1999 zurückzufallen). Nach den Ausschreitungen im März 2004 gab es keine weiten Unruhen mehr.
Die Zahl der registrierten Delikte verringerte sich 2006 im Vergleich zum Jahr 2005 um ca. 5 % auf 64.165. Für 2006 lässt sich ein Rückgang der Delikte gegen Leib und Leben feststellen, während Eigentumsdelikte durchschnittlich um etwa 5 % zugenommen haben.
Nachfolgend detaillierte Zahlen zu ausgewählten Delikten:
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 9]
2.1. Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden:
Kosovo Police Service KPS /ShPK:
Die OSCE leitet in Vushtrri eine zentrale Aus -und Fortbildungsstätte für KPS.
Seit 1999 werden die verschiedenen Lehrgänge durch internationale Polizeitrainer aus verschiedenen Staaten ausgebildet. Inzwischen wird das Institut durch einen lokalen Direktor geleitet.
Neben der Ausbildung besteht ein Hauptaugenmerk auf Fortbildung. Immer wieder werden bei Kursen auch externe Experten eingeflogen, welche dann in ihrem Spezialgebiet die Kenntnisse weitergeben.
Nach der Ausbildung erfolgt die Aufteilung in die verschiedenen Regionen des Kosovo.
Von diesen wurden bis auf die Region MITROVICA alle bereits von UNMIK Police an KPS übergeben. UNMIK Police übt eine beobachtende Rolle aus, unterstützt und evaluiert die Arbeit von KPS.
Gesamtstand: 7.160 Beamte (30.11.2007)
davon serbische Ethnie: 716 Beamte = 10,0 Prozent
sonstige Minderheiten: 403 Beamte = 5,6 Prozent [Kosovo - Bericht
20.03.2008 von Obstlt. A. P., Verbindungsbeamter des BMI, Seite 33]
KPS geht Anzeigen professionell nach. Beschwerden und Anzeigen gegen Angehörige von KPS werden sehr genau auch im Zuge von Disziplinarverfahren untersucht, Konsequenzen wie Suspendierungen, etc werden nach den bisherigen Erfahrungswerten fast rascher ausgesprochen als in Österreich. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. A. P., 22.10.2006, Zahl 154/07 an das BAE]
Sollte eine Person aus dezidierten Gründen kein Vertrauen in KPS haben, kann die Anzeige auch bei internationalen Polizeibeamten von UNMIK eingebracht werden, welche dann über die weitere Vorgangsweise entscheiden.
Wenden sich Personen an KFOR, versuchen diese, die Anzeige an eine dafür zuständige Stelle (KPS oder UNMIK) weiterzuleiten. KFOR hat keine Exekutivgewalt im Kosovo.
Als weitere Möglichkeit bietet sich eine direkte Anzeige bei der Justiz (Staatsanwalt) an, wo dann über die weitere Vorgangsweise entschieden wird.
Die Beamten von KPS tragen deutlich sichtbar ihre jeweilige Dienstnummer, wodurch eine Zuordnung ohne Probleme möglich ist. Die Tätigkeit ist in den Dienstberichten dokumentiert und transparent nachvollziehbar.
Das Einbringen von Beschwerden ist jederzeit möglich, aufgrund der Sensibilisierung werden Beschwerden auch rasch behandelt und führen - wenn berechtigt - zu den entsprechenden Konsequenzen für den betroffenen Funktionsträger.
Missstände in der Verwaltung können auch beim Ombudsmann angezeigt werden.
Dieser strich bei einem persönlichen Gespräch hervor, dass Beschwerden gegen KPS von dieser Institution unverzüglich und effizient bearbeitet werden, was bei anderen Institutionen absolut nicht der Fall wäre. [Kosovo - Bericht 31.03.2007 von Obstlt. A. P., Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 9-10]
UNMIK Police:
Seit August 1999 ist UNMIK Police im Kosovo präsent. Konkrete operative Aufgaben bestehen derzeit in der Region Mitrovica (noch nicht an KPS übergeben), in der Abteilung für Organisierte Kriminalität, im Interpol - Büro, bei Kriegsverbrechen und im Ordnungsdienst (Demonstrationen, etc).
Sonderfälle sind die Einheiten für Zeugenschutz, Transport von Häftlingen und Personenschutz.
Sonst hat UNMIK POLICE eine beobachtende Funktion von KPS eingenommen. UNMIK Police soll mit Ablauf der Übergangsfrist von 120 Tagen (über den Beginn
dieses Zeitraums gibt es noch keine Einigung bzw. keine definitive Aussage) durch EULEX ersetzt werden.
Gesamtstand: ca. 2.000 Beamte aus 42 Ländern (inkl. 7 aus Afrika)
Österreich: 22 Beamte
Kosovo Protection Corps KPC / TMK:
KPC / TMK wurde nach der Demilitarisierung der Kosovo Liberation Army KLA / UCK 1999 gegründet und wird in Ausrüstung, Training und Dienstversehung durch Kosovo Force KFOR unterstützt. Nach Ablauf der Übergangsphase von 120 Tagen nach Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung soll KPC / TMK in eine Kosovo Security Force KSF / FSK übergeleitet werden. Die Schaffung der neuen
Einheit ist im Ahtisaari - Paket vorgesehen.
Derzeitiger Stand KPC / TMK:
Aktive: 2.906
Reservisten: 2.000
Minderheitenanteil: 6,6 Prozent, inklusive 1,4 Prozent Serben
KFOR:
KFOR hat eine Präsenz von ca. 16.000 Soldaten und gliedert sich in fünf Regionen, welche jeweils unter verschiedener Führung stehen, das Hauptquartier ist in Pristina. Das Vertrauen der Bevölkerung in KFOR ist im Vergleich mit anderen internationalen Institutionen am höchsten. KFOR führt auch im CIMIC Sektor immer wieder zahlreiche Projekte durch, mit welchen die Infrastruktur im Kosovo verbessert werden soll.
In Planung:
EULEX:
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgt die Vorbereitung dieser mittels Mandats des Rats der Europäischen Union vom 04.02.2008 errichteten ESVP - Mission durch EUPT (European Union Preparation Team).
Kommandant EULEX: Y. K. (F)
Stellvertreter: R. R. (UK)
Polizei: R. K. (D)
Gesamtstand: 1.900 Internationale
1.100 Nationale
Aufgabenbereich: Überwachung und Beratung der lokalen Polizei, Justiz, Justizwache und des Zolls.
Operative Aufgaben im Polizeibereich sollen analog der jetzt von UNMIK ausgeübten Tätigkeiten sein (Abteilung OK, Kriegsverbrechen, Zeugenschutz, Personenschutz, etc.)
KOSOVO SECURITY FORCE KSF / FSK
Die Übergangsphase von KPC / TMK zu KSF / FSK soll innerhalb von vier Monaten erfolgen, realistisch wurde ein Zeitrahmen von sechs Monaten angenommen.
Mitglieder von KPC / TMK können sich für die neue Einheit bewerben und müssen sich mit anderen Bewerbern einem Auswahlverfahren stellen.
Das Korps soll ebenfalls uniformiert, militärisch gegliedert und leicht bewaffnet sein. Der Aufgabenbereich wird jenem von KPC / TMK entsprechen. Eine Erhöhung der Mannstärke ist nur mit Zustimmung der internationalen Militärpräsenz (dzt. KFOR) möglich.
Oberbefehlshaber soll der Staatspräsident sein, die Eingliederung im neu geschaffenen Ministerium ("Verteidigungsministerium") erfolgen und der Kommandant über Vorschlag des Ministers mit Zustimmung des Premierministers und Entscheidung durch den Staatspräsidenten ernannt bzw. abberufen werden.
Die Ausbildung der Mitglieder soll in einer privaten Universität (Amerikanische Universität Kosovo AUK) erfolgen, es soll keine Militärakademie eingerichtet werden.
Kein Einsatz ist im Rahmen einer Grenzsicherung geplant.
Aktive: 2.500
Reservisten: 800
Minderheitenanteil: analog der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung
Die Sicherheitssituation ist derzeit stabil mit Ausnahme Nordkosovo. Bisher verlief die Phase seit der Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeit durch den Kosovo überraschend ruhig.
Für den Großteil der Bevölkerung im Südkosovo und auch in den anderen serbischen Gemeinden außerhalb des Brennpunktes Mitrovica gestaltet sich das Leben völlig normal und ist in keiner Weise von mangelnder Sicherheit betroffen. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. A. P., Verbindungsbeamter des BMI, Seite 33-36]
2.2. Kosovo - Albaner
UNHCR wies bereits im Januar 2003 darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Kosovo - Albaner, die während der Kosovo - Krise geflohen waren, nach Hause zurückgekehrt ist.
Die Sicherheitslage hat sich im Allgemeinen für Angehörige der albanischen Mehrheitsbevölkerung in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Nicht zuletzt die größere Effizienz der lokalen Polizei "KPS" und eine Verbesserung des lokalen Gerichtswesens haben dazu beigetragen, die Situation (für ethnische Albaner) zu verbessern. Zudem haben aber auch das - für Nachkriegssituationen typische - allgemeine Chaos und die relative Normenungebundenheit, die in der Gesellschaft vorherrschte nachgelassen und ein mehr geregeltes gesellschaftliches Leben ist an deren Stelle getreten. Gegenwärtig gibt die allgemeine Sicherheitslage für ethnische Albaner, d.h. Angehörige des nunmehrigen Mehrheitsvolkes in Kosovo, bis auf genau definierte Ausnahmen zu Besorgnissen keinen Anlass mehr. [S. M., Allgemeines Gutachten zur Situation im Kosovo, 15.02.2007, Seiten 4-5]
Im Positionspapier des UNHCR vom Juni 2006 wird aber darauf hingewiesen, dass es immer noch einige Kategorien von Kosovo - Albanern (so z.B. aus Gebieten in denen sie eine ethnische Minderheit bilden oder Kosovo - Albaner in Mischehen und Personen gemischt-ethnischer Herkunft, Kosovo - Albaner, die der Mitarbeit mit dem serbischen Regime nach 1990 verdächtigt werden sowie Opfer von Menschenhandel) gibt, die mit ernsten Problemen, einschließlich physischer Gefahr, konfrontiert werden könnten, wenn sie derzeit nach Hause zurückkehren würden. [UNHCR Positionspapier vom Juni 2006, Seite 9] .
3. Rückkehrfragen: Wirtschaft, Grundversorgung und Gesundheitssystem im Kosovo
3. a. Wirtschaft:
Trotz der Unabhängigkeit ist die wirtschaftliche Lage in der rohstoffreichen Region weiterhin äußerst prekär. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 1.100 Euro/Kopf ist der Kosovo Schlusslicht in Europa. Die Arbeitslosigkeit beträgt über 40 Prozent. Das Land hat mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren die jüngste Bevölkerung Europas und die höchste Geburtenrate. Ein Drittel der Einwohner ist jünger als 14 Jahre. Jährlich drängen 36.000 junge Leute neu auf den Arbeitsmarkt. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]
3. b. Grundversorgung/Sozialwesen
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Bevölkerung des Kosovo ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 17]
Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die von den "Municipalities" ausgezahlt wird, sich allerdings auf sehr niedrigem Niveau bewegt. Sie beträgt für Einzelpersonen 35 Euro monatlich und für Familien (abhängig von der Zahl der Personen) bis zu 75 Euro monatlich. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 17]
Im Jahr 2007 erhielten insgesamt 3