D3 241.621-0/2008/10E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Clemens Kuzminski als Einzelrichter über die Beschwerde des S. A., geb.1988, StA. Armenien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2003, FZ 01 20.869-BAG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.02.2008 zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. 126/2002 hinsichtlich Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. 126/2002 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von S. A. nach Armenien nicht zulässig ist.
III. Gemäß § 8 i.V.m. § 15 Abs. 3 AsylG 1997 i.d.F. BGBl. 126/2002 wird S. A. eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 14.07.2009 erteilt.
Entscheidungsgründe:
Der Berufungswerber, ein armenischer Staatsangehöriger, gelangte am 09.09.2001 gemeinsam mit seiner Mutter P. S. und seinem älteren Bruder H. nach Österreich und stellte seine Mutter für den damals Minderjährigen am 10.09.2001 einen Asylantrag, wobei sie ursprünglich als Familiennamen S. angab. Durch das Bundesasylamt wurde der Antragsteller nicht einvernommen, zumal seine Mutter angab, dass sie nicht möchte, dass ihre Kinder einvernommen werden.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2003, Zahl: 01 20.869-BAG, welcher zugleich an die Mutter und an die beiden Brüder gerichtet ist, wurde der Spruchteil I. der Asylantrag vom 10.09.2001, gemäß § 7 AsylG abgewiesen und unter Spruchteil II. die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Armenien ausgesprochen. In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang dargestellt, sowie die Einvernahme der Mutter wiedergegeben und anschließend Feststellungen zu Armenien getroffen und auch die Quellen hiefür angeführt.
Beweiswürdigend wurde in der Folge ausgeführt, dass die Angaben der Mutter des Antragstellers zu ihren Fluchtgründen den vorliegenden Informationen über die Verhältnisse in ihrem Heimatland widersprechen und sie nicht in der Lage gewesen sei, ihren Fluchtgrund plausibel und nachvollziehbar darzustellen. Plausibel sei es vielmehr, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen in den Bereich der EU gereist sei.
Zu Spruchteil I wurde nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur ausgeführt, dass das Vorbringen der Berufungswerberin nicht glaubhaft war und deswegen der Asylantrag abzuweisen gewesen sei und ihr überdies eine innerstaatliche Fluchtalternative offengestanden wäre. Zu Spruchteil II wurde ebenfalls die bezughabende Rechtslage und Judikatur dargestellt und festgehalten, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation im Sinne des § 57 Abs. 2 Fremdengesetz bereits unter Spruchteil I geprüft und verneint worden sei und dass es hinsichtlich der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer drohenden Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 Fremdengesetz erforderlich sei, dass der Fremde die für eine ihm drohende Behandlung oder Verfolgung sprechenden Gründe konkret und in sich stimmig schildere und dass diese objektivierbar seien. Stichhaltige Gründe, dass der Antragstellerin bei einer Rückkehr nach Indien (offenbar Armenien) unmenschlicher Behandlung, Strafe oder die Todesstrafe drohen würden, habe sie nicht vorgebracht. Die Behörde sei daher zur Ansicht gelangt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass die Antragstellerin im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in Indien (offenbar Armenien) einer unmenschlichen Behandlung oder Straftat oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Gegen diesen Bescheid erhob die Mutter des Asylwerbers mit Schriftsatz vom 20.08.2003 Berufung verbunden mit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Berufung wurde insbesondere vorgebracht, dass die Ausführungen des Bundesasylamtes, dass ihr Vorbringen über den Grund ihrer Flucht offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche und nicht richtig sei und dass sie glaubhaft angegeben habe, in Armenien verfolgt zu werden und dort keinen Schutz finde, wozu sie ihre nochmalige Einvernahme beantragte. Sie sei, entgegen der Ansicht des Bundesasylamtes, in ihrer Heimat sehr wohl in Gefahr asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt zu sein und sei überdies ihre Abschiebung in ihre Heimat gemäß Art. 3 EMRK und § 57 FRG unzulässig.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.08.2003, Zahl: 01 20.866-BAG wurde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z 1 AVG stattgegeben.
In einer Berufungsergänzung vom 22.01.2008 brachte die Mutter des Berufungswerbers vor, dass ihr Mann an einer Kläranlage in M. beschäftigt gewesen sei, die in einem sehr schlechten Zustand gewesen sei. Ihr Mann habe immer wieder schriftlich auf die vorhandenen Mängel hingewiesen und deren Behebung gefordert, es sei jedoch diesbezüglich nichts unternommen worden. Es habe sich in der Kläranlage ein folgenschwerer Zwischenfall ereignet, wo es aufgrund der schweren Mängel zu einer Verseuchung des Wassers gekommen sei, wobei mehrere Menschen ums Leben gekommen seien. In der Folge habe man ihren Mann für dieses Unglück verantwortlich gemacht und sei dieser ca. einen Monat nach dem Vorfall aus Armenien geflohen und sie mit ihren beiden Söhnen in Armenien zurück geblieben. Von nun an hätten sie in wöchentlichen Abständen Polizisten aufgesucht, die wissen wollten, wo sich ihr Mann aufhalte. Das Auftreten der Polizisten sei von Mal zu Mal immer aggressiver geworden, 1999 hätten die Polizisten ihr schließlich ein Ultimatum gesetzt: Wenn sie nicht innerhalb von 3 Wochen den Aufenthaltsort ihres Mannes bekannt gebe, würden sie ihr Haus niederbrennen. Als sie nach Ablauf dieser Frist Polizisten auf ihr Haus zukommen sah, verschloss sie dieses und rief ihren Cousin zur Hilfe und floh mit Hilfe ihres Cousins. Vor dem Haus hätten die Polizisten die Nachbarn aufgehetzt, in dem sie auf ihre aserischen Vorfahren hingewiesen hätten und zum Niederbrennen des Hauses aufgerufen. Durch das ausgebrochene Feuer sei das Haus stark beschädigt worden. Sie verfüge ohne Unterstützung ihres Mannes, mit dem sie offenbar keinen Kontakt mehr habe, über keine Existenzgrundlage in Armenien und sei überdies in einer belastenden Lebenssituation, die sie ohne Unterstützung ihrer Angehörigen nicht bewältigen könne. Durch ihre jahrelange Abwesenheit habe sie in ihrem Herkunftsstaat aber kein soziales Netz mehr. Aufgrund ihres schlechten psychischen Zustandes sei sie nicht in der Lage, den Lebensunterhalt für sich und die Kinder zu verdienen.
Mit Schreiben vom 17.08.2007 informierte die Polizeiinspektion R. das Bundesasylamt und dieses den Unabhängigen Bundesasylsenat, dass am 08.08.2007 gegen den Berufungswerber Anzeige wegen Verdachts auf Körperverletzung erstattet wurde.
Der Unabhängige Bundesasylsenat beraumte eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung für den 04.02.2008 an, zu der sich das Bundesasylamt entschuldigen ließ und die mit den Verhandlungen der Mutter des Berufungswerbers und seines älteren Bruders verbunden wurden. Alle Berufungswerber bevollmächtigten eine Mitarbeiterin der Caritas mit ihrer Vertretung in der Berufungsverhandlung. Die Mutter des Berufungswerbers legte dessen Geburtsurkunde vor.
Nach Befragung der Mutter des Berufungswerbers führte dieser über Befragung durch den Verhandlungsleiter und seine Vertreterin folgendes aus:
VL: Welcher Volksgruppe und Religion gehören Sie an?
BW3: Ich bin Armenier und gehöre zur armenisch apostolischen Kirche.
VL: Wo sind Sie geboren?
BW3: In H..
VL: Wo haben Sie im Laufe Ihres Lebens gelebt?
BW3: Bis zu ungefähr meinem 10. Lebensjahr haben wir in Armenien gelebt, zuletzt in M., das ist ein kleinerer Ort.
VL: Welche Schulausbildung haben Sie in Armenien erhalten?
BW3: Bis zur 3. Klasse Grundschule habe ich die Schule in Armenien besucht, aber die 3. Klasse nicht abgeschlossen.
VL: Wissen Sie, warum Sie Armenien verlassen haben?
BW3: Meine Mutter redet nicht gern darüber. Wir haben schon Fragen gestellt, aber meine Mutter fühlt sich bei der Beantwortung dieser Frage nicht wohl. Sie redet nicht gern darüber.
VL: Können Sie sich noch daran erinnern, dass vor dem Verlassen Armeniens die Schule in M. geschlossen wurde, weil es einen Unfall in der Kläranlage gegeben hat?
BW3: Ja, diese Nachrichten habe ich schon gehört. Ich konnte dann nicht mehr in die Schule gehen.
VL: Wissen Sie etwas darüber, dass Ihr Vater für den Unfall in der Kläranlage verantwortlich gemacht wurde?
BW3: Ich weiß nicht viel darüber. Ich weiß nur, dass er Probleme hatte und wir wegfahren mussten.
VL: Ist Ihr Vater schon vor Ihnen aus Armenien weggefahren?
BW3: Ja, ein paar Monate vor uns.
VL: Können Sie sich noch erinnern, wie Sie gemeinsam mit Ihrer Mutter und Ihrem Bruder aus dem Haus in M., in dem Sie gewohnt haben, geflohen sind?
BW3. Ja, es war spät am Abend, es war dunkel. Ein Verwandter von uns hat uns nach J. gebracht. Ich bin mir nicht sicher, ob er uns wirklich nach J. gebracht, jedenfalls weg von M..
VL: Haben Sie irgendwie bemerkt, dass Polizisten in das Haus eindringen wollten?
BW3: Ja, meine Mutter hat öfters Besuch von Uniformierten bekommen, sie hat uns dann immer weggeschickt, in unser Zimmer.
VL: Haben Sie noch Kontakt mit Ihrem Vater?
BW3: Nein, letzte Mal, dass er uns angerufen hat, war vor ca. 2 Jahren, als er noch in Holland war.
VL: Wissen Sie, wo er sich jetzt befindet?
BW3: Wir haben noch Bekannte in Holland, das sind auch Armenier, diese haben uns gesagt, dass unser Vater jetzt in Armenien ist.
VL: Welche Ausbildung haben Sie in Österreich gemacht?
BW3: Ich habe die Hauptschule abgeschlossen. Dann habe die polytechnische Schule besucht und auch abgeschlossen. Jetzt gehe ich in die HASCH in W.. Mir gefällt es dort sehr gut.
VL: Was wollen Sie später mal machen, wenn Sie in Österreich bleiben können?
BW3: Ich bin in Rechnungswesen ganz gut, ich möchte einmal etwas mit Buchhaltung oder Rechnungswesen machen.
VL: Haben Sie besondere Bindungen an Österreich?
BW3: Ich habe viele österreichische Freunde und Bekannte. Ich kann nicht mehr so gut Armenisch, besser spreche ich schon Deutsch.
VL: Haben Sie aktuelle gesundheitliche Probleme?
BW3: Nein.
VL: Was würde mit Ihnen geschehen, wenn Sie nach Armenien zurückkehren würden?
BW3: Ich müsste dort zum Militär. Das dauert 2 Jahre und ist nicht verschiebbar.
VL: Gibt es noch etwas, was Ihnen für die Begründung Ihres Asylantrages noch wichtig erscheint und Sie noch nicht erwähnt haben?
BW3 denkt nach: Ich glaube nicht.
Über Befragen durch die BWV:
BWV: Haben Sie, außer Ihrer Mutter und Ihren Brüdern, noch Verwandte in Österreich?
BW3: Ein Onkel und eine Tante. Meine Tante ist mit der ganzen Familie da. Mein älterer Cousin ist verheiratet mit einer Österreicherin und hat schon ein Kind. Meine als Vertrauensperson anwesende Cousine arbeitet bei der Caritas. Meine jüngere Cousine besucht das BORG, mein jüngerer Cousin besucht ein Sportgymnasium.
Der Berufungswerber legte eine Schulbesuchsbestätigung der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule U., vor.
Am Schluss der Verhandlung hielt der Verhandlungsleiter gemäß § 45 Abs. 3 AVG den Parteien des Verfahrens folgende Dokumente vor und räumte eine Frist von drei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme ein.
Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Armenien des Deutschen AA vom 20.3.2007
ACCORD Anfragebeantwortung zur Situation von allein stehenden Frauen in Armenien vom 1.2.2007
ACCORD Anfragebeantwortung betreffend Armenien vom 9.6.2006
Reisebericht Armenien, verfasst von Mitglied des UBAS, Dr. Samsinger
Gutächtliche Ausführungen des med.-SV Dr. N. A.
Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machte nur die Berufungswerbervertreterin Gebrauch. Die Stellungnahme bezog sich jedoch ausschließlich auf die Mutter des Berufungswerbers.
Mit Schreiben vom 09.06.2008 räumte der Unabhängige Bundesasylsenat ergänzend das Parteiengehör zu dem Dokument "Wehrpflicht in der Republik Armenien" des Transkaukasus Institutes vom 25.10.2007 unter Setzung einer Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen ein. Auch hier machte wiederum nur die Berufungswerberseite von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme Gebrauch. Darin wurde insbesondere ausgeführt, dass der Berufungswerber (und sein Bruder) bei einer Rückkehr nach Armenien, weil er seiner Verpflichtung zur Wehrregistrierung nicht nachgekommen sei und den Wehrdienst bisher nicht angetreten habe, mit einer Haftstrafe zu rechnen habe, weil er nicht in der Lage wäre Geldstrafen in der vorgesehenen Höhe leisten. Außerdem seien in der armenischen Armee gewalttätige Übergriffe und unmenschliche und erniedrigende Behandlung von Soldaten an der Tagesordnung und würden die verantwortlichen Offiziere in der Regel nicht zur Verantwortung gezogen, wobei ein diesbezüglicher Bericht des Institutes für Ware und Peace Reporting vorgelegt wurde. Der Berufungswerber sei in Armenien völlig entwurzelt, da er dieses Land bereits im Kindesalter verlassen habe. Es gebe zwar einen alternativen Zivildienst, doch müsste der Antragsteller auch vor Ableistung des Zivildienstes die drohende Haftstrafe wegen Wehrdienstentzuges verbüßen und erhielten Personen die Zivildienst leisteten keine Militarycard, die für Bewerbungen, bei Zugang zu Ausbildungsinstitutionen, zum Erhalt des Führerscheins etc. benötigt werde. Diesbezüglich wurde auf eine Anfragebeantwortung von Accord verweisen. Außerdem habe sich in den letzten Jahren die wirtschaftliche Lage in Armenien drastisch verschlechtert, was eine enorm hohe Arbeitslosigkeit zu Folge habe und hätte der Berufungswerber dort kein soziales Netz und wäre es ihm auch ohne Militarycard völlig unmöglich irgendeine Arbeit zu finden um eine Existenzgrundlage zu sichern. Der Berufungswerber wäre somit im Falle einer Rückkehr nach Armenien unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt und würde sein Refoulement somit gegen Artikel 3 EMRK verstoßen.
Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter wie folgt festgestellt und erwogen:
Zur Person des Berufungswerbers wird folgendes festgestellt:
Er ist armenischer Staatsbürger und gehört auch der armenischen Volksgruppe, sowie der armenisch apostolischen Kirche an. Am 00.00..1988 wurde in H. geboren, dort lebte er mit seinen Eltern bis zu seinem zehnten Lebensjahr, anschließend hielt sich die Familie in M. auf. Er hat insgesamt zwei Klassen Grundschule in Armenien abgeschlossen. Die dritte Klasse konnte er auf Grund der Schließung der Schule nicht beenden. Der Berufungswerber kann nicht angeben, warum er Armenien verlassen hat. Der Asylwerber hielt sich gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder zunächst in Georgien und dann in der Ukraine auf und reiste am 09.09.2001 nach Österreich ein, wobei seine Mutter für ihn am 10.09.2001 einen Asylantrag stellte. Sein Vater war bereits zuvor nach Holland ausgereist, wohin die Mutter des Berufungswerbers mit ihren beiden damals minderjährigen Kindern folgte. Sie wurde jedoch trotz Schwangerschaft mit ihren beiden Söhnen nach Österreich zurückgeschoben und hat der Berufungswerber (und seine Mutter) seit 2006 keinen Kontakt mehr mit seinem Vater. Der Berufungswerber hat in Österreich die Hauptschule und das polytechnische Jahr abgeschlossen und besucht nunmehr die Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule U.. Er leidet nicht unter aktuellen gesundheitlichen Problemen und verfügt in Österreich über keine Beschäftigungsbewilligung oder Arbeitserlaubnis und er hat auch außer Freunden und Bekannten keine besonderen familiären Bindungen zu Österreich, außer seine Mutter und seinen jüngeren Bruder, ebenso Onkel, Tante, Cousins und Cousinen (eine davon die bereits erwähnte Vertrauensperson) in Österreich. Der Berufungswerber hat aber keine Verwandten mehr in Armenien mit denen er irgendwie in Kontakt steht. Der Mutter des Berufungswerbers wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats vom 05.05.2008, Zahl:
241.485/0/10E-VIII/22/03 Refoulementschutz, sowie eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 30.04.2009 (rechtskräftig) erteilt.
Über die bereits im verwaltungsbehördlichen Akt enthaltenen Feststellungen wird zu Armenien folgendes verfahrensbezogen festgestellt:
Die reguläre Wehrdienstpflicht für Männer besteht in Armenien für Personen zwischen 18 und 27 Jahren. Eine medizinische "Vormusterung" erfolgt bereits mit 16 Jahren, die Musterung mit 18 Jahren. Dies ist auch das Alter für die gewöhnliche Einziehung zum allgemeinen Wehrdienst. Die Wehrdienstentziehung wird in Armenien mit einer Geldstrafen oder einer Gefängnishaftstrafe bis zu zwei Jahren bestraft. Es gibt in Armenien seit dem Jahre 2004 die Möglichkeit zu einem Alternativdienst ohne Waffe, welcher 42 Monate beträgt. Dieser Alternativdienst muss beim örtlichen Militärkommissariat beantragt werden. Gegen einen ablehnenden Bescheid besteht die Möglichkeit eines Rechtsmittels an das Verteidigungsministerium. Gegen entsprechen hohe Bestechungsgelder ist es möglich sich (ungestraft) dem Wehrdienst zu entziehen oder diesen in einer ungefährlichen bis angenehmen Umgebung auszugestalten. Bei Personen, die das nicht können, besteht die Möglichkeit, dass dieser Zusammenhang mit dem nach wie vor schwelenden Berg-Karabach Konflikt auf aserbaidschanischem Territorium oder Territorium der völkerrechtlich nicht anerkannten Republik Berg-Karabach eingesetzt wird. Personen, die den Alternativdienst leisten, erhalten keine so genannte Militarycard, die jedoch häufig Voraussetzung bei Bewerbungen, Zugang zu Ausbildungsinstitutionen, zum Erhalt des Führerscheins und der gleichen erforderlich ist. In der armenischen Armee kommt es häufig zu gewalttätigen Übergriffen und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung von Soldaten insbesondere Rekruten, wobei die Verantwortlichen häufig nicht zur Verantwortung gezogen werden. Der Berufungswerber ist in Armenien wehrdienstpflichtig.
Beweis wurde erhoben durch Einvernahme des Berufungswerbers in der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 04.02.2008, weiters durch Vorhalt der oben näher bezeichneten länderkundlichen Dokumente, durch Vorlage einer Geburtsurkunde und einer Schulbesuchsbestätigung durch den Berufungswerber.
Die Beweise werden wie folgt gewürdigt:
Die ergänzenden fallbezogenen Feststellungen zu Armenien ergeben sich aus dem dem Parteiengehör unterzogenen Dokument des deutschen Transkaukasus Institutes zur Wehrpflicht in der Republik Armenien vom 25.10.2007 unter Berücksichtigung der vom Berufungswerberseite im Rahmen der Stellungnahme im Zuge des Parteiengehörs ergänzend vorgelegten Berichte des Institutes für Ware and Peace Reporting und einer Accord Anfragebeantwortung vom 29.11.2007.
Der Berufungswerber wurde erstmals in der Berufungsverhandlung vom 04.02.2008 durch einen Vertreter der Asylbehörden befragt (nachdem die Mutter des Berufungswerbers sich vor dem Bundesasylamt gegen eine persönliche Befragung ihres damals noch minderjährigen Sohnes aussprach), wobei jedoch der Berufungswerber nicht angeben konnte, warum er Armenien verlassen hat. Diese Aussage erscheint dem zur Entscheidung berufenen Richter durchaus ehrlich und besteht kein Grund an dieser zu zweifeln, ebenso wenig an den Angaben des Berufungswerbers zu seinen persönlichen Verhältnissen, wobei er seinen Schulbesuch auch durch eine entsprechende Bestätigung nachwies.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetztes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
Gemäß § 75 Abs 7 Z 1 AsylG 2005 sind Verfahren, welche am 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und einem Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenats zugeteilt waren, welches als Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, von diesem als Einzelrichter weiterzuführen, soweit eine mündliche Verhandlung bereits stattgefunden hat.
Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.
Da gegenständlicher Asylantrag am 09.09.2001 gestellt wurde, war er nach der Rechtslage des AsylG 1997 idF 126/2002 unter Beachtung der Übergangsbestimmungen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit ergibt, zu beurteilen.
Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling i.S.d. AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung".
Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht, (zB VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262).
Wie bereits ausgeführt, konnte der Berufungswerber selbst gar nicht angeben, warum er Armenien verlassen hat. Jedenfalls ist seinem Vorbringen (und auch dem Vorbringen seiner Mutter, ebenso wie vom Bundesasylamt als nicht glaubwürdig beurteilt) keine persönliche Verfolgung oder Verfolgungsgefahr im obigen Sinne zu entnehmen und es konnte somit kein asylbegründeter Sachverhalt festgestellt werden, sodass die Berufung zu Spruchteil I. abzuweisen war.
Gemäß § 8 AsylG 1997 hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG), wenn ein Asylantrag abzuweisen ist. Diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.
Gemäß § 125 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz sind Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach dessen Bestimmungen weiterzuführen. Da der Berufungswerber am 25.02.2002 beim Bundesasylamt einen Asylantrag stellte, war zufolge soeben zitierter Bestimmung der Ausspruch der Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Armenien auf der Basis des § 50 Fremdenpolizeigesetz auszusprechen.
Gemäß § 50 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
Der Unabhängige Bundesasylsenat hat mehrfach ausgesprochen, dass das Fehlen der Voraussetzungen für eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung und das Fehlen der Sicherstellung des überlebensnotwendigen Existenzminimums für ein Refoulementverbot spricht (siehe UBAS vom 15.12.1999, 208.320/0-IX/25/99; UBAS vom 17.07.2000, 212.800/0-VIII/22/99; UBAS vom 12.06.2002, 216.594/0-VIII/22/02, UBAS vom 22.10.2004, 227.507/0-VIII/22/02, u. a.).
Wenn es sich bei dem Berufungswerber wohl grundsätzlich um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Erwachsenen handelt, so ist doch festzuhalten, dass dieser bereits im Jahre 1999, somit im Alter von 11 Jahren, Armenien verlassen hat und nunmehr fast sieben Jahre in Österreich aufhältig ist und in Armenien als völlig entwurzelt bezeichnet werden kann. Er verfügt auch in Armenien über kein "familiäres Netz" mehr. Vielmehr ist der Aufenthaltsort seines Vaters unbekannt und hat zu diesem seit dem Jahre 2006 keinen Kontakt mehr und besteht hinsichtlich der Mutter ein rechtskräftiges Refoulementverbot (nach Armenien). Wenn auch der Berufungswerber zwischenzeitig volljährig ist, so handelt es sich bei ihm um einen jungen Erwachsenen, der nach wie vor mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder im Familienverband lebt. Aufgrund der getroffenen Feststellungen bestünde für den Berufungswerber aufgrund seiner konkreten individuellen Situation und wegen des Fehlens der so genannten Militarycard kaum die Möglichkeit, sich in Armenien das erforderliche Existenzminimum zu erwirtschaften. Darüber hinaus würde dem Berufungswerber bei einer Rückkehr nach Armenien ein Strafverfahren wegen Wehrdienstentziehung drohen und müsste er überdies in Armenien seinen Wehrdienst leisten. Mangels der hiefür erforderlichen finanziellen Mittel könnte er weder eine Geldstrafe leisten noch sich dem Militärdienst durch Bestechungsgelder entziehen oder innerhalb des Militärdienstes sich eine "angenehme Stellung" verschaffen, sodass bei ihm aufgrund seiner individuellen Umstände und der Zustände in der Armenischen Armee die Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK bestünde.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass bei einer Rückkehr den Berufungswerber doch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des Art. 3 EMRK drohen würde.
Der Berufung zu Spruchteil II. war daher unter Abwägung der persönlichen Gründe des Berufungswerbers Folge zu geben.
Gemäß § 15 Abs. 1 AsylG ist Fremden, deren Asylantrag aus anderen Gründen als den Asylausschlussgründen (§ 13 AsylG) rechtskräftig abgewiesen wurde und die sich ohne rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet befinden, mit Bescheid eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn gemäß § 8 AsylG festgestellt wurde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung unzulässig ist. Gemäß § 15 Abs. 3 AsylG ist die befristete Aufenthaltsberechtigung für höchstens ein Jahr zu bewilligen.
In Anbetracht des Umstandes, dass eine rasche Änderung dieser maßgeblichen, allgemeinen und persönlichen Verhältnisse kurzfristig nicht zu erwarten ist, war ein Refoulement-Verbot auszusprechen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung nahe der gesetzlichen Maximalfrist von einem Jahr (§ 15 Absatz 2 Asylgesetz idgF) zu erteilen (in diesem Sinne auch VwGH vom 17.10.2006, 2005/20/0459).
Für eine allfällige Verlängerung ist gemäß § 15 Absatz 1 Asylgesetz 1997 das Bundesasylamt zuständig.