TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/24 E2 310892-1/2008

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Veröffentlicht am 24.07.2008
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Spruch

E2 310.892-1/2008-6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richterin Mag. Huber-Huber als Einzelrichter über die Beschwerde der C.E., geb. 00.00.1962, StA. Rumänien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.03.2007, FZ. 05 21.258-BAW, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.03.2008 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 AsylG 1997 BGBl. I Nr. 1001/2003 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

 

1. Die Beschwerdeführer (im Folgenden: "BF 1" [C.L., ho. GZ E2 310891] und "BF 2" [C.E., ho. GZ E2 310892]), beide rumänische Staatsangehörige, stellten am 06.12.2005 einen Asylantrag. Die BF 2 reiste nach ihren Angaben am 08.11.2005, ihr Ehemann (BF 1) bereits am 02.03.2005, legal in das Bundesgebiet von Österreich ein.

 

2. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 05.03.2007, Zahlen: 05 08.125-BAW (BF 1) und 05 21.258-BAW (BF 2), den Asylantrag der BF gem. § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und stellte gem. § 8 Abs. 1 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der BF nach Rumänien zulässig ist (Spruchpunkt II.).

 

3. Gegen die Bescheide, beide zugestellt am 05.03.2007 durch persönliche Übergabe im Amt, richten sich die von den BF fristgerecht eingebrachten Beschwerden vom 19.03.2007. Die Beschwerdeverfahren werden beim Asylgerichtshof als Familienverfahren (§ 10 AsylG) unter einem geführt.

 

4. Der Asylgerichtshof führte in der Sache der BF am 26.03.2008 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher die BF und eine Dolmetscherin für die rumänische Sprache teilnahmen. Ein Vertreter des Bundesasylamtes ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben.

 

II. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens:

 

1. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens wurde Beweis erhoben durch:

 

Einsichtnahme in den dem Asylgerichtshof vorliegenden Verwaltungsakt;

 

Einvernahme der BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung und

 

Einsicht in folgende Länderdokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat und die Herkunftsregion der BF:

 

UK Home Office Country Report April 2004

 

International Helsinki Federation for Human Rights Report 2006

 

UK Home Office Operational Guidance Note- Romania, 10.05.2006

 

Der Asylgerichtshof geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem Sachverhalt aus:

 

2. Zur Person des BW:

 

2.1. Die Identität der BF ist durch die im Asylverfahren vorgelegten Reisepässe belegt und kann als erwiesen angenommen werden. Der BF 1 ist am 02.03.2005 und die BF 2 am 08.11.2005 - beide als rumänische Staatsbürger und legal - nach Österreich eingereist. Während der BF 1 an keinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, bestehen bei der BF 2 massive gesundheitliche Probleme, die vor allem auf eine erst am 20.02.2008 durchgeführte Herzoperation (Mitralklappenrekonstruktion mit Sehnenfadentransposition bei gleichzeitiger Papillarmuskelspaltung und Implantation eines Carpentier Ewards Physioring 28 mm) zurück zuführen ist. Sie war dazu vom 13.02.2008 bis 03.03.2008 im Krankenhaus H. stationär aufhältig. Nach dem von der BF 2 in mündlicher Berufungsverhandlung vorgelegten Patientenbrief vom 03.03.2008 wurden bei ihr folgende Diagnosen gestellt: Mitralinsuffizienz Grad III - IV, mittelgradig herabgesetzte Linksventrikelfunktion bei ischämischer Kardiomyopathie, Zustand nach Hinterwandinfarkt März 2002, Zustand nach PTCA (Perkutane transluminale coronare Angioplastie = Aufdehnung eines verengten Herzkranzgefäßes) und Stentimplantation, Zustand nach N. bronchii, Zustand nach Lobektomie (Entfernung eines Lungenlappens). Die BF 2 wurde am 03.03.2008 in häusliche Pflege entlassen, mit der Empfehlung, mindestens dreimal jährlich Kontrollen bei einem niedergelassenen Facharzt für innere Medizin/Kardiologie sowie regelmäßige Kontrollen der Risikofaktoren durchzuführen und die Medikamente der Marke Nexium, Concor, Lasix und KCL zu nehmen. Weiters wurden ihr körperliche Schonung und das Heben schwerer Lasten zu vermeiden empfohlen.

 

2.2. Die BF machen für ihre Asylantragstellung geltend:

 

Der BF 1 habe seit dem Jahr 1996 in Bukarest das Haus seiner Eltern bewohnt. Im Jahr 1998 seien Ansprüche einer angeblich Erbberechtigten auf dieses Haus geltend gemacht worden und der darauf folgende Rechtsstreit habe zur Delogierung der BF im Jahr 2000 geführt. Dieser Delogierung, welche mit Polizeiunterstützung durchgeführt worden sei, habe sich der BF 1 widersetzt und dabei einen Polizeibeamten verletzt. In dem darauf folgenden Gerichtsverfahren sei er zu einer mehr als zweijährigen Haftstrafe verurteilt worden, welche er auch in der Folge verbüßt habe. Während seiner Haftzeit habe seine Ehefrau bei Freunden, Bekannten und auch auf der Straße genächtigt, bis sie schließlich in einem Abbruchhaus eine Unterkunft gefunden hatte. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis sei der BF 1 dann alle zwei bis drei Tage von der Polizei aufgesucht worden. Diese habe ihm unterstellt, dass er über Straftaten, welche in der Umgebung geschehen waren, Bescheid wissen müsste und somit Informationen von ihm darüber verlangt. Die BF bemerkten weiters, dass sie illegal in dem genannten Abbruchhaus gewohnt hätten und sie nicht im Besitze der Mittel gewesen wären, sich legal eine Wohnung zu beschaffen, obwohl der BF 1 als Automechaniker "privat" Autos repariert habe. Im Jahr 2000 habe die BF 2 einen Herzinfarkt erlitten. Für den BF 1 sei lediglich die Ausreise aus Rumänien in Frage gekommen. Er habe nicht in Erwägung gezogen, sich in einem anderen Landesteil Rumäniens niederzulassen, um den Schwierigkeiten mit der örtlichen Polizei zu entgehen. Auch die Einbringung einer Beschwerde bei einer höheren Polizeistelle habe er unterlassen, weil er sich davon keinen Erfolg versprochen hätte. Die BF 2 bezog sich hinsichtlich ihrer Antragsbegründung hauptsächlich auf das Vorbringen ihres Ehemannes und machte die gleichen Gründe geltend. Schließlich sei auch sie ihrem Ehemann nachgefolgt, weil sie nicht mehr in das zuletzt bewohnte Abbruchhaus hineingekommen wäre, zumal das Schloss ausgetauscht worden sei.

Überdies führte sie an: "Was hätte ich alleine in Rumänien machen sollen. Mein Mann war zu diesem Zeitpunkt schon weg" (Sh. Verhandlungsschrift S 8)

 

2.3. Zur allgemeinen Lage in Rumänien werden die o. a. Länderberichte herangezogen und der Entscheidung als Feststellungen zu Grunde gelegt, wobei sich Folgendes ergibt:

 

Rumänien ist seit 01.01.2007 ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union und gilt bereits gem. § 39 Abs. 4 Z 9 AsylG 2005 BGBl I, Nr. 100/2005 als sicherer Herkunftsstaat. Aus den in der mündlichen Verhandlung erörterten Länderinformationen ergibt sich zwar, dass die Implementierung unter Umsetzung von Rechtsvorschriften, die der Bekämpfung von Korruption und Reformierung sowie Heranführung des Polizei- und Justizapparates an europäisches Niveau dienen sollen, Schwierigkeiten bereitet. Insbesondere sind in der Behandlung der Minderheit der Roma durch die Behörden noch gravierende Probleme festzustellen (Quelle: Helsinikiförderation, Menschenrechte in OSCE Region, Europa Zentralasien und Nordamerika, Auszug aus dem Bericht 2006). Dennoch ist festzustellen, dass der rumänische Staat durch entsprechende Reformen die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Erreichung europäischer Standards im Bereich der Justiz und der Sicherheitsbehörden bzw. auch der sonstigen Verwaltung anstrebt. Die rumänischen Behörden anerkennen die Roma als nationale Minderheit und die Diskriminierung von Roma ist verboten. Obwohl Roma nicht immer den vollen Schutz des Gesetzes erhalten und einzelne Polizeibeamte gegen sie diskriminierend vorgehen, kann der Republik Rumänien nicht unterstellt werden, dass sie diese Volksgruppe systematisch diskriminiert. Vielmehr muss aufgrund des insbesondere im Zusammenhang mit dem EU-Beitrittsprozess und der laufenden Entwicklung des Rechtsstandards mit dem Ziel der Angleichung auf EU-Niveau angenommen werden, dass die Republik Rumänien willens und fähig ist, den Roma genügend Schutz angedeihen zu lassen. Darüber hinaus ist die Bewegungsfreiheit innerhalb Rumäniens gegeben und wird diese auch von der Regierung respektiert. Deshalb ist es rumänischen Bürgern möglich, durch eine Aufenthaltsnahme in einen anderen Teil Rumäniens drohenden Misshandlungen zu entgehen und in der Regel kann dies von ihnen auch erwartet werden. Auch wenn die Minderheit der Roma fortgesetzt mit sozialer Diskriminierung und Schikanen sowie sozialer Ungleichheit konfrontiert ist, muss festgestellt werden, dass die rumänischen Behörden Schritte dagegen unternehmen und den Minderheiten Schutz bieten. Effektive Möglichkeiten, wie z.B. der rumänische Ombudsmann, existieren innerhalb der rumänischen Behörden auf lokaler Ebene für jene, die grobe Misshandlungen durch aggressive Beamte erleben mussten oder Angst davor haben. Darüber hinaus ist die Aufenthaltsnahme in einem anderen Teil des Landes möglich, um einer solchen Behandlung zu entgehen. Dem zu Folge sind Behauptungen von Verfolgung dieser Kategorie nicht qualifiziert, internationalen Schutz oder subsidiären Schutz auszulösen. (Quelle: UK Home Office, Operational Guidance Note - Romania, Punkt 3.6.)

 

Zur Gesundheitsversorgung:

 

Die medizinische Versorgung ist kostenlos. Alle Rumänen haben Zugang zu freier medizinischer Notversorgung. Für weitere medizinische Behandlung wird zwar die Einzahlung eines Prozentsatzes des monatlichen Einkommens vorausgesetzt, erwerbsunfähige Personen erhalten dennoch kostenlose Gesundheitsversorgung. Der Standard der Gesundheitsversorgung hat sich in den letzten zehn Jahren verbessert, obwohl nach wie vor Probleme bestehen. Größere Spitäler in Bukarest und in anderen Städten sind zwar mit alten aber funktionierenden Geräten ausgerüstet und sie arbeiten mit relativ gut ausgebildetem Personal. Spezialisten sind in den größeren Städten verfügbar. Ebenso sind in den größeren Städten die meisten Medikamente erhältlich. (Quelle: UK Home Office Country Report April 2004, Punkt 5.67 ff)

 

Die medizinische Versorgung in Rumänien ist im Wesentlichen sichergestellt, wenn auch nicht auf einem Niveau, das westlichen Standards entspricht. In Bukarest gibt es öffentliche und private Kliniken, welche auf einem Großteil der medizinischen Fachgebiete spezialisiert sind wie z.B. auch auf dem Gebiet der Kardiologie bzw. Lungenheilkunde. Es kann daher nur in Ausnahmefällen möglich sein, dass die Schwelle des Artikel 3 EMRK erreicht wird und daher subsidiärer Schutz zu gewähren ist (Quelle: UK Home Office, Operational Guidance Note - Romania, 10.05.2006)

 

"The general situation of Roma with respect to the Romanian health care system was very worrying. There was strong empirical evidence to suggest that many Roma had contact with the health care system only in the context of emergency care and childbirth. Discrimination against Roma in the health care system was reportedly widespread. Discriminatory acts included refusals by general practitioners to include Roma on the rosters of family doctors, meaning effective exclusion from the health care system as a whole. According to the RPP 2005 survey, 23% of Romani women believed they had suffered discrimination on gender grounds in access to health care, while 70.7% considered that Roma suffered discrimination based on race/ethnicity at the hands of health care professionals. Acts of discrimination, in the respondents' opinion, included substandard treatment resulting from a lack of interest in Romani patients on the part of healthcare providers, the prescription of the least expensive - and often ineffective - available medication and the denial of free medication. Romani CRISS noted the growing segregation of Romani patients, and particularly Romani women, in some hospitals. This was especially true in maternity wards."

(Quelle: Extract from the IHF report Human Rights in the OSCE Region: Europe, Central Asia and North America, Report 2006 [Events of 2005], Romania)

 

3. Beweiswürdigung

 

3.1. Die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich aus den vorgelegten Reisedokumenten und den übereinstimmenden und schlüssigen Angaben der BF in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

 

3.2. Das Vorbringen der BF zur Begründung des Asylantrages ist glaubhaft und wird nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht in Zweifel gezogen. Es haben sich keine Anhaltespunkte ergeben, die BF als unglaubwürdig zu beurteilen.

 

3.3. Die Feststellungen zur Situation in Rumänien, zur dortigen Sicherheitslage und Rückkehrsituation stützen sich auf die aus der internationalen Berichterstattung allgemein bekannten Tatsachen sowie auf die zitierten aktuellen Quellen. Die Parteien des Verfahrens sind den in der Berufungsverhandlung erörterten Feststellungen nicht entgegengetreten. Die Länderinformationen stammen aus international anerkannten und als seriös einzustufenden Quellen, sie sind ausgewogen und geben ein umfassendes Bild über die gegebene Situation im Herkunftsland der BF. Es besteht für den Asylgerichtshof kein Grund, die Richtigkeit der Länderfeststellungen in Zweifel zu ziehen. Der Asylgerichtshof verkennt nicht, dass der zitierte Bericht der Internationalen Helsinki Föderation für Menschenrechte auf gravierende Probleme u. a. bei der Gesundheitsversorgung, soweit diese Angehörige der Volksgruppe der Roma betrifft, hinweist. Für den vorliegenden Fall wird dieser Bericht nach Ansicht des Asylgerichtshofs dennoch nicht schlagend. Während Home Office als Regierungsorganisation zur Objektivität bei der Darstellung von Lagebildern in Herkunftsländern von Asylwerbern verpflichtet ist, handelt es sich bei der International Helsinki Federation um eine Nichtregierungsorganisation, die sich der Beobachtung, Wahrnehmung, Dokumentation und Publizierung von Menschenrechtsverletzungen in Staaten und Regionen verschrieben hat, dabei als private Vereinigung aber keiner Verpflichtung zur Objektivität unterliegt. Der Asylgerichtshof bewertet daher die Informationen von Home Office für den vorliegenden Fall als aussagekräftiger und umfassender als jene der Helsinki Federation. Aus Erstgenannten ergibt sich jedenfalls nicht ein derart drastisches Bild über die Behandlung der Roma, wenngleich auch nach diesen Informationen von einer vollständigen Beachtung der Rechte dieser Minderheit bzw. einer Gleichbehandlung in gesellschaftlicher Hinsicht (noch) nicht gesprochen werden kann.

 

III. Rechtliche Beurteilung:

 

1. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 Asylgesetz 2005 idF Art. 2 BG BGBl. I 4/2008 sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen; Mitglieder des unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter zu führen.

 

Da im vorliegenden Verfahren bereits vor dem 1. Juli 2008 eine mündliche Verhandlung vor dem nunmehr zuständigen Richter stattgefunden hat, ist von einer Einzelrichterzuständigkeit auszugehen.

 

2. Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

3. Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28.07.1951, BGBL. Nr. 55/1955, iVm Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.01.1967, BGBl. Nr. 78/1974, ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und sich nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

4. Gem. § 8 Abs. 1 AsylG hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG), wenn ein Asylantrag abzuweisen ist; diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden. Wenn der Asylantrag abzuweisen ist und die Überprüfung gem. Abs. 1 ergeben hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist, hat die Behörde gem. Abs. 2 leg. cit. diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden.

 

Gem. § 124 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBL I Nr. 100/2005, treten, soweit in anderen Bundesgesetzen auf Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verweisen wird, an deren Stelle die entsprechenden Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. Im § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wird auf die Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 verwiesen. Folglich ist hinsichtlich der Prüfung des Refoulements auf § 50 FPG abzustellen.

 

Gem. § 50 Abs. 1 FPG 2005 ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Gem. Abs. 2 leg. cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

5. Abweisung des Antrages auf Gewährung von Asyl gemäß § 7 Asylgesetz

 

5.1. Das Vorbringen des Asylsuchenden muss geeignet sein, eine asylrelevante Verfolgung im rechtlichen Sinne glaubhaft darzulegen. Hiezu muss zunächst eine konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlung aus einem der fünf in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Motiven glaubhaft gemacht werden, aus der eine wohlbegründete Furcht im Sinne von § 7 Asylgesetz iVm

Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK rechtlich ableitbar ist. Hiezu genügt der bloße Hinweis auf die allgemeine Lage in dem Heimatland des Asylwerbers nicht (vgl hiezu zB VwGH 10.03.1994, Zahl 94/19/0056). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl hiezu zB VwGH 12.05.1999, Zahl 98/01/0649). Eine Verfolgungshandlung setzt einen Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen voraus, der geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl hiezu zB VwGH 25.04.1999, Zahl 99/01/0280). Bloß subjektiv empfundene Furcht vor Verfolgung genügt nicht (VwGH 29.10.1993/ 92/01/1119)

 

5.1.1. Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich, dass die BF 2 zwar ein glaubhaftes Tatsachenvorbringen erstattet hat. Es ist dennoch festzustellen, dass das Vorbringen nicht geeignet ist, eine begründete Furcht vor Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (in der Fassung des Artikels 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. 78/1974 zum Zeitpunkt der Ausreise bzw. für den Fall der Rückkehr anzunehmen. Die BF 2 gibt an, dass ihre Mutter Roma und ihr Vater Rumäne gewesen sei. Die explizite Frage, ob sie sich in Rumänien verfolgt fühle (siehe Verhandlungsschrift S 7), beantwortete sie klar mit "nein". In der Folge schildert sie gewisse Schwierigkeiten mit Behörden bzw. behördlichen Organen, welche im Zusammenhang mit der Wohnsituation des Ehepaares entstanden sind. Zum einen wurde eine Delogierung durchgesetzt, bei der der BF 1 Widerstand leistete und deshalb ein Gerichtsverfahren zu gewärtigen hatte, welches mit Verurteilung endete. Die Strafe hat der BF 1 bereits verbüßt. Zum anderen wird eine fortgesetzte Belästigung durch die Polizei geltend gemacht, weil die BF in einer anderen Wohnung offenbar illegal Unterkunft genommen hatten und ihr Aufenthalt dort nicht geduldet wurde. Die Absicht der Behörden, die BF zum Verlassen der Wohnung zu bewegen, ist nach Ansicht des Asylgerichtshofes gerechtfertigt und stellt keine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar, zumal die BF selbst angaben, eine Wohnung in einem Abbruchhaus ohne ausdrückliche Genehmigung der Eigentümer bewohnt zu haben. Nach den Darstellungen der BF ist weiters auch nicht davon auszugehen, dass die von der Polizei eingesetzten Mittel den Charakter von Verfolgungshandlungen erlangen. Es wurden weder Misshandlungen noch gravierende Menschenrechtsverletzungen in diesem Zusammenhang geltend gemacht. Der BF 1 wurde - ausgehend von seinen Angaben - nach seiner Haftentlassung durch die Polizei wiederholt zur Bekanntgabe von Informationen über kriminelle Vorkommnisse in der Umgebung aufgefordert, weil - nach den Ausführungen des BF 1:

fälschlicherweise - angenommen wurde, der BF 1 verfüge über solche. Eine derartige Vorgangsweise hat nach Ansicht des Asylgerichtshof noch nicht die Qualität einer Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention.

 

5.1.2. Eine Verfolgung der BF 2 ist aber auch nicht darin zu sehen, dass sie angibt, mütterlicherseits von einer Roma abzustammen. Einerseits ist die BF 2 trotz ihrer Abstammung vordergründig nicht zur Volksgruppe der Roma zuzuordnen. Sie ist im Besitze eines rumänischen Reisepasses. Weder aus dem rumänischen Reisepass noch aus den sonstigen Unterlagen ergibt sich, dass sie Angehörige der Volksgruppe der Roma ist. Überdies ist sie mit einem Rumänen verheiratet. Andererseits ist Rumänien seit 01.01.2007 Mitgliedstaat der Europäischen Union. Schon von daher besteht eine für die Republik Rumänien hohe Verpflichtung, die Standards der medizinischen Versorgung ohne Rücksicht auf die Volksgruppenzugehörigkeit auf alle Bürger anzuwenden. Der vorliegende Bericht der Helsinki Federation beschreibt das Szenario aus dem Jahr 2005 und ist infolge der inzwischen erfolgten politischen Veränderungen nicht mehr in vollem Umfang auf die derzeitigen Verhältnisse anwendbar. Aber selbst wenn sie von medizinischem Personal bei einer allenfalls erforderlichen Behandlung der Volksgruppe der Roma zugezählt wird, kann unter Berücksichtigung der obigen Feststellungen, dass eine Gesundheitsversorgung allen rumänischen Bürgern zur Verfügung steht, nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass ihr deshalb keine Behandlung zuteil wird. Hinweise für eine Gruppenverfolgung der Roma in Rumänien ergeben sich auch unter Bedachnahme auf den Bericht der International Helsinki Federation nicht.

 

5.1.3. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (VwGH 21.01.1999, 98/20/0350 mit Verweis auf 23.09.1998, 98/01/0224). Bloß subjektiv empfundene Furcht genügt nicht; vielmehr müssen (allenfalls drohende) Maßnahmen dargetan werden, die sowohl aus objektiver Sicht als auch unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes einen weiteren Verbleib des Asylwerbers im Heimatland unerträglich erscheinen lassen (vergl. VwGH 15.12.1993, 93/01/020; 10.03.1994, 94/19/0251; 19.05.1994, 94/19/0716; 06.03.1996, 95/20/0167; 25.09.1996, 95/01/0216). Verhöre und Befragungen allein (wenn sie ohne weitere Folgen bleiben) sind keine Verfolgungshandlungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (z.B. VwGH 29.10.2993, 93/01/0859, 31.03.1993, 93/01/0168; 26.06.1996, 95/20/0427 u.a. sowie Steiner, Österreichisches Asylrecht, 30f). Das gilt auch für Hausdurchsuchungen bzw. polizeiliche Hausbesuche wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung (VwGH 17.02.1993, 92/01/0777); oder: behördliche Maßnahmen zum Zwecke der Ausforschung des Aufenthaltsortes anderer, insbesondere nicht mit dem Befragten verwandter Personen (VwGH 14.12.2000/20/0494).

 

5.1.4. Die BF 2 hat unter Bedachtnahme auf die angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes mit ihrem Vorbringen objektiv keine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des Artikels 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention darlegen können. Aber auch aus den erörterten Länderinformationen in Ansehung des Umstandes, dass Rumänien seit 01.01.2007 zu den Mitgliedsländern der Europäischen Union und damit zu den sicheren Herkunftsstaaten zu zählen ist, war keine Verfolgungsgefahr für die BF 2 im genannten Sinne mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festzustellen. Es ist vielmehr anzunehmen, dass die BF 2 aus gesundheitlichen Gründen aus Rumänien ausgereist ist, um eine bestmögliche medizinische Behandlung für sie zu erlangen. Diese Behandlung ist ihr in Österreich während der Zeit, in der sie aufgrund des laufenden Asylverfahrens faktischen Abschiebschutz genoss, auch zuteil geworden. Dem Antrag auf Gewährung von Asyl hat die Erstbehörde daher zu Recht nicht stattgegeben und die Beschwerde zu Spruchpunkt I war abzuweisen.

 

6. Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Rumänien gem. § 8 Abs. 1 AsylG:

 

6.1. Der Fremde hat glaubhaft zu machen, dass er im Sinne des § 50 Absatz 1 und Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz (vormals § 57 Absatz 1 und 2 Fremdengesetz) aktuell bedroht ist, dass die Bedrohung also im Falle, dass er abgeschoben würde, in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewandt werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 21.8.2001, Zahl 2000/01/0443; VwGH 26.2.2002, Zahl 99/20/0509). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 2.8.2000, Zahl 98/21/0461). Dies ist auch im Rahmen des § 8 Absatz 1 Asylgesetz zu beachten (VwGH 25.1.2001, Zahl 2001/20/0011, damals noch zu § 8 Asylgesetz vor der Novelle 2003). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, Zahl 93/18/0214). Der Prüfungsrahmen des § 50 Fremdenpolizeigesetz (vormals § 57 Fremdengesetz) ist durch § 8 (nunmehr: § 8 Absatz 1) Asylgesetz auf den Herkunftsstaat des Fremden beschränkt (VwGH 22.4.1999, Zahl 98/20/0561).

 

6.1.1. Wie bereits ausgeführt, bestehen mangels eines eine asylrelevante Verfolgung darlegenden Sachvortrages der BF 2 keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass deren Leben oder die Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre; daher liegt kein Fall des § 50 Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz (vormals § 57 Absatz 2 Fremdengesetz) vor.

 

3.2. Zu prüfen bleibt, ob es begründete Anhaltspunkte dafür gibt, dass durch die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der BF in deren Herkunftsstaat Artikel 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt würde oder für die BF 2 als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes gegeben ist (§ 50 Absatz 1 Fremdenpolizeigesetz). Es besteht kein Hinweis auf eine ernsthafte Bedrohung infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes, zumal in Rumänien aktuell keine solch extreme Gefährdungslage besteht, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Artikel 2 und 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgesetzt wäre. Die BF 2 ist zwar gesundheitlich beeinträchtigt. Sie wurde jedoch während ihres Aufenthaltes hier in Österreich als Asylwerberin bereits operiert und behandelt. Nach dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Patientenbrief wurde die BF 2 in subjektivem Wohlbefinden und entsprechendem Allgemeinzustand in häusliche Pflege entlassen. Für das weitere Procedere wurde mindestens 3 Mal jährlich ein Kontrolle bei einem niedergelassenen Facharzt für Innere Medizin/Kardiologen sowie eine regelmäßige Kontrolle der Risikofaktoren empfohlen.. Aus den erörterten Länderinformationen für Rumänien ergibt sich, dass in Rumänien entsprechende Fachärzte (Kardiologen) praktizieren und diese Kontrollen möglich sind. Auch die erforderliche Medikation ist verfügbar.

 

6.2.1. Der Asylgerichtshof erachtet es in diesem Zusammenhang für entscheidend, welche Haltung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zur Frage von krankheitsbedingten Abschiebehindernissen und einer ausreichenden medizinischen Versorgung in den Zielstaaten unter dem Gesichtspunkt des Artikel 3 EMRK im Rahmen seiner authentischen Interpretation dieser Konventionsbestimmung einnimmt. Zu diesem Zweck ist auf die jüngere einschlägige Rechtsprechung des EGMR in den folgenden Judikaten abzustellen:

 

GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06

 

AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05

 

PARAMASOTHY gg. NIEDERLANDE, 10.11.2005, Rs 14492/03

 

RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 35989/03

 

HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05

 

OVDIENKO gg. Finnland, 31.05.2005, Rs 1383/04

 

AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04

 

NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03

 

Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich folgende Judikaturlinien:

 

Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. In der Entscheidung HUKIC gg. Schweden, 27.09.2005, Rs 17416/05 wurde die Abschiebung des am Down-Syndrom leidenden Beschwerdeführers nach Bosnien-Herzegowina für zulässig erklärt und wurde ausgeführt, dass die Möglichkeit der medizinischen Versorgung in Bosnien-Herzegowina gegeben sei. Dass die Behandlung in Bosnien-Herzegowina nicht den gleichen Standard wie in Schweden aufweise und unter Umständen auch kostenintensiver sei, sei nicht relevant. Notwendige Behandlungsmöglichkeiten wären gegeben und dies sei jedenfalls ausreichend. Im Übrigen hielt der Gerichtshof fest, dass ungeachtet der Ernsthaftigkeit eines Down-Syndroms, diese Erkrankung nicht mit den letzten Stadien einer tödlich verlaufenden Krankheit zu vergleichen sei.

 

In der Beschwerdesache AMEGNIGAN gg. Niederlande, 25.11.2004, Rs 25629/04, stellte der EGMR fest, dass in Togo eine grundsätzliche adäquate Behandlung der noch nicht ausgebrochenen AIDS-Erkrankung gegeben ist und erklärte die Abschiebung des Beschwerdeführers für zulässig.

 

In der Entscheidung RAMADAN & AHJREDINI gg. Niederlande vom 10.11.2005, Rs 35989/03 wurde die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Mazedonien für zulässig erklärt, da Psychotherapie eine gängige Behandlungsform in Mazedonien ist und auch verschiedene therapeutische Medizin verfügbar ist, auch wenn sie nicht dem Standard in den Niederlanden entsprechen möge.

 

In der Beschwerdesache NDANGOYA gg. Schweden, 22.06.2004, Rs 17868/03, sprach der EGMR aus, dass in Tansania Behandlungsmöglichkeiten auch unter erheblichen Kosten für die in 1-2 Jahren ausbrechende AIDS-Erkrankung des Beschwerdeführers gegeben seien; es lagen auch familiäre Bezüge vor, weshalb die Abschiebung für zulässig erklärt wurde.

 

Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes "real risk".

 

Auch Abschiebungen psychisch kranker Personen nach mehreren Jahren des Aufenthalts im Aufenthaltsstaat können in Einzelfällen aus öffentlichen Interessen zulässig sein (vgl. PARAMSOTHY gg. Niederlande, 10.11.2005, Rs 14492/05; mit diesem Judikat des EGMR wurde präzisiert, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach neunjährigem Aufenthalt in den Niederlanden, welcher unter posttraumatischem Stresssyndrom leidet und bereits einen Selbstmordversuch hinter sich hat, zulässig ist, da spezielle Programme für Behandlungen von traumatisierten Personen und verschiedene therapeutische Medizin in Sri Lanka verfügbar sind, auch wenn sie nicht den selben Standard haben sollten wie in den Niederlanden). Wörtlich führt der EGMR hiezu aus:

 

"[...] The Court reiterates that, according to established case-law, aliens who are subject to expulsion cannot in principle claim any entitlement to remain in the territory of a Contracting State in order to continue to benefit from medical, social or other forms of assistance provided by the expelling State unless such exceptional circumstances pertain as to render the implementation of a decision to remove an alien incompatible with Article 3 of the Convention owing to compelling humanitarian considerations (see D. v. the United Kingdom, cited above, § 54).[...] On the basis of the foregoing, and having regard to the high threshold set by Article 3 - particularly where the case does not concern the direct responsibility of the Contracting State for the infliction of harm -, the Court does not find that there is a sufficiently real risk that the applicant's expulsion in these circumstances would be contrary to the standards of that provision. In the view of the Court, the present case does not disclose the exceptional circumstances of D. v. the United Kingdom (cited above, § 52), where the applicant was in the final stages of a terminal illness, AIDS, and had no prospect of medical care or family support on expulsion to St. Kitts.[...]"

 

In besonderem Maße instruktiv für die Frage, ob eine posttraumatische Belastungsstörung oder andere schwere psychische Erkrankungen einer Abschiebung in den Herkunftsstaat entgegenstehen, sind die beiden erst jüngst ergangenen Entscheidungen AYEGH gg. Schweden, 07.11.2006, Rs 4701/05 und GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06.

 

Im ersteren Fall ging es um eine iranische Asylwerberin, bei der von zwei psychiatrischen Gutachtern unabhängig von einander schwere psychische Störungen in Gestalt von schweren Depressionen, akuten Selbstmordgedanken und ein multikausales Trauma infolge diverser Erlebnisse diagnostiziert worden war. Ein Gutachter war zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Beschwerdeführerin im Falle einer Abschiebung in den Iran ein reales Risiko eines Selbstmordes bestand ("[...] Dr Hännerstrand concluded that the applicant suffered from a serious depression with anxiety symptoms, and that there was a real risk that she would try to commit suicide if she were to be deported[...]").

 

Die gegen die Abschiebung der Beschwerdeführerin in deren Herkunftsstaat Iran mit der Begründung eine solche verstoße infolge des schlechten Gesundheitszustandes der BW gegen Artikel 3 EMRK, wies der EGMR ab.

 

Aus den Entscheidungsgründen im englischen Original:

 

"[...]In the present case, the applicant has been diagnosed as suffering from a serious mental illness - depression - and an enduring crisis reaction with suicide plans for which she has been taking sleeping pills and antidepressants.

 

The Court accepts that the applicant is in poor mental health and suffers from the uncertain situation in her life. However, it observes that she has not been in regular contact with the Swedish health care system. Nor has she undergone specific treatment or ever been hospitalised in Sweden. Moreover, she has not claimed before the Court that medical treatment as such would not be available in Iran, should she be in need of it.

 

In any event, the fact that the applicant's circumstances in Iran would be less favourable than those enjoyed by her in Sweden cannot be regarded as decisive from the point of view of Article 3 (see, Bensaid v. United Kingdom, no. 44599/98, § 38, ECHR 2001-I; Salkic and others v. Sweden, (dec.), no. 7702/04, 29 June 2004).

 

Furthermore, the Court notes that the two doctors with whom the applicant has been in contact seem to agree that her vulnerable health, including her suicidal thoughts, is primarily due to her unstable living situation, her fear of returning to Iran and the anxiety about her future and that of her son. In this respect, the Court reiterates that the fact that a person, whose deportation has been ordered, threatens to commit suicide does not require the Contracting State to refrain from enforcing the deportation, provided that concrete measures are taken to prevent the threat from being realised (see Dragan and Others v. Germany, (dec.), no. 33743/03, 7 October 2004, and, mutatis mutandis, Ovdienko v. Finland, (dec.), no. 1383/04, 31 May 2005). In the present case, the Court notes that the two physicians who have examined the applicant have found that there is a risk that she might try to commit suicide if the deportation order were carried out. However, the Court observes that the applicant has never been committed to psychiatric care (either on a voluntary or compulsory basis). In fact, she has had little and irregular contact with the Swedish health care system on her own behalf as most contacts seem to have concerned her son.

 

The Court further takes note of the respondent Government's submission that no enforcement of the deportation order will occur unless the authority responsible for the deportation deems that the medical condition of the applicant so permits.

 

Thus, having regard to the high threshold set by Article 3, particularly where the case does not concern the direct responsibility of the Contracting State for the possible harm, the Court does not find that the applicant's deportation to Iran would be contrary to the standards of Article 3 of the Convention. In the Court's view, the present case does not disclose the exceptional circumstances established by its case-law (cf., among others, D v. United Kingdom, cited above, § 54).[...]"

 

Der Entscheidung GONCHAROVA & ALEKSEYTSEV gg. Schweden, 03.05.2007, Rs 31246/06 lag ua. der Fall zugrunde, dass der Zweitbeschwerdeführer - ein russischer Asylwerber, der drei(!) Selbstmordversuche begangen bzw. mehrere Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich hatte und dem von Gutachern einhellig ein schwere psychische Erkrankung ua. in Gestalt einer posttraumatischen Belastungsstörung sowie eine akute Selbstmordgefährdung bescheinigt worden war - seine Abschiebung nach Russland mit dem Hinweis auf seinen schlechten und infolge aktueller Suizidgefahr lebensbedrohlichen Gesundheitszustand in Beschwerde zog. Auch diese Beschwerde wies der EGMR mit einer über weite Strecken identen Begründung wie in der Entscheidung AYEGH gg. Schweden ab.

 

Aus den Entscheidungsgründen im englischen Original:

 

"[...] The Court reiterates that, due to the fundamental importance of Article 3, it has reserved to itself the possibility of scrutinising an applicant's claim under Article 3 where the source of the risk of the proscribed treatment in the receiving country stems from factors which cannot engage either directly or indirectly the responsibility of the public authorities of that country, or which, taken alone, do not in themselves infringe the standards of that Article. In any such context, however, the Court is obliged to subject all the circumstances surrounding the case to rigorous scrutiny, especially the applicant's personal situation in the deporting State (see the D. v United Kingdom judgment of 2 May 1997, Reports 1997-III, § 49).

 

Consequently, the Court will examine whether deportation of the second applicant to Russia would be contrary to Article 3 having regard to all the material before it at the time of its consideration of the case, including the most recently available information on his state of health.

 

...

 

In the present case, the second applicant has been diagnosed as suffering from his insecure situation as an asylum seeker whose applications have been rejected. He has become depressed and lost his faith in the future and has, on two occasions, been hospitalised following suicide attempts by taking pills.

 

The Court accepts that the second applicant suffers from the uncertain situation in his life and that it has caused him mental distress. However, it observes that he has never been committed to closed psychiatric care or undergone specific treatment in Sweden. He has seen a counsellor to find solutions to cope with his situation but he has not been in regular contact with a psychiatrist, even though his counsellor has considered that it would be useful. In this respect, the Court notes that the second applicant had seen a doctor in Kaliningrad before going to Sweden and that he has not claimed before the Court that medical treatment as such would not be available in Russia. Thus, there is no reason to believe that he would not benefit from care in his home country, should he be in need of it.

 

In any event, the fact that the second applicant's circumstances in Russia will be less favourable than those enjoyed by him while in Sweden cannot be regarded as decisive from the point of view of Article 3 (see Bensaid v. the United Kingdom, no. 44599/98, § 38, ECHR 2001-I; Salkic and others v. Sweden (dec.), no. 7702/04, 29 June 2004).

 

Furthermore, concerning the risk that the second applicant would try to commit suicide if the deportation order were enforced, the Court reiterates that the fact that a person, whose deportation has been ordered, threatens to commit suicide does not require the Contracting State to refrain from enforcing the deportation, provided that concrete measures are taken to prevent the threat from being realised (see Dragan and Others v. Germany (dec.), no. 33743/03, 7 October 2004, and, mutatis mutandis, Ovdienko v. Finland, (dec.), no. 1383/04, 31 May 2005). In the present case, the Court observes that the second applicant has tried to commit suicide twice, in August 2004 and July 2006, and that a doctor, in September 2006, considered that there was a clear risk of suicide. However, the Court notes that he was deported together with his parents in November 2004 without any incidents and that, following his three days of hospitalisation in July 2006, he has not been in contact with the Swedish health care system except for occasional visits to his counsellor.

 

The Court further takes note of the respondent Government's submission that a deportation would be carried out in such a way as to minimise the suffering of the second applicant, having regard to his medical condition. Moreover, since the second applicant's father is living in Russia, the Court has no reason to doubt that he would help his son upon return.[...]"

 

Die dargestellten Entscheidungen zeigen deutlich, dass bei Vorliegen von Erkrankungen im Allgemeinen nur solche relevant sind, die bekanntermaßen zu einem lebensbedrohlichen Zustand führen und grundsätzlich keine Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bestehen (Behandlungsmöglichkeiten beispielsweise für AIDS in Tansania sowie Togo, für Down-Syndrom in Bosnien-Herzegowina, für psychische Erkrankungen im Iran und in Russland bejaht).

 

Aus diesen Judikaturlinien des EGMR leitet sich der für das vorliegende Berufungsverfahren relevante Prüfungsmaßstab ab. Demzufolge würde eine Traumatisierung gemessen am hohen Eingriffsschellenwert ("high threshold") von Artikel 3 EMRK einer Überstellung nach Rumänien nicht einmal im Falle einer akuten Suizidalität der BF entgegenstehen. Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Artikel 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.

 

Abschiebungsschutz als Realisierung der Rechte aus Artikel 3 EMRK soll einem Fremden nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes des Aufenthaltsstaates sichern, sondern vor gravierender Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leib und Leben bewahren (vgl. hiezu zB. auch das Urteil des OVG NRW vom 20.9.2006, Zahl 13 A 1740/05.A). Diese Restriktion leuchtet nicht zuletzt aus der Absolutheit hervor, mit der Artikel 3 EMRK das Recht eines jeden, nicht gefoltert oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, garantiert. Dadurch, dass der EGMR in seiner Judikatur zur Artikel 3 EMRK regelmäßig auf den hohen Eingriffschwellenwert ("high threshold") dieser Bestimmung hinweist (und deshalb letztlich auch viele Beschwerden verwirft), bringt er unmissverständlich zum Ausdruck, dass Artikel 3 EMRK lediglich einen - aber dafür absoluten und unverbrüchlichen - Mindestschutzstandard garantiert, den er trotz der Fortentwicklungen in den modernen Gesellschaften und sich ändernder sozialer Bedürfnisse offenkundig nicht erweitert.

 

6.2.2. Wendet man die einschlägige Judikatur des EGMR auf den gegenständlichen Fall an, so kann der Asylgerichtshof aufgrund des gesundheitlichen Zustandes der BF 2 nach erfolgter Operation und medizinischer Behandlung kein Abschiebehindernis und somit keinen Grund für die Gewährung subsidiären Schutzes erkennen. Insbesondere ist unter Verweis auf den erörterten Länderbericht von Home Office davon auszugehen, dass in Rumänien die medizinische Versorgung im Wesentlichen sichergestellt ist und entsprechende Fachärzte, insbesondere auch Kardiologen praktizieren. Für die BF 2 ist somit im Falle ihrer Rückkehr nach Rumänien die erforderliche medizinische Kontrolle durchführbar. In Anbetracht der bereits erfolgreich durchgeführten Operation und medizinischen Behandlung hier in Österreich bestehen aktuell keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Ausnahmefall vorliegt und die BF 2 im Falle der Rückkehr nach Rumänien in eine lebensbedrohliche Lage gerät.

 

6.3. Die erstinstanzliche Entscheidung war somit auch in Spruchpunkt II zu bestätigen und die Beschwerde diesbezüglich abzuweisen.

Schlagworte
Abschiebungshindernis, EMRK, Familienverfahren, mangelnde Asylrelevanz, medizinische Versorgung, Sicherheitslage, Traumatisierung, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
21.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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