TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/25 S1 318162-2/2008

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Veröffentlicht am 25.07.2008
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Spruch

S1 318.162-2/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerde der A.F., geb. 00.00.2006, Russische Föderation, vertreten durch A.E., gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.05.2008, FZ. 07 12.042-BAL, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 66 Abs 4 AVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Behörde ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt. Ein Erstbescheid des BAA wurde vom damals zuständigen Senatsmitglied Mag. Liebminger (ohne Zuerkennung aufschiebender Wirkung) mit Bescheid vom 19.03.2008 gemäß § 41 Abs 3 AsylG behoben.

 

Gegenständliche Berufung (nunmehr: Beschwerde) langte am 04.06.2008 beim UBAS ein und wurde Richter Dr. Feßl zugeteilt. Aufschiebende Wirkung wurde nicht erteilt. Der Verwaltungsakt betreffend die Beschwerdeführerin wurde dem nunmehr zuständigen Richter des Asylgerichtshofes am 09.07.2008 zugeteilt.

 

Dem Asylgerichtshof wurde durch Recherche am 10.07.2008 bekannt, dass eine an diesem Tag geplante Überstellung der Beschwerdeführerin nach Polen wegen ihrer Abwesenheit und eines Selbstmordversuches ihres Vaters abgebrochen wurde (vgl Aktenvermerk einer juristischen Mitarbeiterin vom 10.07.2008).

 

II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die gegenständliche Beschwerde wie folgt erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

2.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.02.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs 3 und Abs 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin II VO ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebenso wenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.

 

2.1.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs 1 Dublin II VO) Kriterien der Art. 6-12 bzw 14 und Art. 15 Dublin II VO, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II VO zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1.1. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zwar zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Polensgemäß Art. 16 Abs 1 lit c bestand. Die 6-monatige Überstellungsfrist des Art. 20 Abs 1 lit d Dublin II VO ist zum Entscheidungszeitpunkt jedoch bereits abgelaufen, unabhängig davon, ob sie vom 11.01.2008 (Datum der seinerzeitigen polnischen Zustimmung) oder vom 15.01.2008 (Einlangen der polnischen Zustimmung via Telefax bei der Erstbehörde) berechnet wird. Der Bescheid des Bundesasylamtes war daher aus diesem Grund - ohne auf das Beschwerdevorbringen und sonstige Umstände eingehen zu müssen - ersatzlos zu beheben.

 

3. Da die gegenständliche Entscheidung des Bundesasylamtes - tatsächlich - außerhalb des Zulassungsverfahrens ergangen ist (siehe Frank/Anerinhof/Filzwieser, AsylG 2005, K6., vierter Spiegelstrich zu § 28 AsylG), ist § 41 Abs 3, 2. und 3. Satz nicht anwendbar und stützt sich die getroffene Entscheidung daher auf die allgemeine Norm des § 66 Abs 4 AVG, der der Berufungsbehörde das Recht einräumt, den angefochtenen Bescheid in jeder Richtung abzuändern. Die Erstbehörde wird das weiterhin zugelassene Asylverfahren der Berufungswerberin nun in geeigneter Weise inhaltlich zu prüfen haben. Eine neuerliche Unzuständigkeitsentscheidung gemäß § 5 AsylG kommt bei der gegebenen Sachlage nicht mehr in Frage.

Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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