A1 268.487-0/2008/2E
Erkenntnis
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner als Vorsitzenden und den Richter Dr. Christian Filzwieser als Beisitzer im Beisein der Schriftführerin Ines Csucker über die Beschwerde der O. O., geb. 2005, StA. von Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.4.2005, GZ. 05 05.066-BAE, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 idF BGBl Nr. 101/2003 als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die gesetzliche Vertreterin brachte für die beschwerdeführende Partei am 12.4.2005 einen Asylantrag gemäß § 3 AsylG 1997 ein. Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 9.2.2006 gab die gesetzliche Vertreterin für die beschwerdeführende Partei folgendes an:
"Meine Tochter wurde in Österreich geboren und meine Tochter will mit mir in Österreich bleiben. Ich übernehme für die Dauer des Asylverfahrens in Österreich die gesetzliche Vertretung für meine Tochter."
Das Bundesaslyamt erhob diese Behauptungen der gesetzlichen Vertreterin zum Sachverhalt und stellte fest, dass die beschwerdeführende Partei zur Kernfamilie von Frau O. B. gehöre. Es stellte weiters fest, dass nicht festgestellt werden könne, dass die beschwerdeführende Partei in Nigeria einer begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt sei.
Das Bundesasylamt traf umfassende Sachverhaltsfeststellungen zur allgemeinen politischen Lage in Nigeria, zur Bekämpfung der Korruption, des aktuellen Wirtschaftsreformkurses sowie zur Menschenrechtssituation.
In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesasylamt aus, dass es sich gegenständlich um ein Familienverfahren handle und dass die beschwerdeführende Partei in Nigeria keiner Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählten Gründe ausgesetzt sei.
Auch eine Gefährdungssituation welche eine Abschiebungshindernis nach Nigeria darstelle, hätte sich nicht ergeben, weil "eine landesweite allgemeine komextreme Gefährdungslage, in der jeder Asylwerber im Falle seiner Abschiebung dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert werden würde" nicht gegeben sei.
Der Ausweisungsausspruch erfolgte vor dem Hintergrund der bereits im Verfahren der Mutter erfolgten Ausweisung. Im Verhältnis zum Großvater, einem österreichischen Staatsbürger nigerianischer Herkunft, wurde kein Familienbezug im Sinne des Vorliegens einer Kernfamilie festgestellt und wurde insofern das Vorliegen des Art. 8 EMRK verneint.
Dagegen erhob die gesetzliche Vertreterin fristgerecht Beschwerde.
Über diese Beschwerde hat der Asylgerichtshof in nicht öffentlicher Sitzung wie folgt erwogen:
Die Beschwerdeausführungen sind gleich lautend mit jener im Verfahren der gesetzlichen Vertreterin, der Mutter, Frau O. B., geb. 1986, StA. von Nigeria, GZ 246.698-5/2008.
Im Folgenden werden diese Ausführungen kursiv, fett dargestellt wiedergegeben, soweit sie die gesetzliche Vertreterin, die Mutter, betreffen.
Das Bundesasylamt hat - bezogen auf Spruchpunkt I. und II. - ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und hat in der Begründung des erstinstanzlich angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage richtig, klar und übersichtlich zusammengefasst.
Der Asylgerichtshof schließt sich diesen Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid an und er erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.
Die Berufungsausführungen sind nicht geeignet zu einem anders lautenden Ergebnis zu gelangen:
Die beschwerdeführende Partei rügt in der Beschwerde in Bezug auf die Feststellungen zur Menschenrechtssituation und politischen Lage in Nigeria, das diese "aus einem sehr zweckoptimistischen Blickwinkel gefällt worden seien" und bringt unter Zitierung aus dem "Akkord- Länderbericht Nigeria September 2002" die Gewalt im Vorfeld der Gemeinderatswahlen 2002 sowie die Unruhen in Nigerias Ölgebiet zur damaligen Zeit vor.
Diese Rüge geht in zweierlei Hinsicht ins Leere:
Das Bundesasylamt brachte wesentlich aktuelleres Länderdokumentationsmaterial in Verwendung, als den Beschwerdeausführungen zu Grunde gelegt wurde. Während sich die Beschwerdeführerin auf einen Länderbericht Nigerias vom September 2002 bezieht, basierten die vom Bundesasylamt getroffenen Feststellungen auf aktuellerem Länderdokumentationsmaterial, welches bis ins Jahr 2005 datiert. Dabei wurde umfassend die Entwicklung der politischen Lage - eben auch nach den Gemeinderatswahlen 2003 und den Präsidentschaftswahlen 2003 einer Analyse unterzogen.
Die Entwicklung in Nigeria hat bei allen Schwächen des politischen Systems eine wesentlich positivere Entwicklung genommen als in der Beschwerde, abstellend auf den September 2002, aufzuzeigen versucht wurde.
Selbst aber bei Zugrundelegung der entsprechenden Beschwerdeführerausführungen, die Situation in Nigeria betreffend, ist für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, hatte sie weder bei ihren erstinstanzlichen Einvernahmen noch in der Beschwerde irgendeinen Zusammenhang zwischen allfälligen politischen Spannungen im Herkunftsstaat und ihrer individuellen konkreten Situation hergestellt. Die Beschwerdeführerin verneinte sogar bei allen mit ihr vorgenommen Einvernahmen die entsprechende Frage, ob sie jemals Probleme mit den Behörden oder der Polizei von Nigeria gehabt hätte, ob sie jemals aus irgendeinem Grund Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, ob sie inhaftiert gewesen sei, ob sie sich politisch betätigt habe und ob sie in ihrer Eigenschaft als Frau Probleme gehabt hätte.
Einzig und allein die Suche nach dem leiblichen Vater - und dies wiederholte die Beschwerdeführerin bei allen mit ihr vorgenommenen Einvernahmen geradezu gebetsmühlenartig - war der Grund für das Verlassen Nigerias.
In diesem Sinne geht dann auch die auf offensichtlich von NGO-s immer wieder in Verwendung gebrachten und auf Textbausteinen beruhenden Ausführungen der Beschwerdeführerin "ich hätte nie meine geliebte Heimat verlassen, in der ich aufgewachsen bin, in der meine Verwandten und Freunde wohnen, in der ich mich in meiner Sprache verständigen kann, ich hätte nie all die Mühen und langen beschwerlichen und gefährlichen Flucht in ein komplett fremdes Land, tausende Kilometer entfernt von meinem Herkunftsland entfernt, in dem ich niemanden kenne und die Sprache nicht verstehe, auf mich genommen, hätte ich keine Furcht vor Verfolgung, könnte ich auf den Schutz der staatlichen Stellen vertrauen und müsste nicht um mein Leben in meiner Heimat fürchten" ins Leere. Sie erweisen sich aber auch als aktenwidrig, denn die Beschwerdeführerin hat ihr Heimatland Nigeria eben nur deshalb verlassen, um ihren in Österreich lebenden Vater kennen zu lernen.
Das gesamte Beschwerdevorbringen weist also keinerlei Zusammenhang mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Flüchtlingskonvention auf und hat daher das Bundesasylamt das Asylbegehren richtigerweise gemäß § 7 AsylG verworfen.
Die systematisch offensichtlich unrichtig im Zusammenhang mit dem negativen §7 Ausspruch dargestellten und wie sich aus dem Beschwerdewortlaut ergibt, als Abschiebungshindernis gemeinten Beschwerdeausführungen "mein Leben in Afrika mit meinem Kind bzw. bald mit meinen Kindern ist unmöglich, da ich nicht wüsste, wie ich sie ernähren kann, wo wir wohnen sollten, wie ich sie medizinisch versorgen soll" vermögen gleichfalls vor dem Hintergrund der unbekämpft gebliebenen erstinstanzlichen Länderfeststellungen nicht zu greifen:
Das Bundesasylamt stellte fest, dass "der Präsident Obasanio einen Reformkurs verfolge, der auf Einführung und Stärkung von Good Governments, Korruptionsbekämpfung, Festigung ziviler Strukturen, Reform der Armee, Wiederbelebung der Wirtschaft und Armutsbekämpfung ausgerichtet ist. Mit diesem Ziel wurde auch im Juli 2003 nach den Wahlen das Kabinett neu gebildet, unter anderem mit Berufung von Frau Okonjo Iwiala (ehemals Weltbank) als Finanzministerin, die für einen konsequenten Wirtschaftsreformkurs steht und dabei auch schon einige Erfolge erzielen konnte. Die Schweiz wird Nigeria 485 Mio. $ aus dem Vermögen des ehemaligen Diktators Abacha, das sich auf schweizer Banken befindet, zurückerstatten. Und verpflichtete sich Nigeria, das Geld für Entwicklungsprojekte wie den Bau von Schulen, Krankenhäusern und Straßen zu verwenden."
Dieser Sachverhaltsfeststellung ist zwar zu entnehmen, dass sich die Rahmenbedingungen in Nigeria schwierig darstellen, daraus jedoch Aussichtslosigkeit im Sinne einer lebensbedrohlichen Situation abzuleiten, wäre nicht stichhältig. Darüber hinaus ist ins Kalkül zu ziehen, dass die Beschwerdeführerin über ein intaktes soziales Netz verfügt, wie sie selbst angab:
"F: Haben Sie Geschwister oder Verwandte in Nigeria?
A: Meine beiden Schwestern leben in Nigeria.
F: Haben Sie zurzeit Kontakt zu Ihren beiden Schwestern in Nigeria?
A: Ja. (Anmerkung: AW lächelt.)
F: Haben Sie mit Ihren beiden Schwestern in Nigeria zusammengelebt?
A: Ja.
F: Wovon haben Sie in Nigeria gelebt?
A: Der Bruder meines Vaters hat für mich gesorgt.
Ein Abschiebehindernis vermag also auch nicht durch dieses Beschwerdevorbringen getragen zu werden.
Im Übrigen verstößt dieses Vorbringen, das offensichtlich nur darauf ausgerichtet ist, Zeit zu gewinnen, gegen das in § 32 AsylG 1997 normierte Neuerungsverbot, ist doch keiner der in Abs1 leg.cit. normierten Tatbestände erfüllt, der als Grundlage für diese erstmals in der Beschwerde getätigte Vorbringen herangezogen werden könnte:
Der der Entscheidung zu Grunde gelegte Sachverhalt hat sich nach der Entscheidung nicht entscheidungsrelevant geändert, das Verfahren ist - wie ausführlich dargestellt - auf keinen Fall mangelhaft, und liefert die Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass hier Tatsachen angesprochen werden könnten, die der Beschwerdeführerin erst nach der Entscheidung erster Instanz zugänglich waren; auch zeigen alle mit der Beschwerdeführerin durchgeführten Befragungen, dass sie durchaus in der Lage war, dieses Vorbringen bereits in erster Instanz zu erstatten: Geradezu ungezählte Male wurde sie gefragt, ob sie sonst noch etwas vorzubringen hätte, die Niederschriften wurden rückübersetzt und hat die Beschwerdeführerin bei jeder Einvernahme ihre geistige und körperliche Verfassung in einem positiven Licht dargestellt:
Die Beschwerdeführerin hat als einzige Befürchtung im Zusammenhalt mit einer Abschiebung nach Nigeria angegeben, von ihren Freunden ausgelacht zu werden, falls sie den Vater nicht finden würde.
In keiner der mit durchgeführten Einvernahmen gab die Beschwerdeführerin jemals wirtschaftliche oder sonstige Probleme an, die einer Abschiebung entgegenstehen.
Die weiteren Ausführungen "sollte in meine Heimat abgeschoben werden, würde ich Gefahr laufen verhaftet und unmenschliche Behandlung oder Strafen oder gar der Todesstrafe unterworfen zu werden" entbehren nach der Aktenlage jegliche Grundlage und wieder stellen wieder typischerweise von Enchios verwendete Textbausteine dar.
Auch in diesem Sinne erweist sich also der Ausspruch des Bundesasylamtes über die Abschiebungszulässigkeit der Beschwerdeführerin nach Nigeria als zu Recht erfolgt.
Die Ausführung des Bundesasylamtes im Bezug auf Spruchpunkt III., nämlich die Ausweisung, wurden vom Bund von der Beschwerdeführerin nicht einmal ansatzweise in Kritik genommen.
Im Ergebnis ergibt eine amtswegige Überprüfung des Ausweisungsausspruches durch das Bundesasylamt die Richtigkeit desselben, wobei jedoch Folgendes anzumerken ist:
Der Begriff der Kernfamilie im Sinne des § 1 Z6 ist schon vom Vortlaut dieser Bestimmung her im gegenständlichen Fall nicht erfüllt:
Der Vater der Beschwerdeführerin ist mittlerweile österreichischer Staatsbürger und sind die Tatbestandsmerkmale "... zum Zeitpunkt der Antragsstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Asylberechtigen - weil ihm bereits österreichische Staatsangehörigkeit vorliegt - nicht erfüllt."
Zu prüfen bleibt jedoch, ob im Bezug auf das Verhältnis zum Vater ein Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben besteht:
Grundsätzlich wird der Begriff "Familienleben" von der Judikatur weit verstanden.
Auch Beziehungen zwischen einem Elternteil und einem Kind - wie gegenständlich - fallen unter den Begriff "wenn sie tatsächlich und in einer bestimmten Intensität (gemeinsamer Haushalt, Unterhaltsleistungen) gelebt werden". Im gegenständlichen Fall lag jedoch weder in Nigeria noch hier in Österreich ein Naheverhältnis irgendwelcher Natur - zusammenleben, emotionale Beziehung, etc. - vor:
Die Beschwerdeführerin hat in Nigeria ihren Vater nicht einmal gekannt, sie wuchs beim Onkel in Nigeria auf und fand den Vater erst hier in Österreich, wobei auch hier wiederum zu bemerken ist, dass in dieser kurzen Zeit offensichtlich auch kein entsprechendes Naheverhältnis aufgebaut wurde, verließ doch der Vater zwischenzeitlich Österreich in Richtung Nigeria um sich dort in die Hände eines Medizinmannes zur entsprechenden Behandlung zu begeben.
Finanzielle Abhängigkeiten zwischen den beiden wurden von der Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet.
In diesem Sinne war im Bezug auf das Verhältnis zum Vater für die Beschwerdeführerin aus Art. 8 EMRK nichts abzuleiten und erfolgte der Ausspruch der Ausweisung in diesem Zusammenhang seitens des Bundesasylamtes zu Recht.
In Bezug auf das Verhältnis zu ihren beiden Kindern, gleichfalls Asyl bzw. internationalen Schutz begehrende beschwerdeführende Parteien ist auszuführen, dass diese gemeinsam mit der beschwerdeführenden Partei, der Mutter, ausgewiesen werden, sodass gleichfalls Art. 8 EMRK nicht schlagend wird.
Spruchpunkt III. des Bundesasylamtes stößt also im Ergebnis auf keine Bedenken.
Das Verfahren der Mutter, der gesetzlichen Vertreterin, brachte also keinerlei Anhaltspunkte hervor, wonach eine Verfolgungssituation im Sinne der GFK oder eine sonstige Gefährdungslage im Sinne des § 57 FRG in Verbindung mit Artikel 3 EMRK vorliegt.
Gleichfalls war gegenständlich keine entsprechende Situation zu konstatieren, sodass Spruchpunkt I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides auf keinerlei Bedenken stößt, wurden doch nicht einmal eigene Verfolgungsgründe noch sonstige stichhaltige Gründe im Sinne des §57 FRG vorgebracht.
Auch in Bezug auf den Ausweisungsausspruch war im Ergebnis mit dem Bundesasylamt zu gehen, wobei an dieser Stelle nochmals festzuhalten ist, dass die Ausweisung gemeinsam mit der Mutter und der zwischenzeitlich geborenen Schwester IGAN Ilele Jennifa, GZ 307.137-1/2008, erfolgt, diesbezüglich also kein Eingriff ins Privat- und Familienleben vorliegt und im Verhältnis zum Großvater niemals zu irgendeinem Zeitpunkt irgendein Naheverhältnis welcher Natur auch immer festzustellen war.
In diesem Sinne war also spruchgemäß zu entscheiden.