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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §19 Abs4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2001/20/0089Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Strohmayer, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerden des C in Wien, geboren am 1. November 1977, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, I. gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Mai 2000, Zl. 210.917/5-IV/10/99, betreffend §§ 7 und 8 AsylG 1997, und II. gegen den (mündlich verkündeten) Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. November 2000 (schriftlich ausgefertigt am 22. Jänner 2001), Zl. 210.917/16-IV/10/99 betreffend § 19 AsylG 1997, (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen
Begründung
Gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 24. Juni 1999, mit dem der Asylantrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 AsylG 1997 für zulässig erklärt worden war, erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Am Ende der mündlichen Berufungsverhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat am 12. Mai 2000 gab der Beschwerdeführer "nach Erörterung der Sach- und Rechtslage und des bisherigen Beweisergebnisses" die Erklärung ab:
"Ich ziehe meinen Asylantrag zurück."
Mit dem in der Folge ergangenen, zu I. angefochtenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates (der belangten Behörde) vom 15. Mai 2000 wurde der eingangs erwähnte Bescheid des Bundesasylamtes "in Erledigung der Berufung" ersatzlos behoben. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, werde ein Antrag zurückgezogen, so sei ein erstinstanzliches Verfahren einzustellen. Die Berufungsbehörde habe in diesem Fall den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben. Ein in einem antragsbedürftigen Verfahren ergangener, dieses Verfahren meritorisch erledigender Bescheid verletze das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, wenn ein "diesbezüglicher" Antrag nicht (mehr) vorliege.
Mit dem zu II. angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 16. August 2000 auf weitere Bescheinigung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach § 19 Abs. 3 AsylG zurückgewiesen. Zur Begründung verwies die belangte Behörde auf die rechtskräftige Beendigung des Asylverfahrens. Es bestehe sohin keine gesetzliche Grundlage (mehr), eine Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG "auf Verfahrensdauer" auszusprechen.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
I. Zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 15. Mai 2000:
1.1. Zunächst bemängelt der Beschwerdeführer, der Spruch des angefochtenen Bescheides sei nicht in einer ihm verständlichen Sprache "abgefasst" und die "maßgeblichen" Gesetzesbestimmungen seien nicht in einer ihm verständlichen Sprache beigelegt worden.
1.2. § 29 Abs. 1 AsylG 1997 lautet:
"Bescheide haben den Spruch, die Rechtsmittelbelehrung und den Hinweis nach § 61a AVG in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache zu enthalten. Wird der Antrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus den Gründen der §§ 4 und 5 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen, so ist dem Bescheid eine in dieser Sprache gehaltene Übersetzung der maßgeblichen Gesetzesbestimmung (§§ 4 bis 6) beizugeben."
Bereits § 18 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 1991 bestimmte, dass Bescheiden, die einem Asylwerber zuzustellen sind, welcher der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig ist, eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in die Muttersprache des Asylwerbers oder in eine andere ihm ausreichend verständliche Sprache anzuschließen ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dieser Bestimmung in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, der Umstand, dass dem angefochtenen Bescheid keine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in einer für den Asylwerber ausreichend verständlichen Sprache angeschlossen war, und damit die Bestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG 1991, bei der es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift handle, missachtet wurde, könne nicht (einmal) als tauglicher Wiedereinsetzungsgrund angesehen werden (vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 14. Dezember 1994, Zl. 94/01/0771, vom 17. Februar 1994, Zl. 94/19/0939, und vom 7. Oktober 1993, Zlen. 93/01/0444 und 93/01/0910, u.v.a.). Umso weniger könne ein der belangten Behörde unterlaufener Verstoß gegen diese Bestimmung die Rechtswirksamkeit eines ohne die Beigabe der Übersetzung zugestellten Bescheides oder dessen Rechtmäßigkeit berühren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1074).
Zur nunmehr geltenden Rechtslage nach § 29 Abs. 1 AsylG hat der Verwaltungsgerichtshof bereits judiziert (Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0056), dass es sich bei der nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung dem Bescheid in bestimmten Fällen "beizugebenden" Übersetzung der dort angeführten Gesetzesbestimmungen - wie bei der Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung nach alter Rechtslage - um eine bloße "Bescheidbeigabe" handle. § 29 Abs. 1 zweiter Satz AsylG enthalte somit in dieser Hinsicht wie ehemals § 18 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 1991 (nur) eine Ordnungsvorschrift. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 29 Abs. 1 zweiter Satz AsylG nicht gegeben sind, und der diesbezügliche, die Übersetzung von Gesetzesbestimmungen betreffende Beschwerdeeinwand schon deshalb unberechtigt ist, müsste er nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch erfolglos bleiben.
Auch zum Fehlen einer Übersetzung der Rechtsmittelbelehrung in einer für den Asylwerber verständlichen Sprache hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12. Mai 1999, Zl. 99/01/0191, bereits klargestellt, dass auch in dieser Hinsicht keine Änderung der Rechtslage eingetreten sei. Wenn gemäß § 61 Abs. 2 AVG selbst das vollständige Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung nicht die Ungültigkeit der Zustellung oder die Verlängerung der Rechtsmittelfrist zur Folge habe, dann könne dies umso weniger durch eine fehlende Übersetzung der Rechtmittelbelehrung bewirkt werden.
Bereits in dem zitierten Erkenntnis vom 6. Oktober 1999 wurde aber darauf hingewiesen, dass die im § 18 Abs. 1 zweiter Satz AsylG 1991 gewählte Formulierung ("..., ist eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in dieser Sprache anzuschließen.") im § 29 Abs.1 erster Satz AsylG dahin geändert
wurde, dass "Bescheide ... den Spruch, die Rechtsmittelbelehrung
und den Hinweis nach § 61a AVG ... zu enthalten" haben, allerdings wurde offengelassen, ob und gegebenenfalls inwieweit dadurch eine Änderung der Rechtslage eingetreten ist (vgl. auch Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, 1999, Rz 880 ff).
Rohrböck (a.a.O, Rz 881) ist darin beizupflichten, dass nach dem wiedergegebenen Gesetzeswortlaut auch der Spruch in einer dem Asylwerber verständlichen Sprache Bestandteil des Bescheides ist und dessen Fehlerhaftigkeit eine inhaltliche Rechtswidrigkeit bewirken kann (vgl. in diesem Sinn inzwischen auch das hg. Erkenntnis vom 16. Februar 2000, Zl. 99/01/0435; ferner die hg. Erkenntnisse vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0219, und vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/01/0231, in denen eine Abweichung der übersetzten von der deutschen Fassung des Spruches als Verfahrensfehler behandelt wurde). Welche Rechtsfolgen das - im vorliegenden Fall zu beurteilende - (gänzliche) Fehlen des Spruches in der fremdsprachigen Fassung nach sich zieht, wird von Rohrböck allerdings als "fraglich" offengelassen.
Nach den Gesetzesmaterialien (686 BlgNR 20. GP 27 f) hat die "Ausdehnung der Übersetzungspflicht" in § 29 Abs. 1 AsylG "in rechtsstaatlichen - im näheren in rechtsschutzstaatlichen - Überlegungen ihren Ursprung und ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass der Betroffene die ihm zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zweckentsprechend wahrnehmen kann." Auch diese dargestellte Absicht des Gesetzgebers lässt erkennen, dass der aufgezeigten Änderung des Gesetzeswortlautes normative Bedeutung zukommen sollte.
Mit der Frage, welche Rechtsfolgen die unterlassene Zustellung einer vorgeschriebenen Übersetzung eines Bescheides nach sich zieht, hatte sich der Verfassungsgerichtshof bei seiner Judikatur zu § 16 des Volksgruppengesetzes, BGBl. Nr. 396/1976, zu befassen (vgl. auch die in der Folge ergangenen hg. Erkenntnisse vom 21. November 1983, Zl. 83/10/0231, und vom 17. Februar 1997, Zl. 95/10/0211). Diese Bestimmung normiert, dass (unter anderem) Entscheidungen, die zuzustellen sind und die in der Sprache einer Volksgruppe eingebrachte Eingaben oder Verfahren betreffen, in denen in der Sprache einer Volksgruppe bereits verhandelt worden ist, in dieser Sprache und in deutscher Sprache auszufertigen sind. Diese Anordnung verstand der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 1983, B 499/82, VfSlg. 9744, dahin, dass erst mit Zustellung des Bescheides in beiden Sprachen, d.h.
sowohl in der Staatssprache als auch in der Volksgruppensprache,
eine ordnungsgemäße "Zustellung" im Sinne des Volksgruppengesetzes
vorliege, welche die Rechtsmittel-(Einspruchs-)Frist in Gang setze
(vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom
1. Juli 1983, B 457/82, VfSlg. 9752). In seinem Erkenntnis vom
26. September 1994, B 771/94, VfSlg. 13.850, verwies der
Verfassungsgerichtshof auf das Erkenntnis VfSlg. 9744/1983, wonach
"erst mit Zustellung des Bescheides ... in beiden Sprachen, d.h.
sowohl in der Staatssprache als auch in der Volksgruppensprache,
... eine ordnungsgemäße 'Zustellung' im Sinne des
Volksgruppengesetzes vorliege, welche die Rechtsmittel - ..Frist in Gang setze", und folgerte daraus für den dort zu beurteilenden Fall, dass die Zustellung der Erledigung nur in kroatischer Sprache nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Zwar könne eine Beschwerde gegen einen Bescheid bereits erhoben werden, bevor er dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden sei, doch müsse er überhaupt erlassen, d.h. einer (anderen) Partei zugestellt oder verkündet worden sein. Davon könne im Beschwerdefall nach der Aktenlage keine Rede sein, weshalb die Beschwerde mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückgewiesen wurde.
Diese Überlegungen lassen sich zumindest der Art nach auch auf den vorliegenden Fall des Fehlens der vorgeschriebenen Übersetzung des Spruches als (notwendigen) Bescheidbestandteil übertragen. Allerdings wurde der hier angefochtene Bescheid - anders als in dem Fall, der dem zuletzt referierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zugrunde lag - einer anderen Partei, nämlich dem Bundesasylamt (vor Erhebung der Beschwerde) zugestellt. Dass (auch) diese Ausfertigung des Bescheides keine Übersetzung des Spruches enthielt, ändert schon deshalb nichts an der Rechtswirksamkeit dieser Zustellung, weil § 29 Abs. 1 erster Satz AsylG teleologisch dahin zu reduzieren ist, dass die dort vorgeschriebene Übersetzung des Spruches nur dann die Rechtmäßigkeit der Zustellung (Erlassung) des Bescheides berühren kann, wenn dem Empfänger die deutsche Sprache nicht verständlich ist. Der in Rede stehende Bescheid der belangten Behörde war daher jedenfalls wirksam erlassen, sodass der Beschwerdeführer dagegen auch Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof führen konnte, mag der Bescheid ihm gegenüber auch noch nicht rechtswirksam - jedenfalls nicht mit der Wirkung des Beginns der Beschwerdefrist - zugestellt worden sein. Der vom Beschwerdeführer in Ansehung der fehlenden Übersetzung des Spruches erhobene Einwand geht somit im vorliegenden Fall ins Leere.
2.1. Der Beschwerdeführer vertritt weiters die Auffassung, die Zurückziehung seines Asylantrages sei nicht rechtswirksam. Die Rückziehung des Antrages auf Asylgewährung sei in dieser Form "nicht gesetzlich" vorgesehen, weshalb die belangte Behörde über den Asylantrag meritorisch entscheiden hätte müssen. Der Beschwerdeführer hätte lediglich die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes zurückziehen können, was dessen Rechtskraft bewirkt hätte. Eine derartige Zurückziehung der Berufung liege aber nicht vor. Es komme hier auch "auf die Behördenzuständigkeit" an. Nunmehr habe aber die Bundespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 18. September 2000 im Sinne des § 75 FrG 1997 festgestellt, dass keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer werde in der Türkei im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG 1997 bedroht. Diese Entscheidung über den "renvoi" liege aber kompetenzmäßig bei den Asylbehörden, weshalb die vom Gesetzgeber im Asylgesetz gar nicht vorgesehene Möglichkeit der Zurückziehung eines Asylantrages auch diesen Grundsätzen widerspreche.
2.2. Nach § 23 AsylG findet auf Verfahren nach diesem Bundesgesetz, soweit nicht anderes bestimmt wird, das AVG Anwendung. Nach § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Nach den Gesetzesmaterialien soll die - neu (mit der AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158) eingefügte -
Bestimmung klarstellen, "dass Anträge jederzeit zurückgezogen werden können" (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren13, Anm. 15 zu § 13). Nach der ständigen Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (siehe dazu die Fundstellennachweise bei Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 151 Z 4) konnten aber auch schon vor der Neufassung des § 13 Abs. 7 AVG durch die erwähnte Novelle, die am 1. Jänner 1999 in Kraft getreten ist, Anträge in jeder Lage des Verfahrens bis zur Erlassung des Bescheides, im Fall einer Berufung auch bis zur Erlassung des Berufungsbescheides zurückgezogen werden (hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2000, Zl. 97/12/0185; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1994, Zl. 91/17/0070 mwN). Die dargestellte Rechtslage lässt daher keinen Zweifel, dass auch die Zurückziehung eines Asylantrages, für den - entgegen den Beschwerdeausführungen - insoweit keine abweichenden Regeln bestehen, zulässig und rechtswirksam ist.
Durch die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages wird der Bescheid der Behörde erster Instanz nicht beseitigt, vielmehr hat dies zur Folge, dass für die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes, wie dies die Gewährung von Asyl darstellt (vgl. § 3 AsylG), eine Voraussetzung fehlt; der erlassene Bescheid daher nicht mehr Gegenstand der Rechtsordnung sein darf. Für die belangte Behörde als Berufungsbehörde bestand demnach - was sie auch richtig erkannte - die Pflicht, über die Berufung des Beschwerdeführers zu entscheiden, und zwar in der Form, dass der angefochtene (erstinstanzliche) Bescheid aufgehoben (ersatzlos behoben) wird. Die Berufungsbehörde ist ja allgemein verpflichtet, von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung ihrer Erledigung auszugehen, also das nunmehrige Fehlen des Asylantrages aufzugreifen. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 23. Dezember 1974, Zl. 2052/74, ausgesprochen, dass die Zurückziehung eines Ansuchens nicht - insofern ist der Beschwerde beizupflichten - dem Verzicht auf eine erhobene Berufung gleichkommt und die Berufungsbehörde daher gemäß § 66 Abs. 4 AVG (1950) den von ihr durch eine zulässige und fristgerechte Berufung angefochtenen Bescheid beheben muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. September 1991, Zl. 90/04/0302; vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1999, Zl. 98/07/0181, vom 19. November 1998, Zl. 98/19/0132 und vom 29. Oktober 1996, Zl. 95/07/0227, mwN).
Die belangte Behörde ist daher infolge der (zulässigen) Zurückziehung des Asylantrages zutreffend im Sinne der dargestellten Rechtsprechung mit einer ersatzlosen Behebung des mit Berufung bekämpften Bescheides, dem durch die Antragsrückziehung die Grundlage entzogen wurde, vorgegangen. Dass in einem solchen Fall eine Entscheidung nach § 8 AsylG durch die Asylbehörden nicht mehr möglich ist und für die Erlassung eines Feststellungsbescheides nach § 75 Abs. 1 FrG 1997 die Fremdenbehörden zuständig sind, widerspricht - entgegen den Beschwerdeausführungen - nicht der Absicht des Gesetzgebers. Dazu genügt es, auf die zitierten Bestimmungen zu verweisen (vgl. dazu auch § 57 Abs. 5 FrG).
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der diesbezügliche Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
II. Zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 3. November 2000:
1. Soweit auch in dieser Beschwerde geltend gemacht wird, die Zurückziehung eines Asylantrages sei unzulässig, kann auf die obigen Ausführungen unter Punkt 2.2. verwiesen werden.
Andeutungen im Zuge der Sachverhaltswiedergabe in dieser Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer bei seiner Rückziehungserklärung einem Motivirrtum unterlegen sei, können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die in die Verhandlungsschrift (zu deren Beweiskraft siehe § 15 AVG) aufgenommene Antragsrückziehung erklärt zu haben. Diese Prozesserklärung betreffende Willensmängel (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, Zl. 95/03/0310 mit weiteren Nachweisen) hätten allerdings in der Beschwerde gegen den Bescheid vom 15. Mai 2000 geltend gemacht werden müssen. Das scheint der Beschwerdeführer auch zu erkennen, weil sich diesbezüglich bei Darstellung der Beschwerdegründe keine Ausführungen (mehr) finden. Es bedarf daher dazu keiner weiteren Ausführungen.
2.1. Ausgehend von der - unrichtigen - Auffassung, die Zurückziehung des Asylantrages sei nicht wirksam, folgert der Beschwerdeführer, sein Asylverfahren sei "noch immer unerledigt und offen".
2.2. Auch diesen Beschwerdeausführungen sind die obigen Erwägungen zu I. Punkt 2.2. entgegenzuhalten. Daraus folgt, dass mit der Zurückziehung des Asylantrages und der ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen, den Asylantrag abweisenden Bescheides durch den unabhängigen Bundesasylsenat das Asylverfahren beendet ist, zumal auch die dagegen erhobene, zu I. behandelte Beschwerde erfolglos geblieben ist. Mangels Asylantrages besteht daher keine Grundlage für eine Verfahrensfortführung. Die Behörden haben das Asylverfahren daher zutreffend nicht mehr weitergeführt (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht7, Rz 374 lit. b).
Auch der Beschwerdeführer bezweifelt nicht, dass eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 AsylG nur für die Dauer eines Asylverfahrens in Betracht kommt. Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, dass im vorliegenden Fall die weitere Bescheinigung einer solchen Aufenthaltsberechtigung infolge Beendigung des Asylverfahrens nicht mehr möglich ist, kann schon nach dem Wortlaut des § 19 Abs. 4 AsylG nicht als rechtswidrig erkannt werden.
3. Die Beschwerde moniert weiters, dem Beschwerdeführer sei keine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides zugestellt worden und die mündliche Verkündung sei nur in deutscher Sprache ohne Übersetzung durch den Dolmetsch erfolgt. Dieses Beschwerdevorbringen ist insofern aktenwidrig, als nach dem Inhalt des Protokolls über die Berufungsverhandlung am 3. November 200 (Seite 8) unter anderem auch eine Übersetzung des Spruches und der Begründung des verkündeten Bescheides erfolgte. Die Unrichtigkeit dieser Protokollierung wird aber in der Beschwerde gar nicht behauptet (vgl. § 15 letzter Satz AVG). Andererseits ist dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass der mündlich verkündete Bescheid mittlerweile (am 22. Jänner 2001) schriftlich ausgefertigt und dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt wurde. Diese Bescheidausfertigung enthält im Übrigen eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in die türkische Sprache.
4. Wenn die Beschwerde schließlich die unterbliebene Einvernahme des Bruders des Beschwerdeführers als Verfahrensmangel rügt, ist dem zu entgegnen, dass dem Beweisthema für das vorliegende Verfahren betreffend die weitere Bescheinigung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung keine Relevanz zukommt. Die Frage, welchen Gefahren der Beschwerdeführer "in Bezug auf Leib und Leben" in der Türkei im Falle seiner Abschiebung ausgesetzt wäre, ist für die hier allein maßgebliche Vorfrage, ob das Asylverfahren beendet ist, ohne Bedeutung.
Zusammenfassend ergibt sich, dass auch diese Beschwerde als unbegründet abzuweisen war, wobei von der Einleitung eines Vorverfahrens abgesehen werden konnte (§ 35 Abs. 1 VwGG).
Wien, am 29. März 2001
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Änderung von Anträgen und Ansuchen im BerufungsverfahrenMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseInhalt der Berufungsentscheidung KassationBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:2000200473.X00Im RIS seit
20.06.2001Zuletzt aktualisiert am
27.06.2013