S3 400.337-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Einzelrichter über die Beschwerde von M. R., geb. 1986 alias 1987, StA. Irak alias Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.06.2008, GZ 08 03.582 EAST Ost, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 5 und § 10 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
Der Beschwerdeführer brachte nach seiner illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.04.2008 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.
Bei seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.04.2008 führte der Beschwerdeführer zu seiner Reiseroute aus, er sei am 16.04.2008 gemeinsam mit einem Freund mit dem Taxi von K. im Irak nach Z., einer Grenzstadt zur Türkei, gefahren, aus der Türkei sei er in einem LKW versteckt ausgereist, wobei der LKW circa 30 Stunden lang gestanden sei und der Beschwerdeführer schwankende Bewegungen wahrgenommen habe. Er sei schließlich mit einem LKW nach Österreich eingereist.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer am 07.03.2008 in Griechenland, und zwar in Samos, angehalten und erkennungsdienstlich behandelt wurde.
Das Bundesasylamt richtete am 25.04.2008 ein auf Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung gestütztes Aufnahmeersuchen an Griechenland. Mit einem weiteren Schreiben des Bundesasylamtes vom 27.05.2008 an die griechischen Behörden wurde diesen nunmehr mitgeteilt, dass aufgrund der Verfristung davon ausgegangen würde, dass die Verantwortung für den Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin-Verordnung bei Griechenland liege. Mit Schreiben vom 10.06.2008, eingelangt am 18.06.2008, stimmte Griechenland dem Aufnahmeersuchen gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung nachträglich ausdrücklich zu. Dieses Schreiben endet mit dem Satz: "Please note that this person will be able to submit an asylum-application upon the arrival to our country if he/she wish(es) to do so."
Am 02.05.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass Konsultationen mit Griechenland geführt würden und beabsichtigt sei, den Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen.
Der Beschwerdeführer heiratete 2008 unter Vorlage eines gefälschten irakischen Personalausweises und eines gefälschten irakischen Staatsbürgerschaftsnachweises die österreichische Staatsangehörige
S. K..
Am 19.06.2008 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, im Beisein eines Rechtsberaters einvernommen. Dabei legte er seine Heiratsurkunde, seinen Personalausweis und seinen Staatsbürgerschaftsnachweis vor und beharrte - trotz des Vorhaltes der Fälschung - darauf, dass es sich bei diesen um Originaldokumente handle. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, sein Asylverfahren an Griechenland abzutreten. Er brachte dazu vor, dass er vor einer Woche eine Österreicherin geheiratet habe. Er wolle auf keinen Fall zurück nach Griechenland, weil er von den griechischen Behörden eine Ausreiseaufforderung ausgehändigt bekommen habe. Weiters seien die Feinde seines Vaters in Griechenland aufhältig, dies habe er von einem Mann erfahren, der mit ihm in Griechenland inhaftiert gewesen sei. Schließlich wolle er bei seiner Frau in Österreich bleiben, er liebe sie.
Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer auf der Polizeiinspektion Traiskirchen zum Vorwurf der Urkundenfälschung als Beschuldigter einvernommen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Griechenland gemäß Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 7 Dublin-Verordnung zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist, sowie II. der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Griechenland gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig ist. Dieser Bescheid wurde umfassend begründet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass die Erstbehörde nicht überprüft habe, ob Griechenland tatsächlich ein sicherer Drittstaat sei und die persönliche Sicherheit des Beschwerdeführers gewährleistet sei. Außerdem würden Berichten zufolge Asylwerber in Griechenland rechtswidrig behandelt ("UNHCR - Positionspapier zur Überstellung von Asylsuchenden nach Griechenland nach der Dublin II - Verordnung", April 2008).
2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Beschwerde wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stehen nicht fest. Er wurde laut EURODAC-Treffer am 07.03.2008 in Griechenland nach seiner illegalen Einreise angehalten und erkennungsdienstlich behandelt, bevor er am 22.04.2008 in das österreichische Bundesgebiet einreiste und den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz einbrachte. Es wird weiters festgestellt, dass Griechenland mit Schreiben vom 10.06.2008, eingelangt am 18.06.2008, der Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung nachträglich ausdrücklich zustimmte.
Besondere, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Griechenland sprechen, sind nicht glaubhaft. Dazu wird auf die ausführlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid verwiesen. Insbesondere geht dieser Bescheid detailliert auf das griechische Asylverfahren, den subsidiären Schutz sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung in Griechenland ein.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 4/2008 ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
Nach § 5 Abs. 3 AsylG 2005 ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.
Nach § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn
1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder
2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 75/2007 ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
Nach § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Laut Art. 3 Abs. 2 erster Satz Dublin-Verordnung kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
In den Art. 5ff Dublin-Verordnung werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.
Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 18 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."
Die Beurteilung der Rechtsfrage ergab, dass die Beschwerde zu beiden Spruchpunkten abzuweisen ist:
Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs ist dem Bundesasylamt beizupflichten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Griechenlands ergibt, und zwar gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin-Verordnung.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, dass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates aus diesem Grund wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte. Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei (VwGH 23.11.2006, 2005/20/0444; Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II VO - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff).
Zu einer Verpflichtung Österreichs, von seinem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung Gebrauch zu machen, wird bemerkt:
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Fremdenrechtspaket 2005 führen zu § 5 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes aus (952 BlgNR, XXII. GP):
"Es ist davon auszugehen, dass diese Staaten Asylwerbern ein faires, den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Vorschriften entsprechendes Asylverfahren einräumen. Im zweiten Erwägungsgrund der Präambel zur Dublin-Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die Mitgliedstaaten als "sichere Staaten" - insbesondere die Grundsätze des Non-Refoulements beachtend - für Drittstaatsangehörige ansehen. Daher normiert Abs. 3 eine Beweisregel, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.2.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Im Erkenntnis des VwGH vom 31.3.2005, 2002/20/0582, führt dieser - noch zum AsylG 1997 - aus, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des Dublin-Übereinkommens nicht darauf ankommt, dass dieser Mitgliedstaat dem Asylwerber alle Verfahrensrechte nach Art. 13 EMRK einräumt. Verlangt sei statt einer detaillierten Bewertung der diesbezüglichen Rechtslage des anderen Mitgliedstaats lediglich eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Österreich durch die Überstellung. Dabei ist auf die "real risk" - Judikatur des EGMR abzustellen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Dies wird durch die neue Beweisregel des Abs. 3 für Verfahren nach § 5 hervorgehoben, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Behörde entweder notorisch von solchen Umständen - die nur nach einer entscheidenden Änderung zum jetzigen Zustand im jeweiligen Staat vorliegen können - weiß oder diese vom Asylwerber glaubhaft gemacht werden müssen."
Nach der - zur Vorläuferbestimmung im Asylgesetz 1997 ergangenen - Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH 15.10.2004, G 237/03; 17.6.2005, B 336/05) sehe die Dublin-Verordnung vor, dass jeder Mitgliedstaat - auch wenn ein anderer Mitgliedstaat nach den Kriterien der Verordnung zuständig wäre - einen von einem Drittstaatsangehörigen eingebrachten Asylantrag selbst prüfen könne (Art. 3 Abs. 2). Er werde damit zum zuständigen Mitgliedstaat (sog. Selbsteintrittsrecht). Ein solches Selbsteintrittsrecht sei schon im - noch heute für das Verhältnis zu Dänemark geltenden - Dubliner Übereinkommen vorgesehen gewesen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe zum Dubliner Übereinkommen ausgesprochen, dass derartige Vereinbarungen die Mitgliedstaaten nicht von ihren Verpflichtungen aus der Konvention entbinden (7.3.2000, 3844/98 - T. I. gegen Vereinigtes Königreich; 12.1.1998, 32829/96 - Iruretagoyena gegen Frankreich; 5.2.2002, 51564/99 - Conka gegen Belgien). Im Erkenntnis VfSlg. 16.122/2001 hatte der Verfassungsgerichtshof aus Anlass der Anfechtung des § 5 AsylG in der Stammfassung im Hinblick auf das Dubliner Übereinkommen ausgeführt, dass das dort "in Art. 3 Abs. 4 festgelegte Eintrittsrecht Österreichs als Mitgliedstaat des Dubliner Übereinkommens zwingend zu berücksichtigen" sei. Dieses Eintrittsrecht schaffe "nicht etwa ein durch innerstaatliche Rechtsvorschriften ausschaltbares Recht österreichischer Staatsorgane, die betreffende Asylsache an sich zu ziehen, sondern verpflichtet die zuständige Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung i. S. d. § 5 vorzunehmen und von der Annahme einer negativen Prozessvoraussetzung in der Asylsache abzusehen." Eine "strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 [sei] durch die Heranziehung des Art. 3 Abs. 4 des Dubliner Übereinkommens von der Asylbehörde zu vermeiden". Der Verfassungsgerichtshof ging im Hinblick auf die inhaltlich gleiche Regelung in der Dublin-Verordnung davon aus, dass diese zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung zutreffen.
Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z. B. VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949; 26.7.2005, 2005/20/0224) zeigten die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, dass sich die zur verfassungskonformen Auslegung des § 5 AsylG ergangene Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes auch auf die neue Rechtslage übertragen lasse. So habe der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05, bereits festgehalten, dass eine Nachprüfung durch die österreichischen Behörden, ob ein der Dublin-Verordnung unterliegender Mitgliedstaat für Asylwerber aus Drittstaaten generell sicher sei, nicht zu erfolgen habe, weil die entsprechende Vergewisserung durch den Rat der Europäischen Gemeinschaften ohnedies erfolgt sei. Insofern sei auch der Verfassungsgerichtshof an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben gebunden. Indem die Dublin-Verordnung den Asylbehörden der Mitgliedstaaten aber ein Eintrittsrecht einräume, sei eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall auch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, so sei aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben. Die grundrechtskonforme Interpretation des Asylgesetzes mache eine Bedachtnahme auf die - in Österreich in Verfassungsrang stehenden - Bestimmungen der EMRK notwendig. Die Asylbehörden müssten bei Entscheidungen nach § 5 AsylG auch Art. 3 EMRK berücksichtigen, aus dieser Bestimmung ergebe sich - unbeschadet internationaler Vereinbarungen oder gemeinschaftsrechtlicher Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen - das Erfordernis, auf ein allfälliges Risiko einer Kettenabschiebung bei Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat Rücksicht zu nehmen. Maßgeblich für die Wahrnehmung des Eintrittsrechtes sei, ob eine Gefahrenprognose zu treffen ist, der zufolge ein - über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substanziiertes "real risk" besteht, der auf Grund der Dublin-Verordnung in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber werde trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes im Zielstaat, der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt sein. Diese Grundsätze hätten auch für die Auslegung des § 5 AsylG 2005 weiterhin Beachtung zu finden (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.03.2005, 2002/20/0582). Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, mit § 5 Abs. 3 AsylG 2005 eine "Beweisregel" zu schaffen, die es - im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union vorgenommene normative Vergewisserung - grundsätzlich nicht notwendig mache, die Sicherheit des Asylwerbers vor "Verfolgung" in dem nach der Dublin-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat (insbesondere gemeint im Sinne der Achtung der Grundsätze des Non-Refoulements durch diesen Staat) von Amts wegen in Zweifel zu ziehen. Die damit aufgestellte Sicherheitsvermutung sei jedoch widerlegt, wenn besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen seien, glaubhaft gemacht würden oder bei der Behörde offenkundig seien, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in diesem Mitgliedstaat sprächen. Die Wendung "in der Person des Asylwerbers gelegene besondere Gründe" gleiche schon ihrem Wortlaut nach dem § 4 Abs. 2 AsylG. Zu dieser Bestimmung habe der Verfassungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 15.10.2004, G 237/03, ausgeführt, die Regelung dürfe nicht eng ausgelegt werden und erfasse alle Umstände, die sich auf die besondere Situation des einzelnen Asylwerbers auswirken, daher auch solche, die durch die Änderung der Rechtslage oder der Behördenpraxis bewirkt werden. Der Verwaltungsgerichtshof gehe - mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in den Materialien zum AsylG 2005 - davon aus, dass diese Auslegung auch für § 5 Abs. 3 AsylG 2005 maßgeblich sei. Was die Frage der "Beweislast" anbelange, so sei vorweg klarzustellen, dass bei Vorliegen "offenkundiger" Gründe (vgl. § 45 Abs. 1 AVG; Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I², 1998, E 27 zu § 45 AVG) eine Mitwirkung des Asylwerbers zur Widerlegung der in § 5 Abs. 3 AsylG 2005 implizit aufgestellten Vermutung nicht erforderlich sei. Davon abgesehen liege es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu werde es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstatte, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeuge, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist. Es verstehe sich von selbst, dass bei der Beurteilung, ob die geforderte "Glaubhaftmachung" gelungen ist, der besonderen Situation von Asylwerbern, die häufig keine Möglichkeit der Beischaffung von entsprechenden Beweisen hätten, Rechnung getragen werden müsse. Habe der Asylwerber die oben angesprochenen besonderen Gründe glaubhaft gemacht, sei die dem § 5 Abs. 3 AsylG 2005 immanente Vermutung der im zuständigen Mitgliedstaat gegebenen Sicherheit vor Verfolgung widerlegt. In diesem Fall seien die Asylbehörden gehalten, allenfalls erforderliche weitere Erhebungen (auch) von Amts wegen durchzuführen, um die (nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes erforderliche) Prognose, der Asylwerber werde bei Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat der realen Gefahr ("real risk") einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein, erstellen zu können. Diese Ermittlungspflicht ergebe sich aus § 18 AsylG 2005, die insoweit von § 5 Abs. 3 AsylG 2005 unberührt bleibe.
Im vorliegenden Fall kommt der Asylgerichtshof bei einer Zusammenschau der zur Verfügung stehenden Berichte zur Lage der Asylwerber in Griechenland zu dem Schluss, dass nun keineswegs in allen Fällen eine Überstellung von Asylwerbern nach Griechenland unzulässig und daher ohne weiteres das Selbsteintrittsrecht auszuüben wäre. Es ist vielmehr eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.
Zwar empfiehlt das UNHCR-Positionspapier vom 15.04.2008 betreffend die Rückkehr von Asylwerbern nach Griechenland aufgrund der Dublin-Verordnung den Regierungen, derzeit von einer Rückführung von Asylwerbern nach Griechenland Abstand zu nehmen, weil das griechische Asylwesen mehrere schwere Mängel aufweise, etwa eine unzureichende Personalausstattung der Asylbehörden, eine Praxis der automatischen Inhaftierung der Asylwerber, Einvernahmen in einer unverständlichen Sprache, fehlende Rechtsbelehrung und mangelhafte Versorgung. Die nach dieser Empfehlung des UNHCR entsandte Delegation des schwedischen Migrationsamtes kommt hingegen in ihrem Bericht vom 06.05.2008 zu dem Schluss, dass in Griechenland bei Erwachsenen - zum Unterschied von unbegleiteten Minderjährigen - sowohl die Prüfung von Asylanträgen als auch die Aufnahme von Asylwerbern generell gesehen auf einem akzeptablen Niveau steht. Wesentlich ist für den Asylgerichtshof auch der Umstand, dass in keinem der vorliegenden Berichte Fälle genannt werden, in denen Asylwerber tatsächlich aus Griechenland in ihre Herkunftsländer abgeschoben worden wären, sodass die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Kettenabschiebung unter Verletzung des Refoulementverbotes nicht besteht. Auch die zuständigen Organe der Europäischen Union und der Mitgliedsstaaten teilen diese Einschätzung (z. B. Europäische Kommission, Pressemitteilung vom 09.04.2008; englischer Court of Appeal 14.05.2008, EWCA Civ 464, Jawad NASSARI; belgischer Aliens Litigation Council, 10.04.2008, Nr. 9796; norwegisches Arbeits- und Sozialministerium, 21.07.2008).
Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Griechenland ein und stellte dort noch keinen Asylantrag. Nach den Länderfeststellungen im erstinstanzlichen Bescheid haben Asylwerber, welche im Rahmen eines Aufnahmeverfahrens nach Griechenland überstellt werden, also Personen, die in Griechenland noch nie um Asyl ansuchten, nach erfolgter Überstellung den vollen Zugang zum Asylverfahren. Überdies erklärte sich Griechenland mit der nachträglichen Zustimmungserklärung vom 10.06.2008 auch ausdrücklich bereit, den Beschwerdeführer aufzunehmen und seinen Asylantrag einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen. Da im konkreten Fall ein Asylverfahren noch nicht begonnen wurde, verbieten sich auch spekulative Erwägungen über dessen Ausgang oder über die Erfolgsaussichten des Beschwerdeführers.
Zu einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK wurde erwogen:
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 bis 0219; 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention², 194; Frank/Anerinhof/Filzwieser, Asylgesetz 2005³, S. 282ff).
Im vorliegenden Fall läge ein Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK vor, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet wäre. Doch kann aus folgenden Gründen dahin gestellt bleiben, ob nicht vielmehr eine Scheinehe vorliegt, zumal der Beschwerdeführer auch nach eigenen Angaben seine Ehefrau erst kurz vor der Eheschließung kennenlernte und beide keine gemeinsame Sprache sprechen.
Denn auch im Fall eines Eingriffs in das Grundrecht ergäbe eine Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremden- und Asylwesens (vgl. VwGH 98.09.2000, 2000/19/0043) sowie des wirtschaftlichen Wohles des Landes, dass dieser notwendig und verhältnismäßig ist. Der Beschwerdeführer reiste als 21- oder 22-jähriger Erwachsener am 22.04.2008 illegal in das Bundesgebiet ein und sein Aufenthalt in Österreich stützte sich von Anfang an nur auf den vorliegenden unzulässigen Asylantrag. Er wurde bereits am 02.05.2008 von den österreichischen Behörden darüber informiert, dass beabsichtigt sei, sein Asylverfahren in Griechenland zu führen. Dennoch heiratete er am 12.06.2008 die österreichische Staatsbürgerin Sabine KALB, also zu einem Zeitpunkt, als beide bereits wussten, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet nur mehr von kurzer Dauer sein würde.
Nur der Vollständigkeit halber wird bezüglich des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers ausgeführt, dass dieser eine gesundheitliche Beeinträchtigung seiner Person im Zuge des Verfahrens nicht einmal behauptete.
Der Asylgerichtshof gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.
Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die öffentliche Verkündung des Erkenntnisses hatte gemäß § 41 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 zu entfallen.