TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/29 A5 311334-1/2008

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Veröffentlicht am 29.07.2008
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Spruch

A5 311.334-1/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. SCHREFLER-KÖNIG als Vorsitzende und die Richterin Mag. UNTERER als Beisitzerin im Beisein der Schriftführerin Frau Lachmayer über die Beschwerde der

I. J., geb. 1985, Staatsangehörige von Nigeria gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3.April 2007, Zl. 06 05.228-BAS, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde der I. J. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 wird I. J. der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt.

 

III. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 wird I. J. aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang

 

I.1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 15.5.2006 gemäß § 3 AsylG 2005 abgewiesen und ihr den Status der Asylberechtigten ebenso wie den Staus der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria nicht zuerkannt und diese Entscheidung mit einer Ausweisung verbunden.

 

I.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

 

I.3. Mit Einrichtung des Asylgerichthofes am 1.7.2008 ging gegenständliche Angelegenheit in die Zuständigkeit des nunmehr erkennenden Senates über.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:

 

II.2. Zur Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin

 

Die Beschwerdeführerin trägt den im Spruch angeführten Namen und ist Staatsangehörige von Nigeria.

 

Sie reiste am 15.5.2006 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz. Bei der niederschriftlichen Erstbefragung, die am 18.5.2006 stattfand, gab die nunmehrige Beschwerdeführerin gegenüber einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, ihre Mutter sei Mitglied der Azigidi- Geheimgesellschaft und habe sie als erstgeborene Tochter der Tradition entsprechend für ein Opferritual darbringen wollen. Die nunmehrige Beschwerdeführerin habe seit ihrem 19. Lebensjahr bei ihrer Großmutter gelebt und im April 2006 von ihrer Schwester erfahren, dass ihre Mutter sie opfern wolle. Dasselbe habe sie während einer Versammlung ihrer Mutter und deren Freundinnen gehört. Aus diesem Grund sei sie geflüchtet.

 

Am 22.5.2006 führte die belangte Behörde eine niederschriftliche Einvernahme mit der nunmehrigen Beschwerdeführerin durch. Dabei betonte die Genannte, ihre Heimat aufgrund von Problemen mit ihrer Mutter verlassen zu haben. Diese sei Mitglied der Azigidi-Gesellschaft gewesen und habe sie für die Rituale ihrer Gesellschaft benötigt. Die Beschwerdeführerin habe in dieser Zeit bei ihrer Großmutter gelebt und sei von ihrer Mutter im Februar 2006 aufgefordert worden, an einer Party teilzunehmen. Die Schwester der Beschwerdeführerin habe die Genannte aber gewarnt, dass es gar keine Party geben solle, sondern die Beschwerdeführerin als Opfer dargebracht werden sollte. Bei der Party seien die Frauen alle in rot- grüne Gewänder gehüllt gewesen und habe die Beschwerdeführerin gehört, dass sie geopfert werden sollte. Darauf hin sei sie aus dem Haus gelaufen und mit dem Bus nach Lagos zu ihrer Tante gefahren. Da sie diese aber nicht sofort finden habe können, habe sie auf der Straße genächtigt und sei von der Polizei vier Tage angehalten worden. Die Polizistin, der die Beschwerdeführerin von ihren Problemen berichtet habe, habe sie sodann zur Tante gebracht. Diese habe ihr aber mitgeteilt, dass sie hier nicht sicher sei, da die Mutter in Begleitung der Polizei bereits nach ihr gesucht hätte. Im Fall ihrer Rückkehr befürchte sie, von ihrer Mutter getötet zu werden.

 

Am 27.3. 2007 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführerin vor der belangten Behörde statt. Dabei bestätigte die Genannte zunächst ihre persönlichen Daten und bekräftigte, gesund zu sein und in Österreich mit einer Freundin zusammenzuleben. Über Nachfrage der belangten Behörde gab die nunmehrige Beschwerdeführerin zu Protokoll, bei ihrer Großmutter gelebt zu haben, weil diese alt sei und jemanden brauche, der bei ihr lebe. Wovon ihre Mutter gelebt habe, wisse die Genannte nicht so genau, sie sei viel auf Parties gegangen und habe Kleider verkauft, sei aber eigentlich Farmerin gewesen. Zu ihren Fluchtgründen gab die nunmehrige Beschwerdeführerin an, von ihrer Mutter als Opfer für ein Ritual der Azigidi-Geheimgesellschaft ausgewählt worden zu sein.

 

Die belangte Behörde wies den Antrag der nunmehrigen Beschwerdeführerin ab und begründete ihre Entscheidung zusammengefasst mit der fehlenden Glaubwürdigkeit der Angaben der Genannten. Das Vorbringen über die mit einem Kult zusammenhängenden grausamen Praktiken wiederhole sich ungewöhnlich häufig und habe das Bundesasylamt deshalb im Fall der nunmehrigen Beschwerdeführerin eine einschlägige und spezialisierte landeskundliche Feststellung zu diesem Thema eingeholt und dieser diese auch zur Kenntnis gebracht. Demnach hätten keine Quellen ermittelt werden können, denen zufolge in Nigeria Menschen überdurchschnittlich oft aus religiös motivierten Gründen getötet bzw. die Behörden bei Bekannt werden solcher Straftaten keine Maßnahmen setzen würden. Die Recherche im Zusammenhang mit der Azigidi-Gesellschaft hätte keine Hinweise auf Menschenopfer oder Tötungsdelikte ergeben. Zudem seien die Angaben der Beschwerdeführerin oberflächlich geblieben und auch widersprüchlich gewesen.

 

Die Beschwerdeführerin bekämpfte die Entscheidung fristgerecht mittels Berufung (ab 1.7.2008 als Beschwerde zu bezeichnen) und verwies darauf, dass der Alltag großer Bevölkerungsteile Nigerias mit Mythen und Geisterglauben verbunden sei und derartige spirituelle Vorgaben als real empfunden würden. Zur Untermauerung ihrer Angaben verwies die Genannte weiters auf einen ACCORD-Länderbericht aus dem Jahr 2004 und beantragte eine Prüfung der Frage, ob der nigerianische Staat in der Lage und willens sei, dem Sektenunwesen in Nigeria wirksam beizukommen. Zum Beweis ihrer Glaubwürdigkeit beantragte die Beschwerdeführerin weiters die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

 

Mit Schreiben vom 16.4.2008 teilte das Bundesasylamt mit, dass die Beschwerdeführerin in Österreich als Prostituierte tätig sei.

 

II.3. Zur Lage in Nigeria

 

Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria decken sich mit dem Amtswissen des Asylgerichtshofes und werden zum Gegenstand dieses Erkenntnisses erklärt.

 

II. 4. Rechtliche Beurteilung und Beweiswürdigung:

 

II.4.1. Gemäß § 28 Abs. 1 AsylGHG, BGBl.I Nr. 2008/4 nimmt der Asylgerichtshof mit 01.07.2008 seine Tätigkeit auf. Das Bundesgesetz über den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG), BGBl. I Nr. 77/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2005, tritt mit 01.07.2008 außer Kraft.

 

II.4.2. Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof, sofern sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

II.4.3. Gemäß § 9 leg.cit. entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, sofern bundesgesetzlich nicht die Entscheidung durch Einzelrichter oder verstärkte Senate (Kammersenate) vorgesehen ist.

 

II.4.4. Gemäß § 61 Abs. 1 AsylG entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes. Gemäß Abs. 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4, wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG sowie über die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

II.4.5. Gemäß § 75 Abs. 7 AsylG 2005 sind am 1.7.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängigen Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, sind von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes zuständigen Senat weiterzuführen.

 

Verfahren gegen abweisende Bescheide, die von nicht zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannten Mitgliedern des Unabhängigen Bundesasylsenates geführt wurden, sind nach Maßgabe der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofes vom zuständigen Senat weiterzuführen.

 

II.4.6. Gemäß § 41 Abs.7 AsylG 2005 kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 67d AVG.

 

II.4.7. Gemäß § 18 Abs. 1 AsylG 2005 haben das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Beweismittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amtswegen beizuschaffen. Gemäß Abs. 2 ist im Rahmen der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Asylwerbers auf die Mitwirkung im Verfahren Bedacht zu nehmen.

 

II.4.8. Gemäß § 15 AsylG 2005 hat ein Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken; insbesondere hat er ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Weiters hat er bei Verfahrenshandlungen und Untersuchungen durch einen Sachverständigen persönlich und rechtzeitig zu erscheinen, und an diesen mitzuwirken sowie unter anderen auch dem Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof alle ihm zur Verfügung stehenden Dokumente und Gegenstände am Beginn des Verfahrens, oder soweit diese erst während des Verfahrens hervorkommen oder zugänglich werden, unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind.

 

Zu Spruchpunkt I

 

II.4.9. Gemäß § 66 Abs.4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Auf die unter II.4.2 zitierte Bestimmung des § 23 AsylGHG, demzufolge die Bestimmungen des AVG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, wird hingewiesen.

 

II.4.10. Gemäß § 3 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich eine Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatssicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist und glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

 

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK (idF des Art. 1 Abs.2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. z.B. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde.

 

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/011). Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH 26.2.1997, 95/01/0454; 9.4. 1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr -Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; vgl. auch VwGH 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose.

 

Verfolgungshandlungen, die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. dazu VwGH 9.3.1999, 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99720/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorherigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH 16.6.1994, 94/19/0183; 18.2.1999, 98/20/0468). Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 9.3.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

II.4.11. Im gegenständlichen Fall liegen die unter Punkt II.4.6 bis II.4.8 genannten Voraussetzungen des § 41 Abs.7 AsylG 2005 für den Entfall einer mündlichen Verhandlung vor. Das Bundesasylamt hat ein im beschriebenen Sinne ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und enthält der Beschwerdeschriftsatz zudem kein Vorbringen, das geeignet wäre, die in der schlüssigen Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids zum Ausdruck kommende Beurteilung der belangten Behörde zu entkräften oder in Zweifel zu ziehen. Der verfahrensrelevante Sachverhalt ist daher nach dem Dafürhalten des Asylgerichtshofes als aus der Aktenlage geklärt anzusehen.

 

II.4.12. Der Asylgerichtshof schließt sich somit unter Abstandnahme einer mündlichen Verhandlung der Beurteilung der belangten Behörde an und kommt zum Ergebnis, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin keine Asylrelevanz im oben beschriebenen Sinne zukommt.

 

Zunächst ist festzuhalten, dass die Angaben der Beschwerdeführerin während des gesamten Verfahrens ausgesprochen vage und oberflächlich blieben und die Genannte auf Detailfragen der belangten Behörde ausweichend reagierte, so dass aufgrund dieses Antwortverhaltens der Eindruck entstanden ist, dass sie das Geschilderte nicht in dieser Form erlebt hat.

 

Hinzu treten Widersprüche und Ungereimtheiten, wie etwa im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt, zu dem die Beschwerdeführerin von ihrer angeblichen Opferung erfahren haben will. So hatte sie etwa bei der ersten niederschriftlichen Befragung noch von April 2006 gesprochen, während sie gegenüber der belangten Behörde dann Februar 2006 angab. Es ist für den Asylgerichtshof nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin zwar bereits von ihrer Schwester gewarnt worden sein soll, der Einladung ihrer Mutter zu einer Party Folge zu leisten, diese aber trotz des Wissens, dort als Opfer für ein Ritual vorgesehen zu sein, besucht haben will. Die Beschwerdeführerin vermochte während des gesamten Verfahrens nicht zu erklären, warum sie sich also freiwillig in eine solch gefährliche Situation begeben hat.

 

Weiters erscheint es wenig glaubwürdig, dass die Beschwerdeführerin zwar einerseits behauptete, in Lagos von der Polizei festgehalten und von der Behörde dann letztlich zu ihrer Tante gebracht worden zu sein, andererseits aber betonte, bei ihrer Tante nicht sicher zu sein, weil diese ihr erzählt habe, dass die Mutter bereits in Begleitung der Polizei nach ihr gesucht habe. Soweit die Beschwerdeführerin damit eine Unterstützung der geplanten kriminellen Aktivitäten ihrer Mutter seitens der Polizei andeuten wollte, erscheint es unlogisch, dass die Polizei dann gleichzeitig von sich aus die Beschwerdeführerin zum Schutz vor der Mutter zur Tante geleitet haben soll, nur um sie dort in weiterer Folge wieder abzuholen.

 

Vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen, die die belangte Behörde aus Anlass des Falls der Beschwerdeführerin beauftragt und getroffen hat, ergibt sich ebenso wenig ein Anhaltspunkt für die Glaubwürdigkeit der Angaben der Genannten. Zwar existieren in Nigeria Geheimbünde und ist auch die von der Beschwerdeführerin genannte Organisation begrifflich bekannt, jedoch können Tötungsdelikte und daran anknüpfende behördliche Schutzunwilligkeit oder Schutzunfähigkeit im Rahmen von Ritualen nicht bestätigt werden. Der Hinweis der Beschwerdeführerin im Berufungs(Beschwerde)schriftsatz, dass der Glaube in Nigeria an Kulte und Geheimgesellschaften gegeben sei, mag zwar den Tatsachen entsprechen, ändert aber nichts an der Beurteilung, dass der subjektive Glauben an übernatürliche Kräfte und Rituale allein nicht ausreicht, eine dem Staat zurechenbare religiös motivierte Verfolgung von Teilen der Bevölkerung anzunehmen. Eine solche vermochte der Asylgerichtshof auf dem Boden der von der Beschwerdeführerin nicht ansatzweise entkräfteten gegenständlichen Länderfeststellungen nicht zu erkennen.

 

Insgesamt liegen daher -losgelöst von der Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin - die eingangs beschriebenen Voraussetzungen für eine Asylgewährung nicht vor.

 

Zu Spruchpunkt II

 

II.4.13. Gemäß § 8 Abs.1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

II.4.14. Der Asylgerichtshof hat somit zu klären, ob im Falle der Verbringung des Berufungswerbers in sein Heimatland Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 (Verbot der Folter) oder das Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer aktuellen Bedrohung der relevanten Rechtsgüter, hinsichtlich derer der Staat nicht willens oder nicht in der Lage ist, Schutz zu bieten, glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (VwGH 26.6.1997, 95/18/1291; 17.7.1997, 97/18/0336).

 

Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind, und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.9.1993, 93/18/0214).

 

Es ist während des gesamten Verfahrens kein Anhaltspunkt hervor gekommen, der die Rückführung der Beschwerdeführerin aus einem der genannten Gründe unzulässig erscheinen lässt.

 

Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Beweisverfahrens kann somit nicht angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in ihr Herkunftsland einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein könnte, sodass die Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde. Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen als gesichert angenommen werden. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um eine junge Frau, frei von existenzbedrohenden Erkrankungen, mit Schulbildung, von der die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben durchaus vorausgesetzt und auch erwartet werden kann.

 

Die Beschwerdeführerin behauptet oder bescheinigt auch keinen sonstigen auf ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand", der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm § 8 Abs. 1 AsylG darstellen könnte.

 

Soweit von der Unglaubwürdigkeit der Angaben der Genannten auszugehen ist, ergibt sich für den Asylgerichtshof kein Anhaltspunkt, der gegen eine Rückkehr der Antragstellerin in ihren Familienverband spricht, so dass jedenfalls auch vom Bestehen eines sozialen Netzwerkes ausgegangen werden kann.

 

Zu Spruchpunkt III

 

II.4.15. Gemäß §10 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen unzulässig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Es liegen keine Gründe im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG vor, die einer Ausweisung entgegenstehen. Weder verfügt die Beschwerdeführerin über einen nicht nach dem AsylG erteilten Aufenthaltstitel, noch gelten Umstände als verwirklicht, die auf eine Verletzung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schließen lassen, dessen Voraussetzungen bereits durch die belangte Behörde geprüft und verneint wurden.

 

Im Zusammenhang mit der vorzunehmenden Interessenabwägung ist im Fall der Beschwerdeführerin weiters zu beachten, dass sie in Österreich der Prostitution nachgeht und ihr Aufenthalt im Bundesgebiet knapp mehr als zwei Jahre beträgt.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, staatlicher Schutz
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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