TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/29 C4 309889-1/2008

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Veröffentlicht am 29.07.2008
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Spruch

C4 309.889-1/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Schlaffer als Einzelrichter über die Beschwerde des Z.J., geb. 00.00.1977, StA. China, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.02.2007, FZ. 07 00.800 - EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. 1991/51 idgF (AVG) ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Beschwerdeführer, ein chinesischer Staatsangehöriger, stellte erstmals am 29.11.2004 einen Asylantrag.

 

Gleichzeitig mit seinem schriftlichen Asylantrag legte der Beschwerdeführer eine Vollmacht vor, in der es wörtlich heißt: "Ich, Z.J., erteile Herrn B.A. die Vollmacht, sämtliche im Asylverfahren an mich gerichtete Schriftstücke in Empfang zu nehmen. Sollte ich je in Schubhaft kommen, dann ermächtige ich ihn oder eine von ihm bezeichnete Person, meine Interessen gegenüber der Fremdenpolizei zu vertreten."

 

Im schriftlichen Asylantrag heißt es in diesem Zusammenhang:

"Zustellvollmacht: B.A., MIGRANTINNENVEREIN ST. MARX, MIVE 03, Columbusgasse 53, 1100 Wien."

 

Am 16.01.2006 übermittelte Herr B.A. dem unabhängigen Bundesasylsenat per Fax ein Schreiben, in dem er - ohne sich auf das konkrete Verfahren zu beziehen - erklärte, mit sofortiger Wirkung sowohl seine Funktion im MigrantInnenverein St. Marx, als auch sämtliche ihm erteilte Zustellvollmachten zurückzulegen. Zustellungen an ihn seien am Vereinssitz nicht mehr möglich.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.06.2006, Zahl: 04 24.224-BAW, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997, BGBl I 1997/76 idgF, ab (Spruchpunkt I), erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Volksrepublik China gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Volksrepublik China aus. Begründend führte das Bundesasylamt aus, das Vorbringen hinsichtlich des Fluchtgrundes des Beschwerdeführers sei aus näher dargestellten Gründen unglaubwürdig.

 

Der Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.06.2006, Zahl: 04 24.224-BAW, wurde dem "MigrantInnenverein St. Marx, Mive 03" an der Adresse Columbusgasse 53, 1100 Wien am 23.06.2006 "zugestellt".

 

Am 23.01.2007 brachte der Beschwerdeführer einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Der (zweite) Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 05.02.2007, Zahl: 07 00.800-EAST-Ost, gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Volksrepublik China ausgewiesen.

 

Der Bescheid wurde vom Beschwerdeführer am 07.02.2007 persönlich übernommen. Er erhob am 13.02.2007 rechtzeitig das Rechtsmittel der "Berufung" (nunmehr "Beschwerde"), wiederholte darin sein Vorbringen bezüglich der Verfolgung von Anhängern der Falun Gong Bewegung und bezüglich der psychischen Erkrankung seiner Eltern und bat abermals ausdrücklich um Asylgewährung.

 

Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26.02.2007, Zahl: 309.889-1/2E/II-06/07, wurde der "Berufung" gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Durchführung des materiellen Verfahrens an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

Gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates erhob der Bundesminister für Inneres beim Verwaltungsgerichtshof Amtsbeschwerde .

 

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.01.2008, Zahl 2007/20/0520, hob der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 Abs. 7 des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 (AsylG 2005) sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit c und Z 2 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und die damit verbundene Ausweisung durch Einzelrichter.

 

Gemäß § 23 des Asylgerichtshofgesetzes, BGBl. I 4/2008 (AsylGHG), sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, außer den in Abs 2 leg cit genanten Fällen, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 und 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Im vorliegenden Fall ist Sache des Berufungsverfahrens somit die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung des (zweiten) Antrages wegen entschiedener Sache. Die Rechtsmittelbehörde darf nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung (wegen entschiedener Sache) durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist und hat dementsprechend entweder - im Falle des Vorliegens entschiedener Sache - das Rechtsmittel abzuweisen oder - im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung - den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den gestellten Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (VwSlg 2066A/1951, VwGH vom 30.5.1995, 93/08/0207; Walter-Thienel, Verwaltungsverfahren2, 1433 mwH).

 

Voraussetzung für eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache ist also, dass bereits eine rechtskräftige Entscheidung betreffend einen Asylantrag bzw. Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vorliegt. Demzufolge ist vorab zu klären, ob eine rechtswirksame Zustellung des Bescheides vom 21.06.2006, Zahl 04 24.224-BAW, gegeben ist, da bei Fehlen einer rechtswirksamen Zustellung mangels Erlassung eines Bescheides über die "Sache", also den Antrag auf internationalen Schutz, noch nicht rechtskräftig entschieden wurde und dementsprechend eine Zurückweisung wegen "entschiedener Sache" unzulässig ist.

 

Das Bundesasylamt hat den Bescheid vom 21.06.2006, Zahl 04 24.224-BAW, dem MigrantInnenverein St. Marx, Mive 03 "zugestellt", obwohl an diesen Verein seitens des Beschwerdeführers keine Vollmacht erteilt worden war. Die dem Akt inliegende Vollmacht wurde ausdrücklich Herrn B.A. erteilt, nicht jedoch dem MigrantInnenverein St. Marx, Mive 03. Gleiches ergibt sich aus dem schriftlichen Asylantrag. Der MigrantInnenverein St. Marx, Mive 03 scheint in beiden Schriftstücken bloß als Adresse, an der dem Bevollmächtigten zugestellt werden könne, auf, nicht jedoch als Bevollmächtigter selbst. Demzufolge liegt aber keine rechtswirksame Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 21.06.2006, Zahl 04 24.224-BAW, vor, zumal auch überhaupt kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass eine Heilung des Zustellmangels in Betracht käme.

 

Da somit der Bescheid des Bundesasylamtes vom 21.06.2006, Zahl 04

24. 224-BAW, mangels rechtswirksamer Zustellung nicht erlassen wurde, durfte die Behörde erster Instanz den (neuerlichen) Antrag auf internationalen Schutz vom 23.11.2007 nicht wegen entschiedener Sache zurückweisen, weshalb mit Behebung des angefochtenen Bescheids vorzugehen war.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Bescheidbehebung, Vollmacht, Zustellmangel, Zustellung
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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