TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/30 D3 303863-1/2008

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Veröffentlicht am 30.07.2008
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Spruch

D3 303863-1/2008/14E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Clemens Kuzminski als Einzelrichter über die Beschwerde des A.T., geb. 00.00.1957, StA. Aserbaidschan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.07.2006, FZ. 05 04.050-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.05.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und des A.T. gemäß § 7 AsylG 1997 idF BGBl 101/2003 der Status der des Asylberechtigten zuerkannt.

 

Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass A.T. damit Kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Der Berufungswerber, ein aserbaidschanischer Staatsangehöriger, gelangte am 23.03.2005 gemeinsam mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern F. und Z. nach Österreich. Am 29.03.2005 erfolgte auf der Erstaufnahmestelle West die erste Einvernahme des Asylwerbers. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen kursorisch befragt an, dass er am 00.00.2003 bei einem Meeting gewesen sei und als politischer Flüchtling hierher gekommen sei. Da sich Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit Deutschlands für das gegenständliche Asylverfahren ergeben hatten, beabsichtigte die Erstbehörde zunächst, den Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen und den Asylwerber nach Deutschland auszuweisen.

 

Am 31.03.2005 wurde die gesamte Familie durch die Erstaufnahmestelle West ein zweites Mal einvernommen, wobei der Antragsteller Folgendes angab:

 

Ich bin aus politischem Grund gekommen. Ich bin Mitglied der Musavat-Partei. Ich hatte dadurch in Aserbaidschan ein großes Problem. Bei uns fanden am Hauptplatz eine Demonstration statt und ich nahm daran teil. Einen Tag vorher fanden die Präsidentenwahlen statt. Diese Wahlen waren unkorrekt. Wir wollten dagegen protestieren und die Stimmen für das Volk abgeben. Wir haben das organisiert. Wir haben uns dort versammelt eingefunden. Dieser Platz wurde eingekreist von diversen Polizisten und Sicherheitskräften (auch maskiert). Unser Ziel war ruhig unsere Vorstellungen und Ziele darzustellen. Wir haben 200 - 300 Menschen erblickt, die meiner Meinung nach Söldner in Zivilkleidung waren, die sich die Regierung angemietet hat. Diese waren mit verschiedenen Stöcken und Steinen bewaffnet und begannen tätlich zu werden. Weil auch diese Polizeitruppe diese Menschen vorgelassen haben bis zum Zentrum des Platzes. Sie begannen zu randalieren und zu schlagen. Sie begannen auf die Autos einzuschlagen und die Auslagenscheiben einzuschlagen. Sie haben derart Unruhe gestiftet, dass es zu einer Schlägerei gekommen ist, sodass die offiziellen Truppen eingreifen mussten. Es kam zu einer Panik unter den Menschen. Alles begann zu laufen. Am Nachmittag habe ich gesehen wie ein Junge von einem Soldaten verprügelt wurde. Ich habe gesehen, dass es mein Sohn war. Ich erkannte ihn am Jogging-Anzug. Dieser Sicherheitsmann begann in weiterer Folge, als ich ihn fragte, warum er auf das Kind losgegangen ist, auf mich einzuschlagen. Ich war in Panik und dachte, dass mein Sohn stirbt, da ich wusste, dass er chronischer Epileptiker seit Geburt ist. Er lag im Blut auf dem Boden. Ich habe immer ein Messer in meiner Hose und habe das Messer herausgezogen und den Soldaten bedroht und so verletzt, dass er in weiterer Folge verstorben ist. Ich habe gespürt, dass ich ihn erwischt habe, da er sich an den Hals gegriffen hat und habe das Blut gesehen. Ich habe in meiner Angst nur meinen Sohn retten wollen und habe meinen Sohn ca. 50 Meter weit zu einem Brunnen gezogen und habe ihn gewaschen. Er hat die Augen geöffnet und bin zu dem von mir Verletzten gelaufen. Ich sah, wie er zu Boden ging. Ich wollte ihn nicht so arg verletzten. Es in in diesem Tumult passiert. Ich sah damals keinen anderen Ausweg, weil ich so Angst um meinen Sohn gehabt habe, dass er stirbt. Dann hat mich jemand gerufen. Ich sah, dass es ein Freund von mir war und habe ihm alles erklärt. Ich habe mit ihm beraten, dass er mich nach Hause bringt, da es zu gefährlich wäre, ins Krankenhaus zu gehen. Wir haben uns dort in seiner Wohnung versteckt, im ersten Stock. Ich habe meinem Freund erzählt, dass ich nicht weiß, was ich machen soll. Ich wusste nicht, was mit dem Polizisten passiert ist, der vom Innenministerium war. Die erste Nacht haben wir dort übernachtet. Am nächsten Tag ging ich um etwas zu erfahren. Am gleichen Tag fuhr mein Freund zu meiner Familie um sie auch abzuholen und ihnen zu erzählen, was passiert ist. Ich hatte einen befreundetet Kriminalbeamten, der in die Wohnung gekommen ist. Dieser versprach mir, dass er mir helfen wird, weil ich ihm auch schon einmal geholfen habe. Ich erzählte ihm was passiert ist und dass jemand umgekommen ist und das ich nicht weiß, was ich jetzt machen soll. Er teilte mir mit, dass die Polizei alles aufgenommen hat und gefilmt hat. Auch Journalisten haben alles gefilmt. Die ganze Welt wird davon erfahren. Es hat geheißen, dass ich gefunden werden muss und auch meine Familie, denn wenn ich nicht auftauche, wird meine Familie bedroht werden. Er versprach mir, dass er mir helfen wird und er hat mir dann zur Flucht verholfen. Ich habe einmal seine Tochter vor dem Ertrinken gerettet. Am Abend kam ein Auto und hat uns weggebracht.

 

Am 19.4.2005 wurde der Antragsteller durch die Erstaufnahmestelle

West nochmals wie folgt einvernommen:

 

F: Sie haben bei der ärztlichen Untersuchung angegeben, dass sie geschlagen wurden. Wann und wo war das genau?

 

A: Das war im Mai 2000. Ich war Mitglied bei der Muasavat-Partei. Ich war 15 Tage im Gefangenhaus in Haft.

 

F: Können Sie genauer erklären, was dabei passiert ist?

 

A: Mit einem Stock schlugen sie mich auf die Brust, Kopf, Rücken, Ohrbereich. Mit den Fäusten schlugen sie mich (AW deutet auf den Ohrbereich), damit meine Gesundheit gefährdet ist. Seitdem höre ich schlechter. Viele meiner Organe sind seit diesen Schlägen gefährdet. Ich kann nicht mehr denken und bin seitdem vergesslich geworden. Zum Beispiel konnte ich nicht einmal meinen eigenen Sohn, der aus Aserbaidschan ist und hier bei mir lebt, damals in Aserbaidschan erkennen.

 

F: Warum wurden sie im Mai 2000 festgenommen?

 

A: Ich war bei der Musavat-Partei Mitglied. Deshalb wurde ich festgenommen. Das ist eine oppositionelle Partei.

 

F: Wie genau passierte das?

 

A: Ich wurde, wie erwähnt, 2000 bei der Partei Musavat Mitglied. Wir haben für unser Partei unter der Bevölkerung geworben. Ich habe bei den Versammlungen teilgenommen. Als ich 2000 bei der Bevölkerung um Wähler auf einem Boulevard geworben habe, kamen Polizisten, die Leute gingen weg und die Polizisten verlangten von mir einen Ausweis. Ich habe dem Beamten erzählt, dass ich ein Mitglied der Musavat Partei bin. Die Beamten haben mich im Gewand festgehalten und beschimpfen mich und fragten mich, warum ich bei der Bevölkerung für die Oppositionspartei werbe. Sie haben mich mit einem Jeep zur Polizeistation gebracht. Obwohl ich dem Beamten erzählt habe, dass wir in einem demokratischen Land leben und ich Mitglied der Opposition sein kann, haben mich die Beamten bedroht und sagten, dass sie die Wurzeln der Oppositionspartei vernichten werden. Sie sagten weiters, dass wir gegen die Regierungspartei kämpfen und wir auch vernichtet gehören. Die Regierung ist eine Mafia. Sie sperrten mich ein. Jeden Tag haben sie mich aus der Zelle geholt und mich geschlagen. Sie haben mir ein starkes Licht gegen die Augen gerichtet, damit ich die Beamten nicht sehen konnte. Sie schlugen immer wieder auf mich ein. Ich konnte nicht sehen, wann die Schläge gekommen sind und von wem. Sie schlugen gegen den Kopf und den ganzen Körper. Ich fragte immer wieder, warum ich diese Schläge bekomme. Für die war ein Mensch nicht wichtig. Ob ich lebe war nicht wichtig. Sie wollten nur, dass ich für diese Partei nicht mehr kämpfe. Nach der Bewusstlosigkeit bekam ich einen Kübel Wasser über meinen Körper und Gesicht. Ich lag am Boden. Manchmal wachte ich auf, war wie ein Toter und sah, dass ich in der Zelle am Boden lag.

 

F: Wurden Sie in Deutschland auch schon behandelt?

 

A: In Deutschland war ich öfters beim Arzt und erklärte dort, dass ich vergesslich bin. Ich ersuchte, dass ich zu einem Psychologen geschickt werde. Ich wurde aber nicht behandelt und bekam keine Medikamente. Ich wurde nur von einem Mediziner und nicht von einem Psychologen behandelt. Er diagnostizierte an meinem Ohr eine Beschwerde und Gehörlosigkeit. Meine Beschwerden sind Gehörlosigkeit und es summt im Ohr. Dadurch ist mein Nervensystem durcheinander. Wenn sie mich ansehen, werden sie erkennen, dass eine Gesichtshälfte anders ist als die Andere (Lähmungserscheinungen). Der AW wird nochmals zur ärztlichen Untersuchung mit einem Dolmetscher zugewiesen.

 

F: Warum haben sie bei den vorherigen Einvernahmen die Festnahme im Mai 2000 nicht erwähnt?

 

A: Das habe ich schon erwähnt. Ich sagte, dass ich mehrmals in Haft gekommen bin.

 

In der Folge wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass sein Asylverfahren wegen Folterspuren zulässig sei.

 

In der Folge wurde der Antragsteller am 09.06.2006 durch das Bundesasylamt, Aussenstelle Innsbruck, ergänzend einvernommen:

 

Feststellung: Sie wurden bereits am 29.03.2005, am 31.03.2005 und am 19.04.2005 in Thalham zu Ihrem Asylantrag einvernommen. Können Sie sich an Ihre damals gemachten Angaben erinnern?

 

A: Ja.

 

F: Waren Ihre damals gemachten Angaben vollständig und entsprechen diese der Wahrheit?

 

A: Ja. Eine Angabe von mir war nicht ganz richtig, diese werde ich aber später richtig stellen. Es war kein Soldat, sondern ein Offizier, den ich ermordete.

 

Zur Person:

 

Ich wurde in G., Aserbaidschan, geboren und wuchs dort bei meinen Eltern auf. Ich besuchte die Grund- und die Mittelschule. Nach der Schule absolvierte ich den Militärdienst. Ich habe keinen Beruf erlernt. Nach dem Militärdienst fing ich als selbständiger Händler an. Den Handel übte ich bis zu meiner Flucht im Jahr 2003 aus. Ich beherrsche Russisch und Aserbaidschan in Wort und Schrift, in Türkisch kann ich mich verständigen. Ich bin Moslem.

 

Mein Vater arbeitet als Landarbeiter, die Mutter war Hausfrau und arbeitete teilweise in einer Fabrik. Meine Eltern wohnten in einem großen Gutshaus, das von der russischen Regierung enteignet worden war und ihnen zur Verfügung gestellt wurde. Meine Eltern konnten die Familie gut ernähren.

 

Ich heiratete am 00.00.1987 in G. standesamtlich meine Frau A.. Eine Heiratsurkunde ist in Aserbaidschan vorhanden. Wir haben zwei Kinder. Ich lebte mit meiner Familie im selben Haus wie meine Eltern. Durch meine Arbeit als Händler konnte ich meine Famile bis zur Flucht im Jahr 2005 gut versorgen.

 

Angaben zum Fluchtweg:

 

F: Wann haben Sie sich entschlossen, die Heimat zu verlassen?

 

A: Am 18.10.2003 habe ich mich entschlossen, meine Heimat Aserbaidschan zu verlassen, weil ich große Probleme mit dem Innenministerium hatte, weil ich einen Offizier ermordet habe. Es war ein Offizier der Inlandsstreitkräfte. Diese stellen eine Art von Polizei dar, sind aber nicht die richtige Polizei.

 

Am 15.10.2003 fanden die Präsidentschaftswahlen in Aserbaidschan statt. Diese waren aber nicht korrekt. Es fand ein Parteimeeting der Partei MUSAVAT statt, bei der ich auch Mitglied bin. Es ging um diese inkorrekten Wahlen. Diese friedliche Demonstration richtete sich gegen die Präsidentenwahl. Es waren ungefähr 50.000 Personen vor Ort. Wir warteten auf den Parteiführer Isa GAMBAR, der auf die Tribüne kommen sollte. Eine Gruppe von 200 bis 300 Personen stiftete Unruhe. Sie zerstörten Autos und schlugen Schaufenster ein. Dann kamen Streitkräfte, Polizisten und maskierte Leute. Das sind Spezialeinheiten. Sie umstellten den Platz. Die Streitkräfte schlugen auf die Demonstranten ein und es kam zur Panik. Plötzlich sah ich, dass eine Person auf der Strasse lag und von jemandem mit einem Knüppel geschlagen wurde. Ich erkannte dann an der Kleidung, dass es sich um meinen Sohn handelte. Ich ging hin und sah, dass es sich bei dem Schläger um einen Offizier handelte. Ich ersuchte ihn, meinen Sohn in Ruhe zu lassen, weil er sonst noch sterben müsse, da er Epileptiker sei und Medikamente nehmen müsse. Der Offizier antwortet, dass sie uns alle vernichten werden, weil wir gegen die Regierung sind. Mein Sohn lag mit dem Gesicht zur Strasse und blutete. Dann begann der Offizier auch mich zu schlagen. Ich bat ihn öfters, uns gehen zu lassen. Er aber sagte zu mir, dass ich meinen Sohn nur als Leiche mitnehmen könnte. Als Händler habe ich immer ein Messer dabei. Mit dem Messer wollte ich ihn nur erschrecken, damit ich mit meinem Sohn flüchten konnte. Er wich aber nicht zurück. Der Offizier trug einen Vollvisierhelm. Ich führte mein Messer zwei oder dreimal mit Schwung nach oben und merkte, dass ich irgendwo eingestochen hatte. Ich sah dann, wie Blut über seine Finger lief, als er sich an den Hals griff. Ich ergriff meinen Sohn und schleppte ihn zu einem nahen Park. Mein Sohn war ohnmächtig. Dort wusch ich sein Gesicht und er wurde wieder wach. Ich blickte dann zurück zum Offizier und sah, wie er zuerst auf die Knie und dann ganz auf den Boden fiel. Mit einem Freund brachten wir meinen Sohn weg. Von einem Freund erfuhr ich, dass mach mich wegen der Ermordung des Offizier suche. Aus diesem Grund bin ich dann mit meiner Familie am 18.10.2003 geflüchtet.

 

F: Wann, von wo aus und womit haben Sie die Heimat verlassen?

 

A: Am 00.00.2003 flüchtete ich mit meiner Familie von B. nach N.. Dort blieben wir ungefähr 20 Tage. Am 09.11.2003 flüchteten wir schlepperunterstützt auf einer unbekannten Route bis nach Deutschland. Wir reisten insgesamt mit drei Fahrzeugen. Dort kamen wir am 15.11.2003 an.

 

F: Wurden Sie irgendwo einer Passkontrolle unterzogen?

 

A: Nein

 

F: Ist es richtig, dass Sie dann sogar in die russische Föderation illegal eingereist sind?

 

A: Ja.

 

F: Haben Sie zum Reiseweg noch etwas zu sagen?

 

A: Nein.

 

F: Wieviel mussten Sie für die Schleppung bezahlen?

 

A: USD 7.000,--

 

F: Wie konnten Sie diese Summe aufbringen?

 

A: Ich hatte Erspartes, ich habe ja bereits erzählt, dass ich als Händler gut verdient habe.

 

F: Mit welchen Dokumenten sind Sie gereist?

 

A: Ich hatte einen aserbaidschanischen Personalausweis dabei.

 

F: Wo ist dieses Dokument?

 

A: Diesen Ausweis hat der Schlepper. Ich gab ihm in einer unbekannten Stadt den Ausweis, weil er behauptete, er müsse einen Stempel besorgen. Außerdem gab ich ihm noch einen Bargeldbetrag. Der Schlepper tauchte aber nicht mehr auf.

 

F: Haben Sie irgendwelche Personaldokumente oder andere Dokumente in Österreich oder in Ihrem Heimatland?

 

A: Die Heiratsurkunde habe ich in meiner Heimat. Weitere Dokumente habe ich nicht mehr.

 

Einen Reisepass habe ich nie besessen.

 

F: Haben Sie in einem anderen Land schon einmal einen Asylantrag gestellt?

 

A: Ja, in Deutschland am 15.11.2003. Dieser Antrag wurde negativ beschieden und am 23.03.2005 reiste ich mit dem Zug von Deutschland nach Salzburg.

 

F: Welche Fluchtgründe gaben Sie in Deutschland an?

 

A: Ich gab auch in Deutschland die gleichen Gründe an. Falsch war mein Name. Meine weiteren Angaben entsprachen der Wahrheit.

 

Angaben zum Fluchtgrund:

 

F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft?

 

A: Nein.

 

F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

 

A: Wegen dem Mord an dem Offizier werde ich von sämtlichen Behörden gesucht.

 

F: Wurden Sie in ihrer Heimat jemals von der Polizei angehalten, festgenommen oder verhaftet?

 

A: Ja, im Mai 2000 wurde ich von der Polizei festgenommen und für 15 Tage eingesperrt, weil ich bei einer Kundgebung für die Partei MUSAVAT geworben habe. Während dieser Haft wurde ich von den Polizisten mehrmals geschlagen. Ich wurde noch zweimal festgenommen. Wann das war, weiß ich nicht mehr, es war aber vor der Festnahme, wo ich 15 Tage eingesperrt wurde. Es war immer wegen meiner Tätigkeiten für die Partei. Einmal war ich für drei Tage und einmal für sechs Tage eingesperrt.

 

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

 

A: Ja, wie schon erwähnt wegen meiner Mitgliedschaft zur Partei

MUSAVAT.

 

F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

 

A: Ja, seit Jänner oder Februar 2000 bin ich registriertes Mitglied der Partei MUSAVAT. Ich war ein einfaches Parteimitglied.

 

F: Was ist von Mai 2000 bis zu Ihrer Ausreise 2003 passiert?

 

A: Ich glaube, ich wurde noch mehrmals eingesperrt. Wann das war, weiß ich nicht mehr.

 

F: Wurde gegen Sie jemals eine Anklage erhoben oder bekamen Sie eine Strafe?

 

A: Anklage wurde keine erhoben. Ich musste auch nie eine Geldstrafe bezahlen. Ich bekam auch keinen Hausarrest.

 

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

 

A: Nein.

 

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion verfolgt?

 

A: Nein.

 

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

 

A: Ja, wegen meiner Mitgliedschaft zur Partei MUSAVAT.

 

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

 

A: Nein.

 

F: Was war der konkrete Grund, warum Sie Ihre Heimat verlassen haben?

 

A: Der Mord an dem Offizier war der konkrete Grund, warum ich die Heimat verlassen habe. Ich wäre sicher eingesperrt worden und auch meine Familie wäre in Gefahr gewesen.

 

F: Haben Sie zum Fluchtgrund sonst noch etwas zu sagen?

 

A: Nein. Ich habe über meinen Fluchtgrund alles angeführt.

 

F: War die Kundgebung am Tag nach der Präsidentenwahl im Oktober 2003 legal, das heißt angemeldet?

 

A: Ich weiß nicht, ob sie legal war oder nicht. Wenn eine Anmeldung durchgeführt wurde, hat das der Parteiführer gemacht.

 

F: Wurden die Demonstranten von der Polizei aufgefordert, den Platz zu verlassen?

 

A: Ja, die Polizei forderte die Demonstranten mit Lautsprechern auf, den Platz zu räumen.

 

F: Wurde das befolgt?

 

A: Einige gingen weg, aber die meisten blieben.

 

F: Gab es Attacken von den Demonstranten gegen die Polizei?

 

A: Nein, vom Großteil der Demonstranten nicht. Aber die von mir bereits erwähnten Gruppe von 200 bis 300 Leuten ging gegen die Polizei vor. Sie warfen Steine gegen die Polizisten, beschädigten Fahrzeuge und Geschäfte.

 

F: Warum haben Sie nicht den Platz verlassen, wenn es so große Unruhen gab und sicherlich Ihr Leben in Gefahr gewesen ist?

 

A: Ich war auf vielen Demonstrationen und ich wollte die Meinung meiner Partei kundtun, deshalb bin ich geblieben. Ich wäre für meine Partei auch gestorben.

 

F: Ist die Partei MUSAVAT verboten?

 

A: Nein. Sie ist eine legale Partei.

 

F: Ist sie im Parlament vertreten?

 

A: Ja.

 

F: Ist es richtig, dass Sie dann jede Gefahr gegen Sie und Ihr Leben in Kauf nehmen?

 

A: Ja natürlich, das war mir schon klar, sobald ich der Partei beitrat.

 

F: Wie viele Prozent der Wählerstimmen erreichte Ihre Partei bei der Wahl im Jahr 2003?

 

A: Nach offizieller Version erreichte die Partei 11 - 14 Prozent. Das war aber eine Lüge.

 

F: Zu welcher Tageszeit sahen Sie wie der Offizier Ihren Sohn schlug?

 

A: Es war nachmittags.

 

F: Können Sie angeben, wie viele Polizisten oder andere Sicherheitskräfte bei der Demonstration zugegen waren?

 

A: Es waren sehr viele, ich kann nicht angeben, wie viele genau. Aber sie haben uns eingekreist und deshalb muss es eine große Zahl gewesen sein.

 

F: Warum wissen Sie, dass es sich um einen Offizier der Inlandsstreitkräfte bei der Demonstration gehandelt hat, der Ihren Sohn geschlagen hat?

 

A: Das habe ich gleich an der Uniform erkannt. Sie haben auch Rangabzeichen und tragen mehr Waffen.

 

F: Welche Waffen trug der Offizier?

 

A: Er hatte einen Knüppel und einen Gürtel mit einer Faustfeuerwaffe.

 

F: War der Polizeioffizier alleine?

 

A: An diesem Ort war er alleine. Es war wie im Krieg, es wurde durcheinander geschrien und gelaufen.

 

F: Warum haben Sie erst bei der dritten Einvernahme am 19.04.2005 in Thalham angeführt, dass Sie von Polizisten in der Haft geschlagen wurden?

 

A: Vielleicht habe ich es bei der ersten Einvernahme vergessen zu erzählen. Ich bin ja ein kranker Mensch.

 

F: Wie ist es möglich, dass man Vorfälle, wo Sie nach Ihren Angaben gefoltert wurden, zu erzählen vergisst?

 

A: In Thalham habe ich das ja gesagt.

 

F: Haben Sie die Polizisten, die Sie in der Haft geschlagen haben, bei der Staatsanwaltschaft oder bei einem Gericht angezeigt?

 

A: Nein.

 

F: Warum nicht?

 

A: Das Gericht und die Staatsanwaltschaft hätte meine Anzeige nicht angenommen, wenn sie erfahren hätte, dass ich Parteimitglied bin.

 

F: Ist es richtig, dass Sie es nicht einmal versucht haben, die Anzeige zu erstatten?

 

A: Ja, es stimmt, ich habe es nicht einmal versucht.

 

F: Waren für Sie die Schläge durch die Polizei in der Haft ein Fluchtgrund?

 

A: Nein, mein einziger Fluchtgrund war der Mord an dem Offizier. Es ging mir ja sonst gut. Ich habe gutes Geld verdient, ich hatte eine schöne Wohnung. Warum soll ich von zu Hause flüchten, wenn es mir gut geht.

 

F: Hatte für Sie die dreimalige Inhaftierung durch die Polizei weitere Konsequenzen?

 

A: Nein, es gab keinen Hausarrest und mir wurden auch nicht die Dokumente abgenommen. Ich konnte wieder ganz normal weiterleben. Sie verlangten nur, dass ich mich von der Partei lossage. Das tat ich aber nicht.

 

F: Steht es mit Sicherheit fest, dass der betreffende Offizier verstorben ist?

 

A: Ja.

 

F: Warum wissen Sie das?

 

A: Mein Freund, der beim Bezirksgericht arbeitet, hat mir mitgeteilt, dass der Offizier verstorben ist.

 

F: Wissen Sie, ob Sie in Aserbaidschan steckbrieflich gesucht werden?

 

A: Das weiß ich nicht. Ich habe keinen Kontakt mehr zur Heimat.

 

F: Was für Verletzungen haben Sie während der 15-tägigen Anhaltung durch die Schläge erlitten?

 

A: Ich war im Gesicht teilweise gelähmt. Mein Trommelfell war geplatzt.

 

F: Haben Sie die Verletzungen nach der Entlassung behandeln lassen?

 

A: Ja. Ich war im Krankenhaus und wurde dort untersucht und behandelt. Ich bekam Tropfen. Ich wurde dort ambulant behandelt.

 

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

 

A: Ich habe Angst, dass man mich einsperrt wegen dem Mord an dem Offizier, wenn ich in die Heimat zurückkehre. Ich wollte das nicht, aber es ist halt passiert.

 

F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?

 

A: Das bringt nichts. Die Sicherheitskräfte hätten mich überall gefunden.

 

F: Sind Sie seit Ihrer Einreise nach Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen?

 

A: Nein.

 

F: Wovon leben Sie in Österreich?

 

A: Von Sozialunterstützung.

 

F: Haben Sie irgendwelche nahen Bindungen zu Österreich?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie nahe Verwandte oder Familienangehörige in Österreich?

 

A: Meine Frau und meine beiden Kinder sind in Österreich und sind Asylwerber.

 

F: Erklären Sie sich einverstanden, dass gegebenenfalls das Bundesasylamt Akteneinsicht in Ihren deutschen Asylakt nimmt?

 

A: Ja, natürlich.

 

F: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint

 

A: Ich möchte gerne noch etwas hinzufügen. Ich bitte sie sehr uns zu helfen, um meiner Familie Willen. Ich habe den Mord nicht absichtlich begangen. Seither habe ich Gewissensbisse und es tut mir sehr leid, dass das passiert ist. Bitte helfen sie uns.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.07.2006, ZI 05 04.050-BAI, wurde unter Spruchteil I. der Asylantrag vom 23.03.2005 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und unter Spruchteil II. die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Aserbaidschan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ausgesprochen und unter Spruchteil III. der Asylwerber aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Aserbaidschan ausgewiesen.

 

In der Begründung des Bescheides wurden alle vier bereits oben wiedergegebenen bzw. auszugsweise erwähnten Einvernahmen dargestellt und anschließend festgehalten, dass der Antragsteller als Beweismittel einen Führerschein der UDSSR vorgelegt habe. Sodann wurden Sachverhaltsfeststellungen zur Aserbaidschan getroffen und auch die Quellen hiefür angeführt. Beweiswürdigend wurde in der Folge zu den Aussagen des Berufungswerbers ausgeführt, dass dieser in der Einvernahme vor der Erstaufnahmestelle West am 31.03.2005 von einem Sicherheitsmann bzw. Soldaten gesprochen habe, den er verletzt habe und ihm ein befreundeter Kriminalbeamter geraten hätte, die Heimat zu verlassen; bei der weiteren Einvernahme am 09.06.2006 vor dem Bundeasylamt, Außenstelle Innsbruck, habe er davon gesprochen, dass er einen Polizeioffizier mit einem Messerstich tödlich verletzt habe und von einem Freund erfahren habe, dass er wegen Ermordung dieses Offiziers gesucht werde. Dem sei überdies entgegen zu halten, dass sich aus dem Ergebnis einer Anfragebeantwortung ergebe, dass bei den Demonstrationen kein Angehöriger der Sicherheitskräfte getötet worden sei. Daraus ergebe sich eindeutig, dass das Vorbringen des Antragstellers nicht den Tatsachen entspreche. Zudem hätte der Antragsteller bereits in Deutschland Schutz vor Verfolgung finden können und zeige durch sein Verhalten mit hinreichender Deutlichkeit, dass es ihm primär nicht darum gegangen sei, Schutz vor Verfolgung zu finden, sondern ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

 

Rechtlich begründend wurde zunächst festgehalten, dass im vorliegenden Fall ein Familienverfahren gemäß § 10 AsylG vorliege. Zu Spruchteil I. wurde insbesondere dargelegt, dass der vorgebrachte Sachverhalt in seiner Gesamtheit als nicht glaubhaft zu beurteilen gewesen sei, womit ein asylrelevanter Sachverhalt als Grundlage für eine Subsumierung oder den Tatbestand des § 7 AsylG 1997 nicht mehr festgestellt werden könne.

 

Zu Spruchteil II wurde nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur ausgeführt, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden sei und dass das gesamte Vorbringen das Antragstellers nichts enthalte, was einen Hinweis auf eine Verfolgung oder Verfolgungsgefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 Fremdengesetz bieten würde. Der Antragssteller habe in seinen Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft darlegen können, dass er für den Fall seiner Rückkehr nach Aserbaidschan einer Bedrohung oder Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 Fremdengesetz ausgesetzt wäre. Ergänzend wurde ausgeführt, dass in Aserbaidschan überdies keine dergestalt exzeptionelle Situation bestehe, wodurch eine Gefährdung im Sinne des Artikel 2 und 3 EMRK indiziert wäre. Weiters könne auf Grund der getroffenen Feststellung nicht davon gesprochen werden, dass in Aserbaidschan eine nicht sanktionierte ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen herrschen würde und somit könnten auch von Amts wegen keine stichhaltigen Beispiele, dem Refoulement des Antragstellers in den Herkunftsstaat entgegenstehenden Gründe erkannt werden. Der Antragsteller habe weiters nicht glaubhaft darstellen können, dass ihm bei einem Verbleib in seiner Heimat die Lebensgrundlage entzogen wäre und dass er bei einer Rückkehr in das in Frage kommende Gebiet in eine ausweglose Lage gerate. Die Behörde sei daher zur Ansicht gelangt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass der Antragsteller im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in Aserbaidschan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit festzustellen gewesen sei, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers zulässig sei.

 

Zu Spruchteil III. wurde ebenfalls zunächst die bezughabende Rechtslage und Judikatur dargestellt und dann festgehalten, dass kein Familienbezug (Kernfamilie) zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vorliege, seine Ehegattin und seine Kinder seien ebenfalls Asylwerber in Österreich und stelle daher die Ausweisung keinen Eingriff in Artikel 8 EMRK dar. Der Antragsteller habe sich bei seiner Asylantragstellung darüber im Klaren sein müssen, dass sein Aufenthalt im Falle einer Abweisung des Asylantrages nur ein Vorübergehender sein könne. Da aus dem Verhalten des Antragstellers keineswegs abgeleitet werden könne, dass eine Ausreisewilligkeit vorliegt, stelle die Ausweisung das gelindeste Mittel dar, um den illegalen Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet zu beenden. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Asylwerber Berufung. Darin wurde insbesondere kritisiert, dass die Behörde kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt habe und versucht habe, sein Vorbringen als unglaubwürdig darzustellen. Dieses sei jedoch nachvollziehbar, plausibel und daher glaubwürdig. Er habe große Angst gehabt, dass die deutschen Behörden ihn wieder zurück schicken würden und habe daher dort nicht die richtigen Daten angegeben. Er habe bereits vor der Erstaufnahmebehörde vorgebracht, dass er wegen seiner politischen Betätigung für die MUSAVAT-Partei tagelang eingesperrt worden sei und dass er auch einmal drei und einmal sechs Tage eingesperrt gewesen sei. Dies erfolgte jedoch nach der Festnahme im Mai 2000 und nicht wie irrtümlich angegeben vor dieser. Bei der ersten Einvernahme sei er angehalten worden, sich nur auf das Wesentliche zu beschränken, er habe daher seine Verhaftungen auf Grund seiner politischen Tätigkeit nicht näher ausgeführt. Da er wegen seiner politischen Gesinnung Opfer von Folter geworden sei und nicht nur körperliche sondern auch massive psychische Probleme habe, nehme er psychotherapeutische Hilfe in Anspruch. Weiters wurden ein Arztbrief der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohren, sowie ein OP-Bericht der gleichen Klinik, ein Bericht der klinischen Abteilung für Innere Medizin und ein neurologischer Befundbericht vorgelegt.

 

Zu dem angeblichen Widerspruch zwischen den Aussagen auf der EAST-West und auf dem Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, betreffend die getötete Person führe er aus, dass er im Zuge der Einvernahme vom 09.06.2006 selbständig und freiwillig gesagt habe, dass seine Angabe bei der Erst-West nicht ganz richtig gewesen sei und dass er keinen Soldaten, sondern einen Offizier getötet habe. Ein weiters behaupteter Widerspruch, ein befreundeter Kriminalbeamter hätte ihm geraten, die Heimat zu verlassen bzw. ein Freund habe ihm gesagt, dass er wegen der Ermordung des Offiziers gesucht worden sei, liege nicht vor und sei nur konstruiert: der Freund, dessen Tochter er einmal gerettet habe, sein ein Kriminalbeamter. Er habe ihm mitgeteilt, dass die Person, die er bei der Demonstration verletzt habe, gestorben sei und dass dieser Mann ein Offizier gewesen sei. Wenn die Erstbehörde weiters ausführe, dass aus einer Anfrage hervorginge, dass bei den Demonstrationen kein Polizist getötet worden sei, könne aus dem Bescheid nicht nachvollzogen werden, von wem diese Informationen stammten und ob diese vollständig seien. Diese Ergebnisse seien somit nicht überprüfbar und weise er darauf hin, dass die Anzahl von Verletzten bzw. Toten amtlicherweise nach unten korrigiert worden sei, da der Staat keineswegs zugeben möchte, dass auf seiner Seite Verletzte bzw. Tote zu beklagen gewesen seien. Außerdem habe er nicht die Möglichkeit gehabt, sich im Verfahren vor dem Bundesasylamt zu den Feststellungen der Erstbehörde zur Lage in Aserbaidschan zu äußern. Er beantrage daher Ermittlungen zur Feststellung der aktuellen Situation in Aserbaidschan vor dem Hintergrund des dargelegten Vorbringens und die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, allenfalls unter Beiziehung eines Sachverständigen für Aserbaidschan, damit er sein Vorbringen nochmals ausführlich darlegen und die Berufungsbehörde von der Glaubwürdigkeit und Asylrelevanz seines Vorbringens überzeugen könne. Weiters wurde beantragt unter dem Punkt Refoulement den Berufungswerber betreffend die Gefährdungssituation durch geeignete Recherchen zu erheben. Auch ein Vorbringen zur Ausweisung wurde erstattet.

 

Mit Schriftsatz vom 30.11.2006 legte der Berufungswerber einen psychotherapeutischen Befundbericht des Psychotherapeuten Dr. F.M., aus dem sich eine chronische posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Somatisierungsstörung und eine deutliche depressive Verstimmung ergeben, wobei es auch zu Konzentrations- und Gedächtnisproblemen kommen könne.

 

Mit Schreiben vom 03.10.2006 ersuchte der Verein SPRAKUIN unter Hinweis auf eine Zustellvollmacht vom 20.02.2007 um Festsetzung einer zeitnahen Verhandlung, zumal der Berufungswerber enorme psychische Probleme habe und auch gesundheitlich angeschlagen sei. In einer persönlichen Vorsprache am 18.12.2007 ersuchte der Obmann des Vereines SPRAKUIN Dr. Günther KLODNER um eine psychiatrische Begutachtung, ob überhaupt Verhandlungsfähigkeit vorliege. Mit Schreiben vom gleichen Datum wurde der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Primarius Dr. A.S. mit der Erstellung eines neurologischen psychiatrischen Gutachtens beauftragt.

 

Die von der Berufungsbehörde an den Sachverständigen gerichteten Fragen wurden wie folgt beantwortet:

 

Liegen bei dem Berufungswerber neurologische oder psychiatrische krankheitswerte Störungen vor?

 

Es liegen bei dem Berufungswerber sehr wohl in erster Linie psychiatrische Störungen vor, die in Summe eine posttraumatische Belastungsstörung, welche mittlerweile chronifiziert ist, vor.

 

Haben diese ihre Ursachen in Vorgängen im Herkunftsstaat des Berufungswerbers in (Aserbaidschan)?

 

Es kann mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Grundstein, der zum Ausbruch der psychiatrischen Erkrankung geführt hat, in Aserbaidschan gelegt wurde, wobei darauf hingewiesen wird, dass wahrscheinlich bei dem Berufungswerber eine individuelle persönliche Ausfertigung zu einer erhöhten Vulnerabilität besteht, welche aber das Ausmaß der psychischen Alteration keinesfalls mildert.

 

Ist der Berufungswerber aus fachärztlicher Sicht in der Lage, seine persönlichen Angelegenheiten selbst wahrzunehmen oder wird die Bestellung eines Sachverwalters angeregt?

 

Der Berufungswerber ist zwar psychisch alteriert und beeinträchtigt, wobei diese Beeinträchtigung bei ihm nicht ein Ausmaß erreicht, welches eine Besachwalterung zwingend nötig macht. Er ist somit auch im Stande, persönlich, ohne fremde Unterstützung seine Angelegenheiten zu erledigen.

 

Ist der Berufungswerber aus fachärztlicher Sicht als verhandlungsfähig zu bezeichnen?

 

Eine Verhandlungsfähigkeit liegt zweifelsfrei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht vor.

 

Liegt eine Gefahr der Selbst- oder Fremdgefährdung vor?

 

Eine Gefahr hinsichtlich Selbst- oder Fremdgefährdung ist nach derzeitigem Ermessen nicht vorliegend, da zwar eine Einschränkung hinsichtlich des sozialen Umganges besteht, diese jedoch nicht im Rahmen einer tatsächlichen Gewaltbereitschaft bestehend ist und vor allem nicht aus ursächlicher Wahnhaftigkeit abzuleiten ist.

 

Ist eine Besserung der allfälligen krankheitswerten Störungen möglich, wenn ja, unter welchen Bedingungen?

 

Eine Besserung der beschriebenen Störungen ist durchaus möglich, falls eine räumliche und zeitliche Distanz zu den stattgehabten Geschehen weiterhin beibehalten werden kann und selbstverständlich die hier begonnenen Therapien, respektive die Psychotherapie ungehindert fortgesetzt werden kann.

 

Wie würde sich eine allfällige Abschiebung des Berufungswerbers nach Aserbaidschan auf seinen Gesundheitszustand auswirken?

 

Anzunehmen ist, dass die Befürchtungen des Berufungswerbers in die Realität treten könnten und erstens dieser einer adäquaten Therapie nicht zugeführt werden würde und weiters, abgesehen von der Gefahr für Leib und Leben, des Berufungswerbers selbst und auch seiner Familie zu einer Exacerbation der bereits bestehenden psychischen Alteration unvorhersehbarer Größe kommen könnte, abgesehen von der zusätzlich vorliegenden internistischen Erkrankung bei bestehender Leukämie.

 

Ist der Berufungswerber in der Lage einer Erwerbsarbeit nachzugehen?

 

Derzeit ist eine Erwerbstätigkeit im aktiven Sinn noch nicht vorstellbar, ad die internistische Prognose nicht bekannt ist, allerdings von der psychischen Situation isoliert ausgehend, müsste dies nach weiterer Adaption an hiesige Verhältnisse durchaus möglich sein, dass sich der Berufungswerber selbständig bewegen kann und auch selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann.

 

Eine tief greifende Traumatisierung der Psyche des Herrn A.T., geboren am 00.00.1957, wird von gutachterlicher Seite in vollem Umfang bestätigt und von ärztlicher - neurologischer - psychiatrischer Seite attestiert.

 

Daraufhin beraumte der Unabhängige Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung für den 19.05.2008 an und gewährte gleichzeitig zu dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten das Parteiengehör unter Einräumung einer Frist zur Abgabe einer Stellungnahme bis längstens in der Berufungsverhandlung. Von dieser Möglichkeit machten weder die Behörde erster Instanz noch der Berufungswerbervertreter Gebrauch. Die Behörde erster Instanz ließ sich für ihre Nichtteilnahme an der Berufungsverhandlung entschuldigen. Dr. Günther KLODNER, der bisher nur als Zustellbevollmächtigter fungiert hatte, wurde vor dem Verhandlungsleiter mit der Vertretung der Berufungswerber im Berufungsverfahren bevollmächtigt. Eine Erörterung des Gutachtens des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigengutachters wurde nicht beantragt. Der Berufungswerber führte über Befragen durch den Verhandlungsleiter und seinen Vertreter Folgendes aus:

 

VL: Welcher Volksgruppe und Religion gehören Sie an?

 

BW1: Ich bin aserischer Herkunft und geöre dem Islam an.

 

VL: Wo sind Sie geboren?

 

BW1: In G./Aserbaidschan.

 

VL: Wo lebten Sie im Laufe Ihres Lebens?

 

BW1: In G.. 2-3 Monate vor den Präsidentschaftswahlen 2003, im Juli/August 2003, in den Sommerferien sind wir von G. nach B. übersiedelt. In B. blieb ich bis 18.10.2003, bis nach den Präsidentschaftswahlen. Ich hielt mich mit meiner Familie in N. auf, wo wir uns 20 Tage lang versteckten. Am 09.11.2003 reisten wir aus Aserbaidschan auf dem Landweg aus. Wir sind 3x umgestiegen und erreichten dann Deutschland. Wir waren 1 Jahr und 3-4 Monate in Deutschland aufhältig. Von dort kamen wir direkt nach Österreich.

 

VL: Stellten Sie einen Asylantrag in Deutschland?

 

BW1: Ja.

 

VL: Wie ging in Deutschland das Asylverfahren aus?

 

BW1: Nach ca. 1 Jahr habe ich einen negativen Bescheid erhalten. Dann habe ich, um berufen zu können, einen Anwalt eingeschaltet. Er verlangte von mir einen hohen Geldbetrag, ca. 1.500 Euro. Ich bezahlte ihm einen Teil davon, 500 Euro, er half mir nicht in meinem Verfahren. Wir sind freiwillig mit dem Zug von München nach Salzburg gefahren.

 

VL: Warum gaben Sie einen anderen Namen an in Deutschland?

 

BW1: Ich hatte Angst. Als ich in Deutschland in das Flüchtlingslager kam, rieten mir die anderen Flüchtlinge, niemals meinen richtigen Namen anzugeben, weil ich Angst vor der Abschiebung nach Aserbaidschan hatte.

 

VL: Welche schulische oder sonstige Ausbildung erhielten Sie?

 

BW1: Ich habe 10 Jahre Grundschule in Aserbaidschan besucht.

 

VL: Welcher beruflichen Tätigkeit gingen Sie von wann bis wann nach?

 

BW1: Ich war ein Händler für Waren aller Art, angefangen von Textilien bis zu Lebensmittel. Ich hatte am Markt gearbeitet in G.. Ich hatte dort einen Stand und ein Geschäft. Nachdem wir nach B. fuhren, arbeitete ich auch dort am Markt als Händler.

 

VL: Betätigten Sie sich politisch in Aserbaidschan?

 

BW1: Ja.

 

VL: Waren Sie Mitglied einer Partei?

 

BW1: Ja, ich war Mitglied der Musavad-Partei seit 2000.

 

VL: Waren Sie einfaches Mitglied oder Funktionär?

 

BW1: Ich war ein aktives Mitglied. Man hat mich für geheime Aktivitäten herangezogen. Mich haben von der Partei nur einige wenige gekannt, weil ich ein geheimes Parteimitglied war.

 

VL: Haben Sie über Ihre Mitgliedschaft eine schriftliche Bestätigung?

 

BW1: Sowohl mein ganzes Geld, als auch meine ganzen Dokumente haben die Schlepper, die uns nach Deutschland brachten, zurückgehalten (ca. 10.000 Dollar).

 

VL: Handelt es sich bei der Musavat-Partei um eine alte Partei?

 

BW1: Gegründet wurde diese Partei 1918 und 1992 hat man eine neue Musavat-Partei gegründet.

 

VL: Wofür tritt diese Partei ein?

 

BW1: Die Demokratie in Aserbaidschan zu bewahren, das aserbaidschanische Volk zu befreien und aus Aserbaidschan einen demokratischen Staat, der die Menschenrechte akzeptiert, zu machen. Die Partei tritt für die Umwandlung Aserbaidschans in ein freies demokratisches Land ein.

 

VL: Hat sich ursprünglich diese Partei stark auf den Islam berufen?

 

BW1: Für die Musavat-Partei spielte die Religion und die ethnische Herkunft keine Rolle. Es waren außer Aserbaidschaner auch Armenier, Russen und Juden in dieser Partei.

 

VL: Wer ist der Vorsitzende dieser Partei?

 

BW1: Isa Gamber. Er ist so alt wie ich, er ist auch 1957 geboren.

 

VL: War dieser einmal Staatspräsident von Aserbaidschan?

 

BW1: Er war Parlamentspräsident und zwar in der Übergangszeit von der Sowjetunion in die Republik, etwa 1990/1991. Damals war der Präsident Aserbaidschans Elcibey.

 

VL: Sie gaben an, dass Sie ein aktives Mitglied dieser Partei waren. In welcher Weise waren Sie aktiv für diese Partei?

 

BW1: Ich habe jeden Auftrag, der mir erteilt wurde, durchgeführt. Ich habe für die Partei Werbung gemacht. Ich habe Informationen unter der Bevölkerung gesammelt und sie der Partei weiter geleitet. Ich habe mich in der Bevölkerung herumgehört, warum das Volk mit der Regierung unzufrieden ist. Ich habe mich bemüht, die Menschen für unsere Partei zu gewinnen. Unsere Absicht war, diese Regierung des Haidar Aliew auf eine demokratische Weise zu beseitigen. Wir haben Demonstrationen veranstaltet, um die Bevölkerung zu informieren. Wir sind eine oppositionelle Partei gewesen.

 

VL: War die Partei in Aserbaidschan verboten?

 

BW1: Nein, es war eine legale Partei. Sie war auch vertreten im Parlament.

 

VL: Hatten Sie wegen Ihrer politischen Aktivitäten Probleme mit den aserbaidschanischen Behörden, wie der Polizei?

 

BW1: Ja, ich hatte öfters Probleme.

 

VL: Wurden Sie verhaftet?

 

BW1: Ja.

 

VL: Wie oft und wann?

 

BW1: 3x wurde ich offiziell inhaftiert. Ziemlich oft wurde ich festgenommen, manchmal für ein paar Stunden, manchmal für einen Tag. Ich wurde befragt und wieder freigelassen.

 

VL: Wann erfolgten die 3 offiziellen Inhaftierungen?

 

BW1: Das eine Mal war 2000. 15 Tage war ich bei dieser Verhaftung inhaftiert. Bei den anderen beiden Malen war ich 3 bzw. 6 Tage in Haft. Die beiden anderen Verhaftungen waren später. Ich weiß nicht mehr genau wann.

 

VL: Wurden Sie während der Verhaftungen/Anhaltungen misshandelt?

 

BW1: Ja. Jedes Mal wurde ich geschlagen. Sie haben mich gedemütigt, indem sie mich auslachten. Auch psychische Folter wurde angewandt. Ich wollte Wasser trinken, Wasser wurde gebracht, es wurde ausgeleert, bevor ich es trinken konnte. Ich war einer sehr unmenschlichen Behandlung ausgesetzt. Die Beamten waren drogenabhängig, damit sie einfacher die Häftlinge misshandeln konnten. Die Zelle hatte nur einen Holzboden, es war weder Wasser, noch eine Toilette. Ich musste in der Zelle auf dem Boden meine Notdurft verrichten, obwohl man genau wusste, dass ich mich daneben hinlegen musste, weil es auch kein Bett gab. Nur die Häftlinge, die Geld bei sich hatten und die Beamten bestochen hatten, durften auf die Toilette und an die frische Luft gehen. Ich durfte das alles nicht, weil ich kein Geld hatte. Die aserbaidschanische Polizei ist sehr hart und streng. Sie besitzt keine Menschlichkeit. Ich habe bei jeder Festnahme selbst meine Taschen ausgeleert und den Inhalt auf den Tisch gelegt. Ich habe vermieden, dass sie mich durchsuchen, weil ich genau wusste, dass sie auf die Art und Weise Drogen verstecken und so tun, als ob sie diese bei mir gefunden haben. Meine einzige Schuld war, dass ich Musavat-Parteimitglied war. Bei den Befragungen haben sie mich versucht zu überzeugen, dass ich meine Partei verlasse und ihrer Partei beitrete. Ich habe gesagt, dass ich sogar sterben würde für meine Partei und nahm das nicht an.

 

VL: Wurden Sie auf Grund der Schläge so schwer verletzt, dass Sie sich in ärztliche Behandlung begeben mussten?

 

BW1: Das war eine Zelle, die sehr kalt war, wo wir geschlagen wurden. Die Leute wussten genau, wie sie die Häftlinge schlagen. Sie passten auf, dass sie nicht im Kopfbereich schlagen, damit keine Blutergüsse und blaue Flecken entstanden, damit man später vor Journalisten die Verletzungen nicht nachweisen kann. Ich wurde weder zu einem Arzt gebracht, noch wurde ein Arzt in das Gefängnis zu mir gebracht. Ich wurde mit Gummiknüppeln an den Fußsohlen so lange geschlagen, bis ich mein Bewusstsein verlor, man weckte mich wieder mit kaltem Wasser auf. Dann hat man eine Lampe direkt auf mein Gesicht gerichtet. Die Folterer waren maskiert.

 

VL: Haben Sie von den Misshandlungen bleibende Schäden davongetragen?

 

BW1: Das Ohr zB ist geschädigt. Ich wurde 2x operiert am Ohr. Ich habe im Ohr ein Implantat.

 

BW1 legt Implantat-Pass vor.

 

Meine ganze Gesundheit wurde dadurch angegriffen. Aus Angst habe ich sogar Leukämie bekommen.

 

VL Vorhalt: Sie gaben selbst vorhin an, dass Sie nicht auf den Kopf geschlagen wurden. Warum trugen Sie dann von den Misshandlungen einen Gehörschaden davon?

 

BW1: Damit habe ich die offiziellen Inhaftierungen gemeint. Ich wurde aber bei den Demonstrationen auf der Straße, auch auf den Kopf geschlagen. Man hat meinen Kopf auf den Straßenboden geschlagen und mich an den Haaren geschleift.

 

VL: Haben Sie an den Demonstrationen 2003, welche im Anschluss an die Präsidentenwahlen am 15.10.2003 stattfanden, teilgenommen?

 

BW1: Ja. Das war unsere Demonstration.

 

VL: Waren Sie von Anfang an dabei?

 

BW1: Ja. Um 14.00 Uhr begann die Demonstration, da war ich schon dabei.

 

VL: Können Sie den Verlauf der Demonstration näher beschreiben?

 

BW1: Diese Demonstration wurde von uns gegen das ungerechte Wahlergebnis durchgeführt. Wir wollten dadurch sehr wohl die Bevölkerung v. Aserbaidschan, als auch die ganze Welt davon in Kenntnis setzen. Wie ich vorhin erwähnte, begann die Demonstration um 14.00 Uhr. Ca. 30 Min. bis 1 Stunde verlief die Demonstration friedlich und ruhig. Wir warteten auf unseren Parteivorsitzenden, dass er eine Rede hält. Die Demonstranten waren von Polizisten, sowohl von maskierten, als auch unmaskierten, umzingelt, von Mitarbeitern des Innenministeriums und von Soldaten. Auf einmal brach eine Panik aus. 200-300 Personen, die mir unbekannt sind, ich weiß nicht, von welcher Gruppe sie waren, kamen von der Straße auf uns zu. Das war eine Gruppe, die von der Regierung vorbereitet und hingeschickt wurde. Wie ich erst später erfuhr, waren unter diesen Personen auch Häftlinge, die für diesen Zweck aus dem Gefängnis entlassen wurden. Sie hatten Eisenstangen und Steine in der Hand, auch Holzprügel. Sie bewegten sich auf uns zu. Zuerst begannen sie, die Schaufenster zu zertrümmern. Sie bewarfen die Soldaten, Polizisten, die maskierten und nicht maskierten Beamten mit Steinen. Sie griffen die fahrenden Autos an und zertrümmerten sie auch. Ihre Absicht war eine Auseinandersetzung zu provozieren, damit die Polizei die Demonstration gewaltsam auflöst. Es ist ihnen auch gelungen, dass die Polizei in die unschuldige Menge stürmte, es kam zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung. Manche liefen davon. Es waren etwa 50.000 Demonstranten und genau so viele Sicherheitskräfte. Es kam zu einer Straßenschlacht. Die Sicherheitskräfte begannen, uns, unschuldige Demonstranten zu schlagen, auch mich. Wir waren auf so etwas nicht vorbereitet. Wir passten auf, dass die Demonstration friedlich verläuft. Es traf uns unvorbereitet.

 

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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