B1 302.147-1/2008/6E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat gemäß §§ 61 Abs. 1, 75 Abs. 7 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 iVm § 66 Abs.4 AVG 1991 durch den Richter Dr. Ruso als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Magele als Beisitzer über die Beschwerde des H.R., geb. 00.00.1980, Staatsangehörigkeit: Republik Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.05.2006, Zl. 05 16.449-BAE, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde von H.R. vom 06.06.2006 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.05.2006, Zahl: 05 16.449-BAE, wird gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 (AsylG) idF BG BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen.
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von H.R. in die Republik Kosovo zulässig ist.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wird H.R. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Gang des Verfahrens und Sachverhalt
1.1 Der Beschwerdeführer, zum damaligen Zeitpunkt ein Staatsangehöriger der Republik Serbien und Montenegro albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo, beantragte am 05.10.2005 die Gewährung von Asyl.
In dem für die Begründung des Asylantrages vorgesehenen Abschnitt des Formblattes, mit welchem der Asylantrag gestellt wurde, führte der Beschwerdeführer durch handschriftliche Eintragung in albanischer Sprache gemäß der hergestellten Übersetzung aus, dass er in Deutschland gewesen und vor 6 Monaten zurückgekehrt sei, um im Kosovo zu leben. 2005 sei er aus dem Haus gegangen, um einen Spaziergang zu machen. Als er sich etwa 200 Meter vom Haus entfernt hatte, sei ein roter Golf gekommen und zwei maskierte Personen hätten den Beschwerdeführer mitnehmen wollen. Dieser habe Angst, im Kosovo zu leben. Jeden Tag werden Menschen ermordet und misshandelt, um die Ruhe im Kosovo zu stören. Wenn diese Gruppen jemanden erwischen, sei man tot. Deshalb wage der Beschwerdeführer es nicht, in den Kosovo zurückzukehren und er wolle wie andere frei leben.
Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 10.10.2005 belegte der Beschwerdeführer seine Identität durch Vorlage seines im September 2001 ausgestellten Reisepasses und Personalausweises sowie seiner im Mai 2001 ausgestellten UNMIK-Identitätskarte und seines im April 2005 ausgestellten UNMIK-Führerscheines. Er gab an, dass er von 1987 bis 1999 in R. Schulen besucht habe und zuletzt in M. in der Gemeinde K. gewohnt habe. Der Beschwerdeführer gab an, er sei von November 2001 bis Februar 2005 als Asylwerber in Deutschland gewesen. Er sei dann in den Kosovo zurückgekehrt. Er habe am 00.00.2005 sein Heimatdorf wieder verlassen, sei nach Kroatien gereist und in weiterer Folge von Zagreb aus mit Schlepperunterstützung in einem Fahrzeug versteckt nach Österreich gelangt. Im jugoslawischen Reisepass des Beschwerdeführers ist auf Seite 7 ein von den deutschen Behörden in Vignettenform erteiltes Visum für Rückkehrer in die Bundesrepublik Jugoslawien vom 00.00.2005 ersichtlich. Weiters befindet sich in diesem Reisepass auf Seite 4 ein serbischer Ausreisestempel vom 00.00.2005 nach Kroatien. Vom Beschwerdeführer wurde auch eine Verpflichtungserklärung für eine Einreise nach Kroatien vorgelegt, die für ihn am 00.00.2005 von einer befreundeten kroatischen Staatsangehörigen, welche er in Deutschland kennen gelernt habe, abgegeben worden sei.
Zum Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte der Beschwerdeführer vor, dass er am 00.00.2005 einen Freund im Nachbardorf besuchen habe wollen. Etwa 200 bis 300 Meter außerhalb seines Heimatdorfes sei ein roter VW-Golf hinter ihm gefahren und habe dann angehalten. Aus dem Fahrzeug seien zwei Personen herausgesprungen und hätten dem Beschwerdeführer befohlen, in das Auto einzusteigen. Dieser sei der Aufforderung nicht nachgekommen, weshalb er durch eine Person mit der Faust auf den Hals und die Schulter geschlagen worden sei. Die beiden seien wieder in das Fahrzeug gestiegen und weggefahren. Der Beschwerdeführer sei wieder nach Hause gegangen und habe den Vorfall seinen Eltern erzählt. Diese hätten ihm empfohlen, eine Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Dieser habe dies nicht getan, weil man jeden Tag höre, dass die Leute im Kosovo sich gegenseitig töten, aber niemals die Täter ausgeforscht werden. Der Beschwerdeführer habe diese Männer nicht gekannt und es habe auch keine weiteren derartigen Vorfälle gegeben. Dem Beschwerdeführer sei bekannt, dass es nunmehr keine Verfolgung durch die serbische Polizei oder jugoslawische Behörden mehr gäbe. Während des Kosovokonfliktes sei er im Kosovo gewesen. Er sei nie Mitglied der UCK gewesen, sondern habe ihnen lediglich mit Lebensmitteln geholfen, habe deshalb aber keine Probleme gehabt.
Auf Anfragen des Bundesasylamtes wurde durch das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Mitteilungen vom 12.10.2005 und vom 15.12.2005 bekannt gegeben, dass der Beschwerdeführer in Deutschland zunächst am 23.11.2001 einen Asylantrag gestellt hatte, der am 10.09.2003 abgewiesen wurde, und am 21.06.2004 einen weiteren Asylantrag gestellt hatte, der am 11.01.2005 abgewiesen wurde. Der Beschwerdeführer sei am 00.00.2005 über den Flughafen Düsseldorf nach Serbien und Montenegro ausgereist. Durch die deutschen Behörden wurde aufgrund eines positiven Fingerabdruckabgleiches die Identität des Beschwerdeführers bestätigt.
Durch die slowenischen Behörden wurde ein Aufnahmeersuchen des Bundesasylamtes vom 21.10.2005 am 07.12.2005 abgelehnt. Laut Aktenvermerk vom 27.12.2005 wurde das Verfahren des Beschwerdeführers gemäß § 24a Abs. 3 Z 1 AsylG zugelassen.
Bei der weiteren niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesasylamt am 16.03.2006 gab der Beschwerdeführer an, dass er nach seiner Rückkehr aus Deutschland, welche um den 28.02.2005 erfolgt sei, gedacht habe, dass Kosovo befreit sei. Einen Monat später habe er eine Überraschung erlebt. Er sei von zwei Männern, die maskiert und dem Beschwerdeführer unbekannt gewesen seien, zusammengeschlagen worden. Diese hätten den Beschwerdeführer entführen wollen. Aus diesem Grund habe er Angst, im Kosovo zu leben. Er wolle seine Angaben nicht näher ausführen. Der Beschwerdeführer habe Angst vor Gruppierungen, und es sei bekannt, dass im Kosovo verschiedene Gruppierungen ihr Unwesen treiben. Es handle sich um größere Gruppierungen, der Beschwerdeführer wisse aber nicht, wie diese genannt werden. Der Beschwerdeführer habe im Kosovo keine Feinde und er habe wegen des Vorfalles keine Anzeige erstattet. Der vom Beschwerdeführer dargestellte Vorfall habe sich gegen 18.00 oder 19.00 Uhr etwa 200 bis 300 Meter von seinem Haus entfernt ereignet. Der dargestellte Angriff habe 3 oder 4 Minuten gedauert und der Beschwerdeführer sei weggerannt und habe die Verfolger abschütteln können. Nach dem Vorfall sei der Beschwerdeführer etwa 6 Monate lang immer zu Hause gewesen. Über die Sicherheitslage im Kosovo führte er nach Vorhalt von entsprechenden Feststellungen aus, dass das Kosovo Police Service kein Interesse habe, etwas zu unternehmen, weil die Polizisten nur mit 150 ¿ monatlich entlohnt werden und nicht motiviert seien.
1.2 Das Bundesasylamt hat mit dem angefochtenen Bescheid den Asylantrag des Asylwerbers gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I); weiters wurde mit diesem Bescheid die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, gemäß § 8 Abs.1 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II) und der Asylweber gemäß § 8 Abs.2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien und Montenegro, Provinz Kosovo, ausgewiesen.
Im angefochtenen Bescheid wurde das Vorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft beurteilt und weiters festgestellt, dass dieser Schutz seitens der Behörden des Herkunftsstaates finden könne. Die (behauptete) Bedrohung sei nicht auf die in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückführbar. Aus der allgemeinen Lage im Herkunftsland des Antragstellers ergebe sich keine (refoulementschutzrechtlich relevante) Gefährdung. Die Ausweisung stelle keinen Eingriff in (die durch) Art. 8 EMRK (geschützte Rechtsposition des Beschwerdeführers) dar.
1.3 Gegen diesen Bescheid wurde in einer Eingabe vom 06.06.2006 das Rechtsmittel der Berufung erhoben, in welcher vorgebracht wird, dass das Ermittlungsverfahren der Behörde mangelhaft gewesen sei. Die Furcht des Beschwerdeführers vor Verfolgung sei nachvollziehbar. Es müsse berücksichtigt werden, dass der Beschwerdeführer die UCK mit Lebensmitteln unterstützt habe. Die Beschreibung des Beschwerdeführers der versuchten Entführung beruhe auf Tatsachen. Dieser habe den Vorfall immer gleich geschildert, was wohl nicht der Fall gewesen wäre, hätte er ihn nicht tatsächlich erlebt.
Weiters wurde vorgebracht, dass die Sicherheitslage im Kosovo "alles andere als gut" sei. Die Polizei sei überlastet und könne kaum Schutz bieten. Die vom Bundesasylamt herangezogenen Beweise stammten größtenteils aus dem Jahr 2004 und seien nicht mehr aktuell. Es werde auf den "Kosovo; Fortschrittsbericht 2005" vom 09.11.2005 hingewiesen, wo ausgeführt werde, dass die "Sicherheit weiterhin unbefriedigend" sei.
Weiters wird - allerdings ohne Bezugnahme auf konkrete Umstände des vorliegenden Falls - behauptet, dass der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat erheblichen Beeinträchtigungen seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit, seiner Freiheit und seines Lebens ausgesetzt sei. Die Ausweisung sei nicht rechtmäßig, da der Asylantrag rechtswidrigerweise abgewiesen worden und bekämpft worden sei.
1.4 Am 24.07.2008 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof durchgeführt, an der der Beschwerdeführer teilgenommen hat und zu der das Bundesasylamt keinen Vertreter entsandt hat.
Dabei gab der Beschwerdeführer (BF) auf Befragen durch den Vorsitzenden Richter (VR) und die Beisitzende Richterin (BR) folgendes an:
"VR: Woher aus dem Kosovo kommen Sie und unter welchen Umständen haben Sie bis zu Ihrer Ausreise gelebt?
BF: Ich stamme aus der Gemeinde K.. Ich lebte dort im Dorf M.. Dort lebte ich gemeinsam mit meiner Familie. Ein Bruder und eine Schwester haben noch mit uns zusammengelebt und meine Eltern. Meine Schwester lebt nach ihrer Verheiratung mittlerweile in der Schweiz.
VR: Auf welche Weise haben Sie im Kosovo Ihren Lebensunterhalt verdient?
BF: Ich wurde von meinen Eltern erhalten.
VR: Wovon haben Ihre Eltern gelebt?
BF: Mein Vater hat in einer Fabrik gearbeitet. Die Mutter war Hausfrau.
VR: Hat Ihre Familie ein eigenes Haus in ihrem Heimatdorf gehabt?
BF: Ja.
VR: Sind Sie auch gegenwärtig mit Ihrer Familie in Kontakt?
BF: Ja, bin ich.
VR: Leben Ihre Eltern und Ihr Bruder noch in diesem Haus unter denselben Umständen? Arbeitet Ihr Vater noch?
BF: Ja, aber mein Vater ist nicht berufstätig, während mein Bruder arbeitet.
VR: Verfügt Ihre Familie auch über landwirtschaftlichen Grundbesitz in Ihrer Heimatgemeinde?
BF: Ja, ein wenig schon.
VR: Hat Ihre Familie das selbst bewirtschaftet oder ist das verpachtet?
BF: Sie hat es selbst bewirtschaftet.
VR: Auf welche Weise?
BF: Es wird Mais und Weizen angebaut.
VR: Dient der Ertrag für den Eigenbedarf oder wird das verkauft?
BF: Es ist sehr wenig, wir können nichts verkaufen. Es ist nur für den Eigenbedarf.
VR: Wie groß ist das Haus Ihrer Familie im Heimatdorf?
BF: Das Haus hat drei Zimmer.
VR: Sie haben bereits gegenüber dem BAA Angaben getätigt über Gründe, warum Sie den Kosovo verlassen haben. Entsprechen diese damaligen Angaben der Wahrheit?
BF: Ja, sie haben der Wahrheit entsprochen.
VR: Was glauben Sie im Falle einer Rückkehr in den Kosovo befürchten zu müssen?
BF: Es gibt immer noch Probleme im Kosovo, davor habe ich Angst. Sollte sich die Lage im Kosovo bessern, würde ich gerne in den Kosovo zurückkehren.
VR: Vor welchen konkreten Problemen fürchten Sie sich?
BF: Es ist einmal ein Unglück passiert. Das habe ich bei meiner Ersteinvernahme angegeben. Solche Probleme passieren oft im Kosovo.
VR: Was für ein Unglück ist Ihnen passiert?
BF: Das war in der Nähe des Hauses. Ein Wagen hat in der Nähe des Hauses angehalten. Es befanden sich drei maskierte Personen im Wagen. Sie haben mich geschlagen und misshandelt. Ich bin am Körper verletzt worden. Sie wollten mich mitnehmen.
VR: Haben diese Männer Sie mitgenommen?
BF: Nein.
VR: Warum nicht?
BF: Sie haben es nicht geschafft.
VR: Warum haben sie das nicht geschafft?
BF: Ich hatte Glück.
VR: Ich fordere Sie auf, dass Sie diesen Vorfall näher beschreiben, insbesondere wie es dazu gekommen ist, dass dieser Angriff auf Sie beendet wurde.
BF: Das war ein kurzer Vorfall.
VR: Wenn Sie nicht in der Lage sind, den Ablauf eines solchen Ereignisses in einigen Details darzustellen, muss ich davon ausgehen, dass Ihre Behauptung nicht der Wahrheit entspricht. Dabei berücksichtige ich vorerst noch nicht, dass Sie meinen Fragestellungen nicht nur ausweichen, sondern dabei sogar ständig ein leichtes Lächeln zeigen. Wenn Sie über einen Vorfall sprechen würden, der bei Ihnen eine derartige Furcht hervorgerufen hat, dass Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen, würde ich eine andere körpersprachliche Reaktion erwarten. Was sagen Sie dazu?
BF: Beweise habe ich keine. Der Vorfall ist passiert. Solche Vorfälle passieren immer wieder, man kann es auch in den Medien lesen.
VR: Wir sprechen nicht über allgemeine Phänomene in Ihrem Herkunftsstaat, sondern über Ihr persönliches Schicksal. Was haben Sie nach diesem soeben beschriebenen Vorfall getan?
BF: Ich nach Hause gegangen nach diesem Vorfall und innerhalb einer kurzen Zeit habe ich dann das Land verlassen.
VR: Hat es einen weiteren vergleichbaren Vorfall gegeben nach diesem soeben beschriebenen bis zu Ihrer Ausreise?
BF: Sie meinen, was mir persönlich passiert ist? Nein, hat es nicht gegeben.
VR: Wie lange nach dem beschriebenen Vorfall sind Sie ausgereist?
BF: Zwei bis drei Tage später.
VR: Ich glaube, dass Sie nicht die Wahrheit sagen. Sie haben zunächst diesen behaupteten Angriff gegenüber dem BAA sowohl in Ihrem schriftlichen Antrag, als auch bei den Einvernahmen hinsichtlich eines markanten Sachverhaltselementes abweichend beschrieben, indem Sie heute behauptet haben, dass Sie durch drei Personen angegriffen worden seien, während Sie vor dem BAA einen Angriff von zwei Personen behauptet haben. Was sagen Sie dazu?
BF: Die Personen, die mich geschlagen haben, waren zwei. Der dritte war der Fahrer und dieser hat den Wagen nicht verlassen.
VR: Dieser Erklärungsversuch steht nicht im Einklang mit Ihrer heutigen Angabe, dass Sie durch drei Personen angegriffen wurden.
BF: Sie waren alle drei beteiligt an dem Vorfall, aber zwei haben mich angegriffen.
VR: Sie haben gegenüber dem BAA durchgängig behauptet, dass ein solcher Vorfall sich im April 2005, also sechs Monate vor Ihrer Ausreise ereignet habe; heute haben Sie vorgebracht, dass Sie wenige Tage nach dem Vorfall Ihren Herkunftsstaat verlassen haben. Was sagen Sie dazu?
BF: Ich bin in Deutschland gewesen. Nach der Rückkehr aus Deutschland hielt ich mich sieben Monate im Kosovo auf. Wenige Tage, bevor ich den Kosovo verlassen habe, ist dieser Vorfall passiert.
VR: Sie haben bei der Stellung Ihres Asylantrages handschriftlich ein Formular ausgefüllt und darin Ihre Fluchtgründe angegeben. Haben Sie das selbst geschrieben?
BF: Ja.
VR: Sowohl in diesem Formblatt lautet die Eintragung, dass dieser Angriff 2005 stattgefunden hat, als auch Ihre in der Folge getätigten Aussagen bei den Einvernahmen am 10.10.2005 und 16.03.2006 haben als Zeitpunkt des behaupteten Angriffs den 00.00. 2005 bzw. sechs Monate vor Ihrer Ausreise beinhaltet. Was sagen Sie dazu?
BF: Die Reise nach Österreich hat sehr lange gedauert. Ich habe mich sehr lange auf der Straße aufgehalten.
VR: Sie haben in der Einvernahme am 10.10.2005 angegeben, dass Sie am 00.00.2005 Ihr Heimatdorf verlassen haben und über Kroatien in weiterer Folge nach Österreich gereist sind; in dem von Ihnen vorgelegten Reisepass ist in Übereinstimmung damit ersichtlich, dass laut einem Grenzübertrittsstempel der serbischen Behörden am 00.00.2005 Ihre Ausreise erfolgt ist. Ihr Erklärungsversuch greift daher nicht. Was sagen Sie dazu?
BF: Ja, das stimmt, ich bin in Deutschland gewesen und bin auch über Kroatien eingereist.
...Vorhalt der vorläufigen Beurteilung der politischen und menschenrechtlichen Situation im Herkunftsstaat (Beilage A, OSCE Profil der Gemeinde K.)...
VR gibt dem BF Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Beurteilung.
BF: Ich würde gerne noch dieses Jahr in Österreich bleiben und hoffe, dass die Lage für mich im nächsten Jahr besser wird und ich dann zurückkehren kann. Ich habe von Anfang an gewusst, was Asyl bedeutet. Ich wusste auch, dass ich eines Tages in die Heimat zurückkehren müsste. Ich bedanke mich trotzdem für die Unterstützung und Beherbergung hier.
VR: Was haben Sie getan, seit Sie im Jahr 2005 nach Österreich gekommen sind?
BF: Vom Staat habe ich keine Unterstützung erhalten. Ich bedanke mich bei meiner Schwester, sie hat mich finanziell unterstützt, so habe ich meinen Lebensunterhalt in Österreich bestreiten können.
VR: Ich gehe davon aus, dass Sie damit Ihre Schwester in der Schweiz meinen?
BF: Ja.
VR: Haben Sie in Österreich irgendwelche verwandtschaftliche oder sonstige Beziehungen?
BF: Nein.
VR: Sind Sie in Österreich einer erlaubten Beschäftigung nachgegangen?
BF: Nein.
VR: Hatten Sie die Gelegenheit alles zu sagen, was Sie in diesem Verfahren vorbringen wollten?
BF: Ja."
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo und gehört der albanischen Bevölkerungsgruppe an. Er stammt aus dem Dorf M. in der Gemeinde K.. Der Beschwerdeführer lebte zunächst in seiner Heimatregion hielt sich vom November 2001 bis zum zum 00.00.2005 in Deutschland auf, wo über zwei von ihm gestellte Asylanträge abweisende Entscheidungen getroffen wurden. Die vom Beschwerdeführer im Verfahren behaupteten Bedrohungen durch unbekannte gewaltbereite Personen in seiner Herkunftsregion nach seiner Rückkehr in den Kosovo im Jahr 2005 ist der Entscheidung nicht als Sachverhalt zugrunde zu legen; das entsprechende Vorbringen im Verfahren hat nicht den Tatsachen entsprochen. Die Familie des Beschwerdeführers, bei der dieser vor seiner Ausreise gelebt hat, besitzt in dessen Heimatdorf ein Haus und betreibt eine kleine Landwirtschaft.
Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer allenfalls durch Abgabe von Lebensmitteln die UCK unterstützt habe, ergibt sich für ihn keine Bedrohungssituation.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine familiären oder sonstigen Bindungen und übt keine erlaubte Beschäftigung aus.
2.2 Zur Situation im Kosovo wird festgestellt:
1. a. Allgemeines:
Im Kosovo, einem Gebiet von ca. 11.000 qkm, leben - geschätzt - 2,1 Millionen Menschen, davon 92 Prozent ethnische Albaner, 5,3 Prozent Serben, 0,4 Prozent Türken, 1,1 Prozent Roma sowie 1,2 Prozent anderer Ethnien. Die Amtssprachen sind Albanisch und Serbisch. Auf Gemeindeebene werden auch Bosnisch, Romanes und Türkisch als Amtssprachen in Verwendung sein. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 3-5]
1. b. Lageentwicklung:
1. b.1. Kosovo unter UN - Verwaltung
Am 24.03.1999 begann die NATO die Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel, "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern (und) das Morden im Kosovo zu beenden". Im Juni 1999 rückten die unter Führung der NATO gebildeten KFOR-Einheiten in den Kosovo ein. Am 10.06.1999 wurde das Gebiet auf der Basis der Sicherheitsrats-Resolution 1244 der vorläufigen zivilen UN-Verwaltung "United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK)" unterstellt. Völkerrechtlich gehörte der Kosovo aber nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2]
1. b.2. Statusverhandlungen
Der VN-Generalsekretär hat für die Verhandlungen zum Status des Kosovo den ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari zu seinem Sondergesandten ernannt. Ahtisaari hat am 21. Oktober 2005 die Statusgespräche begonnen. Nach anfänglicher Pendeldiplomatie zwischen Wien und Pri¿tina bzw. Belgrad begannen am 22. Februar 2006 direkte Gespräche zwischen beiden Delegationen. VN-Sondergesandter Ahtisaari hat am 02.02.2007 den Parteien einen Entwurf des Statuspakets übergeben. Abschließend hat sich der UN-Sicherheitsrat mit der Statuslösung befasst. In intensiven Verhandlungen bis Ende Juli 2007 konnte jedoch keine Einigung über einen Resolutionstext erzielt werden, und die Befassung des UN-Sicherheitsrates wurde zunächst auf Eis gelegt.
Unter Federführung einer "Troika" aus USA, Russland und EU begannen am 01.08.2007 neue Verhandlungen, die jedoch am 10.12.2007 endgültig scheiterten. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 7; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:
Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2]
1. b.3. Wahlen
Am 17.11.2007 fanden Parlaments-, Kommunal- und Bürgermeisterwahlen, die ohne besondere Zwischenfälle abliefen, statt. Der mit der Wahlbeobachtung betraute Europarat hat bestätigt, dass die Wahlen entsprechend der internationalen und europäischen Standards verlaufen sind. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 28]
Am 9. Jänner 2008 hat das Parlament sowohl Präsident Fatmir Sejdiu in seinem Amt als auch das Kabinett von Ministerpräsident Hashim Thaci (Demokratische Partei des Kosovo, PDK) bestätigt. Das neue Kabinett hat zwei Vizeministerpräsidenten und 15 Minister, sieben davon kommen der PDK, fünf dem Koalitionspartner LDK
und drei den Minderheiten zu. [APA 09.01.2008: Kosovos neue Führungsspitze von Parlament bestätigt]
1. b.4. Unabhängigkeit des Kosovo
Das kosovarische Parlament erklärte am 17.02.2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten.
Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile über 30 Staaten, allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt.
Das neue Staatswesen ist zwar formal souverän, die internationale Staatengemeinschaft wird jedoch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch präsent sein. Die Außenminister der EU und die NATO haben sich verständigt, die KFOR nicht abzuziehen; rund 17.000 NATOSoldaten bleiben im Kosovo, darunter knapp 2.400 Deutsche. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Entsendung
einer ca. 2.000 Mann starken EU-Mission (EULEX) beschlossen. Sie soll die UN-Verwaltung (UNMIK) nach einer Übergangszeit ablösen. Rund 70 Experten sind für ein International Civilian Office (ICO) unter Leitung eines EU-Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen vorgesehen. Als Leiter von EULEX wurde der französische General und ehemalige KFOR-Kommandeur Yves de Kermabon zum EU-Sondergesandten (EUSR) der Niederländer Pieter Feith bestellt. Noch ist offen, wann und wie die Befugnisse auf die EU übergehen sollen. Es fehlen klare Regelungen für den Wechsel der Zuständigkeiten.
UNMIK kann sich formal aber erst dann aus dem Kosovo zurückziehen, wenn die noch geltende UN-Resolution 1244 durch den Sicherheitsrat außer Kraft gesetzt wird.
Unter UNMIK-Verwaltung haben sich im Kosovo demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte (provisorische) Regierung. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem bedarf an vielen Stellen noch der Verbesserung.
Eine kosovarische Polizei wurde aufgebaut, die sich bislang als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat. Der Transitionsprozess, d. h. die schrittweise Übertragung der Kompetenzen von UNMIK auf kosovarische Institutionen hat bereits begonnen. Nach dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die Republik Kosovo ein demokratisches, multiethnisch zusammengesetztes Staatswesen, das den Minderheiten starke Rechte zusichert. Der Entwurf enthält alle notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen oder Diskriminierung von Minderheiten. Nationale Identitäten, Kulturen, Religionen und Sprachen werden darin respektiert.
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]
Die Verfassung wurde am 15. Juni 2008 vom Parlament verabschiedet [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008], welche am selben Tag in Kraft trat. [Constitution of the Republic of Kosovo]
Die serbische Staatsführung bezeichnete die Verfassung der abtrünnigen Provinz als rechtlich nicht existent". Präsident Boris Tadic kündigte an, die Proklamation der Kosovo-Verfassung werde von Belgrad nicht als rechtsgültig anerkannt.
Der Kosovo bleibt unter internationalem Protektorat.
Laut den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem Internationalen Beauftragten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO-geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen.[ APA 10.06.2008: Der Kosovo will Heimat aller seiner Bürger sein]
Ob die Letztverantwortlichkeit im Kosovo bei der EU oder der UNO liegen wird, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008]
1. b.4.1.Staatsangehörigkeit:
Das Staatsangehörigkeitsgesetz der Republik Kosovo trat am 15.06.2008 in Kraft [Regulation no. 2000/13, 17 March 2000 On the Central Civil Registry, Law on Citizenship of Kosova
http://www.assembly-kosova.org/?krye=laws&lang=en&ligjid=243]
Die relevanten Bestimmungen lauten:
CHAPTER II ACQUISITION OF CITIZENSHIP
Article 5 Modalities of the acquisition of citizenship
The citizenship of Republic of Kosova shall be acquired:
a) by birth;
b) by adoption;
c) by naturalization;
d) based on international treaties
e) based on Articles 28 and 29 of this Law.
Übergangsbestimmungen:
CHAPTER V TRANSITIONAL PROVISIONS
Article 28 The Status of habitual residents of Republic of Kosova
28.1 Every person who is registered as a habitual resident of Republic of Kosova pursuant to UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry shall be considered a citizen of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens.
Article 29 Citizenship according to the Comprehensive Proposal for the Republic of Kosova Status Settlement
29.1 All persons who on 1 January 1998 were citizens of the Federal Republic of Yugoslavia and on that day were habitually residing in Republic of Kosova shall be citizens of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens irrespective of their current residence or citizenship.
29.2 Provisions of paragraph 1 of this Article apply also to direct descendants of the persons referred to in paragraph 1.
29.3 The registration of the persons referred to in paragraphs 1 and 2 of this Article in the register of citizens shall take effect upon the application of the person who fulfills the requirements set out in this Article.
29.4 The competent body shall determine in sub-normative acts the criteria which shall constitute evidence of the citizenship of the Federal Republic of Yugoslavia and habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998.
29.5 The competent body shall use the criteria set for the in UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry to determine habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998
Exkurs:
REGULATION NO. 2000/13
UNMIK/REG/2000/13
17 March 2000
ON THE CENTRAL CIVIL REGISTRY
Section 3
HABITUAL RESIDENTS OF KOSOVO
The Civil Registrar shall register the following persons as habitual residents of Kosovo:
(a) Persons born in Kosovo or who have at least one parent born in Kosovo;
(b) Persons who can prove that they have resided in Kosovo for at least a continuous period of five years;
(c) Such other persons who, in the opinion of the Civil Registrar, were forced to leave Kosovo and for that reason were unable to meet the residency requirement in paragraph (b) of this section; or
(d) Otherwise ineligible dependent children of persons registered pursuant to
subparagraphs (a), (b) and/or (c) of this section, such children being under the age of
18 years, or under the age of 23 years but proved to be in full-time attendance at a recognized educational institution.
2. Sicherheitslage im Kosovo:
2. a. Lageentwicklung:
Insgesamt hat sich die Sicherheitslage seit Juni 1999 verbessert, mit den Unruhen Mitte März 2004 wieder punktuell eingetrübt (ohne auf das Niveau von 1999 zurückzufallen). Nach den Ausschreitungen im März 2004 gab es keine weiten Unruhen mehr.
Die Zahl der registrierten Delikte verringerte sich 2006 im Vergleich zum Jahr 2005 um ca. 5 % auf 64.165. Für 2006 lässt sich ein Rückgang der Delikte gegen Leib und Leben feststellen, während Eigentumsdelikte durchschnittlich um etwa 5 % zugenommen haben.
Nachfolgend detaillierte Zahlen zu ausgewählten Delikten:
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 9]
2.1. Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden:
Kosovo Police Service KPS /ShPK:
Die OSCE leitet in Vushtrri eine zentrale Aus -und Fortbildungsstätte für KPS.
Seit 1999 werden die verschiedenen Lehrgänge durch internationale Polizeitrainer aus verschiedenen Staaten ausgebildet. Inzwischen wird das Institut durch einen lokalen Direktor geleitet.
Neben der Ausbildung besteht ein Hauptaugenmerk auf Fortbildung. Immer wieder werden bei Kursen auch externe Experten eingeflogen, welche dann in ihrem Spezialgebiet die Kenntnisse weitergeben.
Nach der Ausbildung erfolgt die Aufteilung in die verschiedenen Regionen des Kosovo.
Von diesen wurden bis auf die Region MITROVICA alle bereits von UNMIK Police an KPS übergeben. UNMIK Police übt eine beobachtende Rolle aus, unterstützt und evaluiert die Arbeit von KPS.
Gesamtstand: 7.160 Beamte (30.11.2007)
davon serbische Ethnie: 716 Beamte = 10,0 Prozent
sonstige Minderheiten: 403 Beamte = 5,6 Prozent [Kosovo - Bericht
20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 33]
KPS geht Anzeigen professionell nach. Beschwerden und Anzeigen gegen Angehörige von KPS werden sehr genau auch im Zuge von Disziplinarverfahren untersucht, Konsequenzen wie Suspendierungen, etc werden nach den bisherigen Erfahrungswerten fast rascher ausgesprochen als in Österreich. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 22.10.2006, Zahl 154/07 an das BAE]
Sollte eine Person aus dezidierten Gründen kein Vertrauen in KPS haben, kann die Anzeige auch bei internationalen Polizeibeamten von UNMIK eingebracht werden, welche dann über die weitere Vorgangsweise entscheiden.
Wenden sich Personen an KFOR, versuchen diese, die Anzeige an eine dafür zuständige Stelle (KPS oder UNMIK) weiterzuleiten. KFOR hat keine Exekutivgewalt im Kosovo.
Als weitere Möglichkeit bietet sich eine direkte Anzeige bei der Justiz (Staatsanwalt) an, wo dann über die weitere Vorgangsweise entschieden wird.
Die Beamten von KPS tragen deutlich sichtbar ihre jeweilige Dienstnummer, wodurch eine Zuordnung ohne Probleme möglich ist. Die Tätigkeit ist in den Dienstberichten dokumentiert und transparent nachvollziehbar.
Das Einbringen von Beschwerden ist jederzeit möglich, aufgrund der Sensibilisierung werden Beschwerden auch rasch behandelt und führen - wenn berechtigt - zu den entsprechenden Konsequenzen für den betroffenen Funktionsträger.
Missstände in der Verwaltung können auch beim Ombudsmann angezeigt werden.
Dieser strich bei einem persönlichen Gespräch hervor, dass Beschwerden gegen KPS von dieser Institution unverzüglich und effizient bearbeitet werden, was bei anderen Institutionen absolut nicht der Fall wäre. [Kosovo - Bericht 31.03.2007 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 9-10]
UNMIK Police:
Seit August 1999 ist UNMIK Police im Kosovo präsent. Konkrete operative Aufgaben bestehen derzeit in der Region Mitrovica (noch nicht an KPS übergeben), in der Abteilung für Organisierte Kriminalität, im Interpol - Büro, bei Kriegsverbrechen und im Ordnungsdienst (Demonstrationen, etc).
Sonderfälle sind die Einheiten für Zeugenschutz, Transport von Häftlingen und Personenschutz.
Sonst hat UNMIK POLICE eine beobachtende Funktion von KPS eingenommen. UNMIK Police soll mit Ablauf der Übergangsfrist von 120 Tagen (über den Beginn
dieses Zeitraums gibt es noch keine Einigung bzw. keine definitive Aussage) durch EULEX ersetzt werden.
Gesamtstand: ca. 2.000 Beamte aus 42 Ländern (inkl. 7 aus Afrika)
Österreich: 22 Beamte
Kosovo Protection Corps KPC / TMK:
KPC / TMK wurde nach der Demilitarisierung der Kosovo Liberation Army KLA / UCK 1999 gegründet und wird in Ausrüstung, Training und Dienstversehung durch Kosovo Force KFOR unterstützt. Nach Ablauf der Übergangsphase von 120 Tagen nach Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung soll KPC / TMK in eine Kosovo Security Force KSF / FSK übergeleitet werden. Die Schaffung der neuen
Einheit ist im Ahtisaari - Paket vorgesehen.
Derzeitiger Stand KPC / TMK:
Aktive: 2.906
Reservisten: 2.000
Minderheitenanteil: 6,6 Prozent, inklusive 1,4 Prozent Serben
KFOR:
KFOR hat eine Präsenz von ca. 16.000 Soldaten und gliedert sich in fünf Regionen, welche jeweils unter verschiedener Führung stehen, das Hauptquartier ist in Pristina. Das Vertrauen der Bevölkerung in KFOR ist im Vergleich mit anderen internationalen Institutionen am höchsten. KFOR führt auch im CIMIC Sektor immer wieder zahlreiche Projekte durch, mit welchen die Infrastruktur im Kosovo verbessert werden soll.
In Planung:
EULEX:
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgt die Vorbereitung dieser mittels Mandats des Rats der Europäischen Union vom 04.02.2008 errichteten ESVP - Mission durch EUPT (European Union Preparation Team).
Kommandant EULEX: Yves de KERMABON (F)
Stellvertreter: Roy REEVE (UK)
Polizei: Rainer KÜHN (D)
Gesamtstand: 1.900 Internationale
1.100 Nationale
Aufgabenbereich: Überwachung und Beratung der lokalen Polizei, Justiz, Justizwache und des Zolls.
Operative Aufgaben im Polizeibereich sollen analog der jetzt von UNMIK ausgeübten Tätigkeiten sein (Abteilung OK, Kriegsverbrechen, Zeugenschutz, Personenschutz, etc.)
KOSOVO SECURITY FORCE KSF / FSK
Die Übergangsphase von KPC / TMK zu KSF / FSK soll innerhalb von vier Monaten erfolgen, realistisch wurde ein Zeitrahmen von sechs Monaten angenommen.
Mitglieder von KPC / TMK können sich für die neue Einheit bewerben und müssen sich mit anderen Bewerbern einem Auswahlverfahren stellen.
Das Korps soll ebenfalls uniformiert, militärisch gegliedert und leicht bewaffnet sein. Der Aufgabenbereich wird jenem von KPC / TMK entsprechen. Eine Erhöhung der Mannstärke ist nur mit Zustimmung der internationalen Militärpräsenz (dzt. KFOR) möglich.
Oberbefehlshaber soll der Staatspräsident sein, die Eingliederung im neu geschaffenen Ministerium ("Verteidigungsministerium") erfolgen und der Kommandant über Vorschlag des Ministers mit Zustimmung des Premierministers und Entscheidung durch den Staatspräsidenten ernannt bzw. abberufen werden.
Die Ausbildung der Mitglieder soll in einer privaten Universität (Amerikanische Universität Kosovo AUK) erfolgen, es soll keine Militärakademie eingerichtet werden.
Kein Einsatz ist im Rahmen einer Grenzsicherung geplant.
Aktive: 2.500
Reservisten: 800
Minderheitenanteil: analog der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung
Die Sicherheitssituation ist derzeit stabil mit Ausnahme Nordkosovo. Bisher verlief die Phase seit der Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeit durch den Kosovo überraschend ruhig.
Für den Großteil der Bevölkerung im Südkosovo und auch in den anderen serbischen Gemeinden außerhalb des Brennpunktes Mitrovica gestaltet sich das Leben völlig normal und ist in keiner Weise von mangelnder Sicherheit betroffen. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 33-36]
2.2. Kosovo - Albaner
UNHCR wies bereits im Januar 2003 darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Kosovo - Albaner, die während der Kosovo - Krise geflohen waren, nach Hause zurückgekehrt ist.
Die Sicherheitslage hat sich im Allgemeinen für Angehörige der albanischen Mehrheitsbevölkerung in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Nicht zuletzt die größere Effizienz der lokalen Polizei "KPS" und eine Verbesserung des lokalen Gerichtswesens haben dazu beigetragen, die Situation (für ethnische Albaner) zu verbessern. Zudem haben aber auch das - für Nachkriegssituationen typische - allgemeine Chaos und die relative Normenungebundenheit, die in der Gesellschaft vorherrschte nachgelassen und ein mehr geregeltes gesellschaftliches Leben ist an deren Stelle getreten. Gegenwärtig gibt die allgemeine Sicherheitslage für ethnische Albaner, d.h. Angehörige des nunmehrigen Mehrheitsvolkes in Kosovo, bis auf genau definierte Ausnahmen zu Besorgnissen keinen Anlass mehr. [S.M., Allgemeines Gutachten zur Situation im Kosovo, 15.02.2007, Seiten 4-5]
Im Positionspapier des UNHCR vom Juni 2006 wird aber darauf hingewiesen, dass es immer noch einige Kategorien von Kosovo - Albanern (so z.B. aus Gebieten in denen sie eine ethnische Minderheit bilden oder Kosovo - Albaner in Mischehen und Personen gemischt-ethnischer Herkunft, Kosovo - Albaner, die der Mitarbeit mit dem serbischen Regime nach 1990 verdächtigt werden sowie Opfer von Menschenhandel) gibt, die mit ernsten Problemen, einschließlich physischer Gefahr, konfrontiert werden könnten, wenn sie derzeit nach Hause zurückkehren würden. [UNHCR Positionspapier vom Juni 2006, Seite 9] .
3. Rückkehrfragen: Wirtschaft, Grundversorgung und Gesundheitssystem im Kosovo
3. a. Wirtschaft:
Trotz der Unabhängigkeit ist die wirtschaftliche Lage in der rohstoffreichen Region weiterhin äußerst prekär. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 1.100 Euro/Kopf ist der Kosovo Schlusslicht in Europa. Die Arbeitslosigkeit beträgt über 40 Prozent. Das Land hat mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren die jüngste Bevölkerung Europas und die höchste Geburtenrate. Ein Drittel der Einwohner ist jünger als 14 Jahre. Jährlich drängen 36.000 junge Leute neu auf den Arbeitsmarkt. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]
3. b. Grundversorgung/Sozialwesen
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Bevölkerung des Kosovo ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 17]
Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die von den "Municipalities" ausgezahlt wird, sich allerdings auf sehr niedrigem Niveau bewegt. Sie beträgt für Einzelpersonen 35 Euro monatlich und für Familien (abhängig von der Zahl der Personen) bis zu 75 Euro monatlich. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 17]
Im Jahr 2007 erhielten insgesamt 37.170 Familien mit einer gesamten Anzahl von 161.049 Personen Sozialunterstützung.
Die Kriterien für die Sozialhilfe sind entsprechend geregelt und auch im Verwaltungsweg durchsetzbar. ...
Die Sozialleistungen reichen alleine oft nicht zur Abdeckung der Grundbedürfnisse
Der Zusammenhalt der Familien besonders im ländlichen aber auch im städtischen Bereich sichert das wirtschaftliche Überleben, verbunden mit Unterstützungszahlungen von Verwandten aus dem Ausland. Zusätzliche Einnahmequellen bestehen in der Landwirtschaft bzw. durch die Erledigung von Gelegenheitsarbeiten vor allem in der Baubranche.
Unterstandslosigkeit ist im Kosovo im Gegensatz zu westlichen EU-Staaten äußerst selten auftauchendes Problem. So ist die Zahl der tatsächlich unterstandslosen Personen in Pristina - immerhin geschätzte 600.000 Einwohner verschwindend gering (geschätzte 20 Personen!), im ländlichen Bereich gar nicht vorhanden. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 13]
Selbst wenn keine eigene Unterkunft zur Verfügung steht, so funktioniert im Kosovo das "Auffangbecken" Familie trotz aller widrigen, vor allem schweren wirtschaftlichen, Umstände nach wie vor. Soll heißen, dass durch diese Familienbande kein derartiger Kosovare einem Leben auf der Straße ausgesetzt wäre. Es finden sich allein schon aufgrund der im Kosovo vorherrschenden "zahlreichen" Verwandtschaftsverhältnisse immer noch irgendwelche Möglichkeiten der Unterbringung und Unterstützung solcher Personen.
Sollte die für einen AW extreme Situation der "Nichtunterstützung" seitens seiner Familie auftreten, welche allerdings sehr unwahrscheinlich ist, so finden sich im Kosovo nach wie vor einzelne internationale und nationale humanitäre Organisationen ("Mutter Teresa", das "Rote Kreuz", die "Caritas"...), die humanitäre Hilfe ermöglichen.
Weiters sind zahlreiche NGO's im Kosovo tätig, die eine zusätzliche Möglichkeit darstellen, bei auftretenden Problemen welcher Art auch immer entsprechende Unterstützung zu erhalten. Der Zugang zu deren Büros oder eine direkte Kontaktaufnahme ist für alle Personen im Kosovo möglich. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 12.11.2007, Zahl 536/07 an das BAE]
Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass ethnische Albaner im Kosovo nicht Gefahr laufen zu verhungern oder in ihrer Existenz gefährdet zu sein. Die Solidarität in der Großfamilie in Zusammenspiel mit Schwarz- oder Gelegenheitsarbeiten, möglicher Sozialhilfe und humanitärer Hilfe verhindern im Allgemeinen ein vollkommenes Abgleiten kosovo- albanischer Familien. [S.M., Zusatzgutachten zu BW NN (313.084), 14.09.2007, Seite 3]
Es sind in den erörterten Berichten keine Fälle dokumentiert, dass aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage Personen tatsächlich lebensgefährdend in ihrer Existenz bedroht waren oder aktuell sind.
3. c. Gesundheitswesen:
Durch die Entwicklungen während der neunziger Jahre wurde auch der Gesundheitssektor des Kosovo sehr in Mitleidenschaft gezogen. Die Wiederherstellung der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung ist nach wie vor prioritär, schreitet aber aufgrund fehlender Ressourcen nur langsam voran. 2007 stieg das Budget des PISG Gesundheitsministeriums um 2 Mio. Euro auf 51 Mio. Euro an.
Die Versorgung bei Operationen im Kosovo bessert sich stetig, ist aber in der invasiven Kardiologie (z.B. Herzoperationen bei Kleinstkindern), in der Neurochirurgie sowie in der chirurgischen Orthopädie noch eingeschränkt. Die Möglichkeiten, komplizierte operative Eingriffe vorzunehmen, sind zurzeit noch begrenzt. Dennoch wurden im Jahr 2007 bereits mehrere Patienten mit ausländischer Unterstützung im Universitätsklinikzentrum in Prishtinë/Pri¿tina am offenen Herzen operiert. Die Kardiologie dort befindet sich derzeit im Ausbau. Ein Koronarangiograph zur verbesserten Diagnostik wurde angeschafft, bislang jedoch noch nicht in Betrieb genommen. Auch in der Therapie von Krebspatienten bestehen
trotz Verbesserungen gerade im privaten Gesundheitssektor weiterhin Probleme, so sind z.B. Bestrahlungen nach wie vor nicht durchführbar.
Das Gesundheitsministerium verfügt derzeit über einen Fonds, um medizinische Behandlungen im Ausland durchzuführen. Im Frühjahr 2006 wurde es dadurch einigen Patienten, vor allem Kindern mit Herz- oder Tumorerkrankungen, ermöglicht, behandelt zu werden. Auch Nichtregierungsorganisationen wie Nena Theresa führen regelmäßig Spendensammlungen durch, um Behandlungen im Ausland finanzieren zu können
Am 15.12.2006 haben das Gesundheitsministerium der Republik Albanien und das (PISG) Gesundheitsministerium des Kosovo ein Memorandum of Understanding geschlossen, in dem Kosovaren Möglichkeiten zur Behandlung auf dem Gebiet der Kardiochirurgie, Neurochirurgie und Onkologie (Radiotherapie) im Universitätsklinikzentrum "Nenë Terezë" in Tirana eröffnet werden... .
Die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen im öffentlichen Gesundheitswesen ist nicht gänzlich kostenfrei, je nach Behandlung im ambulanten Bereich sind zwischen 1 Euro und 4 Euro zu zahlen, für einen stationären Aufenthalt sind es täglich 10 Euro. Bestimmte Personengruppen, wie z.B. Invalide und Empfänger sozialhilfeähnlicher Leistungen, chronisch Kranke, Kinder bis zum 10. Lebensjahr und Personen über 65 Jahre, sind jedoch von diesen Zahlungen befreit. ...
Auch für die Medikamente, die auf der "essential drugs list" des Gesundheitsministeriums aufgeführt sind, wird nun eine Eigenbeteiligung von bis zu 2 Euro erhoben. Allerdings kam es kam es in der Vergangenheit im Universitätsklinikzentrum in Pri¿tina zu finanziellen Engpässen mit der Folge, dass auch stationäre Patienten die benötigten Medikamente, Infusionen, etc. zum vollen Preis privat in Apotheken erwerben mussten, obwohl sie auf der "essential drugs list" aufgeführt sind.
Viele der im öffentlichen Gesundheitswesen beschäftigten Ärzte betreiben zusätzlich eine privatärztliche Praxis. Der medizintechnische Standard dort ist oft erheblich höher als der im öffentlichen Gesundheitssystem. Weil es an einer Gebührenordnung fehlt, werden die Behandlungskosten zwischen Arzt und Patient frei vereinbart.
Kosovaren nutzen teilweise auch die Möglichkeit, eine für sie kostenpflichtige medizinische Behandlung in Mazedonien durchführen zu lassen. Soweit Kosovaren gültige serbische bzw. ehemals serbisch-montenegrinische Personaldokumente (Personalausweis oder Reisepass) besitzen, können sie theoretisch auch in das übrige Serbien reisen, um sich dort, allerdings auf eigene Kosten, medizinisch behandeln zu lassen. Aufgrund der politisch-ethnischen Situation ist dies allerdings keine allgemein gültige Lösung, sondern beschränkt sich auf Einzelfälle (Faktoren: ethnische Zugehörigkeit der Person/ethnische Situation am Behandlungsort/ Sprachkenntnisse etc.)...
Neben den Apotheken in öffentlichen Gesundheitseinrichtung