B7 266.604-1/2008/5E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (AsylG 2005) und 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Beisitzerin über die Beschwerde des X.M., geb. 00.00.1983, StA. Republik Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.11.2005, Zl. 05 14.704-EAST WEST, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde von X.M. vom 06.12.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.11.2005, AZ. 05 14.704-EAST WEST, wird gemäß § 7 AsylG abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 57 des Fremdengesetzes, BGBl. I Nr. 75/1997 (FrG) idF BGBl. I Nr. 126/2002, wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von X.M. in die Republik Kosovo zulässig ist.
III. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG wird X.M. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ausgewiesen
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Berufungswerber (in der Folge Beschwerdeführer genannt) brachte vor, Staatsangehöriger von Serbien (vormals Serbien und Montenegro) und Angehöriger der albanischen Volksgruppe aus der vormaligen Provinz Kosovo (nunmehr Republik Kosovo) zu sein, den im Spruch angeführten Namen zu führen und am 12.09.2005 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Er stellte am 12.09.2005 in Österreich einen Antrag auf Gewährung von Asyl.
Am 15.09.2005 und am 27.09.2005 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesasylamt jeweils im Beisein eines geeigneten Dolmetschers der albanischen Sprache niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahmen brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor:
Einvernahme am 15.09.2005:
"Ihnen werden die anwesenden Personen vorgestellt und deren Funktion erklärt. Es wird Ihnen mitgeteilt, dass der anwesende Dolmetscher .
Sie werden darauf aufmerksam gemacht, dass Sie im Falle von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit beim Dolmetscher rückfragen können.
F: Verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?
A: .
Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt und keinesfalls an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden.
Sie werden auf die Möglichkeit der Kontaktnahme mit und der Beiziehung zur Einvernahme von Rechtsberater, Flüchtlingsberater, Vertreter und Vertrauensperson hingewiesen.
F: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, die Einvernahme durchzuführen?
A: Ja
F: Wurden Ihnen die Orientierungsinformation, das Merkblatt zum Asylverfahren und die Informationsblätter zur Dublin II VO und zur EURODAC-VO in einer Ihnen verständlichen Sprache ausgefolgt?
A: Ja
Ihnen wird zur Kenntnis gebracht, dass am 01.05.2004 eine Novelle zum Asylgesetz in Kraft getreten ist und 10 neue Mitgliedstaaten der Europäischen Union beigetreten sind. Wegen der Zuständigkeitsbestimmungen der Europäischen Union wird zunächst nur die Frage der Zuständigkeit Österreichs für Ihr Asylverfahren geprüft. Wenn sich im Verfahren die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union ergibt, bedeutet dies für Sie folgendes:
Sie werden in diesen anderen Mitgliedstaat überstellt und Ihre Fluchtgründe werden in Österreich vorerst nicht geprüft.
Sie werden weiters darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben die Grundlage für die Entscheidung im Asylverfahren sind und dass Ihren Angaben in der Erstaufnahmestelle eine verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt.
Im Besonderen werden Sie darauf hingewiesen, dass Ihr Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen werden kann, wenn Sie die Asylbehörde über Ihre wahre Identität, Ihre Staatsangehörigkeit oder die Echtheit Ihrer Dokumente täuschen.
F: Wann und wie haben Sie Ihr Heimatland verlassen, wie kamen Sie nach Österreich?
A: Ich verließ am 9.9.2005 mein Heimatdorf und fuhr mit einem öffentlichen Bus nach F.. Ich wohnte bei meiner Mutter und Großeltern in einen Haus in G. zusammen mit 7 Familienmitgliedern.Wir haben die 80,-- Euro der Großeltern Sozialhilfe und ein bisschen etwas schickt mein Vater aus Kroatien.
Von F. fuhr ich mit einem Kastenbus bis nach Österreich. Am 12.9.2005 habe ich den Kastenbus verlassen hier in T.. Ich befand mich alleine im Bus, versteckt, Kontrollen konnte ich nicht sehen. Ich weiß nicht durch welche Länder ich fuhr und ich weiß auch nicht wo ich die österreichische Grenze passierte. Ich bezahlte 1900,- Euro an den Schlepper den ich in F. kennen lernte.Ich habe nur meine UNMIK-Karte mitgeführt, zuhause habe ich einen UNMIK-Reisepaß.
Ich befinde mich zum ersten Mal im Ausland, ich stelle auch erstmals einen Asylantrag. Ich habe hier einen Bruder einen Onkel und Cousins.Ich habe meinen Vater in Kroatien. In EU Ländern habe ich keine Verwandte außer dem genannten Verwandten in Österreich
F: Schildern Sie bitte vorerst nur kurz, warum Sie Ihre Heimat verlassen haben?
A: Ich habe wegen der wirtschaftlichen Lage meine Heimat verlassen, es gibt dort keine Arbeit und ich konnte nirgends eine Arbeit finden.
F: Habe ich Sie richtig verstanden, sie haben ausschließlich aus wirtschaftlichen Gründen Ihre Heimat verlassen?
A: Ja, ich konnte dort keine Arbeit finden.
F: Hatten Sie ausreichend Zeit a l l e Ihre Gründe zu schildern ?
A: Ja
Anm: AW wird die aktuelle Länderfeststellung zum Kosovo zur Kenntnis gebracht.
F: Möchten sie dazu etwas angeben?
A: Nein, Sicherheit und so weiter dass passt. Aber die Unterstützung ist nicht so gut zum Beispiel meine Großeltern erhalten je 40,-- Euro davon kann man nicht leben.
F: Sind Sie in Ihrem Heimatland vorbestraft? A: Nein.
F: Hatten Sie je Probleme mit der Polizei oder Behörden, UNMIK, KFOR, Institutionen, Organisationen, Privatpersonen, Ihres Heimatlandes?
A: Nein.
F: Hatten Sie auf Grund Ihres Glaubensbekenntnisses Probleme?
A: Nein.
F: Waren oder sind Sie politisch/parteipolitisch tätig?
A: Nein
F: Fühlten Sie sich in irgendeiner Art und Weise verfolgt? A: Nein
F: Hätten sie im Falle Ihrer Rückkehr die Todesstrafe, unmenschliech oder erniedirigende Behandlung zu befürchten.
A: Nein
Vorhalt: Es wird ein Inforequest an Ungarn gerichtet, verläuft dieses positiv gelangt das Bundesasylamt vorläufig zur Ansicht, dass für die Prüfung Ihres in Österreich gestellten Asylantrages gemäß der Dublin II Verordnung der Europäischen Union Ungarn zuständig ist. Zu Einzelheiten der Dublin II Verordnung sind Sie bereits in dem Ihnen anlässlich der Fingerabdrucknahme ausgefolgten Merkblatt informiert worden. Mit Zustimmung des Staates wird Ihr Asylantrag in Österreich als unzulässig zurückgewiesen und Ihre sofort durchsetzbare Ausweisung in diesen Staat veranlasst.
F: Wollen Sie nun konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?
A: Nein
Sollte das Inforequest negativ verlaufen ist beabsichtigt, Ihren Asylantrag abzuweisen und festzustellen, dass die Abschiebung, Zurückschiebung bzw. Zurückweisung nach Serbien Montenegro (Kosovo) zulässig ist und eine Ausweisung zu veranlassen.
Frage: Wollen Sie konkrete Gründe nennen, die dem entgegenstehen?
A: Nein
Anm: AW wird auf Rückkehrberatung hingewiesen
Ihnen wird nun zur Kenntnis gebracht, dass Sie nach einer Frist von mindestens 24 Stunden im Zuge einer niederschriftlichen Befragung im Beisein eines Rechtsberaters die Möglichkeit haben, zu diesem Sachverhalt Stellung zu beziehen. Von diesem Termin werden Sie schriftlich in Kenntnis gesetzt. Sollten Sie diesem Termin nicht nachkommen und die Betreuungsstelle verlassen, müssen Sie damit rechnen, dass das Verfahren eingestellt wird.
Ich habe meinen UNMIK-Personalausweis und eine Kopie der Niederschrift erhalten.
F: Haben Sie den Dolmetscher während der gesamten Befragung einwandfrei verstanden?
A: ."
Einvernahme am 27.09.2005:
"Ich wurde über die bei der Einvernahme anwesenden Personen, ihre Rolle im Verfahren und den Verlauf der Einvernahme informiert.
Ich wurde durch den hier anwesenden Rechtberater beraten.(08.15 - 08.35 Uhr) Die allgemeinen Informationen sind mir aus der vorherigen Niederschrift bekannt.
F: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen aufgrund einer möglichen Befangenheit oder aus sonstigen Gründen irgendwelche Einwände?
A: Nein.
Sie bekommen jetzt die Möglichkeit zur Ersteinvernahme Stellung zu beziehen. Möchten Sie dazu ergänzende Angaben machen?
A: Ja. Ich habe 1900,-- Euro von meinem Onkel mütterlicherseits geborgt. Wir haben ausgemacht dass ich das Geld bis Frühjahr nächstes Jahr zurückzahle. Sonst habe ich nichts hinzuzufügen.
Anm: AW bringt ärztliche Mitteilung hinsichtlich § 24 AsylGNov ein
A: Anm: RB hat folgende Fragen
F: Wie ist Ihre allgemeine Lage im Kosovo?
Schwierig wir sind insgesamt 10 Personen, drei davon sind jetzt im Ausland.
F: Sie haben angegeben mit insgesamt 80,-- Euro musste das Auskommen gefunden werden ?
A: Ja das ist richtig
F: Ist das Leben dort bedrohlich, kommen sie damit zurecht?
A: Wenn ich dort leben könnte, mit dieser Einnahme, wäre ich nicht in ein fremdes Land gekommen, wo ich nichteinmal die Sprache kann.So wie bis jetzt kann ich nicht weiterleben, mein älterer Bruder ist im Kosovo. Er ist auch ohne Arbeit. Sonst weiß ich nichts mehr was ich noch hinzufügen sollte.
Mir wurde diese Niederschrift rückübersetzt. Der Inhalt ist richtig und ich bestätige dies durch meine Unterschrift. Ich habe eine Kopie der Niederschrift erhalten."
Mit erstinstanzlichem Bescheid vom 22.11.2005, Zahl: 05 14.704-EAST WEST, wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen (Spruchpunkt I.), weiters festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "nach Serbien und Montenegro in die Provinz Kosovo" gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig ist (Spruchpunkt II.) sowie der Beschwerdeführer gem. § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet "nach Serbien und Montenegro in die Provinz Kosovo" ausgewiesen (Spruchpunkt III).
Das Bundesasylamt legte in diesem Bescheid das Vorbringen des Beschwerdeführers der Beurteilung zu Grunde, gelangte allerdings - sowohl auf Grundlage des individuellen Vorbringens des Berufungswerbers als auch auf Grundlage der getroffenen Länderfeststellungen - in rechtlicher Hinsicht zu der Beurteilung, dass dem Vorbringen des Berufungswerbers keine Asylrelevanz bzw. keine Relevanz im Hinblick auf die Frage des Refoulement-Schutzes zukommt und dass die Ausweisung keinen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 06.12.2005, eingebracht am selben Tag, fristgerecht Berufung (in der Folge als Beschwerde bezeichnet; vgl. diesbezüglich § 23 Asylgerichtshofgesetz [Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008]), in welcher der Beschwerdeführer - offensichtlich ohne Bezug zum im erstinstanzlichen Verfahren getätigten Vorbringen - im Wesentlichen darauf verweist, seine bisher getätigten Aussagen zu wiederholen und weiters vorbringt, dass seine - allerdings in keiner Weise näher konkretisierte - Bedrohungssituation mit den Verhältnissen in seinem Heimatland übereinstimme und kein wirksamer Schutz in seinem Heimatland durch die Sicherheitsbehörden gewährleistet sei. Weiters finden sich in der Beschwerde - allerdings unzutreffende und unsubstantiierte - Ausführungen zur nach Ansicht des Beschwerdeführers durch das Bundesasylamt vorgenommenen unrichtigen Beurteilung des Vorbringens als unglaubwürdig - ging doch das Bundesasylamt im angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid gar nicht von der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers, welcher vorgebracht hatte, den Kosovo aus wirtschaftlichen Gründen verlassen zu haben, aus - und zu nach Ansicht des Beschwerdeführers fehlenden Feststellungen, worin Rechtswidrigkeit des Verfahrens zu erblicken sei.
Auf Grundlage der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch die Behörde erster Instanz am 15.09.2005 und am 27.09.2005 sowie auf Grundlage der Beschwerde vom 06.12.2005 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Kosovo, gehört der albanischen Volksgruppe an und führt den im Spruch angeführten Namen. Er verließ den Kosovo aus wirtschaftlichen Gründen und reiste in der Folge im September 2005 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.
Nicht festgestellt werden kann, dass dem Beschwerdeführer in der Republik Kosovo mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - droht oder dass dem Beschwerdeführer im Kosovo die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.
Zur Situation im Kosovo wird festgestellt:
1. a. Allgemeines:
Im Kosovo, einem Gebiet von ca. 11.000 qkm, leben - geschätzt - 2,1 Millionen Menschen, davon 92 Prozent ethnische Albaner, 5,3 Prozent Serben, 0,4 Prozent Türken, 1,1 Prozent Roma sowie 1,2 Prozent anderer Ethnien. Die Amtssprachen sind Albanisch und Serbisch. Auf Gemeindeebene werden auch Bosnisch, Romanes und Türkisch als Amtssprachen in Verwendung sein. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 3-5]
1. b. Lageentwicklung:
1..b.1. Kosovo unter UN - Verwaltung
Am 24.03.1999 begann die NATO die Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel, "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern (und) das Morden im Kosovo zu beenden". Im Juni 1999 rückten die unter Führung der NATO gebildeten KFOR-Einheiten in den Kosovo ein. Am 10.06.1999 wurde das Gebiet auf der Basis der Sicherheitsrats-Resolution 1244 der vorläufigen zivilen UN-Verwaltung "United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK)" unterstellt. Völkerrechtlich gehörte der Kosovo aber nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2]
1. b.2. Statusverhandlungen
Der VN-Generalsekretär hat für die Verhandlungen zum Status des Kosovo den ehemaligen finnischen Staatspräsidenten Martti Ahtisaari zu seinem Sondergesandten ernannt. Ahtisaari hat am 21. Oktober 2005 die Statusgespräche begonnen. Nach anfänglicher Pendeldiplomatie zwischen Wien und Pri¿tina bzw. Belgrad begannen am 22. Februar 2006 direkte Gespräche zwischen beiden Delegationen. VN-Sondergesandter Ahtisaari hat am 02.02.2007 den Parteien einen Entwurf des Statuspakets übergeben. Abschließend hat sich der UN-Sicherheitsrat mit der Statuslösung befasst. In intensiven Verhandlungen bis Ende Juli 2007 konnte jedoch keine Einigung über einen Resolutionstext erzielt werden, und die Befassung des UN-Sicherheitsrates wurde zunächst auf Eis gelegt.
Unter Federführung einer "Troika" aus USA, Russland und EU begannen am 01.08.2007 neue Verhandlungen, die jedoch am 10.12.2007 endgültig scheiterten. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 7; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:
Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2]
1. b.3. Wahlen
Am 17.11.2007 fanden Parlaments-, Kommunal- und Bürgermeisterwahlen, die ohne besondere Zwischenfälle abliefen, statt. Der mit der Wahlbeobachtung betraute Europarat hat bestätigt, dass die Wahlen entsprechend der internationalen und europäischen Standards verlaufen sind. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 28]
Am 9. Jänner 2008 hat das Parlament sowohl Präsident Fatmir Sejdiu in seinem Amt als auch das Kabinett von Ministerpräsident Hashim Thaci (Demokratische Partei des Kosovo, PDK) bestätigt. Das neue Kabinett hat zwei Vizeministerpräsidenten und 15 Minister, sieben davon kommen der PDK, fünf dem Koalitionspartner LDK
und drei den Minderheiten zu. [APA 09.01.2008: Kosovos neue Führungsspitze von Parlament bestätigt]
1. b.4. Unabhängigkeit des Kosovo
Das kosovarische Parlament erklärte am 17.02.2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten.
Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile über 30 Staaten, allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt.
Das neue Staatswesen ist zwar formal souverän, die internationale Staatengemeinschaft wird jedoch weiterhin sowohl zivil als auch militärisch präsent sein. Die Außenminister der EU und die NATO haben sich verständigt, die KFOR nicht abzuziehen; rund 17.000 NATOSoldaten bleiben im Kosovo, darunter knapp 2.400 Deutsche. Die EU-Staats- und Regierungschefs haben die Entsendung
einer ca. 2.000 Mann starken EU-Mission (EULEX) beschlossen. Sie soll die UN-Verwaltung (UNMIK) nach einer Übergangszeit ablösen. Rund 70 Experten sind für ein International Civilian Office (ICO) unter Leitung eines EU-Sondergesandten mit weitreichenden Befugnissen vorgesehen. Als Leiter von EULEX wurde der französische General und ehemalige KFOR-Kommandeur Yves de Kermabon zum EU-Sondergesandten (EUSR) der Niederländer Pieter Feith bestellt. Noch ist offen, wann und wie die Befugnisse auf die EU übergehen sollen. Es fehlen klare Regelungen für den Wechsel der Zuständigkeiten.
UNMIK kann sich formal aber erst dann aus dem Kosovo zurückziehen, wenn die noch geltende UN-Resolution 1244 durch den Sicherheitsrat außer Kraft gesetzt wird.
Unter UNMIK-Verwaltung haben sich im Kosovo demokratische Strukturen entwickelt; es gibt ein Parlament und eine demokratisch legitimierte (provisorische) Regierung. Gewaltenteilung ist gewährleistet. Das Justizsystem bedarf an vielen Stellen noch der Verbesserung.
Eine kosovarische Polizei wurde aufgebaut, die sich bislang als gute Stütze der demokratischen Strukturen etabliert hat. Der Transitionsprozess, d. h. die schrittweise Übertragung der Kompetenzen von UNMIK auf kosovarische Institutionen hat bereits begonnen. Nach dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die Republik Kosovo ein demokratisches, multiethnisch zusammengesetztes Staatswesen, das den Minderheiten starke Rechte zusichert. Der Entwurf enthält alle notwendigen Schutzmaßnahmen gegen Bedrohungen oder Diskriminierung von Minderheiten. Nationale Identitäten, Kulturen, Religionen und Sprachen werden darin respektiert.
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]
Die Verfassung wurde am 15. Juni 2008 vom Parlament verabschiedet [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008], welche am selben Tag in Kraft trat. [Constitution of the Republic of Kosovo]
Die serbische Staatsführung bezeichnete die Verfassung der abtrünnigen Provinz als rechtlich nicht existent". Präsident Boris Tadic kündigte an, die Proklamation der Kosovo-Verfassung werde von Belgrad nicht als rechtsgültig anerkannt.
Der Kosovo bleibt unter internationalem Protektorat.
Laut den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem Internationalen Beauftragten, internationalen Organisationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO-geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen.[ APA 10.06.2008: Der Kosovo will Heimat aller seiner Bürger sein]
Ob die Letztverantwortlichkeit im Kosovo bei der EU oder der UNO liegen wird, ist noch Gegenstand von Verhandlungen. [UN, Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo, 12.06.2008]
1. b.4.1.Staatsangehörigkeit:
Das Staatsangehörigkeitsgesetz der Republik Kosovo trat am 15.06.2008 in Kraft [Regulation no. 2000/13, 17 March 2000 On the Central Civil Registry, Law on Citizenship of Kosova
http://www.assembly-kosova.org/?krye=laws&lang=en&ligjid=243]
Die relevanten Bestimmungen lauten:
CHAPTER II ACQUISITION OF CITIZENSHIP
Article 5 Modalities of the acquisition of citizenship
The citizenship of Republic of Kosova shall be acquired:
a) by birth;
b) by adoption;
c) by naturalization;
d) based on international treaties
e) based on Articles 28 and 29 of this Law.
Übergangsbestimmungen:
CHAPTER V TRANSITIONAL PROVISIONS
Article 28 The Status of habitual residents of Republic of Kosova
28.1 Every person who is registered as a habitual resident of Republic of Kosova pursuant to UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry shall be considered a citizen of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens.
Article 29 Citizenship according to the Comprehensive Proposal for the Republic of Kosova Status Settlement
29.1 All persons who on 1 January 1998 were citizens of the Federal Republic of Yugoslavia and on that day were habitually residing in Republic of Kosova shall be citizens of Republic of Kosova and shall be registered as such in the register of citizens irrespective of their current residence or citizenship.
29.2 Provisions of paragraph 1 of this Article apply also to direct descendants of the persons referred to in paragraph 1.
29.3 The registration of the persons referred to in paragraphs 1 and 2 of this Article in the register of citizens shall take effect upon the application of the person who fulfills the requirements set out in this Article.
29.4 The competent body shall determine in sub-normative acts the criteria which shall constitute evidence of the citizenship of the Federal Republic of Yugoslavia and habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998.
29.5 The competent body shall use the criteria set for the in UNMIK Regulation No. 2000/13 on the Central Civil Registry to determine habitual residence in Republic of Kosova on January 1 1998
Exkurs:
REGULATION NO. 2000/13
UNMIK/REG/2000/13
17 March 2000
ON THE CENTRAL CIVIL REGISTRY
Section 3
HABITUAL RESIDENTS OF KOSOVO
The Civil Registrar shall register the following persons as habitual residents of Kosovo:
(a) Persons born in Kosovo or who have at least one parent born in Kosovo;
(b) Persons who can prove that they have resided in Kosovo for at least a continuous period of five years;
(c) Such other persons who, in the opinion of the Civil Registrar, were forced to leave Kosovo and for that reason were unable to meet the residency requirement in paragraph (b) of this section; or
(d) Otherwise ineligible dependent children of persons registered pursuant to
subparagraphs (a), (b) and/or (c) of this section, such children being under the age of
18 years, or under the age of 23 years but proved to be in full-time attendance at a recognized educational institution.
2. Sicherheitslage im Kosovo:
2. a. Lageentwicklung:
Insgesamt hat sich die Sicherheitslage seit Juni 1999 verbessert, mit den Unruhen Mitte März 2004 wieder punktuell eingetrübt (ohne auf das Niveau von 1999 zurückzufallen). Nach den Ausschreitungen im März 2004 gab es keine weiten Unruhen mehr.
Die Zahl der registrierten Delikte verringerte sich 2006 im Vergleich zum Jahr 2005 um ca. 5 % auf 64.165. Für 2006 lässt sich ein Rückgang der Delikte gegen Leib und Leben feststellen, während Eigentumsdelikte durchschnittlich um etwa 5 % zugenommen haben.
Nachfolgend detaillierte Zahlen zu ausgewählten Delikten:
[Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 9]
2.1. Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden:
Kosovo Police Service KPS /ShPK:
Die OSCE leitet in Vushtrri eine zentrale Aus -und Fortbildungsstätte für KPS.
Seit 1999 werden die verschiedenen Lehrgänge durch internationale Polizeitrainer aus verschiedenen Staaten ausgebildet. Inzwischen wird das Institut durch einen lokalen Direktor geleitet.
Neben der Ausbildung besteht ein Hauptaugenmerk auf Fortbildung. Immer wieder werden bei Kursen auch externe Experten eingeflogen, welche dann in ihrem Spezialgebiet die Kenntnisse weitergeben.
Nach der Ausbildung erfolgt die Aufteilung in die verschiedenen Regionen des Kosovo.
Von diesen wurden bis auf die Region MITROVICA alle bereits von UNMIK Police an KPS übergeben. UNMIK Police übt eine beobachtende Rolle aus, unterstützt und evaluiert die Arbeit von KPS.
Gesamtstand: 7.160 Beamte (30.11.2007)
davon serbische Ethnie: 716 Beamte = 10,0 Prozent
sonstige Minderheiten: 403 Beamte = 5,6 Prozent [Kosovo - Bericht
20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 33]
KPS geht Anzeigen professionell nach. Beschwerden und Anzeigen gegen Angehörige von KPS werden sehr genau auch im Zuge von Disziplinarverfahren untersucht, Konsequenzen wie Suspendierungen, etc werden nach den bisherigen Erfahrungswerten fast rascher ausgesprochen als in Österreich. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 22.10.2006, Zahl 154/07 an das BAE]
Sollte eine Person aus dezidierten Gründen kein Vertrauen in KPS haben, kann die Anzeige auch bei internationalen Polizeibeamten von UNMIK eingebracht werden, welche dann über die weitere Vorgangsweise entscheiden.
Wenden sich Personen an KFOR, versuchen diese, die Anzeige an eine dafür zuständige Stelle (KPS oder UNMIK) weiterzuleiten. KFOR hat keine Exekutivgewalt im Kosovo.
Als weitere Möglichkeit bietet sich eine direkte Anzeige bei der Justiz (Staatsanwalt) an, wo dann über die weitere Vorgangsweise entschieden wird.
Die Beamten von KPS tragen deutlich sichtbar ihre jeweilige Dienstnummer, wodurch eine Zuordnung ohne Probleme möglich ist. Die Tätigkeit ist in den Dienstberichten dokumentiert und transparent nachvollziehbar.
Das Einbringen von Beschwerden ist jederzeit möglich, aufgrund der Sensibilisierung werden Beschwerden auch rasch behandelt und führen - wenn berechtigt - zu den entsprechenden Konsequenzen für den betroffenen Funktionsträger.
Missstände in der Verwaltung können auch beim Ombudsmann angezeigt werden.
Dieser strich bei einem persönlichen Gespräch hervor, dass Beschwerden gegen KPS von dieser Institution unverzüglich und effizient bearbeitet werden, was bei anderen Institutionen absolut nicht der Fall wäre. [Kosovo - Bericht 31.03.2007 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seiten 9-10]
UNMIK Police:
Seit August 1999 ist UNMIK Police im Kosovo präsent. Konkrete operative Aufgaben bestehen derzeit in der Region Mitrovica (noch nicht an KPS übergeben), in der Abteilung für Organisierte Kriminalität, im Interpol - Büro, bei Kriegsverbrechen und im Ordnungsdienst (Demonstrationen, etc).
Sonderfälle sind die Einheiten für Zeugenschutz, Transport von Häftlingen und Personenschutz.
Sonst hat UNMIK POLICE eine beobachtende Funktion von KPS eingenommen. UNMIK Police soll mit Ablauf der Übergangsfrist von 120 Tagen (über den Beginn
dieses Zeitraums gibt es noch keine Einigung bzw. keine definitive Aussage) durch EULEX ersetzt werden.
Gesamtstand: ca. 2.000 Beamte aus 42 Ländern (inkl. 7 aus Afrika)
Österreich: 22 Beamte
Kosovo Protection Corps KPC / TMK:
KPC / TMK wurde nach der Demilitarisierung der Kosovo Liberation Army KLA / UCK 1999 gegründet und wird in Ausrüstung, Training und Dienstversehung durch Kosovo Force KFOR unterstützt. Nach Ablauf der Übergangsphase von 120 Tagen nach Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung soll KPC / TMK in eine Kosovo Security Force KSF / FSK übergeleitet werden. Die Schaffung der neuen
Einheit ist im Ahtisaari - Paket vorgesehen.
Derzeitiger Stand KPC / TMK:
Aktive: 2.906
Reservisten: 2.000
Minderheitenanteil: 6,6 Prozent, inklusive 1,4 Prozent Serben
KFOR:
KFOR hat eine Präsenz von ca. 16.000 Soldaten und gliedert sich in fünf Regionen, welche jeweils unter verschiedener Führung stehen, das Hauptquartier ist in Pristina. Das Vertrauen der Bevölkerung in KFOR ist im Vergleich mit anderen internationalen Institutionen am höchsten. KFOR führt auch im CIMIC Sektor immer wieder zahlreiche Projekte durch, mit welchen die Infrastruktur im Kosovo verbessert werden soll.
In Planung:
EULEX:
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erfolgt die Vorbereitung dieser mittels Mandats des Rats der Europäischen Union vom 04.02.2008 errichteten ESVP - Mission durch EUPT (European Union Preparation Team).
Kommandant EULEX: Yves de KERMABON (F)
Stellvertreter: Roy REEVE (UK)
Polizei: Rainer KÜHN (D)
Gesamtstand: 1.900 Internationale
1.100 Nationale
Aufgabenbereich: Überwachung und Beratung der lokalen Polizei, Justiz, Justizwache und des Zolls.
Operative Aufgaben im Polizeibereich sollen analog der jetzt von UNMIK ausgeübten Tätigkeiten sein (Abteilung OK, Kriegsverbrechen, Zeugenschutz, Personenschutz, etc.)
KOSOVO SECURITY FORCE KSF / FSK
Die Übergangsphase von KPC / TMK zu KSF / FSK soll innerhalb von vier Monaten erfolgen, realistisch wurde ein Zeitrahmen von sechs Monaten angenommen.
Mitglieder von KPC / TMK können sich für die neue Einheit bewerben und müssen sich mit anderen Bewerbern einem Auswahlverfahren stellen.
Das Korps soll ebenfalls uniformiert, militärisch gegliedert und leicht bewaffnet sein. Der Aufgabenbereich wird jenem von KPC / TMK entsprechen. Eine Erhöhung der Mannstärke ist nur mit Zustimmung der internationalen Militärpräsenz (dzt. KFOR) möglich.
Oberbefehlshaber soll der Staatspräsident sein, die Eingliederung im neu geschaffenen Ministerium ("Verteidigungsministerium") erfolgen und der Kommandant über Vorschlag des Ministers mit Zustimmung des Premierministers und Entscheidung durch den Staatspräsidenten ernannt bzw. abberufen werden.
Die Ausbildung der Mitglieder soll in einer privaten Universität (Amerikanische Universität Kosovo AUK) erfolgen, es soll keine Militärakademie eingerichtet werden.
Kein Einsatz ist im Rahmen einer Grenzsicherung geplant.
Aktive: 2.500
Reservisten: 800
Minderheitenanteil: analog der ethnischen Zusammensetzung der Bevölkerung
Die Sicherheitssituation ist derzeit stabil mit Ausnahme Nordkosovo. Bisher verlief die Phase seit der Ausrufung der einseitigen Unabhängigkeit durch den Kosovo überraschend ruhig.
Für den Großteil der Bevölkerung im Südkosovo und auch in den anderen serbischen Gemeinden außerhalb des Brennpunktes Mitrovica gestaltet sich das Leben völlig normal und ist in keiner Weise von mangelnder Sicherheit betroffen. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 33-36]
2.2. Kosovo - Albaner
UNHCR wies bereits im Januar 2003 darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Kosovo - Albaner, die während der Kosovo - Krise geflohen waren, nach Hause zurückgekehrt ist.
Die Sicherheitslage hat sich im Allgemeinen für Angehörige der albanischen Mehrheitsbevölkerung in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Nicht zuletzt die größere Effizienz der lokalen Polizei "KPS" und eine Verbesserung des lokalen Gerichtswesens haben dazu beigetragen, die Situation (für ethnische Albaner) zu verbessern. Zudem haben aber auch das - für Nachkriegssituationen typische - allgemeine Chaos und die relative Normenungebundenheit, die in der Gesellschaft vorherrschte nachgelassen und ein mehr geregeltes gesellschaftliches Leben ist an deren Stelle getreten. Gegenwärtig gibt die allgemeine Sicherheitslage für ethnische Albaner, d.h. Angehörige des nunmehrigen Mehrheitsvolkes in Kosovo, bis auf genau definierte Ausnahmen zu Besorgnissen keinen Anlass mehr. [Stephan Müller, Allgemeines Gutachten zur Situation im Kosovo, 15.02.2007, Seiten 4-5]
Im Positionspapier des UNHCR vom Juni 2006 wird aber darauf hingewiesen, dass es immer noch einige Kategorien von Kosovo - Albanern (so z.B. aus Gebieten in denen sie eine ethnische Minderheit bilden oder Kosovo - Albaner in Mischehen und Personen gemischt-ethnischer Herkunft, Kosovo - Albaner, die der Mitarbeit mit dem serbischen Regime nach 1990 verdächtigt werden sowie Opfer von Menschenhandel) gibt, die mit ernsten Problemen, einschließlich physischer Gefahr, konfrontiert werden könnten, wenn sie derzeit nach Hause zurückkehren würden. [UNHCR Positionspapier vom Juni 2006, Seite 9] .
3. Rückkehrfragen: Wirtschaft, Grundversorgung und Gesundheitssystem im Kosovo
3. a. Wirtschaft:
Trotz der Unabhängigkeit ist die wirtschaftliche Lage in der rohstoffreichen Region weiterhin äußerst prekär. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von ca. 1.100 Euro/Kopf ist der Kosovo Schlusslicht in Europa. Die Arbeitslosigkeit beträgt über 40 Prozent. Das Land hat mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren die jüngste Bevölkerung Europas und die höchste Geburtenrate. Ein Drittel der Einwohner ist jünger als 14 Jahre. Jährlich drängen 36.000 junge Leute neu auf den Arbeitsmarkt. [Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seiten 2-3]
3. b. Grundversorgung/Sozialwesen
Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewährleistet. Die Bevölkerung des Kosovo ist bis auf wenige Ausnahmen (z.B. sozial schwache Bewohner von Enklaven) nicht mehr auf die Lebensmittelversorgung durch internationale Hilfsorganisationen angewiesen. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 17]
Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die von den "Municipalities" ausgezahlt wird, sich allerdings auf sehr niedrigem Niveau bewegt. Sie beträgt für Einzelpersonen 35 Euro monatlich und für Familien (abhängig von der Zahl der Personen) bis zu 75 Euro monatlich. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seite 17]
Im Jahr 2007 erhielten insgesamt 37.170 Familien mit einer gesamten Anzahl von 161.049 Personen Sozialunterstützung.
Die Kriterien für die Sozialhilfe sind entsprechend geregelt und auch im Verwaltungsweg durchsetzbar. ...
Die Sozialleistungen reichen alleine oft nicht zur Abdeckung der Grundbedürfnisse
Der Zusammenhalt der Familien besonders im ländlichen aber auch im städtischen Bereich sichert das wirtschaftliche Überleben, verbunden mit Unterstützungszahlungen von Verwandten aus dem Ausland. Zusätzliche Einnahmequellen bestehen in der Landwirtschaft bzw. durch die Erledigung von Gelegenheitsarbeiten vor allem in der Baubranche.
Unterstandslosigkeit ist im Kosovo im Gegensatz zu westlichen EU-Staaten äußerst selten auftauchendes Problem. So ist die Zahl der tatsächlich unterstandslosen Personen in Pristina - immerhin geschätzte 600.000 Einwohner verschwindend gering (geschätzte 20 Personen!), im ländlichen Bereich gar nicht vorhanden. [Kosovo - Bericht 20.03.2008 von Obstlt. Andreas Pichler, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 13]
Selbst wenn keine eigene Unterkunft zur Verfügung steht, so funktioniert im Kosovo das "Auffangbecken" Familie trotz aller widrigen, vor allem schweren wirtschaftlichen, Umstände nach wie vor. Soll heißen, dass durch diese Familienbande kein derartiger Kosovare einem Leben auf der Straße ausgesetzt wäre. Es finden sich allein schon aufgrund der im Kosovo vorherrschenden "zahlreichen" Verwandtschaftsverhältnisse immer noch irgendwelche Möglichkeiten der Unterbringung und Unterstützung solcher Personen.
Sollte die für einen AW extreme Situation der "Nichtunterstützung" seitens seiner Familie auftreten, welche allerdings sehr unwahrscheinlich ist, so finden sich im Kosovo nach wie vor einzelne internationale und nationale humanitäre Organisationen ("Mutter Teresa", das "Rote Kreuz", die "Caritas"...), die humanitäre Hilfe ermöglichen.
Weiters sind zahlreiche NGO's im Kosovo tätig, die eine zusätzliche Möglichkeit darstellen, bei auftretenden Problemen welcher Art auch immer entsprechende Unterstützung zu erhalten. Der Zugang zu deren Büros oder eine direkte Kontaktaufnahme ist für alle Personen im Kosovo möglich. [Auskunft des Verbindungsbeamten Obstlt. Andreas Pichler, 12.11.2007, Zahl 536/07 an das BAE]
Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass ethnische Albaner im Kosovo nicht Gefahr laufen zu verhungern oder in ihrer Existenz gefährdet zu sein. Die Solidarität in der Großfamilie in Zusammenspiel mit Schwarz- oder Gelegenheitsarbeiten, möglicher Sozialhilfe und humanitärer Hilfe verhindern im Allgemeinen ein vollkommenes Abgleiten kosovo- albanischer Familien. [Stephan Müller, Zusatzgutachten zu BW NN (313.084), 14.09.2007, Seite 3]
Es sind in den erörterten Berichten keine Fälle dokumentiert, dass aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage Personen tatsächlich lebensgefährdend in ihrer Existenz bedroht waren oder aktuell sind.
3. c. Gesundheitswesen:
Durch die Entwicklungen während der neunziger Jahre wurde auch der Gesundheitssektor des Kosovo sehr in Mitleidenschaft gezogen. Die Wiederherstellung der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung ist nach wie vor prioritär, schreitet aber aufgrund fehlender Ressourcen nur langsam voran. 2007 stieg das Budget des PISG Gesundheitsministeriums um 2 Mio. Euro auf 51 Mio. Euro an.
Die Versorgung bei Operationen im Kosovo bessert sich stetig, ist aber in der invasiven Kardiologie (z.B. Herzoperationen bei Kleinstkindern), in der Neurochirurgie sowie in der chirurgischen Orthopädie noch eingeschränkt. Die Möglichkeiten, komplizierte operative Eingriffe vorzunehmen, sind zurzeit noch begrenzt. Dennoch wurden im Jahr 2007 bereits mehrere Patienten mit ausländischer Unterstützung im Universitätsklinikzentrum in Prishtinë/Pri¿tina am offenen Herzen operiert. Die Kardiologie dort befindet sich derzeit im Ausbau. Ein Koronarangiograph zur verbesserten Diagnostik wurde angeschafft, bislang jedoch noch nicht in Betrieb genommen. Auch in der Therapie von Krebspatienten bestehen
trotz Verbesserungen gerade im privaten Gesundheitssektor weiterhin Probleme, so sind z.B. Bestrahlungen nach wie vor nicht durchführbar.
Das Gesundheitsministerium verfügt derzeit über einen Fonds, um medizinische Behandlungen im Ausland durchzuführen. Im Frühjahr 2006 wurde es dadurch einigen Patienten, vor allem Kindern mit Herz- oder Tumorerkrankungen, ermöglicht, behandelt zu werden. Auch Nichtregierungsorganisationen wie Nena Theresa führen regelmäßig Spendensammlungen durch, um Behandlungen im Ausland finanzieren zu können
Am 15.12.2006 haben das Gesundheitsministerium der Republik Albanien und das (PISG) Gesundheitsministerium des Kosovo ein Memorandum of Understanding geschlossen, in dem Kosovaren Möglichkeiten zur Behandlung auf dem Gebiet der Kardiochirurgie, Neurochirurgie und Onkologie (Radiotherapie) im Universitätsklinikzentrum "Nenë Terezë" in Tirana eröffnet werden... .
Die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen im öffentlichen Gesundheitswesen ist nicht gänzlich kostenfrei, je nach Behandlung im ambulanten Bereich sind zwischen 1 Euro und 4 Euro zu zahlen, für einen stationären Aufenthalt sind es täglich 10 Euro. Bestimmte Personengruppen, wie z.B. Invalide und Empfänger sozialhilfeähnlicher Leistungen, chronisch Kranke, Kinder bis zum 10. Lebensjahr und Personen über 65 Jahre, sind jedoch von diesen Zahlungen befreit. ...
Auch für die Medikamente, die auf der "essential drugs list" des Gesundheitsministeriums aufgeführt sind, wird nun eine Eigenbeteiligung von bis zu 2 Euro erhoben. Allerdings kam es kam es in der Vergangenheit im Universitätsklinikzentrum in Pri¿tina zu finanziellen Engpässen mit der Folge, dass auch stationäre Patienten die benötigten Medikamente, Infusionen, etc. zum vollen Preis privat in Apotheken erwerben mussten, obwohl sie auf der "essential drugs list" aufgeführt sind.
Viele der im öffentlichen Gesundheitswesen beschäftigten Ärzte betreiben zusätzlich eine privatärztliche Praxis. Der medizintechnische Standard dort ist oft erheblich höher als der im öffentlichen Gesundheitssystem. Weil es an einer Gebührenordnung fehlt, werden die Behandlungskosten zwischen Arzt und Patient frei vereinbart.
Kosovaren nutzen teilweise auch die Möglichkeit, eine für sie kostenpflichtige medizinische Behandlung in Mazedonien durchführen zu lassen. Soweit Kosovaren gültige serbische bzw. ehemals serbisch-montenegrinische Personaldokumente (Personalausweis oder Reisepass) besitzen, können sie theoretisch auch in das übrige Serbien reisen, um sich dort, allerdings auf eigene Kosten, medizinisch behandeln zu lassen. Aufgrund der politisch-ethnischen Situation ist dies allerdings keine allgemein gültige Lösung, sondern beschränkt sich auf Einzelfälle (Faktoren: ethnische Zugehörigkeit der Person/ethnische Situation am Behandlungsort/ Sprachkenntnisse etc.)...
Neben den Apotheken in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen existieren im Kosovo nach Presseberichten ca. 350 privat betriebene Apotheken. Nach Aussagen der "Vereinigung der Apotheker im Kosovo" (SHFK) werden nur 125 dieser Apotheken von ausgebildeten Pharmazeuten geleitet. Im Bedarfsfall können nahezu alle erforderlichen Medikamente über die Apotheken aus dem Ausland bezogen werden. [Auswärtiges Amt der BRD, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Serbien u. Montenegro (Kosovo), 29.11.2007, Seiten 18-20]
Im Kosovo existiert grundsätzlich eine funktionierende Grundversorgung im Gesundheitswesen, allerdings liegt die Gesundheitsversorgung wie auch die Möglichkeiten zur Behandlung bestimmter Krankheiten, nicht auf dem Niveau westeuropäischer Staaten.
Für bestimmte Personengruppen ist die Gesundheitsversorgung kostenlos; allerdings werden seitens des medizinischen Personals gewisse "Aufmerksamkeiten" erwartet. Diese "Aufmerksamkeiten" haben jedoch - in der Regel für Angehörige der albanischen Volksgruppe - keine existenzbedrohenden Ausmaße. [Stephan Müller, Allgemeines Gutachten zur Situation im Kosovo, 15.02.2007, Seite 12]
Feststellungen dieses Inhaltes traf im Wesentlichen bereits die Behörde erster Instanz im angefochtenen erstinstanzlichen Bescheid. Am 17.02.2008 verkündete der Kosovo - wie bereits oben erwähnt - seine Unabhängigkeit von Serbien. Seitens der Österreichischen Bundesregierung wurde die Republik Kosovo am 28.02.2008 völkerrechtlich anerkannt. Die Verfassung wurde am 15.Juni 2008 verabschiedet und trat am selben Tag in Kraft. Der Kosovo steht nach wie vor unter internationalem Protektorat. Nach den Übergangsbestimmungen der Verfassung sind alle kosovarischen Institutionen verpflichtet, mit dem internationalen Beauftragten, den internationalen Organsiationen und anderen Akteuren voll zu kooperieren, deren Mandat im Status-Vorschlag des UNO-Vermittlers Ahtisaari definiert wurde. Auch die im Kosovo seit Juni 1999 stationierte NATO-geführte internationale Schutztruppe KFOR wird weiterhin das Mandat und die Befugnisse im Einklang mit einschlägigen internationalen Instrumenten genießen, die UNO-Resolution 1244 eingeschlossen.
Eine Änderung der Lage im Kosovo im Sinne einer Verschlechterung für Angehörige der albanischen Volksgruppe - beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen solchen - in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage im Kosovo ist seit dem Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht eingetreten; im Gegenteil hat sich die Lage in diesem Zusammenhang seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides weiter verbessert. Auch die Unabhängigkeitserklärung bzw. das Inkrafttreten der Verfassung hat in diesem Zusammenhang bisher keine Änderung im Sinne einer Verschlechterung für Angehörige der albanischen Volksgruppe bewirkt und ist Solches mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch nicht zu erwarten.
Die Feststellungen hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers sowie hinsichtlich des von ihm vorgebrachten Fluchtgrundes (der schlechten Wirtschaftslage im Kosovo) gründen sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer von ihm im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten UNMIK-ID-Card, ausgestellt am 00.00.2003 von UNMIK Pristina, gültig bis 00.00.2008; bezüglich Echtheit und inhaltlicher Richtigkeit dieses Dokuments wurden von der Behörde erster Instanz keine Bedenken geäußert und bestehen diesbezüglich auch seitens des erkennenden Asylgerichtshofes ebenfalls keine Bedenken.
Die Feststellungen hinsichtlich des vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgrundes gründen sich auf dessen eigene glaubwürdige Angaben im Zuge der Einvernahme durch die Behörde erster Instanz am 15.09.2005 und am 27.09.2005 sowie auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde diesbezüglich keine abweichenden Angaben in ausreichend konkreter Weise tätigte.
Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer im Falle eine Rückkehr in den Kosovo die notdürftigste Lebensgrundlage zur Verfügung steht, basiert ebenfalls auf den glaubwürdigen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers im Zuge der erstinstanzlichen Einvernahmen, insbesondere auf dem Umstand, dass die Familie des Beschwerdeführers noch im Kosovo lebt und den Lebensunterhalt durch staatliche Zuwendungen und Geldüberweisungen des Vaters aus Kroatien bestreitet, im Zusammenhang mit den getroffenen Länderfeststellungen zum Kosovo.
Die Länderfeststellungen gründen sich auf die oben angegebenen Quellen. Sie wurden überdies vom Beschwerdeführer hinsichtlich der Sicherheit für zutreffend erklärt, er wies jedoch darauf hin, dass die Unterstützung nicht so gut sei, weil man von der Sozialhilfe von je ¿ 40.- für die Großeltern "nicht so gut" leben könne.
Der Asylgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 sind Verfahren gegen abweisende Bescheide, die am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig sind und in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichthofes zuständigen Senat weiterzuführen. Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig, eine mündliche Verhandlung hatte nicht stattgefunden.
Gemäß § 61 Abs.1 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten über
1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und
2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes oder soweit in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide
a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4,
b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5 und
c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG und die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.
Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bund