TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/31 D3 303857-1/2008

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Veröffentlicht am 31.07.2008
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Spruch

D3 303.857-1/2008/6E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Clemens Kuzminski als Einzelrichter über die Beschwerde der A.A., geb. 00.00.1969, StA. Aserbaidschan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.07.2006, FZ. 05 04.051-BAI, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung 19.05.2008 zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird stattgegeben und A.A. gemäß § 7 AsylG 1997 i. d.F. BGBl. 101/2003 der Status der des Asylberechtigten zuerkannt.

 

Gemäß § 12 leg. cit. wird festgestellt, dass A.A. damit Kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

Die Berufungswerberin, eine aserbaidschanische Staatsangehörige, gelangte am 23.03.2005 gemeinsam mit ihrem Gatten und den gemeinsamen Kindern F. und Z. nach Österreich und stellte am gleichen Tag einen Asylantrag.

 

Am 29.03.2005 erfolgte auf der Erstaufnahmestelle West die erste Einvernahme der Asylwerberin. Dabei gab sie zu ihren Fluchtgründen kursorisch befragt an, dass sie wegen ihres Gatten Probleme habe. Sie sei beschimpft worden. Im Zuge der Suche nach ihrem Gatten sei ihre Wohnungstür eingetreten worden, sie sowie ihre Tochter geschlagen worden und der Hund ihrer Tochter getötet worden. Die Polizisten hätten ihr sodann gedroht, sie, so wie den Hund, zu ermorden.

 

Da sich Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit Deutschlands für das gegenständliche Asylverfahren ergeben hatten, beabsichtigte die Erstbehörde zunächst, den Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen und die Asylwerberin nach Deutschland auszuweisen.

 

Am 31.03.2005 wurde die gesamte Familie durch die Erstaufnahmestelle West ein zweites Mal einvernommen, wobei die Antragsstellerin Folgendes angab:

 

Ich tue mir schwer in Russisch, vielleicht kann mir Mann helfen. (Herr A. übersetzt von Azeri ins Russische). Da mein Mann am Tag der Wahl (15.10.) nicht nach Hause gekommen ist, war ich etwas beunruhigt. Am nächsten Tag habe ich durch die Medien erfahren, dass etwas vorgefallen ist, dass Unruhen waren und, da mein Mann noch immer nicht zu Hause war, war ich sehr beunruhigt. Ich sah das auch im Fernsehen und habe beschlossen meinen Sohn hinzuschicken und sagte ihm, dass er nachschauen soll, was mit dem Vater ist. Dann war es bereits Abend und weder mein Mann noch mein Sohn war zu Hause. Ich war bereits außer mir vor Angst. Plötzlich klopfte es an der Tür und jemand schrie "Macht auf, macht auf!". Da ich nur alleine mit der Tochter war, machte ich nicht auf. Es wurde die Tür eingetreten und 3 Polizisten kamen ins Zimmer und schrieen "Wo ist dein Mann, wo ist dein Mann?". Sie sind dann tätlich geworden und haben mich auf die Seite geschupst, so dass ich zu Boden fiel. Sie haben auf den Hund meiner Tochter eingeprügelt, bis er tot war. Sie haben geschrieen, dass das mit uns allen passiert, wenn ich nicht sage wo mein Mann ist. Sie haben gemeint, dass ich meinen Mann versteckt habe und haben mich bedroht. Schließlich gingen sie jedoch. Ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können und habe gezittert vor Angst. Am nächsten Tag kamen wieder andere Polizisten. Sie waren schon etwas menschlicher und sagten, dass sie nur meinen Mann suchen und dass uns nichts passieren wird, wenn wir sagen wo er ist. Am Abend dieses Tages kam dann der Freund meines Mannes und hat mich beruhigt und mit der Tochter mitgenommen. Ich habe meinen Sohn gesehen, der halb tot war. Ich erkannte ihn fast nicht mehr. Mein Mann hat mich dann aufgeklärt, dass er meinen Sohn retten wollte und einen anderen dabei getötet hat. Mein Mann sagte mir eindringlich, dass wir flüchten müssen und beschlossen dann auszureisen.

 

Am 09.06.2006 wurde die Antragstellerin durch das Bundesasylamt,

Außenstelle Innsbruck, neuerlich, wie folgt einvernommen:

 

Erklärung: Sie haben am 23.03.2005 beim Bundesasylamt um Asyl ersucht. Sie wurden am 29.03.2005 und am 31.03.2005 in der EAST West bereits zu Ihrem Asylverfahren, d.h. zu Ihrem Reiseweg und den Gründen Ihrer Ausreise, befragt. Wollen Sie selbst zu diesen Angaben noch etwas hinzufügen oder etwas sagen, was Sie noch nicht angeführt haben?

 

Antwort: Nein, ich habe damals alles gesagt, mehr habe ich selbst nicht dazu anzuführen. Andere Gründe gibt es nicht.

 

Frage: Unter welchen Lebensumständen haben Sie gelebt?

 

Antwort: Ich bin in G. in Aserbaidschan geboren. Dort bin ich bei meinen Eltern aufgewachsen. Ich habe die Schule bis zur 10. Klasse besucht. Nach der Schule habe ich keine Ausbildung gemacht. Ich habe 1987 geheiratet. Aus dieser Ehe habe ich bereits zwei Kinder. Mein Sohn leidet seit seiner Geburt unter epileptischen Anfällen. Er wurde deshalb bereits in Aserbaidschan von verschiedenen Ärzten, auch von Fachärzten behandelt, sodass es ihm gut ging. Ich habe niemals gearbeitet. Mein Mann war ein Händler. Wir besaßen ein Geschäft. Dort hat er alles verkauft. Wir besaßen auch ein Haus in G.. Meine Kinder haben dort auch die Schule besucht. Wir sind eine Durchschnittsfamilie. Im Juli oder August 2003 haben wir eine Wohnung in B. gemietet. Ich bin Muslime und Staatsbürgerin von Aserbaidschan. Wir haben unsere Heimat im November 2003 verlassen. Wir sind nach Deutschland ausgereist. Dort haben wir um Asyl angesucht. Nach ca. eineinhalb Jahren bekamen wir einen negativen Bescheid. Deshalb konnten wir nicht mehr in Deutschland bleiben. Nach Aserbaidschan konnten wir auch nicht zurückkehren. Deshalb sind wir direkt nach Österreich gefahren und haben hier um Asyl angesucht.

 

Frage: Können Sie nochmals die Gründe schildern, die Sie dazu veranlassten, Ihre Heimat zu verlassen (freie Erzählung)?

 

Antwort: Ich habe meine Heimat wegen der Probleme meines Mannes verlassen. Mehr kann ich dazu auch nicht mehr sagen. Das ist die Wahrheit. Andere Gründe gibt es auch nicht. Wie ich schon vor der EAST West erklärt habe, kamen die Polizisten wegen meines Mannes zu uns nach Hause und haben mich nach ihm gefragt. Sie haben mich geschlagen und mir Angst eingejagt.

 

Frage: Wann und wie konkret wurden Sie von den Polizisten befragt? Was wollten die Polizisten konkret von Ihnen?

 

Antwort: Am 00.00.2003 kamen drei Polizisten am Abend zu uns nach Hause in B.. Zu dieser Zeit waren mein Mann und mein Sohn nicht zuhause. Die Polizisten haben an der Tür geläutet. Ich wollte zuerst die Tür nicht öffnen, weil mein Mann und mein Sohn nicht zuhause waren. Ich hatte Angst. Deshalb habe ich geschrieen, dass ich die Tür nicht öffnen werde. Die Polizisten sagten, dass sie wegen meines Mannes gekommen sind. Sie wollten mich einfach über meinen Mann befragen. Aber ich habe trotzdem die Tür nicht geöffnet. Dann haben diese Polizisten die Tür eingetreten und sind hineingekommen. Die Polizisten haben mich nach meinem Mann befragt. Ich habe ihnen erklärt, dass ich auch nicht weiß, wo er sich befindet. Dann haben sie mich auf die Seite geschupst und wollten das Haus nach ihm durchsuchen. Deshalb bin ich auf den Boden gefallen. Sie haben mich auch mit den Füssen getreten. Ich wurde aber dabei nicht verletzt. Meine Tochter hatte natürlich auch Angst, weil sie gesehen hat, dass Polizisten in Uniformen das ganze Haus durchsuchten. Meine Tochter hatte einen Hund. Einer von ihnen hat diesen Hund erschossen. Sie wollten uns damit Angst einjagen. Der ganze Vorfall dauerte nicht lange, dann sind sie einfach weggegangen. Sie haben mir aber nichts angetan. Meine Tochter und ich hatten große Angst. Die Nachbarn sind unmittelbar danach zu uns gekommen und haben uns Beistand geleistet. Sie haben mein Gesicht mit kaltem Wasser gewaschen. Den toten Hund haben sie auch mitgenommen, weil meine Tochter große Angst hatte. Am nächsten Tag, sind zwei andere Polizisten gekommen. Sie haben an der Tür geläutet. Ich habe wieder gefragt, wer vor der Tür steht. Sie haben geantwortet, dass sie Polizisten sind. Ich habe die Tür geöffnet. Dann sind sie in die Wohnung gekommen. Sie haben vor der Tür zu mir gesagt, dass sie mir nichts antun werden. Sie wollten mir Fragen über meinen Mann und meinen Sohn stellen. Die Polizisten waren sehr nett und menschlich. Sie haben sich ordnungsgemäß benommen. Sie haben mich gefragt, wo sich mein Mann zurzeit befindet. Aber ich wusste wirklich nicht, wo sie waren. Dann sind sie weggegangen. Sie haben uns wirklich gut behandelt und waren sehr nett. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Am Abend ist ein Freund meines Mannes zu uns gekommen. Er hat mir gesagt, dass ich notwendige Sachen einpacken und mit ihm mitgehen soll. Ich habe sehr schnell gehandelt und bin mit ihm zu meinem Mann gegangen. Ich habe auch meine Tochter mitgenommen. Der Freund hat mir gesagt, dass mein Mann und mein Sohn schon am Leben sind, aber meinem Sohn geht es nicht besonders gut. Dann sind wir zu seiner Wohnung gegangen. Dort fand ich meinen verletzten Sohn im Bett. Mein Mann war auch dort. Es ging ihm aber gut. Wir haben meinen Sohn weder in eine Klinik noch zu einem Arzt gebracht. Wir hatten große Angst. Deshalb haben wir gedacht, dass wir keinen Arzt aufsuchen. Wir sind dort nur einen Tag geblieben. Dann sind wir nach N. gefahren. Das ist eine Ortschaft in der Nähe von B.. Dort hat mein Mann einen kleinen Bungalow gemietet. Dorthin kommen immer wieder Leute, um sich auszuruhen. Dort blieben wir ca. 20 Tage. Während dieser Tage haben wir diesen Bungalow nicht verlassen, weil wir große Angst hatten. Während dieser Zeit kam ein Freund meines Mannes, der eine wichtige Person in der Gegend ist, zu uns. Er hat meinem Mann gesagt, dass der Mann, der von meinem Mann verletzt wurde, an seine Verletzungen starb. Deshalb wäre es besser für meinen Mann und seine Familie, die Heimat so schnell wie möglich zu verlassen. Deshalb fing mein Mann an, die Ausreise zu organisieren. Mehr habe ich nicht mitbekommen. Nach dieser Zeit haben wir die Heimat verlassen. Wir sind dann über eine mir unbekannte Route nach Deutschland gefahren. Mehr kann ich dazu nicht mehr sagen. Das ist alles, was ich zu meinem Grund sagen kann.

 

Frage: Wussten Sie, warum die ersten Polizisten zu ihnen gekommen sind, als diese bei Ihnen geläutet haben?

 

Antwort: Nein, ich wusste natürlich nicht, warum sie vor meiner Tür stehen. Sie haben sich nicht vorgestellt. Sie haben vor der Tür nur geschrieen. Erst danach haben sie gesagt, sie seien Polizisten.

 

Vorhalt: Es ist weder nachvollziehbar noch glaubhaft, dass Sie die Tür nicht geöffnet haben, als Sie gehört haben, dass vor der Tür Polizisten stehen. Sie haben sich geweigert, den Polizisten zu helfen und haben dadurch ihre Arbeit verhindert. Auch hier in Österreich ist jeder Bürger verpflichtet, in polizeilichen Ermittlungen mitzuwirken. Was sagen Sie dazu?

 

Antwort: Ich kann nur sagen, dass ich große Angst hatte. Sie haben vor der Tür geschrieen. Ich hatte einfach Angst. Mehr kann ich wirklich dazu nicht sagen.

 

Frage: Sie haben heute erwähnt, dass Sie und ihre Familie sich 20 Tage in einem Bungalow versteckt haben. Sie haben diesen nicht einmal verlassen. Woher wusste der Freund Ihres Mannes, wo sie sich befinden?

 

Antwort: Ich weiß es nicht, wie der Freund uns finden konnte. Ich weiß es wirklich nicht.

 

Frage: Sie haben heute gesagt, dass die anderen Polizisten, die zum zweiten Mal zu ihnen gekommen sind, viel netter und höflicher waren. Sie haben Sie ordnungsgemäß behandelt. Haben Sie sich bei diesen wegen der ersten Polizisten nicht beschwert? Haben Sie die ersten Polizisten nicht angezeigt?

 

Antwort: Nein, ich habe an diese Sache nicht gedacht. Diese Polizisten sind einfach zu uns gekommen und haben mich nach meinem Mann befragt. Dann sind sie einfach weggegangen. Ich habe nicht einmal daran gedacht, die vorgefallene Situation zu melden bzw. anzuzeigen. Mehr kann ich wirklich dazu nicht sagen.

 

Frage: Haben Sie irgendetwas während dieser 20 Tage von Ihren Nachbarn bzw. Ihren Verwandten gehört?

 

Antwort: Nein, wir haben von ihnen nichts gehört.

 

Vorhalt: Im Zuge der Erstbefragung hat Ihr Mann erzählt, dass er und seine Familie am 18.10.2003 von B. nach N. mit einem Taxi gefahren sind. Dort blieben Sie und Ihre Familie ein Jahr und 7 Monate. Am 00.00.2005 sind Sie von N. mit einem Kleinbus weggefahren. Ihre heutige Aussage und die Ihres Mannes stehen im krassen Widerspruch zu einander. Sie werden an dieser Stelle an die Wahrheits- und Mitwirkungspflicht erinnert. Die falschen Aussagen führen zur Ablehnung des Antrages. Was sagen Sie dazu?

 

Antwort: Ich sage die Wahrheit. Wir wollten die Zeit, wo wir in Deutschland aufhältig waren, verschleiern. Deshalb haben wir gelogen. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich sage heute die Wahrheit.

 

Vorhalt: Ihre Aussage ist nicht richtig! Sie und Ihre ganze Familie haben bereits bei der ersten Einvernahme von Anfang an behauptet, dass Sie von Deutschland direkt nach Österreich eingereist sind. Dort haben Sie behauptet, dass Sie sogar in Deutschland um Asyl ersucht und der Antrag wurde abgelehnt, sodass Ihre vorherige Erklärung nicht nachvollziehbar ist. Was sagen Sie dazu?

 

Antwort: Ich wiederhole noch einmal, dass ich die Wahrheit sage. Ich sage die Wahrheit. Ich bin nicht verantwortlich für die Aussagen meines Mannes. Ich kann nur das sagen, was ich wirklich erlebt habe.

 

Vorhalt: Im Zuge der Einvernahme vor der EAST West haben Sie behauptet, Sie und Ihre Tochter wären von den Polizisten geschlagen worden. Heute haben Sie nur erzählt, dass die Polizisten Sie nur zur Seite geschupst haben. Deshalb wären Sie auf den Boden gefallen. Mehr haben diese Polizisten Ihnen nicht angetan. Diese Aussagen stehen im krassen Widerspruch zu einander. Was sagen Sie dazu?

 

Antwort: Ich habe heute schon gesagt, dass die ersten Polizisten mich auch mit den Füssen angetreten haben. Ich weiß nicht, warum ich über meine Tochter nicht gesprochen habe. Ich habe einfach vergessen über meine Tochter zu reden. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

 

Frage: Gab es jemals, außer dem geschilderten Vorfall, auf Sie irgendwelche Übergriffe oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?

 

Antwort: Nein, es gab niemals auf mich irgendwelche Übergriffe. An mich persönlich ist auch niemals irgendwer herangetreten. Wirklich! Ich sage die Wahrheit

 

Frage: Haben Sie außer dem bisher vorgebrachten Sachverhalt weitere Gründe Ihrer Flucht vorzubringen?

 

Antwort: Nein, ich habe nichts mehr zu sagen. Ich habe meine Heimat wegen der Probleme meines Mannes verlassen. Ich hatte persönlich in meiner Heimat keinerlei Probleme. Das ist die Wahrheit. Mehr kann ich dazu wirklich nicht sagen.

 

Frage: Sind Sie in Ihrem Heimatland vorbestraft?

 

Antwort: Nein, ich bin in meinem Heimatland nicht vorbestraft.

 

Frage: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals festgenommen oder verhaftet?

 

Antwort: Nein, ich wurde in meiner Heimat weder verhaftet noch festgenommen.

 

Frage: Haben Sie in Ihrem Heimatland strafbare Handlungen begangen?

 

Antwort: Nein, ich habe in meinem Heimatland niemals strafbare Handlungen begangen.

 

Frage: Sind oder waren Sie jemals Mitglied einer politischen Partei?

 

Antwort: Nein, ich war niemals Mitglied einer politischen Partei.

 

Frage: Waren Sie außerhalb einer politischen Partei in Ihrem Heimatland jemals politisch aktiv tätig?

 

Antwort: Nein, ich war niemals politisch aktiv.

 

Frage: Hatten Sie in Ihrem Heimatland jemals Probleme mit der Polizei, einem Gericht oder einer anderen staatlichen Behörde?

 

Antwort: Nein, ich hatte in meinem Heimatland niemals Probleme mit der Polizei, einem Gericht oder einer anderen staatlichen Behörde.

 

Frage: Wurden Sie in Ihrem Heimatland von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion, Ihrer Volksgruppe oder Rasse verfolgt?

 

Antwort: Nein, ich wurde niemals wegen meiner Religion, meiner Volksgruppe oder Rasse verfolgt.

 

Frage: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite wegen Ihrer politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe jemals verfolgt?

 

Antwort: Nein, niemals.

 

Frage: Was konkret befürchten Sie für den Fall Ihrer Rückkehr in Ihr Heimatland?

 

Antwort: Ich habe Angst um meine Familie. Ich habe Angst vor den Polizisten. Ich habe einfach Angst. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

 

Frage: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?

 

Antwort: Ich persönlich hätte keinerlei Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle meiner Rückkehr.

 

Frage: Wann sind Sie nach Österreich eingereist?

 

Antwort: Wir sind am 23.03.2005 sind wir nach Österreich eingereist. Seit dieser Zeit halten wir uns hier auf.

 

Frage: Hatten Sie in Österreich jemals einen gültigen Aufenthaltstitel zur Begründung eines legalen Aufenthaltes?

 

Antwort: Nein, niemals.

 

Frage: Von welchen finanziellen Mitteln leben Sie hier in Österreich?

 

Antwort: Wir leben hier von der Sozialhilfe. Ich arbeite auch ab und zu in einem Altersheim.

 

Frage: Haben Sie in Österreich nahe Angehörige, wenn ja, in welchem Verwandtschaftsgrad stehen Sie zu dieser/diesen Person/Personen?

 

Antwort: Nein, ich habe hier niemanden.

 

Frage: Wo leben Ihre Verwandten?

 

Antwort: Ich habe niemanden mehr. Meine Eltern sind beide verstorben. Ich habe nur zwei Brüder. Ich habe aber keinen Kontakt zu ihnen. Ich weiß nicht, wo sie sich zurzeit befinden.

 

Frage: Wollen Sie für Ihre Tochter eigene Gründe vorbringen oder sollen für diese die gleichen Gründe gelten wie für Sie?

 

Antwort: Ich habe für meine Tochter keine eigenen Gründe anzuführen, für sie sollten die gleichen Gründe gelten wie für mich.

 

Frage: Die Befragung wird hiermit beendet. Wollen Sie zu Ihrem Asylverfahren sonst noch etwas vorbringen, was Ihnen von Bedeutung erscheint?

 

Antwort: Nein, ich habe alles gesagt.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.07.2006, ZI 05 04.051-BAI, wurde unter Spruchteil I. der Asylantrag vom 23.03.2005 gemäß § 7 AsylG abgewiesen und unter Spruchteil II. die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Asylwerberin nach Aserbaidschan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ausgesprochen und unter Spruchteil III. die Asylwerberin aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Aserbaidschan ausgewiesen.

 

In der Begründung des Bescheides wurden alle bereits oben wiedergegebenen bzw. auszugsweise erwähnten Einvernahmen dargestellt und anschließend festgehalten, dass die Identität der Antragsstellerin nicht feststehe. Es liege jedoch ein Familienverfahren im Hinblick auf den Gatten und die Kinder der Antragsstellerin vor. Sodann wurden Sachverhaltsfeststellungen zur Aserbaidschan getroffen und auch die Quellen hiefür angeführt.

 

Beweiswürdigend wurde in der Folge zunächst angemerkt, dass der Antragstellerin, zumal sie keine Beweismittel für ihre Identität vorgelegt habe und vor den deutschen und österreichischen Behörden unterschiedliche Angaben gemacht habe, hinsichtlich ihrer Identität keine Glaubwürdigkeit zugesprochen werden könne. Zu den Aussagen der Berufungswerberin wurde ausgeführt, dass das Vorbringen bloß allgemein in den Raum gestellt worden sei und auf Grund mangelnder Plausibilität und Nachvollziehbarkeit unglaubwürdig gewesen sei. So habe die Asylwerberin ihr Vorbringen auf die Fluchtgründe ihres Gatten gestützt und behauptet von Polizisten zweimal nach ihrem Gatten befragt worden zu sein, wozu zu bemerken sei, dass das Vorbringen ihres Mannes vom Bundesasylamt als völlig unglaubwürdig eingestuft worden sei, weshalb schon allein deshalb das Vorbringen unglaubwürdig sei. Auf Grund der Erfahrungen des Bundesasylamtes sei hier vom Vorliegen eines standardisierten Vorbringens, welches bei mit Schlepperunterstützung eingereisten Asylwerbern häufig vorkomme, auszugehen. Bei der Beurteilung müsse auch das gravierende Interesse der Antragsstellerin an einem positiven Ausgang des Verfahrens ihres Gatten beachtet werden, was zu verzerrten oder gänzlich falschen Darstellungen führen könnte. Die Rückkehrbefürchtungen der Berufungswerberin könnten den vom Gesetz geforderten Glaubhaftigkeitsanspruch nicht erfüllten, da sich die Ängste auf vage Vermutungen, ohne konkrete Anhaltspunkte oder Hinweise stützen würden und dem Bundesasylamt auch keine Informationen über eine gezielte Verfolgung von abgewiesenen Asylwerbern vorliegen würden. Aus dem Verhalten der Asylwerberin - erster Asylantrag in Deutschland, "Weiterzug" nach Österreich nach negativer Erledigung in Deutschland - sei zu schließen, dass sie asylzweckbezogen agieren würde und missbräuchlich im Sinne des "Asyltourismus" nach Österreich eingereist sei.

 

Rechtlich begründet wurde zunächst festgehalten, dass im vorliegenden Fall ein Familienverfahren gemäß § 10 AsylG vorliege. Zu Spruchteil I. wurde insbesondere dargelegt, dass der vorgebrachte Sachverhalt in seiner Gesamtheit als nicht glaubhaft zu beurteilen gewesen sei, womit ein asylrelevanter Sachverhalt als Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 7 AsylG 1997 nicht festgestellt werden könne. Darüber hinaus wurde bemerkt, dass eine Befragung durch die Polizei nach dem Aufenthaltsort des Gatten keine wie immer geartete Sanktion darstellen würde und daraus, zumal die Befragungen auch ohne Konsequenzen oder Sanktionen geblieben seien, keine Einstufung als regimefeindlich durch die Behörden des Heimatstaates ableitbar sei. Ein derartiges Vorgehen würde legitime Untersuchungen zur Aufklärung von Verbrechen darstellen, wozu Aserbaidschan berechtigt sei. Nur der Vollständigkeit halber wurde noch ausgeführt, dass im Einzelfall vorkommende Übergriffe oder Drohungen dem Staat nicht zurechenbar seien, zumal sie isolierte Einzelhandlungen darstellen würde, sodass auch aus diesem Grund keine Verfolgung iSd GFK feststellbar gewesen sei.

 

Zu Spruchteil II. wurde nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur ausgeführt, dass das Bestehen einer Gefährdungssituation bereits unter Spruchteil I. geprüft und verneint worden sei und dass das gesamte Vorbringen der Antragstellerin nichts enthalte, was einen Hinweis auf eine Verfolgung oder Verfolgungsgefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 Fremdengesetz bieten würde. Die Antragsstellerin habe in ihren Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft darlegen können, dass sie für den Fall ihrer Rückkehr nach Aserbaidschan einer Bedrohung oder Gefahr im Sinne des § 57 Abs. 1 Fremdengesetz ausgesetzt wäre. Ergänzend wurde ausgeführt, dass in Aserbaidschan überdies keine dergestalt exzeptionelle Situation bestehe, wodurch eine Gefährdung im Sinne des Artikel 2 und 3 EMRK indiziert wäre. Weiters könne auf Grund der getroffenen Feststellung nicht davon gesprochen werden, dass in Aserbaidschan eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen herrschen würde und somit könnten auch von Amts wegen keine stichhaltigen Beispiele, dem Refoulement der Antragstellerin in den Herkunftsstaat entgegenstehenden Gründe erkannt werden. Die Antragstellerin habe weiters nicht glaubhaft darstellen können, dass ihr bei einem Verbleib in ihrer Heimat die Lebensgrundlage entzogen wäre und dass sie bei einer Rückkehr in das in Frage kommende Gebiet in eine ausweglose Lage geraten würde. Die Behörde sei daher zur Ansicht gelangt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass die Antragstellerin im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in Aserbaidschan einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit festzustellen gewesen sei, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Antragstellerin zulässig sei.

 

Zu Spruchteil III. wurde ebenfalls zunächst die bezughabende Rechtslage und Judikatur dargestellt und dann festgehalten, dass kein Familienbezug (Kernfamilie) zu einem dauernd aufenthaltsberechtigten Fremden in Österreich vorliege, ihr Ehegatte und ihre Kinder seien ebenfalls Asylwerber in Österreich und stelle daher die Ausweisung keinen Eingriff in Artikel 8 EMRK dar. Die Antragstellerin habe sich bei ihrer Asylantragstellung darüber im Klaren sein müssen, dass ihr Aufenthalt im Falle einer Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender sein könne. Da aus dem Verhalten der Antragstellerin keineswegs abgeleitet werden könne, dass eine Ausreisewilligkeit vorliegt, stelle die Ausweisung das gelindeste Mittel dar, um den illegalen Aufenthalt der Antragstellerin im Bundesgebiet zu beenden. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob die Asylwerberin Berufung. Darin führte sie aus, dass der Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft werde. Sie sei aserbaidschanische Staatsangehörige und als solche aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung aus ihrem Heimatland geflohen. Auf Grund ihrer Erlebnisse sei sie in schlechter psychischer Verfassung und werde, sobald möglich, psychologische bzw. psychotherapeutische Unterstützung in Anspruch nehmen. Zur weiteren Begründung ihrer Berufung verwies sie auf die Berufung ihres Gatten. Sodann beantragte sie eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und den angefochtenen Bescheid zur Verfahrensergänzung in die erste Instanz zurückzuverweisen, in eventu ihr Asyl zuzuerkennen oder gegebenenfalls die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung auszusprechen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung zuzuerkennen in eventu die Ausweisung ersatzlos zu beheben.

 

Daraufhin beraumte der Unabhängige Bundesasylsenat eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung für den 19.05.2008 an. Das Bundesasylamt ließ sich für ihre Nichtteilnahme an der Berufungsverhandlung entschuldigen. Dr. Günther KLODNER wurde vor dem Verhandlungsleiter mit der Vertretung der Berufungswerberin im Verfahren bevollmächtigt.

 

Die Berufungswerberin führte über Befragen durch den Verhandlungsleiter und seinen Vertreter Folgendes aus:

 

VL: Welcher Volksgruppe und Religion gehören Sie an?

 

BW2: Moslemin. Ich gehöre der aserbaidschanischen Volksgruppe an.

 

VL: Wo sind Sie geboren?

 

BW2: G./Aserbaidschan.

 

VL: Wo lebten Sie im Laufe Ihres Lebens?

 

BW2: In G. bis 2003. In den Sommerferien 2003, Juli od. August, zogen wir nach B.. Dort mieteten wir eine Wohnung. Bis zu den Vorfällen, weswegen wir ausreisten, hielten wir uns in B. auf. Am 18.10.2003 fuhren wir dann von B. nach N.. Dort lebten wir etwa 20 Tage. Am 09.11.2003 reisten wir aus Aserbaidschan aus. Wir waren am 15.11.2003 in Deutschland.

 

VL: Welche schulische oder sonstige Ausbildung erhielten Sie?

 

BW2: 10 Jahre Grundschule, keine weitere Schulausbildung.

 

VL: Waren Sie selbst berufstätig in Aserbaidschan?

 

BW2: Nein, ich war immer Hausfrau.

 

VL: Haben Sie sich politisch betätigt in Aserbaidschan?

 

BW2: Nein, ich nicht.

 

VL: Betätigte sich Ihr Mann politisch?

 

BW2: Ja. Er war Musavat-Parteimitglied.

 

VL: War Ihr Mann politisch sehr aktiv?

 

BW2: Man kann ihm auch ansehen, dass er sich sehr engagiert, wenn er an eine Sache glaubt. Ich habe ihn überreden wollen, dass er sich von der Politik zurückzieht, damit ihm nichts passiert, aber er hörte nicht auf mich.

 

VL: Hatte Ihr Mann wegen seiner politischen Tätigkeit auch schon vor den Vorfällen im Okt. 2003 mit Behördenorganen in Aserbaidschan Probleme?

 

BW2: Er wurde sehr oft festgenommen. Ihm stieß einiges zu.

 

VL: Wissen Sie darüber Näheres?

 

BW2: 3x wurde er verhaftet, 1x für 6 Tage, 1x für 3 Tage, 1x für 2 Wochen. Dabei wurde er sehr misshandelt.

 

VL: Hatten Sie mit Behördenorganen in Aserbaidschan selbst Probleme?

 

BW2: Ich persönlich nicht.

 

VL: Hat Ihr Mann nach den Präsidentenwahlen am 15.10.2003 an Demonstrationen teilgenommen?

 

BW2: Ja, natürlich, zB am 00.00.2003 war eine sehr große Demonstration. Ich habe zu 100% gewusst, dass mein Mann an der Demonstration teilnehmen wird. Um ihn hatte ich große Angst. Am 15.10.2003 nahm er an den Wahlen teil. Seine Parteikollegen, er und die ganze Bevölkerung nahmen stark an, dass die Musavat-Partei die Wahlen gewinnen wird. So war es doch nicht. Vom 00.00. auf den 00.00.2003 nachts kam er nicht nach Hause. Ich hörte im TV, dass für 14.00 Uhr, eine Demonstration angesagt wurde. Ich wusste ganz genau, dass mein Mann teilnimmt. Wir haben die Demonstrationen, so wie viele Aserbaidschaner auch, im TV verfolgt. Ich kenne meinen Mann, ich wusste, dass er an vorderster Front dabei sein wird. Die Kinder waren noch relativ klein. Ich war bei ihnen zu Hause. Ich hatte um sein Leben Angst. Ich schickte meinen Sohn, bat ihn meinen Mann zu suchen und ihn nach Hause zu bringen. Ich war mit meiner Tochter zu Hause, war sehr aufgeregt. Ich lief einmal zum TV, einmal am Balkon, ich hatte Angst und wusste nicht, was passiert. Es wurde langsam dunkel. Es kamen weder mein Sohn, noch mein Mann zurück. An der Tür klopfte es. Wann genau das war, kann ich nicht sagen. Ich hatte Angst, ich hatte schon schlechte Erfahrungen. Es wurde an der Tür weiter geklopft. Ich machte nicht auf und wollte nur wissen, wer an der Tür ist. Man sagte mir, dass sie nach meinem Mann suchen würden. Ich antwortete, dass er nicht zu Hause sei. Nachdem ich die Tür nicht öffnete, traten 3 unifomierte Polizisten die Tür ein. Sie waren sehr grob. Ich habe jedes Mal, wenn ich darüber spreche, selbst Angst. Sie fragten nach meinem Mann. Sie glaubten nicht, dass er nicht zu Hause ist.

 

VL: Wurden Sie oder Ihre Tochter von den Polizisten misshandelt?

 

BW2: Ja. Der eine Polizist stieß mich zur Seite. Ich fiel zu Boden. Daraufhin gaben sie mir 2 Fußtritte. Sie beleidigten und beschimpften die ganze Familie und drohten uns mit dem Umbringen. Ich habe ihnen widersprochen und sie auch beschimpft. Der eine Polizist richtete auf mich die Pistole und drohte mir. Um zu beweisen, dass er dazu fähig war, hat er den kleinen Hund meiner Tochter erschossen. Meine Tochter bekam einen Schock. Es ging ihr sehr schlecht. Ich hörte dann auf, ihnen zu widersprechen. Sie durchsuchten die ganze Wohnung. Sie brachten alles durcheinander. Zum Schluss sagten sie mir, dass sie meinen Mann sofort töten würden, sobald sie seiner habhaft würden. Daraufhin gingen sie weg. Die Nachbarn kamen dann zu uns. Sie hatten alle Angst. Sie beruhigten uns. Sie wuschen unsere Gesichter. Ich war zu dieser Zeit zu 100% sicher, dass bereits mein Sohn und mein Mann tot sind. Ich habe im TV gesehen, dass bei der Demonstration ein 5j Kind getötet wurde.

 

VL: Gab es nach Ihrem Mann noch weitere Suchmaßnahmen?

 

BW2: Am 00.00.2003, gegen 10.00 Uhr vormittags, klopfte es wieder an der Tür. Ich machte die Tür wieder nicht auf. Diesmal machte ich die Tür auf. Es waren Polizisten. Ich sagte, dass mein Mann nach wie vor nicht zu Hause sei. Die Polizisten behandelten uns diesmal sehr mild. Sie sagten, dass es keinen Grund gibt, dass wir in Angst sind und dass sie nur nach meinem Mann suchen würden. Daraufhin gingen sie weg. Am selben Tag abends, es war dunkel, es war der 00.00.2003, kam ein guter Freund meines Mannes zu uns nach Hause. Er sagte mir, dass ich ruhig sein soll, dass sowohl mein Mann, als auch mein Sohn, bei ihm zu Hause seien. Er sagte auch, dass es meinem Sohn nicht sehr gut gehe. Er sagte auch, dass mich mein Mann bittet, die wichtige Sachen zusammen zu packen und dass er mich mit meiner Tochter zu sich holen wird. Er brachte uns dann zu sich nach Hause. Ich traf dort meinen Mann. Mein Sohn war im Bett in einem schlechten Zustand. Sie erzählten dann, was alles vorgefallen ist. Ich weiß dann nicht, was mein Mann machte. Er sprach mit irgendjemandem. Mein Mann hat gewöhnlich nicht mit mir über alles gesprochen. Er sagte mir nur, dass wir am 18.10.2003 wegfahren würden. Am nächsten Tag brachte uns mein Mann nach N.. Dort versteckten wir uns 20 Tage.

 

VL: Sie gaben an, dass nach der 1. Suche nach Ihrem Mann die Tür eingetreten wurde, war Sie dadurch nicht beschädigt, wie war es möglich, dass Sie die Tür bei der nächsten Suche zuerst schließen und dann öffnen konnten?

 

BW2: Ich erzählte ihnen auch, dass meine Nachbarn, nachdem die Polizisten fort waren, bei mir waren. Sie halfen mir und reparierten die Tür. Es ist nicht möglich, mit offener Türe eine Nacht zu verbringen.

 

VL: Haben Sie die bei der Demonstration erlittenen Verletzungen Ihres Sohnes behandelt?

 

BW2: Ja, wir behandelten ihn selbst.

 

VL: Fuhr Ihr Mann selbst nach N., fuhren Sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln?

 

BW2: Nein. Wir fuhren per Taxi.

 

VL: Wie gelang es Ihnen Aserbaidschan zu verlassen, obwohl offensichtlich Ihr Mann gesucht wurde?

 

BW2: Wie ich vorhin erwähnte, hat mein Mann mir nicht alles mitgeteilt. Er sprach mit einigen Leuten. Außer Landes wurden wir mit einem Kleintransporter gebracht. 3x stiegen wir um.

 

VL Vorhalt: Ihr Mann sprach davon, dass Sie auf der Ladefläche eines LKW außer Landes gebracht wurden.

 

BW2: Ganz am Anfang fuhren wir mit einem Kleintransporter, dann mussten wir auf die Ladefläche eines LKW umsteigen und dann nochmals umsteigen.

 

VL: Haben Sie in Aserbaidschan Freunde oder Verwandte?

 

BW2: Nein, in Aserbaidschan haben wir keine Verwandte und auch keine sonstigen Kontakte mehr.

 

VL: Was machen Sie hier in Österreich?

 

BW2: Wir suchten hier um Asyl an. Ich arbeite in einem Altersheim.

 

VL: Haben Sie aktuelle gesundheitliche Probleme?

 

BW2: Ich habe auch sehr große Probleme, ich bin nervös, nachts kann ich nicht schlafen. Ich war nur beim Hausarzt, ich erhielt gegen Schlaflosigkeit Tabletten. Außerdem habe ich Kopfschmerzen, ich nehme Schmerztabletten.

 

VL: Was würde mit Ihnen geschehen, wenn Sie nach Aserbaidschan zurückkehren würden?

 

BW2: Ich hätte große Angst zurückzukehren. Dieses System würde unsere Familie ausrotten und uns alle liquidieren. Vor allem würde ich um meinen Sohn und meinen Mann Angst haben.

 

VL: Gibt es noch etwas, was Ihnen für die Begründung Ihres Asylantrages wichtig erscheint und Sie noch nicht erwähnt haben?

 

BW2: Ich erzählte schon alles. Wir fühlen uns wohl in Österreich. Wir bedanken uns, dass wir hier Ruhe gefunden haben. Ich arbeite und durch meine Kollegen vergeht schneller die Zeit. Uns geht es sehr viel besser.

 

BWV: Keine weiteren Fragen.

 

Nach Befragung des Gatten, des Sohnes und der noch minderjährigen Tochter der Berufungswerberin hielt der Verhandlungsleiter den Parteien des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG folgende Dokumente vor und räumte eine Frist von zwei Wochen zur Abgabe einer Stellungnahme ein:

 

Bericht zur Fact Finding des BAA und des UBAS vom 01.11.2007, Teil 3 Aserbaidschan

 

Anfragebeantwortung von ACCORD zur Musavat-Partei vom 09.11.2006

 

Anfragebeantwortung von ACCORD zur Musavat-Partei und den Demonstrationen , vom 05.07.2006

 

Anfragebeantwortung von ACCORD zur Musavat-Partei vom 10.03.2005

 

NZZ-Online vom 17.10.2003 "Verpasste Chance in Aserbaidschan"

 

APA Meldungen vom 17. und 18.10.2003 zu Demonstrationen u. Festnahmen in Aserbaidschan

 

Deutsche Welle vom 17.10.2003 "Illham Alijew: Ausschreitungen in Baku waren geplant von der Opposition"

 

WIKIPEDIA "Die Musavat-Partei"

 

WIKIPEDIA "Isa Gambar"

 

Weder das Bundesasylamt noch der Berufungswerbervertreter machten von der Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme Gebrauch und legten auch keine weiteren Schriftstücke vor.

 

Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter wie folgt festgestellt und erwogen:

 

Zur Person der Asylwerberin wird Folgendes festgestellt:

 

Ihr richtiger Name ist A.A., geborene S.. Sie wurde am 00.00.1969 G., Aserbaidschan, geboren, gehört der aserischen Volksgruppe und dem Islam an. Nach der 10-jährigen Grundschule genoss sie keine weitere Schulausbildung. Sie war stets Hausfrau. Im Sommer 2003 übersiedelte die Familie von G. nach B., wo ihr Gatte als Händler am Markt den Unterhalt der Familie verdiente.

 

Die Berufungswerberin war im Gegensatz zur ihrem Gatten, der Mitglied der Musavat-Partei war, nicht aktiv politisch tätig. Sie versuchte vielmehr ihren Gatten zur Aufgabe seiner politischen Tätigkeit zu bewegen, da sie Angst um ihn hatte. Am Abend des 00.00.2003, dem Tag einer Demonstration gegen die Präsidentenwahlen, erschienen drei Polizisten, denen sie, trotz längeren Klopfens, die Tür nicht öffnete. Die Polizisten traten daraufhin die Wohnungstüre ein. Sie fragten nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes. Nachdem die Antragsstellerin angegeben hatte, dass ihr Gatte nicht zu Hause sei, wurden die Polizisten gewalttätig. Sie wurde zur Seite gestoßen und, nachdem sie zu Boden gefallen war, wurden ihr Fußtritte versetzt. Die Polizisten beleidigten und bedrohten die Antragsstellerin mit einer Pistole. Um ihre Intentionen unter Beweiß zu stellen, erschoss einer der Polizisten den Hund der Tochter der Antragsstellerin, wodurch die Tochter der Berufungswerberin einen Schock erlitt. Nach diesem Vorfall widersprach die Antragsstellerin den Polizisten nicht mehr. Diese zogen, nachdem sie die gesamte Wohnung durchsucht hatten und den Gatten der Berufungswerberin mit dem Tod bedroht hatten, wieder ab.

 

Am Vormittag des 00.00.2003 erschienen neuerlich Polizisten, denen die Antragsstellerin mitteilte, ihr Gatte sei nicht anwesend. Die Polizisten waren, im Gegensatz zum letzen Vorfall, freundlich und versicherten, dass nur nach dem Mann der Berufungswerberin gesucht werden würde. Nachdem sie am Abend des gleichen Tages ein Freund zu ihrem Gatten und Sohn brachte, wurde die Familie zwanzig Tage lang in N. versteckt und wurde dann von einem Schlepper nach Deutschland gebracht, wo die Berufungswerberin unter Angabe des Namens M.A. einen Asylantrag stellte. Da die Berufungswerberin keine Chance auf Asyl sah, verließ sie die Bundesrepublik Deutschland und gelangte gemeinsam mit ihrem Gatten T., dem Sohn F. und der Tochter Z. am 23.03.2005 nach Österreich und stellte noch am selben Tag einen Asylantrag.

 

Über die im verwaltungsbehördlichen Bescheid bereits enthaltenen allgemeinen Feststellungen zu Aserbaidschan, auf welche verwiesen wird, wird zu Aserbaidschan Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

 

Zur Musavat-Partei wird Folgendes festgestellt:

 

Die Musavat-Partei wurde im Jahre 1911 als Geheimorganisation von Mohammed Ali Rasulzade gegründet, der ursprüngliche Name lautete moslemische demokratische Musavat-Partei. Das Programm war ursprünglich panislamisch und pantürkisch ausgerichtet. Die Partei unterstützte während des ersten Weltkrieges das zaristische russische Regime. Die ersten Anführer der Musavat-Partei waren gut ausgebildete islamische Intellektuelle, während die Mitglieder sich vor allem aus der armen Unterschicht von Baku rekrutierten. Nach der Februarrevolution wurde die Musavat-Partei eine legale politische Kraft. Auf dem Parteikongress im Oktober 1917 beschloss die Musavat-Partei für eine föderative demokratische Republik in Russland einzutreten, indem alle Völkerschaften ihre territoriale Autonomie erhalten sollen. Nach der Unabhängigkeitserklärung von Aserbaidschan wurde die Musavat-Partei die bestimmende politische Kraft in der neu etablierten aserbaidschanischen demokratischen Republik und der Parteigründer Rasulzade das erste Staatsoberhaupt. Nach dem Fall der ersten aserbaidschanischen Republik im April 1920 auf Grund der bolschewistischen Machtübernahme ging die Musavat-Partei neuerlich in den Untergrund, die Sowjets verhafteten zahlreiche Mitglieder der Musavat-Partei, die prominentesten wurden auch getötet. Die Partei arbeitete nunmehr vom Exil aus, wobei Istanbul das Zentrum der Exilaktivitäten wurde und später von Ankara abgelöst wurde.

 

Die Wiedererrichtung der Musavat-Partei in Aserbaidschan erfolgte 1989. Sie wurde von einer Gruppe Intellektueller wieder gegründet, welche schon im Exil damit begannen und Isa Gambar, geboren am 24. Februar 1957, wurde zum Vorsitzenden gewählt, der zuvor einer der Führer der aserbaidschanischen Volksfront war. Er wurde 1990 als Abgeordneter des Parlamentes und im Mai zum Parlamentssprecher bzw. Präsidenten gewählt. Als solcher war er auch vorübergehend bis zur Wahl von Abülfaz Elçibay Staatspräsident. Seit 1993 befindet sich die Musavat-Partei in Opposition zu der regierenden neuen aserbaidschanischen Partei des Haider Aliew. Die Musavat-Partei ist jedoch nach wie vor im Parlament vertreten. Heute tritt die Musavat-Partei für demokratische Reformen, die Entwicklung einer liberalen Marktwirtschaft und für enge Verbindungen zum Westen ein.

 

Zur politischen Betätigung bei der Opposition in Aserbaidschan wird Folgendes festgestellt:

 

In Aserbaidschan ist es auch in den letzten Jahren zu massiven Einschränkungen der Rechte auf freie Meinungsäußerung und Handlungsfreiheit gekommen. Friedliche Demonstrationen, insbesondere von Anhängern der Opposition wurden immer wieder unter Einsatz exzessiver Kräfte aufgelöst, wobei immer wieder zahlreiche Oppositionelle unter Gewaltanwendung in Haft genommen wurden. Unter den Verhafteten waren größtenteils Mitglieder der oppositionellen Musavat-Partei. Beispielsweise wurden die Anführer der oppositionellen Kundgebung nach den Wahlen im Oktober 2003 mit Haftstrafen vom 30 Monaten bis 5 Jahren belegt. Unter den Gefangenen kommt es immer wieder zu Foltervorwürfen.

 

Zu den Präsidentenwahlen im Oktober 2003 wird Folgendes festgehalten:

 

Der Ministerpräsident und designierte Präsident, sowie Sohn des damals schwerkranken langjährigen Machthabers Haider Aliew, Ilhalm Aliew erhielt bei den Wahlen fast 80 % der Stimmen, während sein stärkster Herausforderer Isa Gambar von der Musavat-Partei nur 12 % erhalten hat. Die Korrektheit dieser Ergebnisse wird jedoch von internationalen Beobachtern angezweifelt. Die Wahl war sowohl von Einschüchterungsversuchen gegenüber Anhängern der Opposition als auch Manipulationen bei dem Wahlvorgang gekennzeichnet. Am Tag nach der Wahl, dem 00.00.2003 kam es zu Massendemonstrationen der Opposition, die in Unruhen ausartete, für die die Regierung die Opposition verantwortlich machte. Es kam zu schweren Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften und zahlreichen Verhaftungen von Oppositionellen, auch ein Demonstrant soll getötet worden sein. In den dem Asylgerichtshof zur Verfügung stehenden Berichten ist jedoch nirgends von einem Toten aus dem Kreis der Sicherheitskräfte die Rede. In manchen Berichten ist jedoch auch von vier bis fünf Toten die Rede. Insgesamt laufen Mitglieder oppositioneller Parteien und ihre Familienangehörigen größere Gefahr, festgenommen und verhaftet zu werden, als andere Staatsbürger.

 

Beweis wurde erhoben durch Einvernahme der Asylwerberin vor dem Bundesasylamt am 29.03.2005, am 31.03.2005 und am 09.06.2006, sowie durch Befragung im Rahmen der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 19.05.2008, durch Einholung einer Auskunft bei der Staatendokumentation (durch das Bundesasylamt), sowie durch Vorhalt der oben näher bezeichneten länderbezogenen Dokumente.

 

Die Beweise werden wie folgt gewürdigt:

 

Die ergänzenden länderkundlichen Feststellungen ergeben sich aus den von der Berufungsverfahren den Verfahrensparteien vorgehaltenen Dokumenten, zu denen von keiner Seite irgendeine Äußerung eingelangt ist. Die Feststellungen zur Musavat-Partei und ihrem Parteichef Isa Gambar sind diesbezüglichen Einträgen in der freien Internetenzyklopädie Wikipedia entnommen, die Ausführungen über die Behandlung Oppositioneller und zu den von gewalttätigen Ausschreitungen begleiteten Demonstrationen im Gefolge der Präsidentenwahlen am 15.10.2003 diesbezüglichen Anfragebeantwortungen von ACCORD, sowie Meldungen der offiziellen österreichischen Nachrichtenagentur APA und der Onlineausgabe der renommierten Schweizer Tageszeitung Neue Zürcher Zeitung.

 

Die Aussagen der Berufungswerberin werden wie folgt gewürdigt:

 

Das Vorbringen eines Asylwerbers ist dann glaubhaft, wenn es vier Grunderfordernisse erfüllt (diesbezüglich ist auf die Materialien zum Asylgesetz 1991 [RV Blg Nr. XVIII GP; AB 328 Blg Nr XVIII GP] zu verweisen, welche auf Grund der diesbezüglichen Verwaltungsgerichtshof-Judikatur erarbeitet wurden):

 

Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkret und detaillierte Angaben über sein Erlebnis zu machen.

 

Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.

 

Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Vorraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und

 

der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, ist (siehe z. B. VwGH vom 24.06.1999, 98/20/0435, VwGH vom 20.05.1999, 98/20/0505, u.v.a.m.).

 

Das Vorbringen der Berufungswerberin ist durchaus substantiiert, konkret und detailliert, insbesondere konnte sie genaue und detaillierte Angaben über ihre Erlebnisse im Zuge der polizeilichen Suche nach ihrem Gatten, die letztlich in Verbindung mit den ihren Gatten und Sohn betreffenden Vorfällen während der Demonstration vom 00.00.2003 fluchtauslösend waren, machen. Die Ansicht des Bundesasyslamtes, die Antragsstellerin habe ihr Vorbringen nur vage und schemenhaft erstattet, konnte schon angesichts des sich in freier Erzählung vor der ersten Instanz über mehrere Seiten erstreckenden Vorbringens nicht gefolgt werden (kursorische 1. Einvernahme AS 381, 2. Einvernahme AS 389-393).

 

Das Vorbringen der Berufungswerberin ist aus der Sicht der Berufungsbehörde auch schlüssig und widerspruchsfrei. Wenn das Bundesasylamt in den abweichenden Aussagen der Antragsstellerin hinsichtlich des genauen Verhaltens der Polizisten bei deren ersten Einschreiten einen Widerspruch erkennen will, so ist dabei jedoch zu berücksichtigen, dass die erste Einvernahme der Antragsstellerin, bei der die angeblich abweichenden Aussagen getätigt wurden, nicht unter Heranziehung eines Dolemtschers für die Sprache Aseri erfolgte. Vielmehr wurde der Gatte der Berufungswerberin herangezogen, dass von ihr Vorgebrachte aus dem Aserischen ins Russische zu übersetzen (dies ist überdies auch nicht die Muttersprache des Gatten der Antragsstellerin) und wurde ihre Aussage erst danach ins Deutsche übersetzt. Dass es bei dieser Vorgehensweise zu leichten Abweichungen gekommen ist, erscheint nicht verwunderlich, wobei insbesondere dem Umstand Bedeutung zukommt, dass die Antragsstellerin bei ihren in aserisch durchgeführten Einvernahmen den Sachverhalt gleich bleibend und detailliert geschildert hat.

 

Das Vorbringen der Berufungswerberin erscheint auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen glaubwürdig, wobei auch zu berücksichtigen war, dass ein wesentlicher Teil des Fluchtvorbringens des Gatten der Berufungswerberin bestätigt werden konnte, plausibel. Auf den ersten Blick unplausibel erschien das Vorbringen der Antragsstellerin, die Türe sei am Abend des 00.00.2003 eingetreten worden, sie hätte diese jedoch am Vormittag des 00.00.2003 der Polizei geöffnet. Nach Vorhalt dieses Umstandes führte die Asylwerberin jedoch glaubwürdig aus, dass ihr ihre Nachbarn bei der Instandsetzung der Türe geholfen hätten, zumal sie ohne Tür auch nicht die Nacht verbringen hätte können.

 

Die Berufungswerberin hat ihr Vorbringen auch nicht auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt. Es ist nichts hervorgekommen, dass sie wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch dargestellt, das Vorbringen im Laufe des Verfahren ausgewechselt oder unbegründet verspätet oder gesteigert erstattet hat. Gegen die persönliche Glaubwürdigkeit spricht aber der Umstand, dass sie in der Bundesrepublik Deutschland unter falschem Namen aufgetreten ist. Als Person machte die Berufungswerberin auf den zur Entscheidung berufenen Richter einen äußerst glaubwürdigen und sehr um die Wahrheit bemühten Eindruck.

 

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Asylgerichtshof der Asylwerberin, wie auch schon ihrem Gatten, auf dessen Fluchtvorbringen sich die Antragsstellerin im Wesentlichen stütz, Glaubwürdigkeit zubilligt.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 AsylG 2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetz 1997 zu Ende zu führen. § 44 Asylgesetz 1997 gilt.

 

Gemäß § 75 Abs 7 Z 1 AsylG 2005 sind Verfahren, welche am 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und einem Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenats zugeteilt waren, welches als Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, von diesem als Einzelrichter weiterzuführen, soweit eine mündliche Verhandlung bereits stattgefunden hat.

 

Da gegenständlicher Asylantrag am 23.03.2005 gestellt wurde, ist er nach der Rechtslage des AsylG 1997 idF 101/2003, unter Beachtung der Übergangsbestimmungen zu beurteilen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit ergibt.

 

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung."

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht, (zB VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262).

 

Die der Berufungswerberin drohende Verfolgung steht im Zusammenhang mit der Verfolgung ihres Ehemannes wegen politischer Gesinnung und stellt über die soziale Gruppe der Familie auch für die Berufungswerberin eine Verbindung zu den in der GFK taxativ aufgezählten Verfolgungsgründen her. Es ist auch gegenüber der Berufungswerberin schon zu einem Übergriff gekommen, zumal sie am Abend des 00.00.2003 durch Polizisten getreten und beleidigt wurde. Im Zuge dieses Vorfalles wurde sie auch mit dem Tod bedroht. Auch wenn, die am nächsten Tag erscheinenden Polizisten. Nach den Angaben der Asylwerberin milder waren, ist es auch im Hinblick auf die Länderfeststellungen mit durchaus maßgeblicher Wahrscheinlichkeit möglich, dass die Berufungswerberin bei einem weiteren Verbleib Eingriffen von hoher Intensität in ihre zu schützende Sphäre (Leben, Gesundheit, Freiheit) ausgesetzt wäre, zumal der Gatte der Berufungswerberin in Notwehr einen Polizisten tötete und die Polizei am Auffinden des Mannes der Antragsstellerin ein großes Interesse haben wird. Dies war im Sinne der Asylentscheidung als Prognoseentscheidung im vorliegenden Fall zu berücksicht

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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