TE AsylGH Erkenntnis 2008/07/31 E3 317540-1/2008

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Veröffentlicht am 31.07.2008
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Spruch

E3 317.540-1/2008-9E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. HERZOG-LIEBMINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des B.A., geb. 00.00.2007, StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.02.2008, FZ. 07 11.830-BAS, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.05.2008 zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) als unbegründet abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 1 iVm § 34 Absatz 3 AsylG wird B.A. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine zuerkannt.

 

III. Gemäß § 8 Absatz 4 AsylG wird B.A. eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 31.07.2009 erteilt

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und SACHVERHALT

 

I.1. Der minderjährige Beschwerdeführer (folgend kurz: BF; vormals:

Berufungswerber) ist der in Österreich nachgeborene Sohn der B.L. und brachte am 19.12.2007, vertreten durch seine Mutter als gesetzliche Vertreterin, einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG ein. Hierzu wurde seine Mutter vom Bundesasylamt, Außenstelle Salzburg, einvernommen. Eigene Fluchtgründe wurden für ihn nicht vorgebracht.

 

I.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.02.2008, Zahl: 07 11.830, wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgelehnt und der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt und festgestellt, dass gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt werde. Unter Einem wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen. Gegen diesen Bescheid hat die gesetzliche Vertreterin des BF fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) erhoben.

 

I.3. Am 14.05.2008 wurde vor dem Unabhängigen Bundesasylsenates eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt, an welcher die Mutter des BF und ihre rechtsfreundliche Vertreterin teilnahmen. Das Bundesasylamt hat seine Nicht-Teilnahme entschuldigt und den Antrag gestellt, die Berufung abzuweisen.

 

1.4. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und Parteienvorbringens der Mutter im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

Gemäß dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, wurde der Asylgerichtshof - bei gleichzeitigem Außerkrafttreten des Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat - eingerichtet und treten die dort getroffenen Änderungen des Asylgesetzes mit 01.07.2008 in Kraft; folglich ist das AsylG 2005 ab diesem Zeitpunkt in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 anzuwenden.

 

1. Zuständigkeit der erkennenden Einzelrichterin

 

Gem. § 75 (7) Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 4/2008 sind am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof nach Maßgabe der geltenden Bestimmungen weiterzuführen:

 

1.1. Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern dies Asylgerichtshofes ernannt worden sind, haben alle bei ihnen anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.

 

......

 

Im Rahmen der Interpretation des § 75 (7) ist mit einer Anhängigkeit der Verfahren beim Unabhängigen Bundesasylsenat mit 30.6.2008 auszugehen (vgl. Art. 151 Abs. 39 Z.1 B-VG). Der in der genannten Übergangsbestimmung genannte 1. Juli 2008 ist im Sinne der im oa. Klammerausdruck genannten Bestimmung des B-VG zu lesen.

 

Die erkennende Richterin, welche mit Beschluss der Bundesregierung vom 21.5.2008 mit Wirksamkeit vom 1.7.2008 zur Richterin des Asylgerichtshofes ernannt wurde, führte im gegenständlichen Verfahren als Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenates am 14.05.2008 eine öffentliche Berufungsverhandlung durch. Sie hat daher das Verfahren, welches am 30.6.2008 bzw. 1.7.2008 noch anhängig ist, als Einzelrichterin weiterzuführen.

 

2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 61 AsylG 2005 idgF entscheidet der Asylgerichtshof über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes.

 

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008AsylG) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz nach dem 01.01.2006 gestellt, weshalb das AsylG 2005 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 34 Abs. 1 AsylG gilt, wenn ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, oder dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz stellt, dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.

 

Gemäß § 34 Abs. 3 AsylG hat die Behörde auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist oder dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

 

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Gemäß § 2 Z 22 AsylG ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes, minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Der BF gehört als minderjähriger Sohn der Kernfamilie der B.L. an, in deren Erkenntnis vom heutigen Tag festgestellt wurde, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine nicht zulässig ist und ihr eine befristete Aufenthalts-berechtigung für ein Jahr erteilt wurde. Im gegenständlichen Fall liegt jedenfalls ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG vor.

 

3. Festgestellt wird:

 

II.2. Auf Grundlage der vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat (nunmehr Asylgerichtshof) durchgeführten mündlichen Verhandlung und der erörterten Hintergrundberichte zur Ukraine wird folgender Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

3.1. Zur Person und den Fluchtgründen des Beschwerdeführers wird festgestellt:

 

Der BF ist ukrainischer Staatsangehöriger. Er ist minderjähriger Sohn und somit Teil der Kernfamilie der B.L., in deren Erkenntnis vom heutigen Tag festgestellt wurde, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine nicht zulässig ist und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt wurde.

 

Das Verwandtschaftsverhältnis zur Mutter ist durch eine im erstinstanzlichen Akt befindliche Geburtsurkunde nachgewiesen.

 

Im übrigen wird auf die Feststellungen in dem die Mutter betreffende Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag verwiesen. Eigene Fluchtgründe wurden für ihn nicht vorgebracht.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in die Ukraine aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre.

 

3.2. Zur Ukraine wird festgestellt:

 

Es werden aufgrund der unten genannten Quellen die nachfolgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen getroffen:

 

U.S. Department of State, Ukraine, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, March 11, 2008 (./A)

 

Amnesty international Deutschland, ai Jahresbericht 2006, Ukraine

(./B)

 

Österreichisches Rotes Kreuz, ACCORD, Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation des BAA, 17.05.2006, Zl.: a-4884 (./C)

 

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BAA an den UBAS vom 18.05.2006, Zl.: 252.526-BAA/2006 (./D)

 

E-Mail-Auskunft der Caritas Österreich vom 18.05.2006 an die Staatendokumentation des BAA (./E)

 

http://www.uwf.kiev.ua/en_index.htm (./F)

 

U.K. Home Office, Country of Origin Information, vom Juni 2006 (./G)

 

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BAA an den UBAS vom 15.03.2007, GZ.: (256.187) (./H)

 

Auswärtiges Amt Deutschland, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, 19.03.2003 (./I)

 

Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, Stand Mai 2008, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Länderinformationen/Innenpolitik.htm, Zugriff am 07.05.2008 (./J)

 

Radio Free Europe, vom 19.07.2005 (./K)

 

Europäische Kommission, ARBEITSDOKUMENT DER

KOMMISSIONSDIENST-STELLEN ZUR MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT

UND AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT ÜBER DIE STÄRKUNG DER EUROPÄISCHEN

NACHBARSCHAFTSPOLITIK; ENP-Fortschrittsbericht Ukraine, 4.12.2006

(./L)

 

Auskunft des Verbindungsbeamten des Innenministeriums in der Ukraine vom 07.09.2005 über die Möglichkeit der Namensänderung mit Gesetzesauszug (./M)

 

BAA, Länderfeststellungen zur Ukraine, 09.09.2005 (./N)

 

Ukraine Verfassungskrise, Seit Wochen Streit um Wahltermin (Die Presse, 25.05.2007) (./O)

 

Konflikt in der Ukraine beendet - Neuwahlen am 30.September (APA0013 5 AA 0353 vom 27.05.2007) (./P)

 

Anfragebeantwortung des Verbindungsbeamten des BMI in der Ukraine vom 8.5.2007 und vom 10.8.2007 im Asylverfahren 301.227 (./Q)

 

Anfragebeantwortung Accord vom 11.01.2008 zu Behandlungsmöglichkeiten von psychischen Krankheiten und Kosten

(./R)

 

Politische Lage / Wahlen

 

Am 8. Dezember 2004 wurde die Verfassung im Zuge der "Orangefarbenen Revolution" wesentlich geändert. Diese Änderungen traten zum Jahresbeginn 2006 in Kraft. Sie stärkten das Parlament, das nun weitgehend selbst die Regierung einsetzen und durch Misstrauensvotum abberufen kann. Der Präsident hat jedoch faktisch bei der Regierungsbildung weiterhin eine einflussreiche Rolle und zudem die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen das Parlament aufzulösen.

 

Juschtschenko gewann am 26. Dezember 2004 und trat Anfang 2005 sein Amt als dritter Präsident der seit 1991 unabhängigen Ukraine an. Julija Tymoschenko wurde Premierministerin (bis September 2005). Als sie wegen Differenzen mit Staatspräsident Juschtschenko ihr Amt verlor, wurde ein Vertrauter Juschtschenkos, der heutige Verteidigungsminister Juri Jechanurow, Premierminister.

 

Im April 2007 löste Präsident Juschtschenko, das ukrainische Parlament auf und ordnete Neuwahlen an. Ende Mai einigten sich schließlich Präsident, Premierminister und Parlamentspräsident auf Neuwahlen am 30. September 2007. Die Regierung Janukowitsch blieb bisweilen im Amt.

 

Nach Einschätzung der OSZE-Wahlbeobachter entsprachen die Parlamentswahlen vom 30. September 2007 im wesentlichen demokratischem Standard und den internationalen Verpflichtungen der Ukraine.

 

Am 18. Dezember 2007 wurde Julija Tymoschenko im dritten Wahlgang in namentlicher Abstimmung zur neuen ukrainischen Premierministerin gewählt. Als wesentliche Aufgaben ihrer Regierung nannte Premierministerin Tymoschenko die Themen Energiesicherheit, Gerichtsreform, Verbesserung des Investitionsklimas und eine aktive Sozialpolitik. Der Haushalt 2008 wurde vom Parlament noch kurz vor Jahresende verabschiedet. Von Mitte Januar 2008 an blockierte die Opposition die Parlamentsarbeit; Anlass war die Unterschrift von Parlamentspräsident Jazenjuk unter die ukrainische Bitte an die NATO um einen Mitgliedschaftsaktionsplan. Diese Blockade endete am 6. März 2008, als das Parlament mehrheitlich eine Resolution verabschiedete, dass ein Beitritt zur NATO erst nach einem Referendum möglich sei (was Staatspräsident Juschtschenko schon seit längerem zugesagt hatte).

 

Der Schutz der Menschenrechte sowie das Rechtsstaats- und Demokatieprinzip sind in der Verfassung verankert. Auf Grundlage der Verfassung ist das Amt der Ombudsperson für Menschenrechte beim ukrainischen Parlament als unabhängige Kontrollinstanz geschaffen worden (am 8. Februar 2007 wurde Nina Karpatschowa erneut zur Menschenrechts-beauftragten gewählt). Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechts-abkommen des Europarates und der Vereinten Nationen.

 

Seit der "Orange Revolution" berichten die Medien auch kritisch über einzelne Fälle von Menschenrechtsverletzungen. Die Bürgergesellschaft ist deutlich lebendiger als früher. Unabhängige Menschenrechtsorganisationen können weitgehend ungehindert arbeiten und werden von der Regierung als Gesprächspartner akzeptiert.

 

Problematisch bleiben die stark verbreitete Korruption, die Zustände in den Gefängnissen (insbesondere Untersuchungshaftanstalten), schleppende Gerichtsverfahren, die Lage ausländischerFlüchtlinge undder Roma,die Zunahme fremdenfeindlicher und antisemitischer Gewalt.

 

Die politische Lähmung des Landes im vergangenen Jahr blockierte viele Gesetzesvorhaben zur Justizreform. Geplant sind eine einheitliche, transparentere Richterauswahl, die Stärkung der richterlichen Selbstverwaltung, mehr Öffentlichkeit im Strafprozess, Rechtsmittel gegen Untersuchungshaft, eine Beschränkung des Einflusses der Staatsanwaltschaft.

 

Die Ukraine ist 2007 in 108 Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden, häufig wegen Verletzung von Prozessgrundrechten (unfaires oder zu langes Verfahren).

 

Deutsches Auswärtiges Amt, Innenpolitik, Stand Mai 2008, http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Länderinformationen/Innenpolitik.htm, Zugriff am 07.05.2008 (./J)

 

Seit der "orangenen Revolution" befindet sich die Ukraine auf dem Weg zu einem westlich orientierten demokratischen Rechtsstaat und ist nichts über irgendwelche Unterdrückungsmaßnahmen gegen politische Aktivisten bekannt geworden. U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2006, 06.03.2007).

 

Der Umgang mit den neuen Verhältnissen nach der Wahl im Jahr 2006 indiziert eine weitere Stabilisierung des Landes und eine deutliche Verfestigung demokratischer Strukturen. Jedenfalls hat sich gezeigt, dass es eine rege, differenzierte und kontroversielle politische Debatte in der Ukraine gibt, bei der auch die Meinungen der Opposition, der Öffentlichkeit und der Medien Berücksichtigung finden. (BAA, Länderfeststellungen zur Ukraine, 09.09.2005)

 

Sicherheitsapparat und Schutzfähigkeit:

 

Die Behörden betrachten die Stärke des organisierten Verbrechens und das relativ hohe Ausmaß an Korruption als eine Bedrohung der nationalen Sicherheit und werden entsprechende Gegenmaßnahmen durchgeführt. Es gibt staatliche und private Zeugenschutzprogramme, jedoch stellt die mangelnde finanzielle Ausstattung der Gerichte nach wie vor ein Problem dar. Der Korruption und anderen schweren Formen der organisierten Kriminalität wird von Sonderabteilungen des ukrainischen Sicherheitsdienstes begegnet. ( Quelle: Radio Free Europe, vom 19.07.2005).

 

UK-Home Office schreibt in seinem letzten Bericht zur Verfolgung beschuldigter Polizisten, dass ein deutlicher Aufschwung der Menschenrechtslage seit der "Orangenen-Revolution" zu bemerken ist. So ist eine Zunahme der Verfolgung von Polizisten zu bemerken, welche gegen bestehende Rechtsvorschriften verstoßen haben. Die Medien machen einen großen Schritt in Richtung Unabhängigkeit. Die Beeinflussung von staatlicher Seite auf das Versammlungsrecht schwindet. Die Regierung reduziert ihre Rolle in der Kirche. Eine Vielzahl von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen operiert ohne staatliche Einflussnahme. (Quelle: U.K. Home Office, Country of Origin Information Report, vom Juni 2006)

 

Die Korruption in der Polizei bleibt weiterhin ein Problem, aber das Thema Korruption erhielt mehr Öffentlichkeit im vergangenen Jahr. Die Regierung unternimmt größere Aufwendungen - als in der Vergangenheit - um Fällen von Polizeimissbrauch nachzugehen. Es werden Disziplinarverfahren eingeleitet, Korruptionsvorwürfe untersucht und schuldige Polizisten verurteilt.

 

(Quelle: US-Department of State, Country Reports on Human Rights Practices 2006, vom 11.03.2008).

 

Bürger welche von Korruption oder Polizeimissbrauch betroffen sind, können sich direkt bei der Abteilung zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität des Innenministeriums, sowie an den Sicherheitsdienst der Ukraine SBU wenden. Dafür wurden in Kiev Hotlines eingerichtet, die rund um die Uhr besetzt sind (Innenministerium: 256 16 75, SBU: 501 48 20). Der VB des Innenministeriums geht aus den Erfahrungen eines ihm bekannten Falles davon aus, dass die entsprechenden Stellen Korruptions- und Missbrauchsvorwürfe ernst nehmen. (Beilage Q).

 

Es wurden bedeutende Schritte unternommen, um die Achtung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit zu konsolidieren (z.B. Abschaffung der Beschränkungen für Medien und Zivilgesellschaft, Reform des Zolls) und es wurde ein großes Spektrum an Gesetzesreformen eingeleitet. Die Fortschritte werden jedoch behindert durch die endemische Korruption, die die größte Herausforderung mit Blick auf Entwicklung und Wirtschaftswachstum in der Ukraine darstellt, und durch das Fehlen eines wirklich unabhängigen Justizsystems. (Quelle: Europäische Kommission,

ARBEITSDOKUMENT DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN ZUR MITTEILUNG DER

KOMMISSION AN DEN RAT UND AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT ÜBER DIE

STÄRKUNG DER EUROPÄISCHEN NACHBARSCHAFTSPOLITIK;

ENP-Fortschrittsbericht Ukraine, 4.12.2006)

 

Lage der Frauen

 

Gewalt gegen Frauen

 

Der Handel mit Frauen zwecks sexueller Ausbeutung stellt sich nach wie vor als ein ernstes Problem dar. (U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, 11.03.2008)

 

Die Ukraine gehört weiterhin zu denjenigen Staaten, aus denen eine große Zahl von Männern, Frauen und Kindern ins Ausland gehandelt wurden, obwohl Paragraph 149 des im Jahr 2001 in Kraft getretenen Strafgesetzbuches Menschenhandel unter Strafe stellt.

 

(amnesty international Deutschland, ai Jahresbericht 2006, Ukraine)

 

Im November 2005 hat die Ukraine das Übereinkommen des Europarates zur Bekämpfung des Menschenhandels unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Im Januar 2006 wurde das Strafgesetzbuch geändert, um eine strafrechtliche Haftung für Menschenhandel und Straftaten im Zusammenhang mit Prostitution einzuführen. (Quelle: Europäische Kommission, ARBEITSDOKUMENT DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN ZUR

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND AN DAS EUROPÄISCHE

PARLAMENT ÜBER DIE STÄRKUNG DER EUROPÄISCHEN NACHBARSCHAFTSPOLITIK;

ENP-Fortschrittsbericht Ukraine, 4.12.2006)

 

Das Innenministerium verstärkte die Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels während des abgelaufenen Jahres; die Zusammenarbeit wurde auch auf die Konsularabteilungen der fremden Botschaften ausgedehnt. Die Regierung hielt auch an der Zusammenarbeit mit NGOs zur Bekämpfung des Menschenhandels fest; Unterstützung erhielten diese aber eher von internationalen Spendern. (U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, 11.03.2008)

 

Gewalt gegen Frauen durch Privatpersonen ist ein verbreitetes Problem. Laut Innenministerium wurden in den ersten 10 Monate des Jahres 2007 42.400 Fälle häuslicher Gewalt gezählt. In vielen Fällen wurden die Täter bestraft. In den Jahren 2005 und 2006 wurden staatlicherseits sechs Unterstützungszentren für Opfer häuslicher Gewalt und zahlreiche andere Unterstützungseinrichtungen geschaffen. Das Gesetz verlangt von den Behörden, solche Schutzzentren in jeder größeren Stadt zu unterhalten, in der Praxis ist das aber noch nicht gegeben. Häusliche Gewalt erfährt - trotz der Bemühungen von Menschenrechtsgruppen - nicht die notwendige mediale Berichterstattung, um das Thema entsprechend zu problematisieren. (U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, 11.03.2008)

 

Im Hinblick auf die bestehende Niederlassungsfreiheit, kann sich jeder Staatsangehörige der Ukraine an jedem beliebigen Ort niederlassen, um so einer eventuell bestehenden Bedrohung durch kriminelle Personen zu entgehen. In diesem Zusammenhang ist auch das bestehende Namensänderungsgesetz der Ukraine zu erwähnen, dass jedem Bürger ohne Angabe eines Grundes, eine Namensänderung ermöglich und somit eine neue Identität verschafft. Eine Ausnahme davon besteht nur, wenn sich die betreffende Person in einem laufenden Gerichtsverfahren befindet, bereits verurteilt wurde oder bei einem bestehenden Namensänderungsverbot des Innenministeriums. (Quelle:

Auskunft des Verbindungsbeamten des Innenministeriums in der Ukraine vom 07.09.2005 über die Möglichkeit der Namensänderung mit Gesetzesauszug)

 

Nicht zu übersehen sind die Bemühungen zur Bekämpfung der Korruption und Kriminalität und es kann, angesichts der Größe des Landes, nicht gesagt werden, dass diese pauschal jede/n StaatsbürgerIn betreffen. Gegenteilige Ausführungen beruhen auf einer bloßen unkommentierten Aufzählung aller negativen Ereignisse, die aufgrund der freien Medienlandschaft auch eine weite Verbreitung erfahren. Keinesfalls kann im Falle von Übergriffen von Staatsorganen davon ausgegangen werden, dass diese mit Billigung des Staates erfolgen. (BAA, Länderfeststellungen zur Ukraine, 09.09.2005)

 

Staatlicher Schutz für vergewaltigte Frauen:

 

Laut Bericht des USDOS vom März 2007 ist Gewalt gegen Frauen weiterhin ein ernstes Problem. Gewalt gegen Ehefrauen ist illegal aber alltäglich, und die Behörden setzen die Frauen oft unter Druck, keine Anzeige gegen die Ehegatten zu erstatten. Nach Angaben einer Nichtregierungsorganisation sind mindestens 50 % aller Ukrainerinnen Opfer körperlicher oder psychischer häuslicher Gewalt. Vergewaltigung ist gesetzlich verboten, Vergewaltigung in der Ehe wird im Gesetz jedoch nicht explizit angesprochen. Ein Gesetz gegen erzwungenen Geschlechtsverkehr mit einer materiell abhängigen Person kann Verfolgung von Vergewaltigung in der Ehe zulassen. Laut Statistik des Innenministeriums wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2007 619 Fälle von Vergewaltigung oder versuchter Vergewaltigung der Polizei angezeigt. In 571 angezeigten Fällen wurden die Täter ausgeforscht.

 

(U.S. Department of State, Country Reports on Human Rights Practices - 2007, 11.03.2008)

 

Frauenhäuser

 

In so genannten Krisenzentren können obdachlose Frauen oder solche, die Opfer von Gewalt geworden sind, unterkommen. Auch Frauen mit Kindern werden aufgenommen. Das Projekt ist noch relativ jung und daher in der Bevölkerung noch wenig bekannt. Von staatlicher Seite wird laufend an dem Projekt gearbeitet, man versucht, bewährte Muster aus dem Ausland umzusetzen. (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BAA vom 18.05.2006, Zl.: 252.526-BAA/2006, Seite 1-2)

 

Der Ukrainian Women's Fund (UWF) bietet auf seiner Website (http://www.uwf.kiev.ua/en_index.htm) eine Datenbank zu Nichtregierungsorganisationen für Frauen. Hier scheinen "Violence against Women" mit 78 Einträgen und "Psychological and social assistance" mit 144 Einträgen auf. Den Dokumenten kann entnommen werden, dass in der Ukraine von bestimmten NGOs psychologische Unterstützung für Frauen, die Opfer von Gewalt wurden, angeboten wird. (Österreichisches Rotes Kreuz, ACCORD, Anfragebeantwortung an die Staatendokumentation des BAA, 17.05.2006, Seite 4)

 

Soziales und Grundversorgung:

 

Es gibt das Institut der Sozialhilfe. Allein stehende Frauen - wie überhaupt sozial bedürftige Personen - können solche beanspruchen; eine Auszahlung erfolgt monatlich. Daneben bestehen andere staatliche Unterstützungen wie zB Geburtenbeihilfen, Beihilfen für behinderte Kinder oder Zuschüsse für Erholungsaufenthalte. Die jeweiligen Sätze sind - dem allgemein niedrigen Einkommensniveau der Ukraine gemäß - entsprechend gering. (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des BAA vom 18.05.2006, Zl.: 252.526-BAA/2006, Seite 2; E-Mail-Auskunft der Caritas Österreich vom 18.05.2006 an das BAA)

 

Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmittel und Gebrauchsgütern des täglichen Lebens ist überall gesichert, jedoch ist das Einkommensniveau im europäischen Vergleich extrem niedrig. (Auswärtiges Amt Deutschland, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, 19.03.2003)

 

Laut Caritas Rückkehrhilfe richtet sich die Höhe der Arbeitslosenunterstützung nach der Qualifikation des Erwerbstätigen, der bereits geleisteten Arbeitsjahre, Anzahl der Kinder und dem Verdienst des Ehepartners. Zum Zeitpunkt der Abfassung des Berichts betrug die Arbeitslosenunterstützung im Durchschnitt ¿ 12. Behinderte erhielten vom Staat je nach dem Grad ihrer Behinderung eine finanzielle Beihilfe, der Durchschnitt liege hier bei ¿ 14. Was Karenzzahlungen für Mütter angeht, so gebe es laut Caritas zwar gesetzliche Grundlagen, in der Praxis würden Arbeitgeber jedoch Frauen im gebärfähigen Alter nur sehr zögerlich einstellen (Caritas Rückkehrhilfe, November 2004, S. 8).

 

Nach Angaben des Ukrainian Journal of Business Law trat am 1. Januar 2004 der so genannte ¿Compulsory State Pension Insurance Act' und der ¿Non-State Insurance Act' in Kraft. Ziel der neuen Gesetzgebung ist der Aufbau eines neuen Pensionssystems in der Ukraine mit angemessenen Pensionen und Sicherstellung relevanter Größen für die Bestimmung der Pensionen. Mit Eintreten der neuen Gesetzgebung soll die Höhe der Pensionen abhängig von der Höhe des Lohnes des Arbeitnehmers sowie der Dauer der Einzahlung des Arbeitnehmers sowie des Arbeitgebers in die Pensionskassen geworden sein (Ukrainian Journal of Business Law, Februar 2004, S. 8; siehe auch FH, 26. April 2004, S. 18). (Quelle: Accordanfrage vom 03.06.2005 über die medizinische Versorgung in der Ukraine mit Quellenangaben) Die Ukrayinskaya Pravda berichtet im Februar 2005, dass eines der großen innenpolitischen Ziele Juschtschenkos die Reform des Pensionssystems sei (Ukrayinskaya Pravda, 24. Februar 2005).

 

Medizinische Versorgung und psychiatrische Einrichtungen:

 

Die medizinische Versorgung ist kostenlos und flächendeckend. Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen existieren sowohl in der Hauptstadt Kiew, als auch in vielen Gebietszentren des Landes. Landesweit gibt es ausgebildetes und sachkundiges medizinisches Personal, das jedoch schlecht bezahlt wird. Apotheken verfügen teilweise auch über importierte Arzneien. (Auswärtiges Amt Deutschland, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, 19.03.2003)

 

Behandlungsmöglichkeiten bei posttraumatischen Belastungsstörungen:

 

Eine Behandlungsstrategie zur Behandlung von psychischen Erkrankungen ist vorhanden und wurde 1988 formuliert. Die Grundlagen dieser Strategie sind die Prävention, Behandlung und Rehabilitation. Allerdings fehlt ein nationales Programm zur Umsetzung, obwohl ein Gesetz zur Behandlung von Erkrankungen psychischer Art vorhanden ist.

 

Psychiatrische Behandlung ist ein Teil des primären Gesundheitsversorgungs-systems. Effektive Behandlung von ernster mentaler Störung ist nicht im primären Sektor greifbar. Es sind einige Polykliniken vorhanden, welche Personen mit psychiatrischen Erkrankungen ambulant versorgen. NGO¿s sind in der Ukraine mit zur Unterstützung involviert. Zu den Hauptaufgaben gehört die juristische Vertretung von Erkrankten, Promotion, Prävention, Behandlung und Rehabilitation. Die positiven Erfahrungen zwischen staatlichem psychiatrischen Service und Nichtregierungsorganisationen sind ein wichtiger Faktor. (U.K. Home Office, Country of Origin Information, vom Juni 2006, sowie ähnlich Anfragebeantwortung Accord vom 11.01.2008 zu Behandlungsmöglichkeiten von psychischen Krankheiten und Kosten )

 

In Kiew gibt es das Psychoneurologische Krankenhaus "Stadtklinik Kiew 1", Frunsestraße 103a, Telefon +380 44 463 74 82. In diesem Krankenhaus befindet sich auch ein Krisenzentrum für posttraumatische Behandlung. Weiters gibt es noch die Psychoneurologische "Stadtklinik 2", Miropilskastraße 8, Telefon +380 44 543 87 02. Als Alternative wurde im extrem eng bemessenen Beantwortungszeitfenster auch in Lemberg (äußerster Westen des Landes) erhoben. Dort befindet sich das Regionale Psychoneurologische Krankenhaus, Kulparkowskastraße 95, Telefon +380 322 64 66 93.

 

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation gemäß § 60 AsylG vom 15.03.2007 (Quelle: Anfragebeantwortung des Verbindungsbeamten, vom 14.03.2007)

 

Speziell für posttraumatische und depressive Zustände nach Vergewaltigungen werden die Medikamente "PAKSIL" und "REMERON" verwendet. Auch in Verwendung steht immer noch ein noch aus der CSSR - Zeit stammendes Mittel namens "AMITRIPTILIN", das aber immer noch sehr gut ist und das angeblich immer noch durch CZ hergestellt wird. Laut Auskunft in der Stadtklinik Kiew 1 sind die Medikamente (vor allem Paksil und Remeron) nach dem aktuellen wissenschaftlichen und medizinischen Standard.

 

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation gemäß § 60 AsylG vom 15.03.2007 (Quelle: Anfragebeantwortung des Verbindungsbeamten, vom 14.03.2007)

 

In jeder "Polyklinik" im ganzen Land gibt es psychotherapeutische Abteilungen, in denen psychologische und psychiatrische Erkrankungen Behandlung finden, sowie Suchterkrankungen (Alkohol und Drogen). Polykliniken sind öffentliche Einrichtungen für - wie der Name schon sagt - alle Arten von Krankheiten und Behandlungsformen (vergleichbar mit unseren praktischen Ärzten, jedoch größer (manchmal so groß wie ein kleines Krankenhaus), dafür mit Fachärzten besetzt. Polykliniken sind Einrichtungen auf territorialer Basis, die sich nach dem Wohnsitz des Patienten richten.

 

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation gemäß § 60 AsylG vom 15.03.2007 (Quelle: Anfragebeantwortung des Verbindungsbeamten, vom 14.03.2007)

 

Die Behandlung in den Polykliniken und Krankenhäusern ist kostenlos und wird vom Staat getragen. Selbstbehalte kennt man (noch) nicht, weil es in der Ukraine noch kein verpflichtendes Kranken- und Sozialversicherungssystem gibt. Facharztpraxen sind unüblich, weil die Normalbürger die kostenlose Hilfe in den Polykliniken und Spitälern nutzen. Reiche Leute (z.B. viele Politiker) ziehen es vor, ihr Geld in Behandlungen im Ausland zu stecken. Die Fachärzte sind daher in der überwiegenden Anzahl in den Polykliniken und Krankenhäusern tätig.

 

(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation gemäß § 60 AsylG vom 15.03.2007 (Quelle: Anfragebeantwortung des Verbindungsbeamten, vom 14.03.2007)

 

4. Beweiswürdigung:

 

4.1. zu 3.1. (Beschwerdeführer und dessen Fluchtgründe)

 

Diesbezüglich wird vollinhaltlich auf die Ausführungen in dem die Mutter des BF betreffende Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom heutigen Tag verwiesen. Eine sonstige asylrelevante Gefährdung des minderjährigen BF oder das Vorliegen eines schlechten Gesundheitszustandes wurden in Bezug auf seine Person nicht behauptet.

 

4.2. zu 3.2. (Lage im Herkunftsstaat)

 

Die Feststellungen zur politischen Lage, zum Sicherheitsapparat sowie zur Situation der Frauen in der Ukraine, beruhen auf den in der mündlichen Verhandlung zitierten und diesem Erkenntnis zu Grund gelegtem Dokumentationsmaterial. Es ist allgemein zu den Feststellungen auszuführen, dass es sich bei den herangezogenen Quellen zum Teil um staatliche bzw. staatsnahe Institutionen handelt, die zur Objektivität und Unparteilichkeit verpflichtet sind.

 

Den Feststellungen ist seitens der gesetzlichen Vertreterin des BF nicht entgegengetreten worden. Eine Stellungnahme zu den Feststellungen wurde seitens der rechtsfreundlichen Vertreterin, wie in der Berufungsverhandlung angekündigt, nicht nachgereicht.

 

5. Rechtliche Würdigung:

 

5.1. Zum Ausspruch über die Nichtgewährung von Asyl gemäß § 3 Asylgesetz

 

5.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz idF BGBL. I Nr. 100/2005 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung".

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB. VwGH E vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. (VwGH E vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; VwGH E vom 25.1.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

Für eine "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (VwGH E vom 26.2.1997, Zl. 95/01/0454, VwGH E vom 09.04.1997, Zl. 95/01/055), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH E 18.4.1996, 95/20/0239; VwGH E vom 16.02.2000, Zl. 99/01/0397), sondern erfordert eine Prognose. Verfolgungshandlungen die in der Vergangenheit gesetzt worden sind, können im Rahmen dieser Prognose ein wesentliches Indiz für eine Verfolgungsgefahr sein (vgl. VwGH E vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH E vom 09.09.1993, Zl. 93/01/0284; VwGH E vom 15.03.2001, Zl. 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (VwGH E vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183, VwGH E vom 18.02.1999, Zl. 98/20/0468).

 

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233).

 

5.1.2. Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht der erkennenden Richterin die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angeführten Grund nicht gegeben. Die Mutter des BF vermochte keine asylrelevante Verfolgung darzutun. Hiezu wird vollinhaltlich auf die Ausführungen in deren Erkenntnis vom heutigen Tag verwiesen. Eigene Fluchtgründe für den BF wurden nicht vorgebracht und ist für ihn auch keine sonstige asylrelevante Gefährdung erkennbar.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes war somit abzuweisen.

 

5.2. Zum Ausspruch über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 1 iVm § 34 Absatz 3 AsylG

 

5.2.1. Wenn ein Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen ist, hat die Behörde gemäß § 8 AsylG idF BGBL. I Nr. 100/2005 von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigen zukommt. Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit der abweisenden Entscheidung zu verbinden.

 

Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wurde dann zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

5.2.2. Zur Auslegung des § 8 AsylG ist aus Sicht des entscheidenden Mitgliedes weiterhin die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992 und § 57 Fremdengesetz, BGBl I Nr. 126/2002 BGBL, heranzuziehen. Danach erfordert die Feststellung nach dieser Bestimmung das Vorliegen einer konkreten, den Berufungswerber betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122, VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Die Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen (z.B. VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294, VwGH 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438, VwGH 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427, VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028). Im Übrigen ist auch im Rahmen des § 8 AsylG zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

 

5.2.3. Bei der Entscheidungsfindung ist insgesamt die Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK, auch unter dem Aspekt eines durch die EMRK zu garantierenden einheitlichen europäischen Rechtsschutzsystems als relevanter Vergleichsmaßstab zu beachten. Dabei kann bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragsstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (vgl EGMR, Urteil vom 06.02.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid v United Kingdom und Henao v. The Netherlands, Unzulässigkeitsentscheidung vom 24.06.2003, Beschwerde Nr. 13669/03).

 

5.2.4. Der BF ist der minderjährige Sohn und somit Familienangehöriger der B.L., in deren Erkenntnis vom heutigen Tag festgestellt wurde, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Ukraine nicht zulässig ist und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt wurde. Auf die nähere dortige Begründung wird verwiesen. Da keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das bestehende Familienleben des BF mit seiner Mutter in einem anderen Staat, nämlich insbesondere in seinem Herkunftsstaat Ukraine, möglich ist, war ihm aus diesem Grunde gemäß § 34 Absatz 3 AsylG iVm § 8 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine zuzuerkennen.

 

Demnach war der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II stattzugeben.

 

5.3. Zum Ausspruch über die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Absatz 4

 

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen.

 

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gilt die befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über den Antrag des Fremden vom Bundesasylamt verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

 

Der Asylgerichtshof hat mit gegenständlichem Erkenntnis erstmals festgestellt, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, sodass eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen war.

 

Die erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung liegt innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens und war im erfolgten Ausmaß zu bewilligen, da eine Änderung der Sachlage in nächster Zukunft nicht zu erwarten ist.

 

Sohin war insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
befristete Aufenthaltsberechtigung, Eingriff in sexuelle Selbstbestimmung, EMRK, Familienverfahren, gesundheitliche Beeinträchtigung, Gutachten, mangelnde Asylrelevanz, medizinische Versorgung, Überstellungsrisiko (ab 08.04.2008)
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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