TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/01 B12 304308-1/2008

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Veröffentlicht am 01.08.2008
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Spruch

B12 304.308-1/2008/20E

 

E.I.;

 

geb. 00.00.1958, StA: Türkei

 

ERKENNTNIS

 

SPRUCH

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Rohrböck als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn E.I., geb. 00.00.1958, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. Juli 2006, Zl. 04 11.552-BAT, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10. Juni 2008 zu Recht erkannt:

 

I. Der Beschwerde des Herrn E.I. gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. Juli 2006, Zl. 04 11.552-BAT, wird stattgegeben und Herrn E.I. gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt.

 

II. Gem. § 12 AsylG wird festgestellt, dass Herrn E.I. damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

 

III. Die Spruchpunkte II und III des Bescheides des Bundesasylamts vom 27. Juli 2006, Zl. 04 11.552-BAT, werden ersatzlos aufgehoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

I. Verfahrensgang:

 

Am 3. Juni 2004 brachte der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt einen Antrag auf Gewährung von Asyl ein. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 30. Juni 2004 gab der Beschwerdeführer Folgendes an:

 

"(...)

 

F: Nennen Sie mir Ihren Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihren Geburtsort.

 

A: Ich heiße E.I. und wurde am 00.00.1958 in D. geboren.

 

F: Haben Sie das Merkblatt erhalten und gelesen?

 

A: Gestern in der Nacht habe ich es bekommen.

 

F: Schildern Sie mir nun Ihre Gründe für die Antragsstellung!

 

A: Ich bin das Kind einer kurdischen Familie. Meine Familie ist patriotisch gesinnt. Ich musste wegen meiner Aktivitäten in der Schulzeit damals setzte ich mich für die kurdische Sache ein meine Schulbildung abbrechen und kam dann nach Österreich. Damals konnte ich durch Beziehungen einen Reisepass bekommen. Ein Bekannter meines Vaters war mir bei der Erlangung des Reisepasses behilflich und so kam ich nach Europa. Da meine Papiere in Ordnung waren, konnte ich hier eine Beschäftigung aufnehmen und habe ich hier gearbeitet. Nach 1986 wollte die Wehrdienstbehörde, dass ich zum Militär einrücke. In dieser Zeit kamen Polizisten in mein Elternhaus und fragten nach meinem Aufenthaltsort. Aus Angst fuhr ich nicht in der Türkei. Mein Vater verriet den Beamten meinen Aufenthaltsort nicht.

 

F: Wovor hatten Sie Angst?

 

A: Ich wusste nicht, warum die Polizisten mich suchten. Es hätte sein können, dass Festgenommene Angaben über meine Person bzw. meine Aktivitäten gemacht hatten. Ich hätte damals zum Militärdienst einrücken sollen. Ich wollte aber nicht zum Militär. Danach wurde mein türkischer Reisepass nicht mehr verlängert und war ich illegal aufhältig. So war ich von 1986 bis heute in Österreich. Ich habe keinen eigenen Reisepass mehr gehabt, weil ich keinen mehr bekommen hatte. Ich lebte mit einem gefälschten Reisepass. Es ist nicht meine Schuld, dass ich so lange illegal hier bin. Das ist die Schuld der türkischen Botschaft, die sich geweigert hat, mir einen Reisepass auszustellen bzw. die Gültigkeit meines altern Reisepasses zu verlängern.

 

F: Warum haben Sie nicht schon vor 18 Jahren um Asyl angesucht?

 

A: Damals lebte die Hälfte meiner Familie noch in der Türkei. Ich hatte die Hoffnung, dass sich die Lage in der Türkei bessert und ich wieder in die Türkei zurückkehren kann. Deshalb habe ich keinen Asylantrag gestellt.

 

Ich bin kein Türke, dass ich in die Türkei fahre. Ich bin Kurde und wir Kurden haben keinen eigenen Staat. Ich kann und will nicht in die Türkei fahren, dort meinen Militärdienst ableisten und meine kurdischen Brüder töten.

 

F: Warum suchen Sie jetzt erst um Asyl an?

 

A: Ich lebe seit 30 Jahren in Österreich. Meine gesamte Familie ist inzwischen hier. Ich bin verheiratet hier. Ich kann in Österreich ca. 15 Jahre Beschäftigungszeit nachweisen. Zur Türkei habe ich überhaupt keinerlei Verbindungen mehr. Nicht alle Kurden sind Terroristen. Manche Kurden werden nur aufgrund ihrer Ideologie verfolgt. Ich meine man muss ja nicht Terrorist sein, damit man Asyl bekommt. Es sollte genügen, dass man eine bestimmte Ideologie hat, damit man auch als Flüchtling anerkannt werden kann. In der Türkei hatte ich keine Freiheiten.

 

F: Welche strafbaren Handlungen haben Sie noch begangen?

 

A: Ich wurde in Deutschland wegen Kokains verurteilt. Ich war 18 Monate in Haft. Ich wurde damals zu 3 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Vor 20 Jahren hat es einen Vorfall gegeben. Da ist ein Freund von mir schuld daran. Es wurde damals eine Frau geschlagen.

 

F: Schildern Sie mir Ihre zuletzt getätigte Strafhandlung!

 

A: Im August/September habe ich mit Kokain Zwischenhandel betrieben. Es waren ca. 500 Gramm insgesamt.

 

F: Können Sie mir erklären, wie es Ihnen möglich war in der Türkei standesamtlich zu heiraten zumal Sie angegeben haben, mit einem gefälschten Reisepass in die Türkei gereist zu sein.

 

A: Für die Eheschließung braucht man keinen Reisepass. Die Eheschließung wird im Einwohnerregister eingetragen. Das ist Sache der Gemeinde.

 

F: Woher wusste der Standesbeamte wer Sie sind, wenn Sie sich nicht legitimieren konnten?

 

A: Die gesamte Familie ist im Einwohnerregister eingetragen. Es sind meine Eltern und ihre Kinder eingetragen.

 

F: Schildern Sie mir nun abermals die Gründe für Ihre Antragsstellung!

 

A: Als ich noch in der Türkei war, las ich verbotene Lektüre u. a. von Lenin und Mao. Diese Bücher wurden von Behörden sichergestellt, meine Cousins wurden festgenommen. Gewisse Sachen habe ich vorhin aus Angst nicht erzählt. Ich habe u. a. mit Bomben bestückte Plakate bzw. Transparente aufgehängt und es gab Verletzte. Als dies den Behörden bekannt wurde, wurde unser Haus gestürmt und fanden Hausdurchsuchungen statt. Mein Vater wurde immer wieder in die Polizeistation geholt und misshandelt.

 

F: Besteht gegen Sie in der Türkei ein Haftbefehl?

 

A: Die Polizei sucht mich, sagt mich aber nicht aus welchem Grund. Offiziell werde ich gesucht.

 

F: Haben Sie die finanziellen Möglichkeiten, sich in der Türkei einen Anwalt zu nehmen?

 

A: Ich persönlich nicht, aber mein Vater schon. Mein Vater ist aber dazu nicht verpflichtet. Wenn ich ihn dazu ersuche, dann würde er es vielleicht tun.

 

F: Was befürchten Sie für den Fall der Rückkehr in Ihr Heimatland?

 

A: Ich weiß nicht, was mich dort erwartet. Ich weiß nicht aus welchen Gründen mich die Polizei sucht. Wenn die Polizei über irgendwelche Informationen betreffend meiner kurdischen Aktivitäten versucht, könnte ich zu einer 20jährigen Haftstrafe verurteilt werden.

 

Es kann sein, dass man mir auch eine Straftat zur Last legt, die ich nie begangen habe. Außerdem kann mir vorgeworfen werden, dass ich im Ausland staatsfeindliche Propaganda gemacht und die Türkei in Misskredit gebracht habe.

 

Ich habe Ihnen von den Vorfällen und Aktivitäten erzählt, die sich zu meiner Schulzeit ereignet haben. Diese Akte sind noch nicht geschlossen. Ob es weitere andere Anschuldigungen gegen mich gibt weiß ich nicht. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Personen inhaftiert wurden mich belastende Informationen der Polizei geliefert haben.

 

F: Sie haben vorhin gesagt, dass Sie aufgrund von Bekannten zu der Heiratsurkunde gekommen sind. Können Sie mir den Namen des Standesbeamten sagen?

 

A: Das sind Bekannte meines Vaters. Ich kenne sie nicht namentlich, sondern nur vom Sehen.

 

F: Haben Sie den Dolmetsch verstanden?

 

A: Ja.

 

(...)"

 

Bei einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 5. Juli 2004 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines von der erkennenden Behörde bestellten und beeideten Dolmetschers der Sprache Türkisch vor einem Organwalter des Bundesasylamtes Folgendes an:

 

"F: Fühlen Sie sich in der Lage die Befragung vorzunehmen?

 

A: Ja.

 

F: Sie wurden nach der ersten Einvernahme über die beabsichtigte Vorgangsweise des Bundesasylamtes in Kenntnis gesetzt. Sie haben nun die Gelegenheit, dazu noch einmal Stellung zu beziehen. Möchten Sie dies tun?

 

A: Im Moment habe ich nichts anzugeben. Ich warte auf die Dokumente, die ich aus der Türkei erhalten werde.

 

RV stellt den ANTRAG zur Gewährung einer 1wöchigen Frist zwecks Einholung aus dem Einwohner- bzw. Standesregister, Strafregisterauszug u. ä.

 

(Anmerkung: Die 1wöchige Frist wird berücksichtigt, da sich der Sachverhalt bis jetzt nicht verändert hat. Der AW wurde über jegliche weitere Schritte seitens der erkennenden Behörde bei Nichteinhaltung der Frist in Kenntnis gesetzt.)

 

F: Wollen Sie nun abschließend noch etwas hinzufügen?

 

A: Ich hoffe, dass die Unterlagen rechtzeitig da sein werden und mein Verfahren zugelassen wird. Für das Bundesasylamt sind keine weiteren Fragen mehr offen. Über Ihren Antrag wird bescheidgemäß abgesprochen, der Bescheid wird Ihnen persönlich zugestellt. Sollten Sie Ihre Abgabestelle ändern, teilen Sie dies umgehend dem Bundesasylamt mit."

 

Bei einer neuerlichen niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. Juli 2006 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines von der erkennenden Behörde bestellten Dolmetschers der Sprache Türkisch einem Organwalter des Bundesasylamtes im Wesentlichen Folgendes an:

 

"(...)

 

F: Wo haben Sie in der Türkei gelebt?

 

A: Ich lebte in K. bei meiner Familie. Ich lebte bei meinem Vater, der zwischenzeitlich verstorben ist. Ich lebte dort von Geburt an bis 1974. Im Juni 1974 bin ich dann nach Hamburg in Deutschland und in weiterer Folge im Jahr 1975 kam ich dann nach Österreich. Ich lebte nur 4 bis 5 Monate in Hamburg und kam dann nach Österreich, da hier meine Verwandten wohnen. Meine Schwester ist österreichische Staatsbürgerin.

 

F: Sind Sie alleine aus der Türkei weggezogen?

 

A: Ich zog alleine von zu Hause aus und kam legal nach Europa.

 

Wir hatten auch einen Verwandten in Hamburg, meinen Schwager, bei dem ich wohnte.

 

Auch ein Freund meines Vaters lebte in Hamburg.

 

In Österreich lebte ich bei meinem Cousin F.B.. Bei ihm lebte ich für 5 bis 6 Jahre, bis dessen Familie nachgekommen ist.

 

F: Wovon haben Sie in Österreich gelebt?

 

A: Ich habe als Hilfsarbeiter gearbeitet. Ich wohnte in weiterer Folge bis 1986 bei verschiedenen Freundinnen in Österreich in Wien, danach genauso.

 

1986 wurde ich zum Militär einberufen. Weil ich nicht eingerückt bin, wurde mein Visum nicht verlängert, weshalb ich einen gefälschten griechischen Reisepass verwendet habe. Mit diesem Reisepass lebte ich dann illegal in Österreich und arbeitete hier mit diesem Reisepass. Ich lebte dann als Zypriot in Österreich. Diesen Reisepass verwendete ich ca. 4 bis 5 Jahre.

 

Als der Pass abgelaufen ist, habe ich mir einen gefälschten türkischen Reisepass von einem türkischen Gastarbeiter. Es war ein echter Reisepass nur war das Foto ausgetauscht. Ich habe diese Fälschung in der Türkei machen lassen. Ich war selbst nicht in der Türkei, mir wurde der Pass zugeschickt. Diesen Reisepass verwendete ich 2 bis 3 Jahre.

 

Mit diesem Reisepass war ich auch in Deutschland und Italien. Ich bin auch mit dem griechischen Reisepass innerhalb Europas gereist.

 

Ich habe in weiterer Folge viele gefälschte Reisepässe verwendet. Es waren nicht immer türkische Reisepässe, auch hatte ich einen gefälschten italienischen Reisepass.

 

Ich hatte mit dem griechischen Reisepass auch einen Meldezettel. Aufenthaltstitel hatte ich nie gehabt. Im türkischen Reisepass war ein unbefristetes deutsches Visum.

 

F: Waren Sie nach 1986 in der Türkei?

 

A: Ja, mit gefälschten Reisepässen. Ca. 2 bis 3 Mal. 1989 und 1990 glaub ich.

 

In den 90er Jahren bin ich auch in der Türkei gewesen. 2001 und 2003 auch.

 

F: Wie lange waren Sie immer in der Türkei?

 

A: Einmal war ich 15 bis 20 Tage in der Türkei. Mein längster Aufenthalt war 2003, da war ich für 2 bis 3 Monate dort.

 

Ich habe in der Türkei meine Mutter in K. besucht und meine Schwester in Ankara.

 

F: Was war der Zweck der Reisen innerhalb der EU und in die Heimat?

 

A: Ich wollte diese Länder ansehen und eventuell dort arbeiten. In die Heimat fuhr ich zu Besuchszwecken.

 

F: Warum haben Sie 1974 die Türkei verlassen?

 

A: Wie ich in der Schule war hatte ich einen Lehrer. (Anmerkung: AW unterbricht Satz). Damals gab es Unruhen und auch 2 bis 3 Freunde sind dabei umgekommen. Also nur 2. Der Eine wurde erhängt aufgefunden und der Andere wurde erschossen. Es waren kurdische Freunde von mir. Wir waren mehrere Personen und wir haben Plakatbomben aufgehängt. Das waren kurdische Plakate mit der Aufschrift: "Kurdistan soll frei sein". Das waren Bomben, die beim runterreißen explodierten. Beim runterreißen löste ein Kontakt auf der Rückseite die Bombe aus. Die Bombe war extra daneben abgestellt. Die Bomben bestanden aus Dynamit und Nägeln und waren ca. einen Kilo schwer.

 

Die Bombe wurden von unserer Gruppe bestehend aus 10 bis 15 Personen. Wir hängten nur die Bomben auf, den Bastler haben wir nie gesehen. Ich habe an vier Bomben mitgewirkt. Ich habe sie aufgehängt und manchmal aufgepasst.

 

F: Von wem haben sie die Bomben erhalten?

 

A: Die Bomben sind von woanders gekommen. Von anderen Städten.

 

F: Von wem konkret erhielten sie die Bomben?

 

A: Von verschiedenen Personen, Namen wurden nie genannt.

 

F: Warum kamen diese Männer zu ihnen, mit den Bomben?

 

A: Meine Cousins wurden von der Polizei abgeholt. Unser Elternhaus wurde von der Polizei gestürmt.

 

F: Warum wurde ihr Elternhaus gestürmt? Wie steht beides im Zusammenhang?

 

A: Wir haben die Bomben gemeinsam aufgehängt.

 

F: Wie kamen sie dazu die Bomben aufzuhängen?

 

A: Das ist ja nicht eine Sache von meiner Person. Das ist eine Gruppenaktion. Sie kamen ja nicht genau zu mir.

 

F: Sondern?

 

A: Es war damals so, dass man von der Polizei mitgenommen wurde, wenn man auf der Straße kurdisch gesprochen hat.

 

Der AW gibt aus eigenem an:

 

Man macht in der Türkei alles gemeinsam, wohnt gemeinsam, führt eine Sache gemeinsam durch.

 

F: In welchem Zeitraum legten Sie Bomben?

 

A: Von Ende 1973 bis ca. April 1974. Viele sind dabei erwischt worden.

 

F: Was ist mit diesen geschehen?

 

A: Ich bin dann ins Ausland gegangen. Die anderen waren im Gefängnis und wurden bestraft.

 

Was genau mit ihnen geschah weiß ich nicht.

 

F: Was passierte mit Ihren Cousins, und was konkret wurde Ihnen vorgehalten?

 

A: Die waren 4 Jahre im Gefängnis wegen dieser Sache. Und weil sie Bücher über Mao hatte, das war kommunistische Propaganda.

 

F: Kam es jemals zu einer Explosion von einer durch Sie gelegten Bombe?

 

A: Immer. Jede Bombe ist explodiert. Bei der dritten Explosion ist ein Polizist verletzt worden. Bei den anderen Bomben ist keiner verletzt worden. Wie die Bomben damals explodiert sind, weiß ich nicht. Bei der dritten wurde ein Polizist verletzt.

 

F: Woher wissen Sie, dass der Polizist verletz wurde?

 

A: Alle wussten das. Das ist ja eine kleine Ortschaft. Es stand auch in der Zeitung.

 

F: Wo haben Sie die Bomben gelegt?

 

A: In C., das ist ca. 20 km von meiner Heimatstadt P. entfernt.

 

F: Warum haben Sie die Bomben gerade in C. gelegt?

 

A: Weil dort mehr Druck auf die Kurden ausgeübt wurde als bei uns.

 

F: Wie kam man dann auf die Polizei auf Sie?

 

A: Wie weiß ich nicht, vermutlich wurde ein anderer erwischt und hat sie verraten.

 

Wie sie erwischt worden sind, bin ich aus der Türkei geflohen.

 

F: Was heißt, "Wie Sie erwischt wurden"?

 

A: Ich war zufällig bei meinem Onkel und deshalb nicht zuhause. Es wurden damals 4 Häuser gestürmt.

 

F: War es der Polizei klar, dass Sie damals bei den Bomben dabei waren?

 

A: Ja, damals wurde mein Vater mitgenommen. Anstatt meiner nahmen sie meinen Vater für 2 Tage mit. Dann haben sich Anwälte und Bekannte eingesetzt und mein Vater wurde freigelassen.

 

F: Wann daraufhin haben Sie die Türkei verlassen?

 

A: Noch in derselben Nacht, als mein Elternhaus gestürmt worden war. Um 3 Uhr Nacht flüchtete ich zu Verwandten nach Ankara. Ich bin damals nicht zurückgekehrt.

 

Ich verließ die Türkei dann nach ca. 1 Monat.

 

F: Weshalb sind Sie aus Ankara oder Istanbul weitergeflüchtet?

 

A: Wie gesagt hatte mein Vater in Hamburg Verwandte. Und da er festgenommen worden war, wurde ich durch meinen Vater nach Hamburg geschickt, damit ich in der Türkei nicht eingesperrt werde.

 

F: Weshalb wurde Ihr Reisepass nicht verlängert?

 

A: Weil ich nicht beim Militär war, wurde mir von der Botschaft in Wien gesagt.

 

F: Wurden Sie offiziell zum Militär einberufen?

 

A: Ja, 4 bis 5 Mal in den Jahren 1985 und 1986 wurde meinem Vater der Einberufungsbefehl gegeben und dieser wurde mir geschickt. Sogar 2001 kam ein weiterer Einberufungsbefehl.

 

Ich habe sämtliche zugesandt bekommen, habe sie aber nicht mit, weil ich es nicht wusste.

 

Im letzten wurde mir sogar angedroht, dass ich die türkische Staatsbürgerschaft verliere, sollte ich nicht kommen.

 

Mir wird eine Frist von einer Woche eingeräumt, in der ich sämtliche Einberufungsbefehle dem BAA vorlegen kann.

 

F: Waren Sie bei der Musterung?

 

A: Nein.

 

F: Warum sind Sie von Deutschland nach Österreich übersiedelt?

 

A: Mir hat es dort nicht sehr gefallen und ich habe auch nicht sehr viele Verwandte dort.

 

Auf konkrete Befragung gebe ich an, dass ich zu Beginn des Aufenthaltes in Österreich meinen Aufenthaltstitel über meine Fabrik erhielt. Jedes Jahr wurde mein Titel verlängert.

 

F: Warum haben sie erst im Jahr 2004 einen Asylantrag gestellt?

 

A: Ich bin hier in Österreich verheiratet (AW antwortet ohne Übersetzung)

 

Nochmals befragt gebe ich an, dass ich zwei Anwälte in der Türkei habe. Ich wollte eigentlich immer zurück in die Türkei. Ich habe immer gehofft, dass sich die Lage in der Türkei verbessern wird. Jeder möchte ein normales Leben leben. Es ist kein schönes Leben mit gefälschten Pässen. Es war ungewollt, dass ich in so eine Lage gekommen bin. Ich kenne meine Gattin seit 8 Jahren. Vor 3 Jahren haben wir in der Türkei geheiratet. Das ist jetzt meine Lage. Ich bedanke mich bei ihnen, dass sie sich um meine Asylsache kümmern. Meine Gattin ist auch krank. Wenn diese Probleme nicht wären, würden wir in die Türkei ziehen.

 

F: Warum haben sie erst jetzt um Asyl angesucht?

 

A: Ich wollte es, aber ich habe immer gewartet, ob sich die Lage in der Türkei ändert.

 

Mein Vater ist auch gestorben und ich konnte ihn nicht besuchen, weil ich keinen Reisepass mehr habe. Ich möchte nicht mehr mit gefälschten Reisepässen leben.

 

F: Wie würde sich aktuell die Gefährdungslage in der Türkei für Sie darstellen?

 

A: Im Akt müssen Unterlagen sein, die wurden von mir abgegeben. Da steht, dass mich das Militär und die Polizei suchen. Aber warum ich gesucht werde, weiß ich nicht. Vielleicht wurde ich verleugnet, ich weiß es nicht. In der Türkei kommen Leute für irgendeine Sache für 5 Jahre ins Gefängnis. Sicher haben wir gegen das Gesetz verstoßen. Irgendwas liegt bestimmt vor.

 

F: Was droht ihnen für den Fall, dass sie vom Militär gefunden werden?

 

A: Vielleicht komme ich 20 Jahre ins Gefängnis, vielleicht dauert das Verfahren 10 Jahre.

 

Ich weiß ja nicht wegen was, aber, wenn das wegen der Bomben sein würde, würde ich festgenommen werden und käme für 20 Jahre ins Gefängnis. Es könnte auch wegen einer anderen Sache sein.

 

F: Wie kommen Sie auf 20 Jahre, wenn Ihre Cousins wegen derselben Sache nach 4 Jahren freigelassen wurden?

 

A: Was der Richter sagen wird, weiß ich ja nicht.

 

F: Seit wann haben Sie die beiden Anwälte in der Türkei?

 

A: Seit 5 Jahren. Einer ist in Istanbul, ein anderer seit ca. 10 Jahren.

 

F: In welcher Sache haben sie Anwälte genommen?

 

A: Ich bin ja mit gefälschten Reisepässen eingereist und ich hoffte ja, dass sie sich erkundigen können, weshalb ich gesucht werde.

 

F: Wieso haben Sie zwei Anwälte?

 

A: Der Anwalt in Istanbul ist Kurde und kennt sich gut aus. Der andere Anwalt ist mit mir verwandt.

 

Der Anwalt bekommt ja nur Geld, wenn er etwas tut.

 

F: Weshalb wissen Sie trotz zweier Anwälte nichts über etwaige Suchgründe bescheid?

 

A: Die kommen ja auch nicht überall hinein.

 

F: Wie können Sie es sich erklären, dass sie zum Militär einberufen werden, obwohl nach Ihnen wegen terroristischer Aktivitäten gesucht werden.

 

A: Polizei und Militär sind nicht dasselbe. Der Einberufungsbefehl ist automatisch.

 

F: Glauben Sie, dass Militär weiß nicht bescheid über Ihre Aktivitäten?

 

A: Ich weiß nicht.

 

F: Haben Sie Kenntnis von einem Auslieferungsersuchen der Türkei an Österreich?

 

A: Da weiß ich nichts davon. Die Türkei sucht mich ja nur in meiner Heimat. Ich werde ja nicht international gesucht.

 

F: Haben Sie Hinweise darauf, dass Sie gerade wegen der Bomben irgendwann gesucht worden waren?

 

A: Ich befürchte deshalb gesucht zu werden. Ich glaube es. Konkrete Hinweise habe ich keine.

 

F: Haben Sie ihren Anwalt beauftragt, die Gründe zu erfragen?

 

A: Ich hab es ihm einmal gesagt.

 

F: Können Sie sich erklären, weshalb sie im Zusammenhang mit diesen Bombenanschlägen nicht öfters zuhause gesucht wurden?

 

A: Sie sind laufend gekommen, nur war ich nie da. Sie kamen über viele Jahre alle 2 bis 3 Monate bei meinem Vater vorbei.

 

F: Was wollten sie von Ihrem Vater und wer konkret kam zu Ihrem Vater?

 

A: Das Militär und die Polizei kamen. Sie gaben aber nie an, warum sie nach mir suchten.

 

F: Was glauben Sie, was das Militär und die Polizei von ihnen wollten?

 

A: Wegen unserer Tätigkeiten in der Schulzeit - Herumschießen mit Waffen, Propaganda und den Bomben.

 

F: Wieso haben sie diese Antwort nicht schon auf die Frage "Haben Sie Hinweise darauf, dass Sie gerade wegen der Bomben irgendwann gesucht worden waren?" gegeben?

 

A: Ich bin mir eh sicher, dass es wegen dieser Vorfälle ist. Ich vermute nur, dass mir auch andere Sachen von irgendwelchen Personen angehängt wurde.

 

F: Gibt es darauf einen konkreten Hinweis?

 

A: Ich vermute nur.

 

F: Weshalb riskierten Sie es mehrfach in den Gefahrenbereich zurückzukehren, obwohl es dafür absolut keinen logischen Grund gibt?

 

A: Was soll ich tun, wenn meine Familie krank ist. Als mein Vater starb fuhr ich nicht hin. Ich will jetzt nichts mehr riskieren.

 

F: Sie sagen selbst "riskieren". Warum haben Sie sich nicht woanders mit Ihrer Familie getroffen. Warum fuhren Sie trotzdem in Ihre Heimat?

 

A: Ich war jung und habe es riskiert. Jetzt bin ich verheiratet.

 

F: Warum sind Sie wegen einer Heirat in die Heimat gefahren und haben nicht in Österreich geheiratet?

 

A: Der Unterschied zwischen der Türkei und Österreich sind groß. In der Türkei sind Beziehungen wichtig. Ich versteh schon was sie meinen. Ich werde in der Türkei gesucht und war trotzdem dort. Die Beamten haben zwar gesehen, dass ich in der Türkei gesucht werde, aber sie haben es absichtlich übersehen, weil sie Bekannte von meinem Vater waren.

 

F: Können Sie sich erklären, warum die polizeiliche Suche erst im Jahr 2002 eingetragen wurde?

 

A: Nein.

 

Konkret befragt gebe ich an, dass es sich bei dieser Eintragung um keine Hilfsdienst eines bestochenen oder befreundeten Beamten handelt

 

F: Warum wollen Sie Ihren Militärdienst in der Türkei nicht ableisten?

 

A: Wenn ich zum Militär gehe, soll ich gegen mein eigenes Volk kämpfen?

 

F: Heißt das Sie möchten nicht gegen Ihr eigenes Volk kämpfen?

 

A: Ja.

 

F: Zählen sie bitte alle Ihre Verurteilungen, Haftzeiten und Haftgründe in Europa auf?

 

A: In Deutschland war ich einmal wegen Transport von Kokain 18 Monate eingesperrt.

 

Es war im Februar 2001. Ich wurde erwischt als ich Drogen von Holland in die Schweiz schmuggeln wollte.

 

In Österreich wurde ich im September 2003 auch wegen Kokain verurteilt und wurde zu 30 Monaten Haft verurteilt und war bis März 2006 eingesperrt gewesen.

 

F: Unter welchem Namen waren Sie in Deutschland verurteilt?

 

A: Unter meinem eigenen Namen.

 

Widerspricht diesem und gibt an, dass er einen griechischen Reisepass hatte.

 

F: Warum führten sie diesen vorhin nicht an?

 

A: Ich habe gesagt, dass ich diesen hatte.

 

F: Unter welchem Namen saßen Sie in Deutschland in Haft?

 

A: Unter meinem eigenen Namen. Ich hatte aber einen griechischen Reisepass. In Österreich hatte ich einen türkischen Reisepass und nannte erst später meinen echten Namen.

 

Vorhalt: Wenn ihr Vater vor 8 Monaten gestorben ist, konnten sie zu seiner Beerdigung gar nicht kommen, da sie in Haft saßen. Sie sind also nicht aus Furcht nicht zu seiner Beerdigung gefahren.

 

A: Ich hätte ja nachher hinfahren können.

 

(...)"

 

Mit Bescheid vom 27. Juli 2006, Zl. 04 11.552-BAT, hat das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers vom 3. Juni 2004 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen und ihm den Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I), seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG für zulässig erklärt (Spruchpunkt II) und zudem Herrn E.I. gem. § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen (Spruchpunkt III). Diesen Bescheid hat das Bundesasylamt wie folgt begründet:

 

"Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens gelangte die Behörde nach unten angeführter Beweiswürdigung zu folgenden

Feststellungen:

 

Zur Türkei war festzustellen:

 

Überblick

 

Die Türkei ist - gemäß ihrer Verfassung von 1982 - eine demokratische, säkulare, soziale und rechtsstaatliche Republik. Das gemeinsame Erbe aus rund 700 Jahren osmanischer und 80 Jahren türkischer Geschichte ist eine ausgeprägt starke Rolle des Staates, gegenüber dem Rechte des Einzelnen häufig zurückstehen. Die türkische Verfassung kennt die in Demokratien übliche Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive, Judikative) sowie einen ausführlichen Katalog von Grundrechten und -pflichten.

 

Die Türkei hat etwa 70 Millionen Einwohner, wobei die 0-14 jährigen 26%, die 15-64 jährigen 67,3 % und die über 65 jährigen 6,7% der Bevölkerung ausmachen. Landessprache ist türkisch. In weiten Teilen des Südostens und Ostens werden auch verschiedene kurdische Dialekte gesprochen. Die Alphabetisierungsrate liegt bei 86,5% der über 15jährigen. 60% der Bevölkerung leben im städtischen Bereich.

 

Die Türkei hat eine Fläche von 779.452 qkm. Die Hauptstadt ist Ankara mit etwa 3,2 Millionen Einwohnern. Weitere bedeutende Städte sind Istanbul (ca. 8,8 Millionen) und Izmir (ca. 2,2 Millionen).

 

Politische Lage

 

Politische Entwicklung

 

Zwischen 1960 und 1980 sorgten mehrere Militärputsche für immer wieder wechselnde Verhältnisse. Ab 1983 setzten sich verstärkt demokratische Strukturen durch, die unter Anderem auch zu einem wirtschaftlichen Aufschwung beitrugen, der auch die Tourismusbranche begünstigte. Ab 1984 begannen verstärkt Aktivitäten der 1978 gegründeten PKK in der Südosttürkei, welche die bis heute spürbaren Autonomieforderungen der Kurden unterstreichen sollten.

 

Unter der Regierung Bülent Ecevits (1999-2002) wurden umfassende Reformen im Zivilrecht eingeleitet und Menschen- und Freiheitsrechte (z. B. Versammlungs- und Demonstrationsrecht) gestärkt. Diese Reformen wurden unter der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung unter Premier Erdogan fortgesetzt. Unter anderem wurde die Todesstrafe abgeschafft, Folter verboten und bedingt auch die kulturellen Freiheiten der kurdischen Minderheit gestärkt.

 

1999 erlangte die Türkei offiziell den Kandidatenstatus für den Beitritt zur EU. Seither werden große Anstrengungen unternommen, um die türkische Verfassung und Rechtslage den EU-Standards anzugleichen. Als großer Fortschritt wurde die im August 2002 beschlossene Abschaffung der Todesstrafe gewertet. Zudem ist die Türkei als einziges NATO-Mitglied aus dem asiatischen Raum ein strategisch wichtiger Partner bei den Auseinandersetzungen im Nahen Osten. Die Zypernfrage konnte trotz immer wieder erfolgter Konsolidierungsversuche bislang nicht gelöst werden. Am 03.10.2005 nahm die Europäische Union dennoch offiziell Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auf.

 

Aktuelle Lage

 

Bei den letzten demokratischen Parlamentswahlen am 03.11.2002 (Legislaturperiode 5 Jahre) ging die konservativ-islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) mit ihrem Vorsitzenden, Recep Tayyip Erdogan als klare Siegerin hervor und errang die Mehrheit der Parlamentssitze. Obwohl sie nur ein Drittel der Stimmen auf sich vereinigen konnte, kam sie, weil viele andere Parteien an der 10%-Hürde scheiterten auf fast 3/4 der Parlamentssitze (für Verfassungsänderungen wird eine 3/4 Mehrheit benötigt).

 

Parlamentswahlergebnis 2002:

 

AKP 34,4%, CHP 19,4%, DYP 9,6%, MHP 8,3%, DEHAP 6,7%, ANAP 5,1%, DSP 1,1%

 

Das Wahlrecht zum türkischen Parlament sieht vor, dass jede Partei, welche in das Parlament einziehen möchte, landesweit einen Anteil von 10% der abgegebenen Stimmen erreichen muss. Daher ist es nicht möglich, dass Parteien in das Parlament einziehen, auch wenn sie in einigen Regionen z.B. 15 oder 20 % der Stimmen erhalten und eine nicht unbeträchtliche Personengruppe repräsentieren, wenn sie die nationale 10% Hürde nicht meistern. In diesem Zusammenhang sei etwa die kurdische Partei DEHAP erwähnt.

 

Am 28.03.2004 fanden in der Türkei Kommunalwahlen statt, wobei die AKP bei diesen Wahlen der Provinzräte ihr Ergebnis der Parlamentswahlen ausbauen konnte und auf 42% der Stimmen kam. Die einzige im Parlament vertretene Oppositionspartei, die CHP, erreichte bei den Provinzratswahlen nur 18% der Stimmen.

 

Parteienliste

 

Adalet ve Kalkinma Partisi (AKP) (Gerechtigkeits- und Entwicklungspartei)

 

Anavatan Partisi (ANAP) (Mutterlandspartei)

 

Bagimsiz Türkiye Partisi (BTP) (Partei der Unabhaengigen Türkei)

 

Büyük Birlik Partisi (BBP) (Grosse Vereinigungspartei)

 

Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) (Republikanische Volkspartei)

 

Demokratik Sol Parti (DSP) (Demokratische Linkspartei)

 

Dogru Yol Partisi (DYP) (Partei des Rechten Weges)

 

Demokrat Parti (DP) (Demokratische Partei)

 

Demokratik Halk Partisi (DEHAP) (Demokratische Volkspartei)

 

Genç Parti (GP) (Junge Partei)

 

Isçi Partisi (IP) (Arbeiterpartei)

 

Liberal Demokratik Parti (LDP) (Liberale Demokratische Partei)

 

Millet Partisi (MP) (Nationspartei)

 

Milliyetçi Hareket Partisi (MHP) (Partei der Nationalistische Bewegung.

 

Özgürlük ve Dayanisma Partisi (ÖDP) (Freiheits- und Solidaritaetspartei)

 

Saadet Partisi (SP) (Glückseeligkeitspartei).

 

Türkiye Komünist Partisi (TKP) (Kommunistische Partei der Türkei)

 

Yeni Türkiye Partisi (YTP) (Neue Türkei Partei)

 

Yurt Partisi (YP) (Heimatpartei)

 

Opposition

 

In der Türkei besteht eine ausgeprägte parlamentarische Kultur. Oppositionelle Betätigung ist frei von Einflussnahme seitens staatlicher Stellen. Dies gilt jedoch nicht für eine der unten genannten verbotenen Gruppierungen, die gemäß der türkischen Doktrin in Verdacht stehen, Verbindungen zu "terroristischen Gruppierungen" zu haben, bzw. Parteien, welche die Grundlagen des türkischen Staates unterwandern.

 

Besteht gegenüber Personengruppen der Verdacht, dass sie einer verbotenen oder radikalen Organisation angehören, wie etwa die pro-kurdischen Parteien DEHP, HAK-PAR (gegen welche ein Verbotsverfahren läuft), PKK/KONGRA-GEL, oder die links gerichteten Gruppierungen wie DHKP-C, MLKP, MKP, oder illegale, radikal-islamistische Gruppierungen wie etwa HIZBULLAH, Hizb-ut Tharir, Ensar Al Islam, wird seitens der türkischen Regierung versucht jede politische Aktivität zu unterbinden. Mitglieder dieser Gruppierungen sind nach wie vor Repressionen ausgesetzt und bekennende Anhänger oder Mitglieder werden in nicht seltenen Fällen seitens staatlicher Sicherheitsorgane verhört und in einigen Fällen angeklagt und inhaftiert, insbesondere höherrangige Vertreter dieser Gruppierungen.

 

Bei Personen, die für legale Oppositionsparteien (zb. CHP) tätig sind, besteht in der Regel keine Gefahr, staatlichen Repressionen ausgesetzt zu sein. Berichte über Übergriffe staatlicher Behörden oder über willkürliche Behandlung gegenüber (legalen) oppositionellen Parteien sind nicht bekannt geworden.

 

Kurden: Situation in den kurdischen Gebieten

 

Kurden (türkische Staatsbürger kurdischer Abstammung) bilden in weiten Teilen des Südostens und Ostens die Bevölkerungsmehrheit. Von ihnen kommen Forderungen zur Verbesserungen ihres Status und der Lebensbedingungen. Die türkischen Regierungen versprechen seit langem, die wirtschaftliche und soziale Lage des semi-feudal strukturierten Südostens zu verbessern. Die dortigen Probleme haben zu massiver Landflucht der Bevölkerung in die größeren Städte der Region sowie in die westlichen Gebiete der Türkei mit allen sozialen Folgeproblemen geführt. Im Südosten wird vor allem der Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur, Investitionen in die Wirtschaft und die Rückkehr der Bevölkerung in ihre Dörfer zu einem drängenden Problem.

 

Während sich die Situation in den kurdischen Gebieten nach der praktischen Einstellung der bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen PKK und türkischen Sicherheitskräften seit ca. 2000 deutlich entspannte, hat der Konflikt seit der Aufkündigung der von der PKK einseitig erklärten Waffenruhe im Frühsommer 2004 erneut an Schärfe gewonnen. Die im Rahmen der Reformen zugestandenen kulturellen Rechte für die Kurden werden jedoch bereits stellenweise umgesetzt: Radio- und Fernsehsendungen in kurdischer Sprache für ca. 1 Stunde pro Woche (die Gesamtsendezeit in Minderheitensprachen von 5 bzw. 4 Stunden pro Woche ist auf mehrere Minderheitensprachen aufgeteilt) und die Zulassung privater Sprachkurse. Verboten ist der Gebrauch der kurdischen Sprache nach wie vor für Parteien und im Rahmen von Wahlkämpfen. Auch in jüngster Zeit wurden Mitglieder von Parteivorständen strafrechtlich verfolgt, weil sie kurdische Redebeiträge auf Parteiversammlungen zugelassen hatten; ebenso Kandidaten pro-kurdischer Parteien, die bei Wahlkundgebungen die Besucher auf Kurdisch begrüßt hatten. Anfang Juli 2005 hat das Amtsgericht in Halfeti (Urfa) die stellvertretende Vorsitzende der DEHAP, Handan Caglayan, und den Vorsitzenden für die Provinz Urfa, Ahmet Dagtekin, wegen einer kurdischen Ansprache auf einer Wahlveranstaltung am 28. März 2004 verurteilt. Ahmet Dagtekin erhielt eine Haftstrafe von 6 Monaten und eine Geldstrafe von 440 YTL (Neue Türkische Lira) und Handan Caglayan wurde zu einer Haftstrafe von 7 Monaten und einer Geldstrafe von 513 YTL verurteilt.

 

Im August 2005 traf sich Premier Erdogan mit kurdischen Intellektuellen und besuchte Diyarbakir. Im Rahmen einer Ansprache erklärte er, das "kurdische Thema" wieder auf die Tagesordnung zu setzen und demokratische Lösungsansätze zu entwickeln.

 

Die PKK und ihre Nachfolgeorganisationen werden derzeit von vielen Staaten als "Terrororganisation" angesehen. Die PKK änderte im April 2002 ihren Namen in KADEK, im November 2003 wiederum in KONGRA-Gel und bezeichnet sich ab 2005 wieder als PKK.

 

Im Oktober 2005 fand die Gründungsversammlung der ebenfalls kurdisch dominierten DTP (Partei der Demokratischen Gesellschaft) statt, die u. a. von der im Juni 2004 freigelassenen ehemaligen DEP-Abgeordneten Leyla Zana und drei ihrer Kollegen betrieben wurde.

 

Menschenrechte

 

Mit mehreren "Reformpaketen" hat die Türkei seit August 2002 viele der in der EU-Beitrittspartnerschaft aufgelisteten Prioritäten auch im Menschenrechtsbereich in Angriff genommen. Die Abschaffung der Todesstrafe, die Ausweitung kultureller Rechte, Regelungen zur Erschwerung von Parteischließungen und Politikverboten, Maßnahmen zur Verhütung sowie zur erleichterten Strafverfolgung und Bestrafung von Folter, Ausweitung der Vereinsfreiheit, Zulässigkeit der Wiederaufnahme von Verfahren nach einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) sind nur einige Elemente.

 

Es wurden darüber hinaus einige Institutionen geschaffen, die ein "Monitoring" der Menschrechtsalge im Land durchführen und auch Beschwerden von Betroffenen entgegennehmen sollen. Dazu gehört die Reformüberwachungsgruppe, die Menschenrechtspräsidentschaft und der parlamentarische Ausschuss für die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen.

 

Die Menschenrechtspräsidentschaft hat ihre Arbeit - Aufklärung über Menschenrechte, Bearbeitung von Beschwerden und Lösung konkreter Fälle - intensiviert. Dabei hat sie sich insbesondere darauf konzentriert, die Öffentlichkeit auf sich und die Menschenrechtsbüros in den Provinzen aufmerksam zu machen. Die Wirkung der Präsidentschaft ist allerdings bislang gering, da sie nur über begrenzte finanzielle Mittel verfügt und ihr Status gegenüber den Fachministerien unzureichend definiert ist.

 

Grundfreiheiten

 

Wie bereits erwähnt, unternahm die türkische Regierung weitere Reformschritte auf dem Gebiet der Grundfreiheiten sowie in anderen Menschenrechtsbereichen, insbesondere um die türkische Rechtslage an internationale Standards anzupassen; eine Voraussetzung für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei im Oktober 2005. Trotz positiver Änderungen auf gesetzlicher Seite gibt es jedoch nach wie vor Defizite bei der praktischen Umsetzung. Problematisch ist nach wie vor eine Tendenz hinsichtlich Misshandlungen und Folterungen in Polizeigewahrsam durch Sicherheitskräfte, insbesondere gegenüber Familienmitgliedern und Angehörigen verbotener Parteien und Organisationen.

 

Im Januar 2005 unterzeichnete die Türkei das Protokoll Nr. 13 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie im April das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte.

 

Mediale Aufmerksamkeit erregte im März 2005 die Niederschlagung einer Demonstration in Istanbul, welche anlässlich des Welt-Frauen Tages abgehalten wurde. Demonstrantinnen wurden von der Polizei mit Schlagstöcken auseinandergetrieben.

 

Die türkische Regierung hat weitere Schritte zur Einbindung von Menschenrechtsorganisationen hinsichtlich der Kontrolle der Menschenrechtslage in der Türkei gesetzt. Im September 2005 fand ein Treffen zwischen der türkischen Regierung und NGO¿s bezüglich weiterer diesbezüglicher Schritte statt. Dennoch gibt es weiterhin Behinderungen von Menschenrechtsorganisationen bei der täglichen Arbeit. Diese reichen von verstärkten Kontrollen seitens staatlicher Organe bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung bei Aktivitäten, die sich "gegen den türkischen Staat" richten.

 

Gesetzesreformen

 

Im Jahr 2004 wurden zahlreiche bemerkenswerte Neuerungen eingeführt. So hat man die Staatssicherheitsgerichte abgeschafft und durch Sonderstrafgerichte ersetzt. Internationale Rechtsnormen (z.B. Europäisches Primärrecht) wurde stellenweise Vorrang vor nationalem Recht eingeräumt und die Todesstrafe aus der Verfassung und dem Strafgesetzbuch gestrichen. Militärangehörige mussten ihre Posten im Türkischen Hochschulrat (YÖK) und dem Hohen Rundfunk- und Fernsehrat (RTÜK), der Medienaufsichtsbehörde des Landes, räumen.

 

Zu den Gesetzesnovellen gehörten ein neues Pressegesetz, ein neues Vereinsgesetz, eine neue Strafprozessordnung und ein neues Strafgesetzbuch (2005). Alle diese Gesetze enthielten positive Neuerungen und waren großenteils weniger restriktiv als ihre Vorgänger. So wurden zum Beispiel aus dem Strafgesetzbuch viele Paragraphen entfernt, die geschlechtsspezifische Diskriminierung beinhaltet hatten. Außerdem wurde eine Definition der Folter eingeführt, die sich stärker an internationalen Rechtsnormen orientiert. Viele der neuen Gesetze enthalten aber weiterhin Bestimmungen ihrer Vorgänger, auf deren Grundlage in der Praxis fundamentale Rechte in unzulässiger Weise eingeschränkt werden. Hinzu kam, dass die Umsetzung der gesetzlichen Neuerungen nicht einheitlich erfolgte und zum Teil offenbar auf den Widerstand staatlicher Funktionsträger stieß.

 

Besonders bedeutsam ist, dass das neue Strafgesetzbuch, die neue Strafprozessordnung und die diesbezüglichen Durchführungsverordnungen Bestimmungen für ein konsequenteres Vorgehen gegen Folter und Misshandlung enthalten. Mit der neuen Verordnung über Verhaftung, Inhaftierung und Aufnahme von Aussagen vom Juni 2005 wurden zusätzliche Garantien, vor allem in Bezug auf ärztliche Untersuchungen und Verteidigungsrechte eingeführt. Darüber hinaus sieht das Strafgesetzbuch höhere Gefängnisstrafen für Folter oder Misshandlung vor, und die Verjährungsfrist, die in der Vergangenheit wiederholt zur Einstellung von Verfahren wegen Folter und Misshandlung geführt hat, wurde von zehn auf fünfzehn Jahre verlängert. Bedauerlicherweise wurde sie jedoch für solche Verbrechen nicht ganz aufgehoben, wie dies der VN-Ausschuss gegen Folter (CAT) 2003 empfohlen hatte.

 

Was Haftanstalten betrifft, so wurde insbesondere im Dezember 2004 ein neues Gesetz über die Vollstreckung von Urteilen verabschiedet. Ungeachtet einiger Unzulänglichkeiten werden mit dem Gesetz und den diesbezüglichen Durchführungsvorschriften - insbesondere dem im Juli 2005 erlassenen Gesetz über die Einrichtung von Resozialisierungszentren - moderne Konzepte wie gemeinnützige Arbeit und Bewährungsstrafen eingeführt.

 

Meinungsfreiheit:

 

Mittels der Strafrechtsreform im Mai 2005 konnten einige Fortschritte hinsichtlich der Meinungsfreiheit erzielt werden, jedoch gibt es nach wie vor einige Bestimmung, z.B. Strafbarkeit von Aussagen gegen die nationale Souveränität oder nationale Sicherheit bzw. Herabwürdigung von staatlichen Organen, die im Einzelfall sehr weit ausgelegt werden können.

 

Im Vorfeld der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wurden einige Personen aus der Haft entlassen, die Haftstrafen wegen strafbarer öffentlicher Äußerungen absaßen, jedoch wurde auch 2005 wiederum über einige diesbezügliche neue Verurteilungen berichtet, die jedoch in erster Linie Geldstrafen nach sich zogen.

 

Die strafrechtliche Verfolgung von Personen aufgrund pro-kurdischer Meinungsäußerung hielt an, wenngleich das Berufungsgericht und einige Gerichte unterer Instanzen in zurückweisenden Urteilen das Recht auf freie Meinungsäußerung bekräftigten.

 

Strafverfolgungsmaßnahmen führten jedoch 2005, wie bereits erwähnt nur selten zur Verhängung von Freiheitsstrafen, aber häufig zu hohen Geldbußen. Die rechtliche Grundlage der Verfahren bildeten verschiedene Paragraphen des türkischen Strafgesetzbuches, zum Beispiel solche, welche die "Beleidigung von Staatsorganen" oder die "Anstiftung zu Zwietracht und Hass" unter Strafe stellen. Es wurden aber auch Prozesse auf der Grundlage einer Reihe anderer Gesetze angestrengt, darunter das Anti-Terror-Gesetz, das Gesetz über Versammlungen und Demonstrationen sowie Rechtsvorschriften zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder über Vereinigungen und Stiftungen. Politiker wurden Ziel strafrechtlicher Verfolgung, weil sie im Wahlkampf andere Sprachen als Türkisch verwendet hatten. Des Weiteren wurden unter Berufung auf das alte und das neue Pressegesetz hohe Geldstrafen gegen Zeitungsredaktionen und Journalisten verhängt.

 

Die genannten Gesetze wurden außerdem gegen Menschenrechtsverteidiger angewandt, unter ihnen Rechtsanwälte, Ärzte, Umweltschützer und Gewerkschafter. Sie mussten trotz der zunehmenden Bereitschaft auf Seiten der Regierung, Vertreter der Zivilgesellschaft anzuhören, weiterhin mit Repressionen rechnen. Das Ausmaß der Repressalien war von Provinz zu Provinz unterschiedlich. In einigen Fällen wurden Personen daran gehindert, in der Öffentlichkeit Unterschriftenaktionen zu organisieren, Presseverlautbarungen zu verbreiten oder Kundgebungen abzuhalten. Die UN-Sonderbeauftragte für die Lage von Menschenrechtsverteidigern besuchte das Land im Oktober. Sie verwies mit Sorge auf die nach wie vor durchgeführten Strafverfahren und empfahl die Überprüfung aller anhängigen Verfahren gegen Menschenrechtler. Personen, die sich im Bereich der Menschenrechte engagierten, mussten zudem mit arbeitsrechtlichen Sanktionen wie Entlassung, Suspendierung oder Versetzung an eine von ihrem Heimatort weit entfernte Arbeitsstelle rechnen.

 

Dennoch wird von mehreren Seiten berichtet, dass es in den letzten Monaten wesentlich "leichter" war, Themen wie die historische Rolle der Türkei beim Genozid an den Armeniern oder die Kurdenfrage anzusprechen als in der Vergangenheit und, dass in der Regel derartige Äußerungen nur vereinzelt zu Anklagen führten.

 

Mit Stand November 2005 gibt es in türkischen Haftanstalten keine Personen, die aufgrund einer einfachen Meinungsäußerung ohne radikal islamischen Hintergrund inhaftiert gewesen wären.

 

Pressefreiheit

 

Grundsätzlich konnte auf dem Gebiet der Pressefreiheit in den letzten Jahren eine merkliche Verbesserung der Situation festgestellt werden. Die türkische Regierung ist bemüht, sich grundlegenden internationalen Standards anzupassen. Jedoch muss auch hier angemerkt werden, dass es nach wie vor zu strafrechtlicher Verfolgung kommen kann, wenn Journalisten gewisse "sensible" Themen ansprechen, wie etwa die Kurdenfrage oder die Vertreibung der armenischen Bevölkerung.

 

Es wurden 2005 einige wichtige Schritte zur Demokratisierung und zur Erweiterung der Presse- und Meinungsfreiheit gesetzt. So wurde im Juni 2005 ein neues Pressegesetz erlassen, welches weitergehende Freiheiten für Journalisten einräumt und etwa den Strafrahmen für Ehrenbeleidigung erheblich senkt. Mit Inkrafttreten des neuen Pressegesetzes wurde vom "Press Council" ein neues Rechtsschutzsystem für Journalisten in Kraft gesetzt. Dieses beinhaltet insbesondere freie Rechtsvertretung durch einen Anwalt im Falle einer Anklage.

 

Allerdings ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass die erweiterten Freiheiten durch einige Gesetzesbestimmungen wie z.B. durch Artikel 305 tStGB nach wie vor eingeschränkt werden und eine erstzunehmende Gefahr für Journalisten in der

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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