TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/01 E3 225420-11/2008

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Veröffentlicht am 01.08.2008
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Spruch

E3 225.420-11/2008-14E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. HERZOG-LIEBMINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde des A.H., geb. 00.00.1968, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.06.2006, FZ. 04 02.906-BAI, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und SACHVERHALT

 

1. Der Beschwerdeführer (im folgenden kurz BF), ein türkischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise erstmalig am 07.09.2001 beim Bundesasylamt, Außenstelle Graz, einen Asylantrag. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesasylamt am 30.10.2001 brachte der BF als Fluchtgrund vor, dass er seine Heimat verlassen habe, da er zwei Festnahmen in den Jahren 2000 und 2001, wegen seiner Tätigkeit für die HADEP, verbunden mit Misshandlungen erlitten habe.

 

Des Weiteren brachte der BF vor, dass er unabhängig von diesen beiden angeblichen Festnahmen noch mehrere Vorladungen bei der Polizei gehabt hätte, die ebenfalls mit Folter verbunden gewesen sein sollen.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.11.2001, Zahl: 01 20.654-BAG, wurde der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des nunmehrigen BF in die Türkei zulässig ist. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23.04.2002,

Zahl: 255.420/0-IV/10/01, gemäß § 7 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des nunmehrigen BF in die Türkei zulässig ist. Auch die dagegen eingebrachte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde war nicht erfolgreich; die Behandlung der Beschwerde wurde mit Beschluss des VwGH vom 26.11.2003, Zahl: 2002/20/0305-8, abgelehnt.

 

2. Am 18.02.2004 stellte der BF beim Bundesasylamt, Außenstelle Innsbruck, seinen zweiten, den nunmehr verfahrensgegenständlichen Asylantrag.

 

Am 20.06.2006 wurde der BF beim Bundesasylamt im Beisein eines Dolmetschers für die türkische Sprache niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme brachte der BF vor, dass er seit seiner, vor der Einbringung seines ersten Asylantrages, erfolgen Einreise in das österreichische Bundesgebiet (im Jahre 2001) dieses nicht verlassen habe. Ferner brachte der BF, befragt, ob er seinen Angaben zum ersten Asylverfahren etwas hinzuzufügen habe, bzw., ob es neue Sachverhalte gäbe, explizit vor, dass er dieselben Gründe wie beim ersten Asylantrag vorzubringen habe. Sein diesbezügliches Vorbringen lautete wie folgt:

 

" ...

 

F: Welche Gründe wollen Sie für Ihren zweiten Asylantrag geltend machen?

 

A: Ich habe durch meinen Rechtsanwalt Unterlagen vorlegen lassen, worin steht, dass ich in der Türkei gesucht werde.

 

F: Aus welchen Gründen werden Sie gesucht?

 

A: Ich werde aus den Gründen gesucht, die ich beim ersten Asylantrag geltend machte. Es gibt keinen anderen Grund.

 

F: Möchten Sie, dass Ihnen die Gründe, die Sie im ersten Asylantrag vorgebracht haben, von der Dolmetscherin noch einmal zur Kenntnis gebracht werden?

 

A: Nein, dass ist nicht nötig, ich kann mich noch gut daran erinnern, was ich damals gesagt habe. Andere Gründe gibt es nicht.

 

...

 

F: Gibt es zur Begründung Ihres zweiten Asylantrages neu entstandene Fluchtgründe? Gemeint sind damit Gründe, die nach der ersten Asylantragstellung entstanden sind?

 

A: Nein, neue Fluchtgründe gibt es nicht. Ich möchte heute die gleichen Gründe geltend machen, wie beim ersten Antrag. Das einzige, was sich geänderte hat, ist, dass es jetzt einen Haftbefehl gibt. Aber die Gründe dafür sind nicht neu.

 

...

 

F: Wie sind Sie zu diesem Haftbefehl gekommen?

 

A: Der wurde zu meinem Wohnsitz geschickt. Jemand von meiner Familie hat das Schreiben angenommen.

 

F: Von wem wurde das Schreiben angenommen?

 

A: Dieses Schreiben kam per Post.

 

F: Wann wurde dieses Schreiben Ihrer Familie zugestellt?

 

A: Der Haftbefehl erging am 26.12.2003, ein paar Tage später dürfte er zu Hause gewesen sein. Anfang des Jahres 2004 hat ihn meine Familie mir nach Österreich geschickt.

 

V: Es ist weder glaubhaft noch nachvollziehbar, dass die türkischen Behörden einen Haftbefehl an die Familie schicken!

 

A: Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Ich kann nichts Genaueres darüber sagen. Soweit ich weiß, hat die Familie das per Post bekommen, mehr kann ich dazu nicht sagen.

 

V: Ihre Erklärungen sind nicht nachvollziehbar und ist offensichtlich, dass Ihre Angaben nicht den Tatsachen entsprechen. Dies wird auch dadurch offensichtlich, da das von Ihnen vorgelegte Papier nicht einmal den Normvorschriften eines von offiziellen türkischen Behörden ausgestellten Dokumentes entspricht und ist offensichtlich, dass es sich um eine Fälschung handelt. Sie werden an dieser Stelle nochmals an die Wahrheits- und Mitwirkungspflicht im Asylverfahren aufmerksam gemacht!

 

A: Ich habe den Zettel so bekommen, wie es ist, ich sage die Wahrheit, mehr kann ich dazu nicht vorbringen. Ich weiß nicht, wie die originalen Schreiben aussehen. Ich möchte dazu nur sagen, dass ich selbst nichts verfälscht habe ..."

 

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.06.2006, Zahl: 04 02.906-BAI, wurde dieser zweite Asylantrag des nunmehrigen BF gem. § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen.

 

4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht "Berufung" (nunmehr: Beschwerde) erhoben.

 

5. Hinsichtlich des Verfahrensherganges und Parteienvorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

 

6. Mit Einrichtung des Asylgerichtshofes wurde der gegenständliche Verfahrensakt der Gerichtsabteilung E3 zugeteilt.

 

II. DER ASYLGERICHTSHOF HAT ERWOGEN:

 

1. Gemäß dem Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz, BGBl. I Nr. 4/2008, wurde der Asylgerichtshof - bei gleichzeitigem Außerkrafttreten des Bundesgesetzes über den unabhängigen Bundesasylsenat - eingerichtet und treten die dort getroffenen Änderungen des Asylgesetzes mit 01.07.2008 in Kraft; folglich ist das AsylG 2005 ab diesem Zeitpunkt in der Fassung BGBl. I Nr. 4/2008 anzuwenden.

 

Am 1. Juli 2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren sind vom Asylgerichtshof nach Maßgabe des § 75 AsylG 2005 idF. BGBl. I Nr. 4/2008 weiterzuführen.

 

2. Zuständigkeit der erkennenden Einzelrichterin

 

Gem. § 61 Absatz 3 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5;

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Absatz 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung.

 

Gemäß § 22 Absatz 1 ergehen Entscheidungen des Asylgerichtshofes in der Sache selbst in Form eines Erkenntnisses, alle anderen in Form eines Beschlusses.

 

3. Anzuwendendes Verfahrensrecht

 

Gem. § 23 des Bundesgesetzes über den Asylgerichtshof, BGBl. I, Nr. 4/2008 (Asylgerichtshofgesetz - AsylGHG) idgF sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr.51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt, weshalb im gegenständlichen Fall im hier ersichtlichen Umfang das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr.51 zur Anwendung gelangt.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die erkennende Behörde, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, im Spruch und in der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Im vorliegenden Fall war das AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, die §§ 8, 15, 22, 23 Abs. 3, 5 und 6, 36, 40 und 40a in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003 (im Folgenden: "AsylG 1997"), das AVG, BGBl. Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung und das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der geltenden Fassung anzuwenden. Hinsichtlich des Verfahrens vor dem Asylgerichthof waren die einschlägigen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100 in der geltenden Fassung (im Folgenden: "AsylG 2005") anzuwenden.

 

3. Zu den Entscheidungsgründen:

 

3.1. Gemäß 75 Abs. 4 AsylG begründen ab - oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).

 

3.2. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266).

 

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, Zl. 93/08/0207). Sache des vorliegenden Berufungsverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung nicht neu geltend gemacht werden (s. z.B. VwSlg. 5642A, VwGH 28.11.1968, 23.05.1995, Zl. 94/04/0081; zu Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

 

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, Zl. 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, Zl. 92/12/0127; 23.11.1993, Zl. 91/04/0205; 26.04.1994, Zl. 93/08/0212; 30.01.1995, Zl. 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, Zl. 83/07/0274; 21.02.1991, Zl. 90/09/0162; 10.06.1991, Zl. 89/10/0078; 04.08.1992, Zl. 88/12/0169; 18.03.1994, Zl. 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, Zl. 1202/58; 03.12.1990, Zl. 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH vom 24.02.2000, Zl. 99/20/0173-6).

 

3.2.1. Zunächst ist auszuführen, dass das Bundesasylamt hinsichtlich der Begründung des Bescheides vom 20.06.2006, FZ. 04 02.906-BAI, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesasylamt hat mit dem BF eine Einvernahme durchgeführt und darauf aufbauend richtige Sachverhaltsfeststellungen getroffen. Der festgestellte Sachverhalt, dessen Beweiswürdigung und rechtliche Subsumtion finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid.

 

Der Asylgerichtshof schließt sich daher der Beweiswürdigung, sowie den auch hinsichtlich der rechtlichen Subsumtion nicht zu beanstandenden Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich an und erhebt sie zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses (Das erkennende Gericht ist berechtigt, näher bezeichnete Teile des angefochtenen Bescheides zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das Erk. d. VwGH vom 4. 10. 1995, 95/01/0045; VwGH 24. 11. 1999, 99/01/0280; auch VwGH 8. 3. 1999, 98/01/0278; VwGH 25.03.1999, Zl. 98/20/559, VwGH 30.11.2000, Zl. 2000/20/0356. )

 

3.2.2. Der BF stützt seinen nunmehrigen Asylantrag auf Ereignisse, die bereits vor seiner ersten Antragstellung vorgefallen sein sollen.

 

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Verfolgungsbehauptungen des BF im rechtskräftigen Berufungsverfahren - mit näherer dortiger Begründung und unter Beiziehung eines Sachverständigen - als nicht glaubhaft gewertet wurden. Auch seitens der Verwaltungsgerichtshofes wurde die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 26.11.2003, Zahl: 2002/20/0305-8, abgelehnt.

 

Im vorliegenden Fall wurde der neuerliche Asylantrag anlässlich der am 20.06.2006 erfolgten niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesasylamt nicht anders begründet als mit der expliziten Aufrechterhaltung der im Zuge der ersten Asylantragstellung vorgebrachten Fluchtgründe; zum Vorbringen des BF hinsichtlich des angeblichen Haftbefehls ist vollinhaltlich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zu verweisen und stellt darüber hinaus die Vorlage dieses angeblichen Haftbefehls keine relevante Änderung des Sachverhaltes dar, da der BF explizit angab, dass er dieselben Gründe wie beim ersten Asylantrag vorzubringen habe (siehe weiter oben die wörtlich abgedruckten Aussagen des BF anlässlich seiner niederschriftlichen Vernehmung am 20.06.2006.). Von einer relevanten, wesentlichen Änderung des Sachverhaltes seit der rechtskräftigen Entscheidung über den ersten Asylantrag kann daher nicht die Rede sein.

 

Das Bundesasylamt hat solcherart in Ermangelung zusätzlicher Elemente des Vorbringens des BF, die für die Glaubwürdigkeit oder Asylrelevanz sprechen könnten, zu Recht das diesbezügliche im neuerlichen Asylverfahren erbrachte Vorbringen nicht als neuen entscheidungsrelevanten Sacherverhalt gewertet. Der neuerliche Asylantrag dient demzufolge der Überprüfung einer bereits rechtskräftigen Entscheidung und wurde vom Bundesasylamt daher rechtsrichtig wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.

 

Im gegenständlichen Asylverfahren wurde somit kein entscheidungsrelevanter neuer Sachverhalt im Sinne eines "novum productum" behauptet.

 

Es liegen auch keine Umstände vor, die eine Änderung des Sachverhaltes insofern darstellen, dass sie der Asylgerichtshof von Amts wegen zu berücksichtigen hätte.

 

Die Rechtsansicht der erstinstanzlichen Behörde, dass der BF zur Begründung des neuerlichen Asylantrages keine neuen Fluchtgründe bzw. Gründe vorgebracht habe, sowie, dass der rechtskräftige Bescheid des UBAS, mit welchem der erste Asylantrag des BF abgewiesen wurde, sowohl formell, als auch materiell rechtskräftig geworden sei und daher weder aufgehoben, noch geändert werden dürfe und ferner die Ausnahme der §§ 68, 69 und § 71 AVG nicht vorlägen, kann vor diesem Hindergrund nicht als rechtswidrig erkannt werden. Im gegenständlichen Fall liegt mangels eines neuen, asyl- und entscheidungsrelevanten Vorbringens des BF eindeutig Identität der Sache vor. Ferner ist im Hinblick auf das Vorbringen des BF, zum angeblichen Haftbefehl, festzuhalten, dass die "postalische Zusendung" dieses Schriftstücks, und damit eine Vorwarnung des zu Verhaftenden, grundsätzlich dem Zweck eines Haftbefehls zuwiderlaufen würde, somit grundsätzlich als nicht glaubwürdig zu werten ist, wodurch sich eine Prüfung bezüglich der Echtheit erübrigt. Bestärkt wird diese Feststellung durch die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid unter Bezugnahme auf eine Auskunft der ÖB Ankara vom 00.02.2004 (siehe die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid, Seite 11).

 

3.2.4. Insoweit das Vorbringen des BF unter dem Blickwinkel des Refoulementschutzes (§ 8 AsylG) zu betrachten ist, ist auszuführen, dass bereits im Erstverfahren festgehalten wurde, dass sich aus dem Vorbringen des BF keine, wie immer geartete, Rückkehrgefährdung ergeben habe und habe auch keinerlei Bedrohung im Sinne des § 50 FPG erkannt werden können.

 

Aufgrund dessen, dass auch im zweiten Asylverfahren kein glaubwürdiges konkretes Vorbringen im Hinblick auf eine Bedrohung im Sinne des § 50 FPG erbracht wurde, ist demnach wiederum nur die allgemeine Situation in der Türkei zu betrachten. Auch wenn es in der Türkei aktuell in einigen Kurdenprovinzen zu Auseinandersetzungen beziehungsweise Ausschreitungen kommt, kann nicht festgestellt werden, dass sich jede Person, welche sich dort aufhält schon alleine aufgrund des Faktum der dortigen physischen Präsenz in einer ernsthaften Bedrohungssituation des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson befindet.

 

Von Amts wegen sind seit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Asylverfahrens keine Änderungen der allgemeinen Situation in der Türkei, insbesondere hinsichtlich der kurdischen Volksgruppe, notorisch, welche die Annahme einer allgemeinen extremen Gefährdungslage gerechtfertigt erscheinen lassen würden.

 

3.2.5. Hinsichtlich des vom rechtsfreundlichen Vertreter mit Schriftsatz vom 13.06.2008 ergänzenden Beschwerdevorbringens, in welchem ausgeführt wird, dass der BF über das kurdische Volkshaus I. exilpolitisch tätig sei, er zur Bestätigung dieses Vorbringens ein Beitrittsformular des kurdischen Volkhauses vom 00.00.2007 vorlegt und ausgeführt wird, dass dieser Umstand im Verfahren zu berücksichtigen sei, ist wie folgt auszuführen:

 

Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind; in der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. z.B. VwGH 04.04.2001, Zl. 98/09/0041; VwGH 07.05.1997, Zl. 95/09/0203; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 105 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).

 

Es fällt daher schon aus diesem Grund nicht mehr ins Gewicht, dass Beweismittel, die erst nach Erlassung des Bescheides [hier: Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.06.2006, FZ. 04 02.906-BAI] entstanden sind, weder eine Wiederaufnahme ermöglichen noch das Vorligen einer "neuen Sache" bewirken (vgl. Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 2. Auflage 2002, S. 315). Derartiges könnte allenfalls durch Stellung eines neuen Asylantrages geltend gemacht werden.

 

Daher ist darauf hinzuweisen, dass dieses ergänzende neue Sachverhaltsvorbringen vom 13.06.2008 für den Asylgerichtshof unbeachtlich ist, da die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages wegen geänderten Sachverhaltes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen hat, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind.

 

Da sohin die Prüfung ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen hat, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind und nach der Bescheiderlassung neu entstandene Gründe in der Beschwerde nicht neu geltend gemacht werden können, ist den Ausführungen im ergänzenden Beschwerdevorbringen der Erfolg versagt.

 

3.2.6. Da somit weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar weder im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des BF gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist - noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, steht die Rechtskraft des ergangenen Bescheides des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23.04.2002, Zahl:

255.420/0-IV/10/01, dem neuerlichen Antrag entgegen. Im Lichte dessen ist das Bundesasylamt zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des zweiten Asylantrages das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.

 

3.2.6. Über die Ausweisung des BF war mangels Zuständigkeit des Asylgerichtshofes (seitens der Erstbehörde wurde keine Ausweisungsentscheidung getroffen) nicht abzusprechen.

 

4. Von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung konnte gemäß § 67d Abs. 1 und Abs.4 AVG abgesehen werden.

Schlagworte
Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
20.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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