TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/01 S8 400683-1/2008

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Veröffentlicht am 01.08.2008
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Spruch

S8 400.683-1/2008/2E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Büchele als Einzelrichter über die Beschwerde des B.E., geb. 00.00.1986, StA.

Türkei, Zustellbevollmächtigter: Dr. G. Klodner, SPRAKUIN, Integrationsverein in 1030 Wien, Landstraße Hauptstraße 173-175/15/2, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 09.07.2008,

FZ. 08 04.931 EAST-West, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 29.05.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und wurde am selben Tag von Beamten der österreichischen Polizei, Polizeiinspektion St. Georgen im Attergau, wegen unbefugten Aufenthaltes gemäß § 120 FPG festgenommen. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 00.00.2008 wurde gegen den Beschwerdeführer zur Sicherung des Verfahrens, zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes sowie zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 iVm § 57 AVG die Schubhaft verhängt. Der Beschwerdeführer stellte sodann aus dem Stande der Schubhaft am 05.06.2008 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er wurde hierzu am Tag der Antragstellung durch einen Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Stadtpolizeikommandos Linz erstbefragt.

 

Er gab an, er habe Istanbul am 00.00.2008 legal mit seinem türkischen Reisepass und einem rumänischen Visum (ausgestellt am 00.00.2008, gültig bis 00.00.2008) über Bulgarien nach Österreich verlassen. Er sei mit einem Reisebus bis nach Bukarest gefahren und habe sich dort vom 25.05.2008 bis zum 28.05.2008 aufgehalten. Er habe eine rumänische Schlepperin vermutlich namens Lelita oder Lolita kennen gelernt, die ihm am 28.05.2008 mit dem PKW zu einem Sattelschlepper gebracht habe. Die Fahrt habe etwa vier Stunden gedauert. Versteckt auf der Ladefläche des Sattelschleppers sei er circa 25 Stunden nach Wien gefahren. In Rumänien wolle er sein Asylverfahren nicht weiterführen, weil dieses Land genauso sei wie die Türkei. In Rumänien gäbe es keine Menschenrechte. Sein Ziel sei von Anfang an Österreich gewesen. Sein Heimatland habe er verlassen, weil er Kurde sei und Kurden in der Türkei als Menschen zweiter Klasse angesehen werden. Deshalb habe er keine Arbeit gehabt. Österreich hingegen sei ein demokratisches Land, weshalb er hergekommen sei, um einen Asylantrag zu stellen.

 

2. Am 12.06.2008 richtete das Bundesasylamt auf der Grundlage der konkreten Angaben des Beschwerdeführers ein dringliches Aufnahmeersuchen gemäß Art. 9 Abs. 2 oder 3 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Feststellung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrag zuständig ist (in der Folge: Dublin II-VO) an die zuständige rumänische Behörde, welches am selben Tag elektronisch über DubliNET übermittelt wurde. Die Frist zur Beantwortung wurde darin gemäß Art 17 Abs. 2 Dublin II-VO unter Hinweis auf die gegen den Beschwerdeführer verhängte Haft auf ein Monat verkürzt. Die entsprechende Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 über die Führung von Konsultationen mit Rumänien erhielt der Beschwerdeführer am 12.06.2008. Am 24.06.2008 langte ein Schreiben der rumänischen Behörde beim Bundesasylamt ein, mit dem die Zustimmung Rumäniens gemäß Art. 9 Abs. 2 Dublin II-VO bestätigt wurde.

 

3. Am 26.06.2008 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle West, zur Wahrung des Parteieingehörs in Anwesenheit eines Rechtsberaters statt. Der Beschwerdeführer brachte im Wesentlichen vor, dass er körperlich und geistig in der Lage sei, die Einvernahme durchzuführen. Verwandtschaftliche Beziehungen in Österreich, im EU-Raum, Norwegen und Island habe er nicht und er lebe auch nicht mit jemandem in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Ein Onkel von ihm lebe aber in der Schweiz. Auf Vorhalt des Bundesasylamtes, dass beabsichtigt sei, die Ausweisung des Beschwerdeführers nach Rumänien zu veranlassen, gab er an, er wolle nicht nach Rumänien zurück. Er sei in Rumänien 30 Stunden hungrig gewesen. Er habe keine Informationen und Kenntnisse über Rumänien.

 

4. Mit dem beim Asylgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 09.07.2008, Zahl: 08 04.931 EAST-West, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des nunmehrigen Beschwerdeführers ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 9 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Rumänien zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Rumänien ausgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung und Abschiebung nach Rumänien gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt II.). Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Rumänien, insbesondere zum rumänischen Asylwesen sowie zur medizinischen Versorgung. In der Beweiswürdigung hielt das Bundesasylamt im Wesentlichen fest, dass der nunmehrige Beschwerdeführer keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht habe, dass er Gefahr liefe, in Rumänien Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm auch sonst durch die Überstellung dorthin eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. Weiters drohe keine Verletzung des Art. 8 EMRK.

 

5. Gegen den genannten Bescheid richtet sich die fristgerecht am 22.07.2008 auf dem Faxwege eingebrachte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausführte, dass die Flüchtlingsanhaltezentren in Rumänien den europäischen Standards nicht entsprechen würden. Es bestehe ein Staatsvertrag zwischen der Türkei und Rumänien und werden auf Grundlage dieses Staatsvertrages kurdische Kämpfe in die Türkei ausgeliefert.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den Ausführungen zu Punkt I. sowie aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.

 

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein nicht gemäß § 4 AsylG 2005 erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG 2005 mit einer Ausweisung zu verbinden. Die Dublin-Verordnung ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der ersten Säule der Europäischen Union (vgl. Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen (Angehörige aus Staaten die nicht im Geltungsbereich der Dublin-Verordnung stehen) innerhalb der Europäischen Union sowie Norwegen und Island trifft. Nach dieser Regelung kommt Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zu. Die Verfahrenzuständigkeit ergibt aus den in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Kriterien.

 

2.1. Es ist daher zunächst zu überprüfen, welcher Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin-Verordnung) Kriterien der Art. 6 bis 12 bzw. 14 und Art. 15 der Dublin-Verordnung, beziehungsweise dem Auffangtatbestand des Art. 13 zur inhaltlichen Prüfung zuständig ist.

 

2.1.1. Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Zuständigkeit Rumäniens gemäß Art. 9 Abs. 4 Dublin II-VO kraft gültigem rumänischen Visums besteht. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben. Dem wurde im Verfahren auch nicht widersprochen.

 

2.1.2. Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, dass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin-Verordnung - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex 1/2007, 22 ff; vgl. auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313). Das Konsultationsverfahren erfolgte mängelfrei.

 

2.2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der VfGH hat mit Erkenntnis VfSlg. 17.586/2005 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin-Verordnung bereits erfolgt sei. Er hat aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung zwingend durch eine mögliche Verletzung der Rechte nach Art. 3 oder Art. 8 EMRK geboten sei.

 

2.2.1. Zur möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK:

 

Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung (in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EGMR) lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigender notorischer Umstände von Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade im Fall des Beschwerdeführers eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl. 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Verletzung der EMRK darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin-Verordnung). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin-Verordnung, K13. zu Art. 19 Dublin-Verordnung).

 

Der Asylgerichtshof hat weiters folgende Umstände zu berücksichtigen:

 

Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.

 

Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.

 

Der Verordnungsgeber der Dublin-Verordnung, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl. insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin-Verordnung), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin-Verordnung umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren verbietet) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18 ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin-Verordnung², K8. bis K13. zu Art. 19).

 

Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).

 

Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 überhaupt für unbeachtlich zu erklären. Insbesondere ist der vom Beschwerdeführer genannten Staatsvertrag zwischen der Türkei und Rumänien über die Abschiebung von kurdischen Kämpfern dem Asylgerichtshof nicht bekannt und konnte dieser auch keine Anhaltspunkte glaubhaft machen, dass ihm aufgrund dieses Staatsvertrages eine Abschiebung ohne vorangegangenes Asylverfahren seitens der rumänischen Behörde drohe.

 

2.2.1.1. Zur Kritik am rumänischen Asylwesen:

 

Der Beschwerdeführer hat während des gesamten Verfahrens kein Vorbringen erstattet, welchem zu entnehmen ist, aus welchen Gründen er nicht nach Rumänien wolle. Erstmals in der Beschwerde wurde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Situation in den Flüchtlingsanhaltezentren, welche den europäischen Mindestanforderungen nicht entsprächen, nicht nach Rumänien rückgeschoben werden möchte. Dieses Vorbringen wurde allerdings lediglich unsubstantiiert in den Raum gestellt ohne dies näher auszuführen oder anzugeben, inwiefern der Beschwerdeführer individuell und konkret davon betroffen sei; es wurden weder - den erstinstanzlichen Länderfeststellungen widersprechende - Berichte vorgelegt, noch finden sich in der Beschwerde Hinweise oder Quellenangaben, die das Beschwerdevorbringen stützen.

 

Der Beschwerdeführer hat sohin kein Vorbringen erstattet, das die Annahme rechtfertigen könnte, dass ihm in Rumänien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.

 

Soweit aus dem Vorbringen bzw. aus der Beschwerde herauszulesen ist, dass der Beschwerdeführer in Rumänien möglicherweise kein Asyl erhalten werde und in die Türkei abgeschoben werden könnte, ist ihm entgegenzuhalten, dass es nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörden sein kann, "hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang" eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095).

 

Im Zusammenhang mit dem rumänischen Asylverfahren ist lediglich der Vollständigkeit halber noch anzuführen, dass von Seiten der Republik Rumänien keine systemwidrigen Verletzungen der Verpflichtungen aus der Dublin II-VO bekannt sind. Auch geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat sind für sich genommen keine ausreichende Grundlage dafür, dass die österreichischen Asylbehörden vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müssten (vgl. u.a. VwGH vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095). Im Übrigen wird auch auf die Länderfeststellungen im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen, welche sich mit dem rumänischen Asylverfahren eingehend auseinandersetzen.

 

2.2.1.2. Zur Kritik an der Versorgung von Asylwerbern in Rumänien:

 

Eine grundsätzliche bzw. systematische Verletzung dieser Pflicht durch Rumänien ist nicht bekannt. Hierfür bestehen gegenwärtig keine Anzeichen. Dass für den Beschwerdeführer die reale Gefahr besteht, in seinem konkreten Fall keine Basisversorgung in Rumänien zu erhalten, wenn er diese tatsächlich beanspruchen würde, ist für den Asylgerichtshof im Rahmen einer gesamthaften Abwägung nicht ersichtlich. Insbesondere in Hinblick auf die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sowie die im angefochtenen Bescheid dargelegten Ausführungen zur Versorgungssituation von Flüchtlingen in Rumänien, bestehen für den Asylgerichtshof keine Zweifel an einer Art. 3 EMRK-Konformität der Überstellung des Beschwerdeführers nach Rumänien. Im Übrigen wird in diesem Zusammenhang auf die Länderfeststellung im erstinstanzlichen Bescheid verwiesen.

 

2.2.1.3. Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK

 

Es leben keine Angehörigen der Kernfamilie des Beschwerdeführers in Österreich. Die diesbezüglichen Ausführungen der Erstbehörde treffen zu, diesen ist in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten worden. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11).

 

2.2.2. Zusammenfassend sieht der Asylgerichtshof im Einklang mit der diesbezüglichen Sichtweise des Bundesasylamtes keinen Anlass, Österreich zwingend zur Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung infolge drohender Verletzung von Art. 3 oder Art. 8 EMRK zu verpflichten. Spruchpunkt I. der erstinstanzlichen Entscheidung war sohin bei Übernahme der Beweisergebnisse und rechtlichen Würdigung der Erstbehörde mit obiger näherer Begründung zu bestätigen.

 

2.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Die Erwägungen des Bundesasylamtes zu Spruchpunkt II. waren vollinhaltlich zu übernehmen. Auch im Beschwerdeverfahren sind keine Hinweise hervorgekommen, die eine Aussetzung der Überstellung des Beschwerdeführers erforderlich erscheinen ließen. Diese erweist sich daher bezogen auf den Entscheidungszeitpunkt als zulässig.

 

2.4. Gemäß § 41 Abs. 4 Asyl G 2005 konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte angesichts des Spruchinhaltes entfallen.

Schlagworte
Ausweisung, Rechtsschutzstandard, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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