TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/01 B3 400740-1/2008

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Veröffentlicht am 01.08.2008
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Spruch

B3 400740-1/2008/4E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Karin WINTER als Vorsitzende und den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Beisitzer über die Beschwerde des S.D., geboren am 00.00.1976, StA. Serbien, vertreten durch Mag. Johann Galanda und Dr. Anja Oberkofler, Rechtsanwälte in 1120 Wien, Arndtstraße 87/12, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17. Juli 2008, Zl. 07 05.342 - BAW, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang:

 

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein serbischer Staatsbürger, stammt aus K. und gehört der Volksgruppe der Roma an. Er stellte am 12. Juni 2007 einen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge auch: Asylantrag).

 

Bei seinen Einvernahmen am 12. Juni 2007, 15. Oktober 2007 und 1. Juli 2008 gab der Beschwerdeführer - zusammengefasst - an, in seinem Heimatort "ständig" von denselben Polizeibeamten misshandelt worden zu sein. "Jedes Mal", wenn "ein Verdächtiger gesucht" worden sei, habe man den Beschwerdeführer aufgesucht. Er sei oft festgenommen und geschlagen worden. Manchmal sei er zweimal die Woche, manchmal nur einmal pro Woche, mitgenommen worden. Man habe ihn zwingen wollen, Geständnisse über "Dinge" abzulegen, die er nicht begangen habe. Anzeige bei einer anderen Polizeistation habe er nicht erstattet, da ihm mit dem Umbringen gedroht worden sei, sollte er diesbezüglich etwas unternehmen. Neun Jahre zuvor sei sein Bruder an Misshandlungen durch die Polizei gestorben. Im Jahr 2000 habe der Beschwerdeführer Serbien verlassen und sich zunächst drei Jahre in Italien aufgehalten. Dort habe er keinen Asylantrag gestellt. Anschließend sei er nach Frankreich gereist, wo er einen Asylantrag gestellt habe. Da sein Stiefvater verstorben sei, sei er "2005" wieder nach Serbien zurückgekehrt. Von dort sei er am 11. Juni 2007 nach Österreich gereist.

 

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG dem Beschwerdeführer den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Serbien aus (Spruchpunkt III.); gemäß § 38 Abs. 1 Z 2 und 5 AsylG erkannte das Bundesasylamt einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.).

 

Das Bundesasylamt traf Feststellungen zur Situation in Serbien, darunter auch zur Lage der Roma, und zur Person des Beschwerdeführers. Es beurteilte die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Verfolgung in Serbien als unglaubwürdig und schätzte die Situation der Roma in Serbien nicht so ein, dass sich daraus die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung oder eine Gefährdung iSd § 8 Abs. 1 AsylG ergäbe. Für Spruchpunkt IV. seines Bescheides berief sich das Bundesasylamt auf § 38 Abs. 1 Z 2 und 5 AsylG und führte lediglich dazu aus, der Beschwerdeführer habe "erklärt, bereits im Jahr 2005 illegal ins Bundesgebiet eingereist" zu sein. Er sei damit "wesentlich länger als drei Monate vor Asylantragstellung im Bundesgebiet aufhältig" gewesen. Weiters entspreche das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner Bedrohungssituation "offensichtlich nicht den Tatsachen".

 

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende fristgerecht eingebrachte Beschwerde. In dieser wird u.a. beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat, soweit sie sich gegen Spruchpunkt IV des angefochtenen

 

Bescheides richtet, erwogen:

 

1.1.1. Gemäß § 75 Abs. 1 AsylG sind "[A]lle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren [...] nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt."

 

1.1.2. Der Beschwerdeführer hat seinen Asylantrag nach dem 31. Dezember 2005 gestellt; das Verfahren ist daher nach dem Asylgesetz 2005 zu führen.

 

1.2.1. Gemäß § 36 Abs. 2 AsylG kommt der Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung und die damit verbundene Ausweisung die aufschiebende Wirkung zu, wenn sie nicht aberkannt wird.

 

§ 38 Abs. 1 AsylG lautet:

 

"Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz und der damit verbundenen Ausweisung kann das Bundesasylamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

 

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 39) stammt;

 

2. sich der Asylwerber vor der Antragstellung schon mindestens drei Monate in Österreich aufgehalten hat, es sei denn, dass er den Antrag auf internationalen Schutz auf Grund besonderer, nicht von ihm zu vertretender Umstände nicht binnen drei Monaten nach der Einreise stellen konnte. Dem gleichzuhalten sind erhebliche, verfolgungsrelevante Änderungen der Umstände im Herkunftsstaat;

 

3. der Asylwerber die Asylbehörde über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat;

 

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat;

 

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht oder

 

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung und ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist."

 

2.1.1.1. Das Bundesasylamt hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zunächst auf § 38 Abs. 1 Z 2 AsylG gestützt. Der Beschwerdeführer gab bei seiner Erstbefragung am 12. Juni 2007 an, am 11. Juni 2007 Serbien verlassen zu haben und am Tag darauf in Österreich eingereist zu sein, wobei er jeweils genaue Orts- und Zeitangaben zu seinen Abreise- bzw. Einreiseorten gab (AS 7). Bei seiner Einvernahme am 1. Juli 2008 führte er aus, "2005" nach Österreich eingereist bzw. "seit einem Jahr" in Österreich zu sein (AS 255). Unter Zugrundelegung dieser Angaben reicht es jedoch nicht aus, ohne Berücksichtungen seiner konkreten Einreiseangaben bei seiner Erstbefragung schlicht festzustellen, der Beschwerdeführer habe "erklärt, wesentlich länger als drei Monate vor Asylantragstellung im Bundesgebiet aufhältig" gewesen zu sein.

 

2.1.1.2. § 38 Abs 1 Z 2 AsylG ist daher nicht erfüllt.

 

2.1.2.1. Das Bundesasylamt hat die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung weiters auf die Ziffer 5 des § 38 Abs. 1 Z 5 AsylG gestützt.

§ 38 Abs. 1 Z 5 AsylG setzt voraus, dass das Vorbringen des Asylwerbers offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche. Eine "schlichte" Unglaubwürdigkeit des Vorbringens kann daher die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach dieser Bestimmung nicht tragen. Der Asylgerichtshof verweist dazu auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum gleichlautenden § 6 Z 3 AsylG 1997 idF vor der AsylGNov. 2003, nach welcher die "schlichte" Unglaubwürdigkeit kein entscheidungswesentliches Begründungselement war (VwGH 7.9.2000, 99/01/0273; 22.5.2001, 2000/01/0294; 7.6.2001, 99/20/0429; 19.7.2001, 99/20/0385; 21.8.2001, 2000/01/0214; 31.5.2001, 2000/20/0496; 31.1.2002, 2001/20/0381; 11.6.2002, 2001/01/0266). Kam die Asylbehörde auf dem Boden ihrer Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen eines Asylwerbers als unglaubwürdig zu werten war, so war damit noch nichts darüber ausgesagt, ob es ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit erreichte, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt war. Dies konnte nur dann angenommen werden, wenn Umstände vorlagen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der Angaben vor Augen führten. Es musste unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig war. Dieses Urteil musste sich quasi "aufdrängen", die dazu führenden Gesichtspunkte mussten klar auf der Hand liegen, sei es allenfalls auch deshalb, weil nach einem Ermittlungsverfahren "Hilfstatsachen" substantiell unbestritten blieben. Im Ergebnis setzte die erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedurfte, um zu erkennen, dass das Vorbringen eines Asylwerbers nicht den Tatsachen entsprach (VwGH 21.8.2001, 2000/01/0214; ähnlich VwGH 31.1.2002, 2001/20/0381; 11.6.2002, 2001/01/0266). Nur dann, wenn es "unmittelbar einsichtig" war und sich das Urteil quasi "aufdrängte", die Schilderungen des Asylwerbers, die für die Beurteilung seines Asylansuchens maßgeblich waren, seien tatsächlich wahrheitswidrig, erreichte das Vorbringen ein solches Maß an Unglaubwürdigkeit, dass der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 erfüllt war (VwGH 27.9.2001, 2001/20/0393). Bei der Anwendung des § 6 AsylG 1997 konnte es typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, aber nicht um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen (VwGH 19.12.2001, 2001/20/0442).

 

2.1.2.2. Das Bundesasylamt ist davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Z 5 AsylG vorliegen. Betrachtet man jedoch das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Gesamtheit, kann nicht davon gesprochen werden, dass es den Kriterien der "qualifizierten Unglaubwürdigkeit" entspricht.

 

§ 38 Abs. 1 Z 5 AsylG ist somit nicht erfüllt. Ob das Vorbringen des Beschwerdeführers "schlicht" unglaubwürdig ist, ist in diesem Zusammenhang nicht zu untersuchen. Dass ein Vorbringen nicht "qualifiziert" unglaubwürdig ist, hat im Übrigen - wie zur Klarstellung ausgeführt sei - nichts mit der Qualität der Beweiswürdigung zu tun, sondern ergibt sich aus dem Vorbringen (und den weiteren Beweismitteln) selbst.

 

2.3. Da (auch sonst) keiner der Tatbestände des § 38 Abs. 1 AsylG erfüllt ist, hätte das Bundesasylamt der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht aberkennen dürfen.

 

2.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 38 Abs. 2 AsylG zuzuerkennen, abzusprechen, der überdies gesetzlich nicht vorgesehen ist.

 

Über die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides richtet, wird gesondert entschieden werden.

Schlagworte
aufschiebende Wirkung
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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