TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/04 S5 318219-3/2008

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Veröffentlicht am 04.08.2008
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Spruch

S5 318.219-3/2008/3E

 

S5 400.735-1/2008/2E

 

S5 318.220-3/2008/2E

 

S5 318.221-3/2008/2E

 

Erkenntnis

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Harald Benda als Einzelrichter über die Beschwerde 1. der H.Z., geb. 00.00.1982, 2. des H.R., geb. 00.00.1981, 3. des H.B., geb. 00.00.2007, 4. der H.K., geb. 00.00.2006, 1.-Beschwerdeführerin und 2.-Beschwerdeführer vertreten durch RA Mag. Bernhard Rosenkranz, Plainstraße 23, 5020 Salzburg und StA. der Russischen Föderation, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 10.7.2008, Zahl: 08 01.149-BAL (ad 1.), vom 18.7.2008, Zahl: 08 05.093-EAST WEST (ad 2.), vom 10.7.2008, Zahl:

08 01.147-BAL (ad 3.), vom 10.7.2008, Zahl: 08 01.148-BAL (ad 4.), gem. § 66 Abs. 4 AVG iVm § 61 Abs. 3 Z 1 lit b des Asylgesetzes 2005 idgF (AsylG) zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 5 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 AsylG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Die 1-Beschwerdeführerin ist Ehegattin des 2.-Beschwerdeführers und Mutter der mj. 3.- und 4.- Beschwerdeführer, alle sind Staatsangehörige von Russland und gehören der tschetschenischen Volksgruppe an. Die 1.-Beschwerdeführerin reiste zusammen mit dem 2.-Beschwerdeführer und der mj. 4.-Beschwerdeführerin zunächst im April 2007 von Dagestan nach Weißrussland, von wo aus die 1.-Beschwerdefüherin in der Folge zusammen mit der 4.-Beschwerdeführerin nach Polen weiterreiste und dort am 12.5.2007 einen Asylantrag stellte, während der 2.-Beschwerdeführer von Weißrussland nach Deutschland weiterreiste und dort am 29.5.2007 einen Asylantrag stellte. Die 1.-Beschwerdeführerin reiste sodann am 30.1.2008 zusammen mit dem in Polen nachgeborenen 3.-Beschwerdeführer und der 4.-Beschwerdeführerin direkt von Polen nach Österreich, wo sie am selben Tag für sich und als gesetzliche Vertreterin für ihre minderjährigen Kinder Anträge auf internationalen Schutz stellte. Ihr Ehegatte reiste am 11.6.2008 von Deutschland aus nach Österreich, wo er am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellte (vgl. Eurodac-Treffer Aktenseite 3, 19 u. des Verwaltungsaktes der 1.-Beschwerdeführerin sowie Eurodac-Treffer Aktenseite 17 u. 29 des Verwaltungsaktes des 2.-Beschwerdeführers).

 

Mit E-Mail vom 5.2.2008 ersuchte Österreich Polen um Übernahme der 1.-Beschwerdeführerin sowie ihrer beiden minderjährigen Kinder (Aktenseite 39 des Verwaltungsaktes der 1.-Beschwerdeführerin).

 

Polen hat sich mit Fax vom 13.2.2008, datiert 12.2.2008, (Aktenseite 79 des Verwaltungsaktes der 1.-Beschwerdeführerin) bereit erklärt, diese gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wieder aufzunehmen. Weiters ersuchte Österreich Polen mit E-mail vom 17.6.2008 um Übernahme des 2.-Beschwerdeführers (Aktenseite 53 des Verwaltungsaktes des 2.-Beschwerdeführers). Polen hat sich mit Fax vom 25.6.2008, datiert 24.6.2008, (Aktenseite 117 des Verwaltungsaktes des 2.-Beschwerdeführers) bereit erklärt, den 2.-Beschwerdeführer gem. Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) aufzunehmen und seinen Asylantrag zu prüfen.

 

Die Anträge auf internationalen Schutz der 1.-Beschwerdeführerin sowie des 3.-Beschwerdeführers und der 4.-Beschwerdeführerin wurden zunächst jeweils mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 29.2.2008, Zlen: 08 01.149-EAST-WEST (ad 1.), 08 01.147-EAST-WEST (ad 3.), 08 01.148-EAST-WEST (ad 4.), gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diese Bescheide haben die 1.-Beschwerdeführerin, der 3.-Beschwerdeführer und die 4.-Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde (nach der damaligen Diktion Berufung) erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass das Konsultationsverfahren zwischen Österreich und Polen insofern fehlerhaft geführt worden sei, als die polnischen Asylbehörden unzutreffender weise den Eindruck erweckt hätten, dass das Asylverfahren der 1.-Beschwerdeführerin noch anhängig sei.

 

Mit Bescheiden des Unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom 18.3.2008, Zlen: 318.219-1/3E-VIII/40/08 (ad 1.), 318.220-1/2E-VIII/40/08 (ad 3.), 318.221-1/2-VIII/40/08 (ad 4.) wurde den Beschwerden gegen oben angeführte Bescheide gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben, die bekämpften Bescheide behoben und begründend zusammengefasst ausgeführt, dass im Hinblick auf die Beurteilung der Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer nach Polen zu ermitteln sei, ob Polen diese trotz rechtkräftigem Abschluss ihrer Verfahren wiederaufnehmen, versorgen und ihnen den erneuten Zugang zu einem Asylverfahren gewährleisten würde.

 

In der Folge ersuchte das Bundesasylamt die polnische Dublinbehörde um Mitteilung des Verfahrensstandes des (polnischen) Asylverfahrens der 1.-Berschwerdeführerin (Aktenseite 369 des Verwaltungsaktes der 1.-Beschwerdeführerin). Mit Fax vom 11.4.2008 (Aktenseite 383 des Verwaltungsaktes der 1.-Beschwerdeführerin) teilte die polnische Dublinbehörde mit, dass bereits am 22.11.2007 eine erstinstanzliche negative Entscheidung über den Asylantrag der 1.-Beschwerdeführerin ergangen sei, sich deren Asylverfahren nun im Berufungsstadium befände.

 

Die Anträge auf internationalen Schutz der 1.-Beschwerdeführerin sowie des 3.-Beschwerdeführers und der 4.-Beschwerdeführerin wurden sodann nach Wahrung des Parteiengehörs erneut jeweils mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 8.5.2008, Zlen: 08 01.149-BAL (ad 1.), 08 01.147-BAL (ad 3.), 08 01.148-BAL (ad 4.), gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diese Bescheide haben die 1.-Beschwerdeführerin, der 3.-Beschwerdeführer und die 4.-Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben.

 

Mit Bescheiden des Unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom 21.5.2008, Zlen: 318.219-2/5E-VIII/40/08 (ad 1.), 318.220-2/2E-VIII/40/08 (ad 3.), 318.221-2/2-VIII/40/08 (ad 4.) wurde den Beschwerden gegen oben angeführte Bescheide gemäß § 41 Abs. 3 AsylG erneut stattgegeben und die bekämpften Bescheide behoben und erneut begründend ausgeführt, dass seitens des Bundesasylamtes durch Konsultationen sicherzustellen sei, dass Polen die Beschwerdeführer auch nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens in Polen wiederaufnehmen würde, diese diesfalls die Möglichkeit hätten, einen neuen Asylantrag zu stellen, weiters zu prüfen sei, ob ihnen eine Kettenabschiebung drohe und schließlich Ermittlungen hinsichtlich der Versorgungsleistungen in Polen anzustellen seien.

 

Mit Stellungnahme vom 20.5.2008 übermittelte der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführer ein Schreiben der polnischen Dublinbehörde, welchem zu entnehmen ist, dass die negative erstinstanzliche Entscheidung über den Asylantrag der 1.-Beschwerdeführerin in Polen von der Berufungsbehörde am 5.2.2008 bestätigt wurde (Aktenseite 669 des Verwaltungsaktes der 1.-Beschwerdeführerin).

 

Die Anträge auf internationalen Schutz der 1.-Beschwerdeführerin sowie des 3.-Beschwerdeführers und der 4.-Beschwerdeführerin wurden sodann erneut jeweils mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 10.7.2008, Zlen: 08 01.149-BAL (ad 1.), 08 01.147-BAL (ad 3.), 08 01.148-BAL (ad 4.), gem. § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und die Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Der Antrag des 2.-Beschwerdeführers wurde in der Folge mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.7.2008, Zahl: 08 05.093-EAST-WEST, als unzulässig zurückgewiesen und der Antragsteller gem. § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen.

 

Gegen diese Bescheide haben die Beschwerdeführer durch ihren ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und hiebei im Wesentlichen geltend gemacht, dass zu erwarten sei, dass die 1.-Beschwerderführerin damit zu rechnen habe, dass sie ohne weitere Prüfung ihres Asylantrages nach Russland abgeschoben würde. Der 1.-Beschwerdeführerin stünde in Polen kein den Mindeststandards gerecht werdendes Verfahren offen. Auch sei nicht nachvollziehbar, inwieweit das Bundesasylamt den ihm durch den Unabhängigen Bundesasylsenates aufgetragenen Ermittlungen nachgekommen sei. Weiters habe das Bundesasylamt zu Unrecht das Vorliegen eines Familienlebens zwischen der 1.-Beschwerdeführerin und ihrem in Österreich lebenden Bruder verneint. Letztlich sei die Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes betreffend die 1.-Beschwerdeführerin durch Hinterlegung während des zwischen 17.7.2008 bis 24.7.2008 erfolgten Urlaubsaufenthaltes des rechtsfreundlichen Vertreters der Beschwerdeführer nicht rechtswirksam erfolgt und würde daher eine nochmalige Zustellung beantragt.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Mit 1.7.2008 ist das Asylgerichtshofgesetz (AsylGHG) in Kraft getreten.

 

Mit 1.1.2006 ist das Asylgesetz 2005 (AsylG) in Kraft getreten.

 

§ 61 AsylG 2005 lautet wie folgt:

 

(1) Der Asylgerichtshof entscheidet in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

(2) Beschwerden gemäß Abs. 1 Z 2 sind beim Asylgerichtshof einzubringen. Im Fall der Verletzung der Entscheidungspflicht geht die Entscheidung auf den Asylgerichtshof über. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden des Bundesasylamtes zurückzuführen ist.

 

(3) Der Asylgerichtshof entscheidet durch Einzelrichter über Beschwerden gegen

 

1. zurückweisende Bescheide

 

a) wegen Drittstaatssicherheit gemäß § 4;

 

b) wegen Zuständigkeit eines anderen Staates gemäß § 5

 

c) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG, und

 

2. die mit diesen Entscheidungen verbundene Ausweisung

 

(4) Über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde entscheidet der für die Behandlung der Beschwerde zuständige Einzelrichter oder Senatsvorsitzende.

 

Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin - Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

 

Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesasylamt oder beim Asylgerichtshof offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn 1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder 2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

§ 34 Abs. 1 AsylG lautet: "Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von

 

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

 

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

 

3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

Familienangehörige sind gem. § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines

 

Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

Polen hat auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c bzw. Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) akzeptiert, die Asylwerber wieder aufzunehmen bzw. aufzunehmen.

 

Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) lautet wie folgt:

 

Stellen mehrere Mitglieder einer Familie in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe einen Asylantrag, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können, und könnte die Anwendung der in dieser Verordnung genannten Kriterien ihre Trennung zur Folge haben, so gilt für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats Folgendes:

 

zuständig für die Prüfung der Asylanträge sämtlicher Familienmitglieder ist der Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Aufnahme des größten Teils der Familienmitglieder zuständig ist;

 

andernfalls obliegt die Prüfung dem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten Familienmitglied eingereichten Asylantrags zuständig ist.

 

Bereits das Bundesasylamt hat in der Begründung der angefochtenen Bescheide die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, darunter auch Feststellungen zum polnischen Asylverfahren und dessen Praxis sowie zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen sowie die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage rechtsrichtig ausgeführt. Der Asylgerichtshof schließt sich den Ausführungen des Bundesasylamtes in den angefochtenen Bescheiden hinsichtlich beider Spruchpunkte vollinhaltlich an und erhebt diese zum Inhalt des gegenständlichen Erkenntnisses.

 

Lediglich sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass sich die zur Überstellung des 2.-Berschwerdeführers (dh. des Ehegatten der 1.-Beschwerdeführerin) herangezogene Rechtsgrundlage des Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) insofern als verfehlt erweist, als diese Bestimmung nicht Fallkonstellationen betrifft, in denen zumindest für einen der Familienangehörigen die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates bereits feststeht (vgl. Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung2, 2006, K8 zu Art. 14, Seite 105) und im Falle der 1.-Beschwerdeführerin angesichts des bereits vor ihrer Einreise nach Österreich erstinstanzlich abgeschlossenen Asylverfahrens in Polen die Zuständigkeit Polens in Bezug auf die 1.-Beschwerdeführerin jedenfalls zum Zeitpunkt des durch Österreich gestellten Aufnahmeersuchens betreffend den 2.-Beschwerdeführer festgestanden hat. Ausgehend davon, dass die Ausweisung der 1.-, 3.- und 4.-Beschwerdeführer ohne den 2.-Beschwerdeführer (Ehegatte der 1.-Beschwerdefüherin und Vater der minderjährigen 3.- und 4.-Beschwerdeführer) diese in ihrem Recht auf Familienleben gemäß Art. 8 EMRK verletzen würde, käme eine Zuständigkeit Polens zur Übernahme des 2.-Beschwerdeführers und Prüfung seines Asylantrages sohin - da Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) wie oben dargestellt als diesbezügliche Rechtsgrundlage ausscheidet - lediglich aufgrund eines Selbsteintritts Polens iSd Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II) in Frage (vgl. Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung2, 2006, K8 zu Art. 14, Seite 105).

 

Dass Polen im Falle des 2.-Beschwerdeführers bereits mit seiner Zustimmungserklärung zur Aufnahme des 2.-Beschwerdeführers von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch gemacht hat, kann in casu bei einer Gesamtbetrachtung bejaht werden: Aus dem Verwaltungsakt ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Konsultationsverfahren mit Polen in Bezug auf die Übernahme des 2.-Beschwerdeführers mangelhaft geführt worden wäre. Insbesondere wurden den polnischen Behörden sämtliche relevante Informationen betreffend den 2.-Beschwerdeführer wie etwa dessen erfolgte Asylantragstellung in Deutschland zur Verfügung gestellt und hatten die polnischen Behörden Zugang zu den Verfahrensdaten des Asylverfahrens der 1.-Beschwerdeführerin, sodass gerechtfertigt erscheint, die Zustimmungserklärung Polens zur Übernahme des 2.-Beschwerdeführers und zur inhaltlichen Prüfung seines Asylantrages als Selbsteintritt zu bewerten. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die letztlich auf der Basis einer zu Unrecht herangezogenen Rechtsgrundlage erfolgte Zustimmungserklärung seitens Polen somit nichts an der wirksamen Zuständigkeitsbegründung dieses Mitgliedstaates zu ändern vermag.

 

Soweit in der Beschwerde geltend gemacht wird, dass den 1.-, 3.- und 4.- Beschwerdeführern angesichts ihrer bereits in Polen abgeschlossenen Asylverfahren im Falle ihrer Überstellung nach Polen ihre Kettenabschiebung nach Russland drohen würde und ihnen weiters in Polen der Zugang zu einem Asylverfahren verwehrt wäre, ist einzuwenden, dass sich aus den dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Länderfeststellungen, hinsichtlich deren inhaltlicher Richtigkeit der Asylgerichtshof keine Bedenken hegt, ergibt, dass auch Personen, deren Asylanträge bereits rechtskräftig abgelehnt wurden, nach einer auf der Grundlage der Dublin-Verordnung erfolgten Rücküberstellung nach Polen wieder aufgenommen werden und diese Personen damit Zugang zu einem inhaltlichen Verfahren haben. Weiters geht aus den Länderfeststellungen hervor, dass es bei Asylwerbern aus dem Nordkaukasus "jedenfalls zu einer individuellen Prüfung jedes Asylantrages" kommt (Seite 14 des angefochtenen Bescheides). Angesichts dieser aktuellen Feststellungen, welche klar darüber Auskunft geben, wie der polnische Staat mit Asylwerbern, deren Verfahren bereits negativ entschieden wurde und die infolge einer Weiterreise in einen anderen Dublin-Staat nunmehr nach Polen rücküberstellt werden, zu verfahren pflegt, kann somit nicht erkannt werden, dass das Bundesasylamt weitere Ermittlungen konkret im Hinblick auf das die 1.-, 3.-und 4.-Beschwerdeführer in Polen zu erwartende Schicksal tätigen hätte müssen, um dem Ermittlungsauftrag des Unabhängigen Bundesasylsenates in dessen Bescheiden vom 21.5.2008, Zlen: 318.219-2/5E-VIII/40/08 (ad 1.), 318.220-2/2E-VIII/40/08 (ad 3.), 318.221-2/2-VIII/40/08 (ad 4.) zu entsprechen.

 

Ebenso ist dem Einwand in der Beschwerde, wonach den Beschwerdeführern in Polen kein den Mindeststandards gerecht werdendes Asylverfahren offenstünde, damit entgegenzutreten, dass - wie auch bereits das Bundesasylamt im angefochtenen Bescheid zutreffend festgehalten hat - keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Asylverfahren in Polen die europäischen Menschenrechtsstandards qualifiziert unterschreiten würden.

 

Auch geht aus den erstinstanzlichen Länderfeststellungen hervor, dass in Polen jedem Asylwerber, der nicht in der Lage ist, für seinen Aufenthalt in Polen selbst aufzukommen, eine umfassende Versorgung gewährt wird, wobei hierzu eine umfassende medizinische Versorgung, Unterkunft und ausreichende Verpflegung gehören (Seite 17 des angefochtenen Bescheides), sodass letztlich nicht zu befürchten ist, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Überstellung nach Polen in eine existentielle Notlage geraten müssten.

 

Hinsichtlich der von der 1.-Beschwerdeführerin geltend gemachten Verletzung ihres Rechts auf Familienleben gemäß Art. 8 EMRK im Falle ihrer Überstellung nach Polen ist auszuführen, dass das einer Vorliegen einer "intensiven" Nahebeziehung der 1.-Beschwerdeführerin zu ihrem in Österreich lebenden Bruder schon durch ihre Angaben insofern relativiert wird, als sie ihren Kontakt mit diesem in Österreich vor dem Bundesasylamt dergestalt geschildert hat, dass sie mit ihrem Bruder telefonieren würde, er sie auch einmal in P. besuchte hätte (Aktenseite 97), sie ihren Bruder zweimal im Monat besuchen würde und von diesem dann Lebensmittel und Windeln für ihre Kinder erhalten würde (Aktenseite 409) und diese Angaben letztlich keinesfalls geeignet erscheinen, ein

 

"Familienleben" in der geforderten Intensität des Art. 8 EMRK darzulegen. Auch vermag die Tatsache, dass die 1.-Beschwerdeführerin von ihrem Bruder vereinzelt u. a. durch Lebensmittel unterstützt wird, an diesem Umstand nichts zu ändern, zumal ein Abhängigkeitsverhältnis seitens der 1.-Beschwerdeführerin zu ihrem Bruder durch diese lediglich sporadischen Unterstützungsleistungen keinesfalls dargetan werden konnte. Dass bei einer Ausweisung der 1.-Beschwerdeführerin von einem Eingriff in ihr Familienleben iSd Art. 8 EMRK gesprochen werden müsste, ist letztlich auch aufgrund der Kürze ihrer nunmehrigen Nahebeziehung zum Bruder angesichts ihres erst seit wenigen Monaten andauernden Aufenthaltes im Bundesgebiet auszuschließen.

 

Soweit der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführer die Zulässigkeit der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides betreffend die 1.-Beschwerdeführerin mit der Begründung in Frage stellt, dass er zwischen 17. und 24.7.2008 auf Urlaub gewesen sei und daher zum Zeitpunkt der Hinterlegung des Bescheides auf Urlaub gewesen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass dem im Verwaltungsakt befindlichen Rückschein zu entnehmen ist, dass der Bescheid am 11.7.2008 durch Hinterlegung beim zuständigen Postamt zugestellt wurde, seine Angaben bezüglich seiner Abwesenheit zum Zustellzeitpunkt sohin unzutreffend sind.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Ausweisung, Familienverfahren, Rechtsschutzstandard, Sicherheitslage
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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