TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/06 C7 222383-9/2008

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Veröffentlicht am 06.08.2008
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Spruch

C7 222383-9/2008/11E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde des G.S., geb. 00.00.1960 alias 00.00.1970, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.07.2005, AZ: 05 09.614-EAST Ost, zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde von G.S. vom 25.07.2005 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.07.2005, Zahl 05 09.614-EAST Ost, wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer stellte am 04.04.2001 einen Asylantrag. Bei seinen am 04.04.2001 vor der Bundespolizeidirektion Schwechat und am 10.04.2001 vor dem Bundesasylamt durchgeführten niederschriftlichen Einvernahmen gab er bezüglich seiner Fluchtgründe zusammengefasst an, dass er Indien aus Angst vor Extremisten, welche teilweise in Uniform auftreten würden und welche Sikhs ermorden würden, verlassen habe. Im Jahr 2001 seien sechs Sikh in B. umgebracht worden. Einmal sei der Beschwerdeführer auch selbst von vier unbekannten Männern bedroht worden, indem ihm die Hände verbunden worden seien und einer der vier Männer gesagt habe, dass man ihn umbringen solle. Sie hätten den Beschwerdeführer jedoch dann wieder gehen lassen. Weiters gab der Beschwerdeführer an, weder Mitglied einer politischen oder bewaffneten Gruppierung gewesen zu sein, noch in sonstiger Weise jeweils politisch tätig gewesen zu sein.

 

Der Asylantrag des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.04.2001, Zl. 01 08.077-BAT, gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchteil I) und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers nach Indien gemäß § 8 AsylG zulässig ist (Spruchteil II). Das Vorbringen des Asylwerbers wurde vom Bundesasylamt als unglaubwürdig gewertet.

 

Dagegen richtete sich die rechtzeitig erhobene Berufung vom 03.05.2001, in welcher die Fluchtgründe neuerlich dargelegt und Auszüge aus Länderberichten zitiert wurden. Zudem wurde angeführt, dass dem Beschwerdeführer die indischen Behörden keinen Schutz gewähren würden und er bei einer allfälligen Anzeige bei der Polizei selbst verdächtigt werden könnte, die Militanten zu unterstützen, indem er ihnen - wenn auch unter Zwang - Verpflegung gegeben habe.

 

Mit Schreiben vom 19.11.2004 wurde die Berufung zurückgezogen und erwuchs damit der Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.04.2001, Zl. 01 08.077-BAT, am 23.11.2004 in Rechtskraft.

 

2. Am 30.06.2005 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Asylantrag.

 

Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme im Erstaufnahmezentrum Ost am 05.07.2005 gab der Beschwerdeführer an, dass er die Berufung gegen seinen ersten Asylantrag aufgrund einer Eheschließung mit einer Österreicherin zurückgezogen habe und ihm nunmehr seine Ehefrau davongelaufen sei. Aus diesem Grund wolle er sein Asylverfahren weiterführen. Weiters brachte er vor, dass er seit seiner ersten Asylantragstellung Österreich nicht verlassen habe und sich an seinen Asylgründen nichts geändert habe. Er habe in Indien immer noch das gleiche Problem, jedoch sei dieses schlimmer geworden. Sein Vater werde nun von der Polizei vielleicht auf Anweisung der Regierung wegen Mordes beschuldigt und die Polizei würde immer wieder nach dem Beschwerdeführer fragen. Die Regierung setze die Familie des Beschwerdeführers unter Druck, um zu erreichen, dass der Beschwerdeführer nach Hause komme. Die Zentralregierung wolle alle Sikhs vernichten.

 

Bei seiner Einvernahme beim Bundesasylamt am 11.07.2005 legte der Beschwerdeführer ein Schreiben eines Freundes und indischen Anwaltes vor, in welchem dieser im Wesentlichen ausführte, dass der Beschwerdeführer von der Polizei in mehreren Fällen gesucht werde, da er ein aktives Mitglied der Khalistan-Bewegung sei. Nun würde die Regierung Druck auf die Familie des Beschwerdeführers ausüben und sei sein Vater fälschlicherweise des Mordes beschuldigt worden. Weiters legte der Beschwerdeführer seinen Reisepass vor. Nach Mitteilung über die beabsichtigte Vorgangsweise des Bundesasylamtes, den Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, gab der Beschwerdeführer an, dass er auf keinen Fall nach Indien zurück wolle. Es seien zwei Leute aus Deutschland zurückgekehrt und beide hätten die Todesstrafe bekommen.

 

Mit Bescheid vom 15.07.2005, 05 09.614 - EAST Ost, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 30.06.2005 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Der Bescheid wurde am 21.07.2005 dem Beschwerdeführer per Hinterlegung beim Postamt zugestellt.

 

Der Beschwerdeführer erhob fristgerecht am 25.07.2005 Berufung - nunmehr als Beschwerde bezeichnet.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

 

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266). "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, Zl. 93/08/0207). Sache des vorliegenden Berufungsverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.

 

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleich bleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhaltes nach der ständigen Rechtssprechung des VwGH ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können in der Berufung nicht neu geltend gemacht werden (s. z.B. VwSlg. 5642A, VwGH 28.11.1968, 23.05.1995, Zl. 94/04/0081; zu Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, Zl. 99/01/0400; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

 

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, Zl. 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, Zl. 92/12/0127; 23.11.1993, Zl. 91/04/0205; 26.04.1994, Zl. 93/08/0212; 30.01.1995, Zl. 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, Zl. 83/07/0274; 21.02.1991, Zl. 90/09/0162; 10.06.1991, Zl. 89/10/0078; 04.08.1992, Zl. 88/12/0169; 18.03.1994, Zl. 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, Zl. 1202/58; 03.12.1990, Zl. 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH vom 24.02.2000, Zl. 99/20/0173-6).

 

2.1. Der Beschwerdeführer brachte im zweiten Asylverfahren vor, Indien verlassen zu haben, weil er als Sikh von der Regierung verfolgt werde und außerdem aktives Mitglied der Khalistan sei. Dabei handelt es sich um Umstände, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben und die der Berufungswerber im ersten Asylverfahren geltend hätte machen können.

 

Soweit der Beschwerdeführer bereits im ersten Asylverfahren bei der BPD Schwechat angeführt hat, dass er vor Sikh-Extremisten Angst habe, welche auch in Polizeiuniform in Erscheinung treten und von denen man nicht wisse, ob sie Polizisten seien und in der Berufung die Befürchtung äußerte, bei einer Anzeige bei der Polizei selbst verdächtigt zu werden, die Militanten zu unterstützen, weil er ihnen - wenn auch unter Zwang - Verpflegung gegeben habe, so waren diese Umstände darüber hinaus bereits Gegenstand des ersten Asylverfahrens und haben zu einer negativen rechtskräftigen Entscheidung geführt.

 

Weiters behauptete der Beschwerdeführer, dass seine Probleme in Indien noch schlimmer geworden seien, da er von der Polizei in verschiedenen Fällen gesucht werde und sein Vater wegen Mordes beschuldigt wurde.

 

2.2. Selbst wenn man das Vorbringen des Beschwerdeführers als neue Sachverhaltselemente ansehen würde, würde dieses keinen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommen könnte. So hat der Beschwerdeführer zwar angegeben, weiterhin dieselben Fluchtgründe zu haben, jedoch stellte er seine Verfolgungsbehauptungen im ersten Verfahren weitaus anders dar als im zweiten Verfahren (Probleme mit Extremisten bzw. mit unbekannten Personen, welche auch Uniformen trugen und zu denen möglicherweise auch Polizisten gehörten - Verfolgung als Sikh durch die Regierung, Suche durch die Polizei, Verfolgung seiner Familie). Dass konkret seine Person von den indischen Behörden verfolgt wurde bzw. werde, hat der Beschwerdeführer im ersten Asylverfahren, nicht behauptet. Seine Zugehörigkeit zur Khalistan Bewegung und eine daraus resultierende Verfolgung durch die Behörden (in verschiedenen Fällen) hat der Beschwerdeführer nicht nur im ersten Asylverfahren nicht geltend gemacht - damals hat er jede politische Betätigung und jede Mitgliedschaft bei einer politischen oder bewaffneten Gruppierung verneint -, sondern auch im gegenständlichen Asylverfahren in keiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt erwähnt und scheint diese erst im vorgelegten Schreiben des Anwalts auf. Somit müssen seine Angaben im zweiten Asylverfahren als unglaubhafte Steigerung seines Fluchtvorbringens bezeichnet werden. Insofern muss auch den sich auf seine Verfolgungsbehauptungen stützenden Aussagen zur Bedrohung seiner Familie und der Anzeige seines Vaters wegen Mordes ein glaubhafter Kern abgesprochen werden.

 

Hinzu kommt, dass die vorgelegte Bestätigung des Freundes und Anwalts des Beschwerdeführers als Schreiben einer Privatperson einer objektivierbaren Überprüfung nicht zugänglich ist und sohin für sich genommen den Befund der Unglaubwürdigkeit nicht entscheidend zu relativieren vermag.

 

2.3. In der Beschwerde zählte der Beschwerdeführer wieder einen neuen Grund auf, nämlich dass in der Zwischenzeit ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden sei. Auch in diesem Vorbringen, welche eine bloße Behauptung ohne jegliche Substantiierung und eine weitere Steigerung der Fluchtgründe darstellt, kann kein "glaubhafter Kern" erblickt werden. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass neue Gründe zur Begründung des Begehrens auf neuerliche Entscheidung in der Berufung nicht erstmalig geltend gemacht werden können.

 

3. Mit diesen Ausführungen ist klargestellt, dass in der persönlichen Sphäre des Beschwerdeführers keine Umstände eingetreten sind, welche geeignet wären, einen zulässigen neuerlichen Asylantrag zu begründen, sind doch diesem Vorbringen keine neuen asylrelevanten Sachverhaltsänderungen zu entnehmen, die eine andere Beurteilung zuließen.

 

Da auch keine Anhaltspunkte für eine Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf allgemein bekannte Tatsachen, die vom Bundesasylamt von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen wären, vorliegen, da sich die allgemeine Situation in Indien bezogen auf den Gesamtstaat in der Zeit, bis der nunmehr angefochtene Bescheid erlassen wurde, nicht wesentlich geändert hat - wie sich der Asylgerichtshof durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage versichert hat - und sich auch die Rechtslage in der Zwischenzeit nicht entscheidungswesentlich geändert hat, ist das Bundesasylamt im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des zweiten Asylantrages das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.

 

4. Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 c AsylG 2005 war in diesem Fall durch Einzelrichtererkenntnis zu entscheiden.

Schlagworte
Prozesshindernis der entschiedenen Sache
Zuletzt aktualisiert am
15.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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