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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §68 Abs4 litd;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde
1. des WB und 2. der HB, beide in S, beide vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 23. April 1999, Zl. 03-12.10 P 82 - 99/1, betreffend Beseitigungsauftrag gemäß § 70a Stmk. Bauordnung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde P, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern je zu gleichen Teilen insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. Mai 1988 wurde das Bauansuchen der Beschwerdeführer vom 4. März 1985 betreffend die Errichtung eines Wohnhauses auf dem näher angeführten Grundstück abgewiesen. Dagegen wurde von den Beschwerdeführern Berufung erhoben, über die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht entschieden worden war.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Juni 1989 wurde das Bauvorhaben, das Gegenstand des Bauansuchens vom 4. März 1985 war, unter Vorschreibung von Auflagen bewilligt. Dieser Bescheid wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. August 1989 u.a. gestützt auf § 32 Abs. 1 und 3 Stmk. ROG 1974 und "§ 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950" behoben und als nichtig erklärt.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. Februar 1993 wurde gegenüber den Beschwerdeführern in Bezug auf das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben gemäß § 70a Abs. 1 Stmk. Bauordnung 1968 die sofortige Baueinstellung sowie die Abtragung und Rekultivierung binnen einer Frist von sieben Monaten verfügt.
In der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführer wurde insbesondere geltend gemacht, dass die Bauführung bereits im August 1989 abgeschlossen worden war. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 3. Juni 1989 sei eine Baubewilligung für das Bauvorhaben erteilt worden. Die Beschwerdeführer hätten diesen Baubewilligungsbescheid konsumiert. Die Nichtigerklärung des Bescheides sei erst nach Vollendung des Bauwerks erfolgt. Es werde daher u.a. die Abtragung eines Zustandes angeordnet, der bewilligt worden sei.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. März 1999 wurde der Berufung der Beschwerdeführer teilweise Folge gegeben und der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend abgeändert, dass den Beschwerdeführern der baupolizeiliche Auftrag erteilt werde, "das in ihrem Eigentum stehende auf dem Grundstück Nr. ... der KG P..., errichtete eingeschoßige, teilweise unterkellerte Holzblockhaus im Ausmaß von 5,40 Meter mal 8 Meter innerhalb einer Frist von 5 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides zu beseitigen".
Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen in Bezug auf den Einwand, dass zum Zeitpunkt der Errichtung des gegenständlichen Objektes eine rechtskräftige Baubewilligung vorgelegen sei und dieser Bescheid erst im Nachhinein für nichtig erklärt worden sei, ausgeführt, dass auf Grund der Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides - die Nichtigerklärung sei im Übrigen bereits drei Monate nach Erlassung des Baubewilligungsbescheides erfolgt - die Rechtsgrundlage für die Errichtung des gegenständlichen Ferienwohnhauses weggefallen sei und dieser Bau demnach vorschriftswidrig im Sinne des § 70a Abs. 1 Stmk. Bauordnung sei.
Die Behandlung der zunächst dagegen beim Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerde wurde von diesem mit Beschluss vom 11. Oktober 1999, B 1025/99-3, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In der nach Aufforderung beim Verwaltungsgerichtshof ergänzten Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 119 Abs. 2 Stmk. Baugesetz 1995, LGBl. Nr. 59 (Stmk. BauG), ist das verfahrensgegenständliche Bauauftragsverfahren (das im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes am 1. September 1995 bereits anhängig war) "nach den bisher geltenden Bestimmungen" zu Ende zu führen. Wie der Verwaltungsgerichtshof jedoch ausgesprochen hat (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 20. Februar 1997, Zl. 94/06/0218, vom 2. Juli 1998, Zl. 96/06/0167, und vom 17. Dezember 1998, Zl. 97/06/0146) ist bei Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages gemäß § 70a Stmk. Bauordnung 1968 auch im Anwendungsbereich des § 119 Abs. 2 Stmk. BauG bei der Beurteilung der Bewilligungspflicht zum Zeitpunkt der Erteilung des Bauauftrages auf das Steiermärkische Baugesetz 1995 abzustellen.
Gemäß § 70a Abs. 1 zweiter Satz Stmk. Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 i.d.F. LGBl. Nr. 42/1991, sind vorschriftswidrige Bauten, für die eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt wurde, zu beseitigen. Gemäß § 32 Abs. 1 Stmk. Raumordnungsgesetz 1974, Nr. 149 i.d.F. LGBl. Nr. 41/1991 (Stmk. ROG 1974), dürfen Verordnungen und Bescheide der Gemeinde auf Grund von Landesgesetzen einem Flächenwidmungsplan, einem Bebauungsplan oder Bebauungsrichtlinien nicht widersprechen. § 32 Abs. 3 Stmk. ROG 1974 in der Stammfassung sieht vor, dass entgegen der Vorschrift der Abs. 1 und 2 erlassene Bescheide innerhalb von drei Jahren nach Eintreten der Rechtskraft mit Nichtigkeit bedroht sind (§ 68 Abs. 4 lit. d AVG 1950).
Gemäß § 70a Abs. 1 Stmk. Bauordnung 1968 ist ein vorschriftswidriger Bau ein solcher, für den die Bewilligungspflicht sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerkes als auch im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages bestanden hat (vgl. u.a. das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 97/06/0146) und in den genannten Zeitpunkten jeweils keine Bewilligung vorgelegen ist. Die Beschwerdeführer machen insbesondere geltend, dass die Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides vom 3. Juni 1989 erst nach Vollendung des Bauwerkes ergangen sei. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Beschwerdeführer den Baubewilligungsbescheid bereits konsumiert. Im Zeitpunkt der Errichtung des verfahrensgegenständlichen Hauses sei eine Bewilligung vorgelegen.
Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht. Weder die Berufungsbehörde noch die belangte Behörde haben sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinander gesetzt, dass die Baubewilligung vom 3. Juni 1989 noch vor ihrer Aufhebung von den Beschwerdeführern konsumiert worden sei. Bei der Nichtigerklärung dieses Baubewilligungsbescheides durch Bescheid der belangten Behörde vom 28. August 1989 handelt es sich, wie dies in § 32 Abs. 3 Stmk. ROG 1974 noch bezogen auf das AVG 1950 auch ausdrücklich klargestellt ist, um eine Nichtigkeit im Sinne nunmehr des § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG 1991, die eine nachträgliche Vernichtbarkeit des betroffenen Bescheides ermöglicht, sodass einem mit einem solchen Nichtigkeitsmangel behafteten Bescheid uneingeschränkte Rechtskraftwirkung solange zukommt, als er nicht mit Bescheid als nichtig erklärt worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1971, Slg. Nr. 8057/A, und vom 11. September 1985, VwSlg. Nr. 11.848/A). Eine solche Nichtigerklärung gemäß § 32 Abs. 3 Stmk. Raumordnungsgesetz 1974 i. V. nunmehr mit § 68 Abs. 4 Z. 4 AVG (1991) wirkt somit immer nur ex nunc, somit ab dem Zeitpunkt der Erlassung des die Nichtigkeit erklärenden Bescheides. Wenn es also zutreffen sollte, dass das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben im Zeitraum nach Erteilung der Baubewilligung vom 3. Juni 1989 bis zur Erlassung des Bescheides der belangten Behörde vom 28. August 1989 (betreffend die Nichtigerklärung der vorangegangenen Baubewilligung) erfolgt ist, kann nicht davon gesprochen werden, dass im Zeitpunkt der Errichtung dieses Bauvorhabens eine Bewilligungspflicht für das Vorhaben bestand und keine Baubewilligung vorgelegen ist. In diesem Falle entspräche die Erlassung eines Abbruchsauftrages nicht dem § 70a Abs. 1 Stmk. Bauordnung 1968. Da sich die belangte Behörde ausgehend von einer falschen Rechtsauffassung mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführer nicht auseinander gesetzt hat (wie auch schon die Berufungsbehörde), belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Angemerkt wird, dass - soweit die Beschwerde Bedenken gegen die Nichtigerklärung des Baubewilligungsbescheides vom 3. Juni 1989 enthält - die Beschwerdeführer diese gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 28. August 1989 betreffend die Nichtigerklärung mittels Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bzw. den Verfassungsgerichtshof hätten geltend machen müssen. Auch wenn der Flächenwidmungsplan von der Gemeinde mittlerweile dahingehend geändert worden wäre, dass die Widmung des Grundstückes mit dem Bauvorhaben der Beschwerdeführer nicht mehr im Widerspruch stünde, würde dies die Errichtung eines Bauvorhabens ohne Vorliegen einer Baubewilligung nicht rechtmäßig machen. Maßgeblich für das zulässige Errichten eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens ist das Vorliegen einer Baubewilligung.
Wien, am 29. März 2001
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2001:1999060185.X00Im RIS seit
23.01.2002