S8 400.715-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. BÜCHELE als Einzelrichter über die Beschwerde des J.T., geb. 00.00.1980, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 15.07.2008, Zahl: 08 01.728-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß §§ 5, 10 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, als unbegründet abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe, ist am 18.02.2008 illegal mit einem PKW in das österreichische Bundesgebiet eingereist und stellte noch am selben den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (in der Folge: Asylantrag).
2. Bei der Erstbefragung am 18.02.2008 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion Traiskirchen in Anwesenheit eines Dolmetschers für die russische Sprache gab der Beschwerdeführer im Wesentlich an, er habe Grosny mit seiner Familie (seine Ehegattin und drei Kinder zwischen zwei und sechs Jahren) am 19.11.2007 mit dem Zug nach Moskau verlassen. Von dort sei er nach Brest / Weißrussland und dann weiter nach Terespol / Polen gelangt. In Polen habe er und seine Familieangehörigen am 23.11.2007 jeweils einen Asylantrag gestellt. Er habe Polen verlassen, weil dort alles schlecht sei. Es gäbe dort keine medizinische Versorgung. Er habe im polnischen Lager einen Mann seiner "Abteilung K." gesehen; er fürchte daher, dass er von diesem "ans Messer geliefert" werde. Die Reise sei durch Schlepper organisiert worden.
3. Am 19.02.2008 richtete das Bundesasylamt auf der Grundlage der Aussagen des Beschwerdeführers zu seinem Reiseweg ein dringliches Aufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (kurz: Dublin-Verordnung) an die zuständige polnische Behörde. Am 21.02.2008 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 29 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (in der Folge: AsylG 2005) mitgeteilt, dass mit Polen Konsultationen geführt werden und aus diesem Grund die im § 28 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 normierte 20-Tages-Frist nicht gelte; es sei beabsichtigt, seinen Asylantrag wegen Unzuständigkeit Österreichs zurückzuweisen. Am 25.02.2008 langte ein Schreiben der polnischen Behörden vom 2.02.2008 beim Bundesasylamt ein, worin die Zuständigkeit Polens gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung bestätigt wurde.
4. Am 04.03.2008 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt, Erstaufnahmestelle Ost, nach erfolgter Rechtsberatung in Anwesenheit des Rechtsberaters sowie eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Russisch niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei im Wesentlichen an, dass er fühle sich gut und sei in der Lage der Einvernahme zu folgen. Verwandtschaftliche Beziehungen in Österreich habe er - außer der mit ihm reisenden Familie - keine.
Zur geplanten Ausweisung nach Polen gab der Beschwerdeführer an, dass er dorthin nicht zurück könne; er werde dort bedroht und befürchte umgebracht zu werden. Er habe am 17.02.2008 in einer Straßenbahn in Warschau einen Mann aus seiner Heimat getroffen. Es habe sich um einen der "Kadirov-Leute" gehandelt, die ihn bereits in seiner Heimat verfolgt hätten. Der Mann habe verlangt, er solle seinen Asylantrag zurückziehen und nach Tschetschenien zurückkehren; wenn er das nicht tue, werde er und seine Familie umgebracht. Der Beschwerdeführer habe noch am gleichen Tag mit seiner Familie Polen verlassen. Er habe keine entsprechende Meldung bei der Polizei erstattet. Auf die Frage warum denn die Kadirov-Leute verlangen, dass er seinen Asylantrag in Polen zurückziehen sollte, antwortete der Beschwerdeführer, dass er in seiner Heimat umgebracht werden soll. Weiters wolle er nicht nach Polen zurück, weil dort die medizinische Versorgung sehr schlecht sei.
Am 03.03.2008 wurde er durch einen Facharzt für Neurologie und Psychiatrie untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung beim Beschwerdeführer vorliege.
5. Mit dem beim Asylgerichtshof angefochtenen Bescheid hat das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 18.02.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung Polen zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt II.). Das Bundesasylamt traf umfangreiche länderkundliche Feststellungen zu Polen, insbesondere zum polnischen Asylverfahren. Beweiswürdigend hielt die Erstbehörde im Wesentlichen fest, dass aus den Angaben des Asylwerbers keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass dieser konkret Gefahr liefe, in Polen verfolgt zu werden. Es drohe ihm keine Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte.
6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde beim Asylgerichtshof wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Rechtswidrigkeit des Inhalts. Er brachte vor, dass er bei seiner kurzen Einvernahme zu wenig Gelegenheit gehabt habe, um über seine Bedrohungssituation in Polen zu berichten; dies entspräche nicht den Anforderungen des § 18 AsylG 2005. Weiters sei er nicht hinreichend zum Gesundheitszustand seiner Kinder befragt worden. Sein Sohn benötige dringend eine Augenoperation, da er Russland durch den Gewehrkolben eines Polizisten verletzt worden sei. Seine Tochter leide an Bronchitis und Asthma; dafür habe sie in Polen keine Medikamente erhalten. Durch Desinfektion der Zimmer habe sich ihr Zustand noch weiter verschlechtert.
II. Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter über die Beschwerde wie folgt erwogen:
1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Der Beschwerdeführer, ein russischer Staatsangehöriger tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, hat sein Heimatland verlassen und ist am 18.02.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der Beschwerdeführer ist gemeinsam mit seiner Ehegattin und seinen drei minderjährigen Kindern nach Österreich gereist. Weitere Familienangehörige oder Personen, mit denen er in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt, hat der Beschwerdeführer in Österreich, im Bereich der EU, Norwegen oder Island nicht.
Polen hat sich mit Schreiben vom 21.02.2008 (beim Bundesasylamt eingetroffen am 25.202.2008) gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich für die Wiederaufnahme des Asylwerbers für zuständig erklärt.
1.2. Die in § 28 Abs. 2 AsylG festgelegte zwanzigtägige Frist zur Erlassung eines zurückweisenden Bescheides nach § 5 AsylG gilt nicht, weil dem Beschwerdeführer das Führen von Konsultationen gemäß der Dublin II-VO binnen Frist mitgeteilt wurde, weshalb kein Übergang der Zuständigkeit an Österreich wegen Fristüberschreitung eingetreten ist.
2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf folgende Beweiswürdigung:
Die oben angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt, insbesondere aus den Angaben des Beschwerdeführers bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 18.02.2008, aus der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom 04.03.2008 sowie aus der Zuständigkeitserklärung Polens vom 21.02.2008. Der Beschwerdeführer widersprach sich bei seiner Einvernahme am 18.02.2008 vor der Polizeiinspektion Traiskirchen und der Ersteinvernahme vor dem Bundesasylamt am 04.03.2008 bzgl. seiner Bedrohungssituation in Polen durch "Kadirov-Leute". So führte er bei seiner Einvernahme am 18.02.2008 an, dass er im polnischen Lager von einem Mann seiner "Abteilung K." gesehen worden sei; er fürchte daher, dass er von diesem "ans Messer geliefert" werde. Bei der Einvernahme am 04.03.2008 gab er jedoch an, in Warschau in der Straßenbahn von einem "Kadirov-Leute" mit dem Tod worden zu sein.
3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:
3.1. Gemäß §§ 73 Abs. 1 und 75 AsylG 2005 iVm § 1 AsylG 2005 ist das oben angeführte Gesetz auf Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden, die ab dem 01.01.2006 gestellt wurden. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das AsylG 2005 anzuwenden ist.
3.2. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 ist ein nicht gemäß § 4 AsylG 2005 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG 2005 ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
Die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin-Verordnung ist als negative Prozessvoraussetzung hinsichtlich des Asylverfahrens in Österreich konstruiert. Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist somit die Frage der Zurückweisung des Asylantrages wegen Zuständigkeit eines anderen Staates.
Die Dublin-Verordnung ersetzt das Dubliner Übereinkommen (Art. 24 Abs. 1 Dublin-Verordnung). Sie ist gemäß Art. 29 Dublin-Verordnung auf Asylanträge anwendbar, die ab dem 01.09.2003 gestellt werden und gilt - ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrages - ab diesem Zeitpunkt für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Asylwerbern. Da der vorliegende Asylantrag am 18.02.2008 gestellt wurde, ist die Dublin-Verordnung im gegenständlichen Fall anzuwenden.
Nach Art. 3 Abs. 1 Dublin-Verordnung wird ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates stellt, von jenem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-Verordnung als zuständiger Staat bestimmt wird. Kapitel III enthält in den Artikeln 6 bis 13 Dublin-Verordnung die Zuständigkeitskriterien, die nach Art. 5 Abs. 1 Dublin-Verordnung "in der in diesem Kapitel genannten Reihenfolge" Anwendung finden.
3.3. Gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist, gehalten, einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrages unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 wieder aufzunehmen.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn dem Fremden entweder im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, gleichzeitig mit der Ausweisung auszusprechen, dass die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben ist. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.
Gemäß § 28 Abs. 2 AsylG 2005 ist der Antrag zuzulassen, wenn das Bundesasylamt nicht binnen zwanzig Tagen nach seiner Einbringung entscheidet, dass er zurückzuweisen ist, es sei denn, es werden Konsultationen gemäß der Dublin-Verordnung oder einem entsprechenden Vertrag geführt. Dass solche Verhandlungen geführt werden, ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen.
3.4. Im gegenständlichen Fall ist das Bundesasylamt ausgehend davon, dass der Beschwerdeführer bereits in Polen einen Asylantrag gestellt hat und, dass Polen einer Übernahme des Beschwerdeführers auf Grundlage des Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-Verordnung am 21.02.2008 zustimmte, zu Recht von einer Zuständigkeit Polens zur Prüfung des Asylantrages ausgegangen.
3.5. Zu prüfen bleibt daher, ob Österreich im gegenständlichen Fall verpflichtet wäre, im Hinblick auf Art. 3 EMRK oder Art. 8 EMRK von seinem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung Gebrauch zu machen.
3.5.1. Der Verfassungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis VfSlg 16.122/2001, aus, dass § 5 AsylG 2005 nicht isoliert zu sehen sei; das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Selbsteintrittsrecht Österreichs verpflichte - als Teil der österreichischen Rechtsordnung - die Asylbehörde unter bestimmten Voraussetzungen zur Sachentscheidung in der Asylsache und damit mittelbar dazu, keine Zuständigkeitsbestimmung im Sinne des § 5 vorzunehmen. Eine strikte, zu einer Grundrechtswidrigkeit führende Auslegung (und somit Handhabung) des § 5 Abs. 1 AsylG sei durch die Heranziehung des Selbsteintrittsrechtes zu vermeiden. Dieser Rechtsansicht schloss sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23.01.2003, Zl. 2000/01/0498, an.
Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom VfSlg. 17.340/2004 ausgesprochen, dass jene zum Dubliner Übereinkommen angestellten Überlegungen auch für das Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung zutreffen, ergänzte er in seinem Erkenntnis vom VfSlg. 17.586/2005 dies dahingehend, dass die Mitgliedstaaten nicht nachzuprüfen haben, ob ein bestimmter Mitgliedstaat generell sicher sei, da die entsprechende Vergewisserung durch den Rat erfolgt sei; eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung eines Asylwerbers in einen anderen Mitgliedstaat im Einzelfall sei jedoch gemeinschaftsrechtlich zulässig. Sollte diese Überprüfung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers etwa durch eine Kettenabschiebung bedroht sind, sei aus verfassungsrechtlichen Gründen das Eintrittsrecht zwingend auszuüben.
In seinem Erkenntnis vom 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582 (dem ein - die Zuständigkeit Italiens nach dem Dubliner Übereinkommen betreffender - Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates zugrunde lag) sowie in dem (bereits zur Dublin-Verordnung) Erkenntnis vom 31.05.2005, Zl. 2005/20/0095, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in Verfahren wie dem gegenständlichen eine Gefahrenprognose zu treffen ist, ob ein - über die bloße Möglichkeit hinausgehendes - ausreichend substantiiertes "real risk" besteht, dass ein aufgrund der Dublin-VO in den zuständigen Mitgliedstaat ausgewiesener Asylwerber trotz Berechtigung seines Schutzbegehrens, also auch im Falle der Glaubhaftmachung des von ihm behaupteten Bedrohungsbildes, im Zielstaat der Gefahr einer - direkten oder indirekten - Abschiebung in den Herkunftsstaat ausgesetzt ist, wobei insbesondere zu prüfen sei, ob der Zielstaat rechtliche Sonderpositionen vertritt, nach denen auch bei der Zugrundelegung der Behauptungen des Asylwerbers eine Schutzverweigerung zu erwarten wäre. Weiters wird ausgesprochen, dass geringe Asylanerkennungsquoten im Zielstaat für sich allein genommen keine ausreichende Grundlage dafür sind, um vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.
Zur Behauptung einer möglichen Bedrohung des Beschwerdeführers:
Im gegenständlichen Fall kann nun nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer ausreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt hätte, dass ihm durch eine Rückverbringung nach Polen die - über eine bloße Möglichkeit hinausgehende - Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.
Nach der Judikatur der Straßburger Organe muss der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EGMR, Entsch. vom 07.07.1987 Nr. 12877/87 [Kalema gegen Frankreich], DR 53, S. 254 [264]; zum Maßstab des "real risk" siehe auch die Nachweise in VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582).
Diesen Erfordernissen ist jedoch der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Vielmehr bezieht sich dieser bei seiner Kritik an Polen darauf, dass er und seine Familie in Polen nicht sicher seien. Der Beschwerdeführer war diesbezüglich widersprüchlich und nicht glaubhaft (dazu näher oben Punkt II.2.)
Zu möglichen Bedrohungen des Beschwerdeführers in Polen ist weiters auszuführen:
Polen ist ein Rechtstaat mit funktionierender Staatsgewalt. Der Beschwerdeführer kann sich im Falle eventueller Übergriffe gegen seine Person bzw. seine Familie - welche im Übrigen in jedem Land möglich wären - an die polnischen Behörden wenden und von diesen Schutz erwarten. Der Beschwerdeführer wäre daher allfälligen Übergriffen nicht schutzlos ausgeliefert. Er hat es aber vielmehr unterlassen, sich an die polnischen Behörden mit der Bitte um Schutz zu wenden. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass sich der Beschwerdeführer nicht an die polnischen Behörden hätte wenden können bzw. dass die polnischen Behörden nicht willens oder nicht in der Lage gewesen wären, Schutz zu gewähren.
Zur mangelnden Gesundheitsversorgung der Kinder des Beschwerdeführers:
Unbestritten ist, dass nach der allgemeinen Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK und Krankheiten, die auch im vorliegenden Fall maßgeblich ist, eine Überstellung nach Polen nicht zulässig wäre, wenn durch die Überstellung eine existenzbedrohende Situation drohte und in diesem Fall das Selbsteintrittsrecht nach der Dublin-Verordnung zwingend auszuüben wäre.
In diesem Zusammenhang ist vorerst auf das jüngste diesbezügliche Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, B 2400/07) zu verweisen, welches die aktuelle Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova & Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).
Zusammenfassend führt der Verfassungsgerichtshof aus, das sich aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergibt, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).
Jüngste Rechtsprechung des EGMR (N vs UK, 27.05.2008) und Literaturmeinungen (Premiszl, Migralex 2/2008, 54ff, Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren") bestätigen diese Einschätzung, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass EU-Staaten verpflichtet sind, die Aufnahmerichtlinie umzusetzen und sohin jedenfalls eine begründete Vermutung des Bestehens einer medizinischen Versorgung besteht.
Aus diesen Judikaturlinien des EGMR ergibt sich jedenfalls der für das vorliegende Beschwerdeverfahren relevante Prüfungsmaßstab.
Nach der geltenden Rechtslage ist eine Überstellung dann unzulässig, wenn die Durchführung eine in den Bereich des Art 3 EMRK reichende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs oder der Heilungsmöglichkeiten bewirken würde (siehe Feststellungen des Innenausschusses zu § 30 AsylG); dabei sind die von den Asylbehörden festzustellenden Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat als Hintergrundinformation beachtlich, sodass es sich quasi um eine "erweiterte Prüfung der Transportfähigkeit" handelt.
Maßgebliche Kriterien für die Beurteilung der Art. 3 EMRK-Relevanz einer psychischen Erkrankung angesichts einer Abschiebung sind Aufenthalte in geschlossenen Psychiatrien infolge von Einweisungen oder auch Freiwilligkeit, die Häufigkeit, Regelmäßigkeit und Intensität der Inanspruchnahme medizinisch-psychiatrischer Leistungen, die Möglichkeit einer wenn auch gemessen am Aufenthaltsstaat schlechteren medizinischen Versorgung im Zielstaat sowie die vom Abschiebestaat gewährleisteten Garantien in Hinblick auf eine möglichst schonende Verbringung. Rechtfertigen diese Kriterien eine Abschiebung, hat eine denkmögliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes oder ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands außer Betracht zu bleiben, geschweige denn vermag die Verursachung von überstellungsbedingtem mentalen Stress eine Abschiebung unzulässig machen.
Im vorliegenden Fall konnte der Beschwerdeführer keine akut existenzbedrohende Krankheitszustände oder Hinweise einer unzumutbaren Verschlechterung der Krankheitszustände für seinen Sohn (Augenverletzung) bzw. Tochter (Bronchitis und Asthma) im Falle einer Überstellung nach Polen belegen, respektive die Notwendigkeit weitere Erhebungen seitens des Asylgerichtshofes. Aus der Aktenlage sind keine Hinweise auf einen aktuellen existenzbedrohenden Zustand ersichtlich. Es sind somit nach Ansicht des Asylgerichtshofes zu dieser Frage weitere Beweisaufnahmen nicht erforderlich.
Des Weiteren ist auf die Feststellungen der Erstbehörde zur medizinischen Versorgung in Polen zu verweisen. Der Asylgerichtshof verkennt dabei nicht, dass es in der medizinischen Versorgung in Polen (wie in vielen anderen Staaten) Verbesserungsbedarf gibt. Ein außergewöhnlicher komplexer Krankheitszustand, der allfälligerweise im Einzelfall eine andere Beurteilung angezeigt erscheinen ließe (vgl die bisherige Rechtsprechung des hier entscheidenden Richters des Asylgerichtshofes; 09.07.2007, Zl. 308.595-3/2E-XV/53/07), liegt hier jedenfalls nicht vor. In der Beschwerdeschrift wurde den Feststellungen des Bundesasylamtes zur medizinischen Versorgung in Polen auch nicht entgegen getreten.
Zusammengefasst stellt daher eine Überstellung der Beschwerdeführerin nach Polen keinesfalls eine Verletzung des Art. 3 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II VO dar.
Der Beschwerdeführer hat sohin insgesamt kein Vorbringen erstattet, das die Annahme rechtfertigen könnte, dass ihm in Polen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohen würde.
3.5.2. Zur möglichen Verletzung nach Art. 8 EMRK
Es leben keine Angehörigen der Kernfamilie der Beschwerdeführerin in Österreich. Die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde treffen zu; diesen ist in der Beschwerde auch nicht entgegengetreten worden. Es liegen auch sonst keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer, vor (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. B 1802, 1803/06).
Die Beschwerdeverfahren welches die Ehegattin des Beschwerdeführers und seine drei minderjährigen Kinder betrifft (vgl. dazu die Erkenntnisse des Asylgerichtshof vom heutigen Tag zu den Zahlen: S8 400.711-1/2008/2E, S8 400.712-1/2008/2E, S8 400.713-1/2008/2E und S8 400.714-1/2008/2E), hat nicht ergeben, dass sein Verfahren zuzulassen wären. Daher ergibt sich auch daraus nicht, dass das Verfahren des Beschwerdeführers gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 zuzulassen wäre.
3.5.3. Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass kein Anlass für einen Selbsteintritt Österreichs gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin-Verordnung aufgrund einer drohenden Verletzung der durch Art. 3 und Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte besteht.
3.5.4. Festzuhalten ist auch, dass die in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 normierte 20-tägige Frist im gegenständlichen Fall eingehalten worden ist.
3.5.5. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ist noch auszuführen, dass keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ersichtlich sind, da weder ein nicht auf das AsylG 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist noch der Beschwerdeführer in Österreich über Angehörige im Sinne des Art. 8 EMRK verfügt. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ersichtlich. Was schließlich den seitens des Bundesasylamtes in dem Bescheidspruch aufgenommenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Italien anbelangt, so ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Ausweisung, da diese mit einer Entscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 verbunden ist, gemäß § 10 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005 schon von Gesetzes wegen als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat gilt.
3.6. Die Beschwerde erwies sich somit insgesamt als nicht berechtigt.
3.7. Von der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG 2005 abgesehen werden.