GZ: S 10 400.856-1/2008-2Z
B E S C H L U S S
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. ROSENAUER als Einzelrichter über die Beschwerde der M.M., geb. 00.00.1982, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.07.2008, Zahl: 08 04.978 - EAST WEST, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 37 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
BEGRÜNDUNG
I. 1. Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 17.07.2008, GZ: 08 04.978 - EAST West, den Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 (AsylG) als unzulässig zurückgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. e der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates (Dublin II VO) Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung nach Polen zulässig sei.
2. Der nähere erstinstanzliche Verfahrensgang ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.
Die Beschwerdeführerin, ihr minderjähriges Kind und ihr Lebensgefährte, Herr T.T., stellten am 06.06.2008 in Österreich Anträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheid des Bundesasylamtes zurückgewiesen wurden.
Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme in der Erstaufnahmestelle West am 27.06.2008 gab die Beschwerdeführerin an, schwanger zu sein. Sie berichtete über Probleme bei der Geburt ihres ersten Kindes in Polen und auf Nachfrage des Rechtsberaters, Mag. TAKACS, auch über zwei Fehlgeburten. Bezüglich medizinischer Befunde und Mutterkindpass meinte die Beschwerdeführerin, sie wäre bei einem Gynäkologen in V., Dr. W., gewesen, der Befunde nachreichen würde. Den Mutterkindpass habe sie nicht mitgenommen.
Der Rechtsberater ersuchte um eine Untersuchung gemäß § 10 AsylG.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde wird unter anderem eingewendet, dass trotz Hinweis auf eine Risikoschwangerschaft und zwei Fehlgeburten entgegen dem Ersuchen in der Einvernahme keine ärztliche Untersuchung erfolgt sei.
Zwei ärztliche Befundberichte des behandelnden Arztes Dr. W. vom 05.07.2008 und 31.07.2008 wurden der Beschwerde beigelegt.
Die Erteilung einer aufschiebenden Wirkung wurde beantragt.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Mit Datum 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 4/2008) und auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz am 06.06.2008 gestellt, weshalb § 5 AsylG idgF zur Anwendung gelangt.
Gemäß § 37 Abs. 1 AsylG hat der Asylgerichtshof einer Beschwerde gegen eine mit einer zurückweisenden Entscheidung (§§ 4 und 5 AsylG oder § 68 Abs. 1 AVG) verbundene Ausweisung binnen einer Woche ab Beschwerdevorlage die aufschiebende Wirkung zuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die Ausweisung lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Nach der Literatur ist hier auch Art. 8 EMRK maßgeblich (Vogl/Taucher/Bruckner/Marth/Doskozil, Fremdenrecht 6. Anm. zur - analogen - Regelung des § 37 Abs 1 AsylG, 155, Frank/Anerinhof/Filzwieser AsylG 2005, K3 zu § 37 Abs 1 AsylG, 512 und K8 zu § 38 AsylG, 522f; vgl auch Fahrner/Premiszl, Das Fristensystem im "Dublin-Verfahren" nach dem Asylgesetz 2005, Migralex 2/06, 69f).
Gemäß § 37 Abs. 2 AsylG ist bei der Entscheidung, ob einer Beschwerde gegen eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung nach § 5 verbunden ist, die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, auch auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates (Dublin II VO) und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts Bedacht zu nehmen.
2. Die unter I. 2. genannten Aspekte sind noch nicht hinreichend geklärt; beim derzeitigen Stand des Verfahrens ist daher bei einer sofortigen Durchsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung der Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 EMRK nicht auszuschließen.
Ebenso ist durch die gemeinsame Flucht bei einer Trennung der Familienmitglieder ein Eingriff in Art. 8 EMRK nicht auszuschließen.
Bis zur Entscheidung des Asylgerichtshofes erscheint die Anwesenheit der Beschwerdeführerin in Österreich für den Fall der Notwendigkeit von medizinischen Untersuchungen und weiteren Befragungen ihrer Person vorteilhaft. Aufgrund der dem Asylgerichtshof hier zur Entscheidung zukommenden knappen Entscheidungsfristen liegt im konkreten Fall derzeit auch keine unzulässige Beeinträchtigung des "effet utile" der Dublin II VO vor.
Der Asylgerichtshof war im Ergebnis gehalten, gemäß § 37 Abs. 1 AsylG vorzugehen.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.