Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Abweisung eines Verfahrenshilfeantrags zur Einbringung eines Individualantrags auf Aufhebung von Teilen des §63 Abs1 ZPO betreffend die Regelung der Verfahrenshilfe wegen Aussichtslosigkeit der angestrebten Rechtsverfolgung; keine Zulässigkeit des beabsichtigten Antrags; Gerichtsverfahren bereits abgeschlossen; keine Antragstellung durch das GerichtSpruch
Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
Der Antrag auf Aufhebung von Teilen des §63 Abs1 ZPO wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Antragsteller wurde nach seinen Angaben vom Landesgericht Eisenstadt wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges mit einer Schadensumme von 62,55 Mio S rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Eine geschädigte Bank habe ihn daraufhin beim Landesgericht Eisenstadt auf Zahlung von 5 Mio S samt Zinsen aus dem Titel des Schadenersatzes geklagt; das Gericht habe ihm die Klagebeantwortung aufgetragen, worauf er Verfahrenshilfe beantragt habe. Mit Beschluß vom 9. September 1997 habe das Landesgericht Eisenstadt diesen Antrag wegen Aussichtslosigkeit der Prozeßführung abgewiesen. Der bevollmächtigte Vertreter des Antragstellers habe gegen diesen Beschluß Rekurs erhoben und den Anspruch bestritten. Das Oberlandesgericht Wien habe mit Beschluß vom 30. September 1997 den Rekurs mit der Begründung abgewiesen, die Prozeßführung sei mutwillig: Angesichts des strafgerichtlichen Erkenntnisses, wonach ein den Klagsbegehren übersteigender Schaden entstanden sei, habe der Antragsteller die in §178 ZPO statuierte Wahrheits- und Vollständigkeitspflicht mißachtet, indem er sich auf das bloße Bestreiten des Anspruches beschränkt habe.
2. Der Antragsteller behauptet die Verfassungswidrigkeit näher bezeichneter Wortfolgen des §63 Abs1 ZPO und begehrt gemäß Art140 Abs1 B-VG deren Aufhebung. Die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind im ersten Satz des §63 Abs1 ZPO die Wortfolge
"und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint"
sowie der letzte Satz des §63 Abs1 ZPO mit dem Inhalt:
"Als mutwillig ist die Rechtsverfolgung besonders anzusehen, wenn eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände des Falles, besonders auch der für die Eintreibung ihres Anspruches bestehenden Aussichten, von der Führung des Verfahrens absehen oder nur einen Teil des Anspruches geltend machen würde."
3. Zu seiner Antragslegitimation führt der Antragsteller aus, daß ihm kein zumutbarer Weg zur Verfolgung seines "verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf einen Verfahrenshelfer im Sinne der Art6 und 13 EMRK" offenstehe. Eine Anfechtung des die Verfahrenshilfe ablehnenden Beschlusses des Oberlandesgerichtes Wien sei nicht zulässig. Gegen die Führung des Verfahrens, ohne daß ihm ein Verfahrenshelfer zur Seite stehe, könne er sich auch in weiteren Verfahren nicht zur Wehr setzen, da für sämtliche weiteren Verfahrensschritte Anwaltszwang bestehe. Ein neuerlicher Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe sei zwar zulässig, ihm aber ohne Rechtsbeistand im Zivilverfahren praktisch unmöglich.
Der Antrag legt die Bedenken gegen die bekämpften Bestimmungen im einzelnen dar.
II. Der Antrag ist unzulässig.
1. Wie der Verfassungsgerichtshof seit seinem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung ausführt, setzt die Antragslegitimation nach Art140 B-VG voraus,
"daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen, und daß die durch Art140 Abs1 bzw. Art139 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumten Rechtsbehelfe dazu bestimmt sind, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).
Es ist nach der Judikatur des VfGH weiters grundsätzlich zumutbar, den Klagsweg zu beschreiten, im folgenden gerichtlichen Rechtsstreit Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften vorzubringen und vor dem in zweiter Instanz zur Entscheidung berufenen Gericht die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim VfGH anzuregen (vgl. zB VfSlg. 8979/1980, 9394/1982, 9695/1983, 9926/1984, 10445/1985, 10785/1986, 11551/1987, 11759/1988, 12046/1989). Wollte man wegen des Prozeßrisikos und der damit verbundenen Kostenfolgen oder wegen der damit verbundenen Zeitdauer grundsätzlich davon ausgehen, daß die Beschreitung des Gerichtsweges unzumutbar sei, so verlöre die in Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG - wie auch in der ihr korrespondierenden Bestimmung des Art139 Abs1, letzter Satz, B-VG - enthaltene Einschränkung 'sofern das Gesetz (die V) ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung ... für diese Person wirksam geworden ist' ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich (vgl. VfSlg. 10785/1986, 11759/1988, 11889/1988 ua.).
Angesichts der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus - zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, kommt es dabei auch nicht auf die Erfolgschancen der Antragstellerin im Gerichtsverfahren, sondern bloß darauf an, daß sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften über die ordentlichen Gerichte an den VfGH heranzutragen (vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10592/1985, 11889/1988). Andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Charakter eines Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 9939/1984, 11454/1987). Ob und inwieweit allerdings das Gericht auf die Kritik der Partei des Gerichtsverfahrens an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen eingeht, ist hiebei nicht ausschlaggebend (vgl. VfSlg. 11890/1988, 12046/1989)." (VfSlg. 13659/1993)
2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die in diesem Fall präjudizielle Norm des §63 Abs1 ZPO konnten über das Gericht an den Verfassungsgerichtshof herangetragen werden. Da das für den Rechtsschutz ausreichende Verfahren bei einem Gerichtshof II. Instanz bereits anhängig war, stellt sich die Frage seiner Zumutbarkeit nicht mehr. Daß der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren seine Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität des §63 Abs1 ZPO nicht dargelegt hat, ändert nichts daran, daß die Zulassung des Antrages nach Art140 B-VG eine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes zur Folge hätte.
III. Bei diesem Ergebnis ist auch
der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe abzuweisen (§63 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG).
Diese Beschlüsse können gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 VerfGG bzw. §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, VfGH / VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1998:G475.1997Dokumentnummer
JFT_10019376_97G00475_00