S2 400.107-1/2008/6E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer- Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerde von I.A., geb. 00.00.1949, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 16.06.2008, Zahl: 08 00.006-EAST Ost, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:
1. Die Beschwerdeführerin brachte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 01.01.2008 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die Beschwerdeführerin am 27.09.2006 und am 27.06.2007 in Polen erkennungsdienstlich behandelt worden war bzw. einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte (AS 5).
Das Bundesasylamt richtete am 04.01.2008 ein Wiederaufnahmeersuchen an Polen (AS 27ff). Mit Schreiben vom 07.01.2008, eingelangt am 08.01.2008, stimmte Polen dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich zu (AS 35 bzw. AS 15 des "Dublin-Aktes").
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO zur Prüfung dieses Antrages zuständig ist, sowie II. die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und festgestellt, dass demzufolge die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG 2005 zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
3. Die Beschwerdevorlage langte laut Eingangsstempel des Asylgerichtshofes am 07.07.2008 bei diesem Gerichtshof ein.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Beschwerde wird folgender Sachverhalt festgestellt:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation. Sie stellte vor ihrer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Polen einen Asylantrag, dieses Asylverfahren ist noch nicht abgeschlossen. In Österreich stellte sie den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz. Es wird weiters festgestellt, dass das Bundesasylamt am 04.01.2008 ein Wiederaufnahmeersuchen an Polen richtete und Polen mit Schreiben vom 07.01.2008, eingelangt am 08.01.2008, der Wiederaufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich zustimmte, die Beschwerdeführerin jedoch bisher noch nicht nach Polen überstellt wurde.
2. Daraus ergibt sich rechtlich folgendes:
Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist.
In den Art. 5ff Dublin II-VO werden die Kriterien aufgezählt, nach denen der zuständige Mitgliedstaat bestimmt wird.
In Art. 16 sieht die Dublin II-VO in den hier relevanten Bestimmungen Folgendes vor:
"Art. 16 (1) Der Mitgliedstaat der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, ist gehalten:
(...)
c) einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen.
(...)
(3) Die Verpflichtungen nach Absatz 1 erlöschen, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, der Drittstaatsangehörige ist im Besitz eines vom Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels."
Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO lautet: "Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, so geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung oder die Prüfung des Antrags aufgrund der Inhaftierung des Asylbewerbers nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn der Asylbewerber flüchtig ist."
Die Beurteilung der Rechtsfrage ergab, dass der Beschwerde stattzugeben ist:
Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs ist dem Bundesasylamt zwar darin beizupflichten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Polens ergab, und zwar gemäß Art. 16 Abs. 1 lit c (iVm Art. 13) Dublin II-VO. Da jedoch die Überstellung der Beschwerdeführerin nach Polen nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wurde, ging gemäß Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO die Zuständigkeit mit Ablauf des 08.07.2008 auf die Republik Österreich über. Unstrittig war der Umstand, dass im vorliegenden Fall keine Fristverlängerung nach Art. 20 Abs. 2 Dublin II-VO eintrat.
3. Gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die öffentliche Verkündung des Erkenntnisses hatte gemäß § 41 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 zu entfallen.