TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/08 S12 400547-1/2008

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Veröffentlicht am 08.08.2008
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Spruch

S12 400.547-1/2008/4E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Maurer-Kober als Einzelrichterin über die Beschwerde der K.A., geb. 00.00.1984, StA.

Russische Föderation, p.A.: Betreuungsstelle Traiskirchen, 2514 Traiskirchen, Otto Glöckel-Straße 24, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.06.2008, FZ. 08 01.659-EAST-Ost, zu Recht erkannt:

 

Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

 

1.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen, reiste am 17.02.2008 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

Die Beschwerdeführerin ist die Ehegattin von S.T. (GZ: S12 400.549)

Das Verfahren wird als Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 geführt.

 

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 17.02.2008 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und stellte fest, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen. Demzufolge sei die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG zulässig.

 

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Ehemann der Beschwerdeführerin eingebrachte fristgerechte Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Ferner wurde vorgebracht, dass die für die belangte Behörde tätige Ärztin, Dr. H., in der gutachterlichen Stellungnahme im Zulassungsverfahren betreffend den Ehemann der Beschwerdeführerin festgestellt habe, dass dieser an einer komplexen PTSD sowie an einem Derealisations- und Depersonalisationssyndrom leide. Bei einer Abschiebung würde es zu einer deutlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Ehemanns der Beschwerdeführerin kommen und daher komme derzeit eine Überstellung aus medizinisch / therapeutischer Sicht nicht in Frage, zumal die Schwester und die Mutter des Ehemanns der Beschwerdeführerin in Österreich leben würden. Ein nervenärztlicher Befund von Dr. K. attestiere dem Ehemann der Beschwerdeführerin ebenfalls eine posttraumatische Belastungsstörung mit Verdacht auf produktiv psychotische Symptomatik. Beim Ehemann der Beschwerdeführerin liege eine psychische Krankheit und die Gefahr einer Retraumatisierung vor, die nach der Judikatur des EGMR und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Hinblick auf Art. 3 EMRK relevant sei. Ferner wurden in der Beschwerde des Ehemanns der Beschwerdeführerin das polnische Asylverfahren und der Umgang mit Asylwerbern generell sowie insbesondere die medizinische / psychiatrische Versorgung von Asylwerbern in Polen unter Angabe von Quellen kritisiert. Weiters wurde in der Beschwerde des Ehemanns der Beschwerdeführerin angeführt, dass eine Ausweisung auch eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstelle, da die Mutter und die Schwester des Ehemanns der Beschwerdeführerin als anerkannte Konventionsflüchtlinge in Österreich leben würden, wobei eine sehr enge Beziehung zwischen dem Ehemann der Beschwerdeführerin und seiner Mutter bzw. Schwester bestehe.

 

Am 15.07.2008 langte die Beschwerde beim Asylgerichtshof ein.

 

Mit Beschluss vom 18.07.2008, GZ: S12 400.547-1/2008/2Z, hat der Asylgerichtshof der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 37 Abs. 1 AsylG zuerkannt.

 

Der Beschwerde des Ehegatten der Beschwerdeführerin, S.T., wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.08.2008 GZ: S12 400.549, gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1.1. Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG ist das AsylG mit 1. Jänner 2006 in Kraft getreten und ist gemäß § 75 Abs. 1 AsylG auf alle Verfahren anzuwenden, die am 31.12.2005 noch nicht anhängig waren. Das vorliegende Verfahren war am 31.12.2005 nicht anhängig; es ist daher nach dem AsylG 2005 zu führen.

 

Gemäß § 23 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

 

1.2. Gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG gilt der Antrag auf internationalen Schutz eines Familienangehörigen (§ 2 Z 22) eines Asylwerbers als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

 

Gemäß § 34 Abs. 4 AsylG hat die Behörde Asylanträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.

 

§ 36 Abs. 3 AsylG besagt, dass wenn gegen eine zurückweisende oder abweisende Entscheidung im Familienverfahren auch nur von einem betroffenen Familienmitglied Berufung erhoben wird, gilt diese auch als Berufung gegen die die anderen Familienangehörigen (§ 2 Z 22) betreffenden Entscheidungen; keine dieser Entscheidungen ist dann der Rechtskraft zugänglich. Allen Berufungen gegen Entscheidungen im Familienverfahren kommt aufschiebende Wirkung zu, sobald zumindest einer Berufung im selben Familienverfahren aufschiebende Wirkung zukommt.

 

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

 

1.3. Die Beschwerdeführerin ist die Ehegattin des S.T. und daher Familienangehörige im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG. Der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin gilt daher gemäß § 34 Abs. 1 Z 3 AsylG als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes wie jener ihres Ehegatten.

 

Der Beschwerde des Ehegatten der Beschwerdeführerin, S.T., wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 08.08.2008 GZ: S12 400.549-1/2008/6E, gemäß § 41 Abs. 3 AsylG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vorgängerbestimmung des § 34 Abs. 4 AsylG (§ 10 Abs. 5 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003) bedeutet dies, dass in dem Fall, wenn der Bescheid auch nur eines Familienangehörigen behoben und die Angelegenheit zur Durchführung des materiellen Verfahrens an das Bundesasylamt zurückverwiesen wurde, dies auch für die Verfahren aller anderen Familienangehörigen gilt (vgl. VwGH vom 18.10.2005, Zl. 2005/01/0402).

 

2. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

3. Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG abgesehen werden.

Schlagworte
Familienverfahren, Kassation
Zuletzt aktualisiert am
17.10.2008
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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