E6 253.221-0/2008-2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Habersack als Einzelrichter über die Beschwerde des B.A., geb. 00.00.1970, StA. Türkei, vertreten durch RA Dr. Franz Unterasinger, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 03.09.2004, FZ. 04 16.342-EAST-Ost, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idgF, abgewiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der am 00.00.1970 geborene Beschwerdeführer gab an, türkischer Staatsangehöriger zu sein und beantragte am 14.11.2003 erstmals die Gewährung von Asyl. Er wurde hiezu am 11.12.2003 vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und brachte im Wesentlichen vor, dass sein Geschäft in Konkurs gegangen sei und er deswegen sehr hohe Schulden bei seinen Gläubigern gehabt habe. Da er diese jedoch nicht zurückzahlen habe können, sei er von den Gläubigern telefonisch bedroht worden. Da er weder Geld gehabt noch Hilfe von der Polizei erhalten habe, habe er die Türkei verlassen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.07.2004, FZ. 03 35.442-BAG, wurde der Asylantrag in Spruchteil I unter Berufung auf § 7 AsylG 1997 abgewiesen; in Spruchteil II stellte es fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei. In Spruchteil III wurde der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 08.07.2004 durch Hinterlegung rechtswirksam zugestellt.
Mangels Einbringung eines Rechtsmittels, erwuchs der erstinstanzliche Bescheid mit 23.07.2004 in Rechtskraft.
2. Am 13.08.2004 brachte der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter erneut einen (schriftlichen) Asylantrag ein, welchen er damit begründete, dass er in seinem Heimatstaat gefährdet sei und aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen verfolgt werde.
Daraufhin wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt unter Setzung einer dreiwöchigen Frist aufgefordert, den Asylantrag persönlich bei der Erstaufnahmestelle einzubringen, da dies gemäß § 24 Abs. 3 AsylG vorgesehen ist.
Am 25.08.2004 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesasylamt vorstellig, brachte den Asylantrag persönlich ein und wurde niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der Beschwerdeführer vor, er habe seine Heimat wegen seines Konkurses und der nachfolgenden Todesdrohungen der Gläubiger verlassen. Man habe ihm telefonisch gedroht, wenn er seine Schulden nicht innerhalb von 24 Stunden bezahlen würde, werde man ihn erschießen. Der Beschwerdeführer sei auch bei der Polizei gewesen, dort hätte man ihm aber nur gesagt, er solle seine Schulden zurückbezahlen. Mit den türkischen Behörden habe er keine Probleme gehabt. Sonst habe sich an seinen Asylgründen nichts geändert.
Am 27.08.2004 wurde der Beschwerdeführer erneut vom Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen und gab an, dass sich an seinem Sachverhalt sehr wohl etwas geändert habe, denn er schlafe jetzt gut und habe keine Angst mehr. Über weiters Befragen gab er an, dass er abschließend nichts mehr sagen wolle.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 03.09.2004, Zahl: 04 16.342-EAST-Ost, den zweiten Asylantrag des Beschwerdeführers vom 13.08.2004 gemäß § 68 Abs. 1 AVG iVm
§ 32 Abs. 8 AsylG wegen entschiedener Sache zurück. Ausgeführt wurde hiebei, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden konnte und die Begründung des neuerlichen Asylantrages des Beschwerdeführers nicht ausreicht, einen neuen, gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 03.09.2004 unmittelbar bei der erstinstanzlichen Behörde gemäß § 24 ZustellG ausgefolgt.
Gegen diesen Bescheid brachte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit Datum vom 16.09.2004 fristgerecht Berufung ein. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht in die Türkei zurückkehren könne, da er von seinen Gläubigern bedroht werde. Es habe mehrere telefonische Drohungen gegeben und es wäre ihm mitgeteilt worden, dass er im Falle der Nichtbezahlung seiner Schulden binnen 24 Stunden erschossen werden würde. Überdies könne er jetzt wieder ruhig schlafen und habe keine Angst mehr. In seiner Heimat habe er nicht mehr ruhig schlafen können, da er ständig Todesängste gehabt habe. Weiters wären die Drohungen im ersten Verfahren nicht berücksichtigt worden und stelle dies daher eine wesentliche Änderung im Sachverhalt dar.
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den das Erst- und Zweitverfahren umfassenden Verwaltungsakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor der Erstbehörde und den bekämpften Bescheid.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß Art. 151 Abs. 39 Z 1 B-VG wird mit 1. Juli 2008 der bisherige unabhängige Bundesasylsenat zum Asylgerichtshof. Nach Art. 151 Abs. 39 Z 4 B-VG sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren vom Asylgerichtshof weiterzuführen. Gemäß § 75 Abs. 7 Z 2 AsylG 2005 sind am 1. Juli 2008 beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängige Verfahren gegen abweisende Bescheide, in denen eine mündliche Verhandlung noch nicht stattgefunden hat, von dem nach der ersten Geschäftsverteilung des Asylgerichtshofs zuständigen Senat weiterzuführen.
Gemäß § 61 Abs. 3 Z 1 lit. c AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof durch Einzelrichter über Beschwerden gegen zurückweisende Bescheide wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1
AVG.
Gemäß § 23 Asylgerichtshofgesetz (Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz; Art. 1 BG BGBl. I 4/2008) sind, soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs Berufung der Begriff Beschwerde tritt.
2. Gemäß 75 Abs. 4 AsylG begründen ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968, des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, sowie des Asylgesetzes 1997 in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache (§ 68 AVG).
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).
"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (vgl. VwGH 30.10.1991, 91/09/0069; 30.05.1995, 93/08/0207).
Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens iSd § 66 Abs. 4 AVG ist somit nur die Frage, ob das Bundesasylamt zu Recht den neuerlichen Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
Die Rechtskraft eines ergangenen Bescheides steht der meritorischen Entscheidung über einen neuerlichen Antrag nur dann nicht entgegen und berechtigt daher die Behörde nur dann nicht zur Zurückweisung des Antrages, wenn in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt eine Änderung eingetreten ist. Dabei kann nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 24.03.1993, 92/12/0149; 10.06.1998, 96/20/0266). Die objektive (sachliche) Grenze der Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", das heißt durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten, bestimmt. Die durch den Bescheid entschiedene Sache (iSd. § 8 AVG) wird konstituiert durch die Relation bestimmter Fakten (die den Sachverhalt bilden) zu bestimmten Rechtsnormen (die den Tatbestand umschreiben) [vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, (1998), Anm 12 zu § 68 AVG]. Die Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im Wesentlichen (von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0266; 21.09.2000, 98/20/0564). Eine Modifizierung des Vorbringens, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann.
Für den erkennenden Gerichtshof ist Sache iSd. § 66 Abs. 4 AVG sohin ausschließlich die Frage, ob die erstinstanzliche Behörde mit Recht den neuerlichen Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat. Die Prüfung der Zulässigkeit eines neuerlichen Antrages aufgrund geänderten Sachverhaltes darf ausschließlich anhand jener Gründe erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht worden sind. In der Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid können derartige Gründe nicht neu vorgebracht werden (vgl. z.B. VwSlg. 5642 A/1961; 23.05.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 04.04.2001, 98/09/0041; 25.04.2002, 2000/07/0235). Dies bezieht sich auf Sachverhaltsänderungen, welche in der Sphäre des Antragstellers gelegen sind. Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).
3. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen zweiten Asylverfahren wiederholt vor dem Bundesasylamt einen unveränderten Sachverhalt vorgebracht. Für den erkennenden Gerichtshof hat sich betreffend seiner Fluchtgründe, die er im Erstverfahren vorgebracht hat, keine Änderung ergeben. Der Beschwerdeführer hat selbst anlässlich seiner Einvernahme vor der Erstbehörde am 25.08.2004 sowie am 27.08.2004 ausdrücklich angegeben, dass die Probleme die er in seinem ersten Asylantrag geltend gemacht hat, noch immer bestehen. Er werde von seinen Gläubigern, denen er aufgrund der Konkurseröffnung seines Geschäftes Geld schulden würde, verfolgt und sei er von diesen am Telefon mit dem Tod bedroht worden. Bei der Einvernahme in seinem ersten Asylverfahren am 11.12.2003 brachte der Beschwerdeführer vor, er habe die Türkei verlassen müssen, da er telefonisch von seinen Gläubigern mehrmals bedroht worden wäre.
Sein nunmehriges Vorbringen konkretisiert lediglich diese Drohungen dahingehend, dass er nun explizit anführt, er sei telefonisch mit dem Tod bedroht worden. Diese genauere Ausführung der Drohanrufe bezieht sich jedoch auf das Kernvorbringen, worüber bereits rechtskräftig entschieden wurde, und stellt keinen neuen Sachverhalt dar bzw. kann an der Identität der Sache nichts ändern, da diese Modifizierung des Vorbringens lediglich einen Umstand betrifft, der für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich ist.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer seinen zweiten Asylantrag auf behauptete Tatsachen gestützt, die (seinem Vorbringen zufolge) bereits zur Zeit der Entscheidung im Erstverfahren bestanden haben. Aus diesem Grund liegt schon nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers keine Sachverhaltsänderung vor.
Auch sonst sind keine von Amts wegen zu berücksichtigenden Umstände hervorgekommen, welche als Änderung der Sachlage im Hinblick auf eine Entscheidung nach § 7 AsylG zu beurteilen wären. Das Bundesasylamt ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass zum Entscheidungszeitpunkt am 03.09.2004 im Verhältnis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Erlassung des Bescheides vom 02.07.2004 keine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes eingetreten ist. Da auch der Beschwerdeführer von sich aus keine konkreten und entscheidungsrelevanten Sachverhaltsänderungen, welche in seiner Sphäre gelegen sind, dargelegt hat, ist von keiner Änderung des Sachverhaltes auszugehen, welche eine neuerliche Entscheidung über den Asylantrag zulässig erscheinen ließe. Das Bundesasylamt ist im Ergebnis daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Behandlung des zweiten Asylantrages das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.