TE AsylGH Erkenntnis 2008/08/11 D3 257268-0/2008

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Veröffentlicht am 11.08.2008
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Spruch

D3 257268-0/2008/19E

 

ERKENNTNIS

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Clemens Kuzminski als Einzelrichter über die Beschwerde des E. H., geb. 00.00.1983, StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.11.2004, FZ 03 35.791-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung 16.01.2007 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe gemäß §§ 7,8 Abs. 1 und 2 AsylG 1997 idF BGBl I 126/2002 als unbegründet abgewiesen, dass der Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides zu lauten hat:

 

"Gemäß § 8 Absatz 2 AsylG wird E. H. aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Türkei ausgewiesen."

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

 

Der Berufungswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am 26.08.2003 mit einem Visum nach Österreich ein und stellte am 18.11.2003 schriftlich einen Asylantrag, wobei er Herrn A. B., Verein MIVE 03, eine Zustellvollmacht erteilte.

 

Das Verfahren wurde in der Folge am 26.03.2004 gemäß § 30 AsylG eingestellt, am 28.05.2004 auf entsprechenden Antrag des Asylwerbers hin wieder fortgesetzt.

 

Am 30.06.2004 wurde der Antragsteller vor dem Bundesasylamt, Aussenstelle Eisenstadt, unter Beiziehung eines Dolmetschers der türkischen Sprache wie folgt befragt:

 

Vor Beginn meiner Einvernahme möchte ich Ihnen eine schriftliche Schilderung meines Problems ausfolgen. Diese wurde von meinem Onkel, der bereits mehr als zehn Jahre in Österreich aufhältig und auch schon österreichischer Staatsbürger ist, in der deutschen Sprache abgefasst. Wie sich aus dieser Schilderung ergibt, bin ich einzig und alleine deshalb nach Österreich gekommen um mich hier behandeln zu lassen. Sonstige Gründe hatte ich nicht. Ich bin kein Terrorist (Anmerkung: erwähnte Schilderung liegt dem Akt bei).

 

F: Aufgrund der Aktenlage ist ersichtlich, dass Sie A. B. mit Ihrer Vertretung im Asylverfahren betraut haben. Halten Sie dies aufrecht?

 

A: Nein. Ich werde nicht mehr von A. B. vertreten. Auch möchte ich sämtlich an mich gerichtete Schriftstücke zu eigenen Handen, sprich an meine Wohnadresse, zugestellt erhalten.

 

F: Haben Sie schon jemals in einem Staat der EU einen Asylantrag gestellt?

 

A: Nein.

 

F: Haben Sie jemals schon einen Visumsantrag für einen EU-Staat gestellt?

 

A: Außer dem österreichischen Visum, mit dem ich auch legal und offiziell nach Österreich kam, stellte ich noch nirgends einen Visumsantrag. Dieses besagte Visum für Österreich wurde mir am 25.08.2003 von der österreichischen Botschaft in Ankara auf Grund einer Einladung meines Vaters, der sich schon längere Zeit als Gastarbeiter in Österreich aufhält, ausgestellt und war für ein Monat gültig. Ich flog am 26.08.2003 von Ankara nach Wien-Schwechat, wo mich mein Vater erwartete. Mein Vater bezahlte auch das Ticket für mich.

 

F: Wo befindet sich Ihr Reisepass?

 

A: Diesen habe ich heute leider zu Hause vergessen. Wie gesagt, verließ ich legal und offiziell die Türkei und reiste auch legal und offiziell in Österreich ein.

 

F: Wo hält sich Ihre Familie (Eltern, Geschwister) zurzeit auf bzw. wo war diese zum Zeitpunkt Ihrer Ausreise aufhältig?

 

A: Wie bereits ausgeführt, hält sich mein Vater schon längere Zeit als Gastarbeiter in Österreich auf. Meine Eltern sind mittlerweile geschieden und hat mein Vater hier in Österreich zum zweiten Mal geheiratet. Meine Mutter und meine Schwester, die schon verheiratet ist, leben nach wie vor in der Türkei.

 

F: Haben Sie noch sonstige familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich?

 

A: Mit der Ausnahme meines Vaters, meiner Stiefmutter und meinen Stiefgeschwistern, mein Vater hat mit seiner Frau ebenfalls zwei Kinder, hält sich noch ein Onkel mit seiner Familie in Österreich auf. Dieser Onkel ist, wie bereits von mir ausgeführt, schon österreichischer Staatsbürger und sorgt dieser auch gegenwärtig für mich. Dies deshalb, da mein Vater mit seiner jetzigen Frau auf Grund meiner Person in Streit kam, da meine nunmehrige Stiefmutter nicht gewillt ist, hier in Österreich auch noch für mich zu sorgen.

 

F: Wie finanzierten Sie Ihren Lebensunterhalt in Ihrem Heimatland?

 

A: Bis zu meinem Unfall war ich Elektriker. Zuletzt war ich in einem Lokal als Hilfskoch beschäftigt. Ich kann 27 verschiedene Gerichte kochen.

 

F: Haben Sie bezüglich des Reiseweges sonst noch etwas anzugeben?

 

A: Nein.

 

F: Warum verließen Sie im August 2003 Ihr Heimatland und stellten in weiterer Folge einen Asylantrag in Österreich? Bringen Sie frei alles vor, was Sie dazu bewog! Schildern Sie all Ihre Beweggründe!

 

A: Wie gesagt, kam ich einzig und allein auf Grund meiner persönlichen Situation nach Österreich. Im Jahre 1999 erlitt ich einen schweren Stromunfall. Mein Vater ließ mich nach Österreich kommen, damit ich hier behandelt werden kann. Auf Grund dieses Stromunfalls besteht für mich jederzeit die Gefahr, dass mein rechtes Auge erblindet und hatte mein Vater vor, dass er mich diesbezüglich in Österreich behandeln bzw. operieren lässt. So war es eigentlich ausgemacht und ging mein Vater davon aus, dass diese Operation von seiner Versicherung, wie gesagt ist er Gastarbeiter, bezahlt wird. Dem war aber nicht so und wurde die Übernahme der Operationskosten von der Versicherung abgelehnt. Daraufhin wollte sich mein Vater für die Operation einen Kredit aufnehmen, was jedoch seitens meiner Stiefmutter abgelehnt wurde. Es kam daraufhin auch zu Streitigkeiten zwischen meinem Vater und meiner Stiefmutter, weshalb ich auch zu meinem Onkel zog (AW schweigt).

 

F: War das konkret der Grund, der Sie bewogen hat, Ihr Heimatland zu verlassen und in Österreich einen Asylantrag zu stellen?

 

A: Ja.

 

F: Waren Sie in der Türkei politisch tätig und/oder Mitglied einer politischen Partei oder sonstigen Bewegung?

 

A: Nein, weder noch.

 

F: Waren Sie in der Türkei jemals in Haft und/oder wurden Sie festgenommen?

 

A: Nein. Wie gesagt, hatte ich, außer mit meiner Gesundheit, keine Probleme in der Türkei.

 

F: Haben Sie alles vorgebracht, was Sie bewogen hat, die Türkei zu verlassen?

 

A: Ja.

 

F: Sie haben angegeben, dass Ihr Stromunfall aus dem Jahre 1999 datieren würde. Wurden Sie diesbezüglich in der Türkei behandelt?

 

A: Ja. Ich bin nach dem Unfall auch sechs Mal in der Türkei operiert worden.

 

F: Warum hatten Sie bzw. Ihr Vater vor, die Augenoperation in Österreich vorzunehmen bzw. warum nahmen Sie diese Operation nicht in der Türkei vor?

 

A: Es wäre zwar möglich diese Operation in der Türkei durchführen zu lassen, jedoch reichten bzw. reichen meine finanziellen Mittel nicht dazu. Die besagte Operation kostet in der Türkei an die 15.000,-- Euro und konnte ich mir diese nicht leisten. Wie gesagt, wollte mein Vater diese Operation hier in Österreich über seine Versicherung abwickeln.

 

F: Wie viel kostet die Operation in Österreich?

 

A: Ich weiß es nicht konkret. Angeblich hätte mein Vater auch Zuschüsse erhalten, aber leider ist meine Stiefmutter dagegen.

 

F: Was würde Ihnen im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland drohen bzw. passieren?

 

A: Im Falle einer Rückkehr würde für mich die Gefahr einer Erblindung auf dem rechten Auge bestehen, da ich mir, wie bereits ausgeführt, die erforderliche Operation nicht leisten bzw. diese nicht finanzieren könnte.

 

F: Wie stellen Sie sich vor, dass Ihre Operation hier in Österreich finanziert wird?

 

A: In Österreich gibt es soziale Rechte, die es in der Türkei nicht gibt. Ich stelle mir es so vor, dass ich hier in Österreich arbeite, Geld spare und mich dann operieren lasse. In der Türkei wäre dies nicht möglich, da es dort für mich schwierig wäre, eine Arbeit zu finden um Geld für die Operation anzusparen.

 

F: Ihren Ausführungen folgend sind Sie bis zu Ihrer Ausreise einer Beschäftigung nachgegangen. Was sagen Sie dazu?

 

A: Ja, das stimmt. Aber die Bezahlung hat gerade ausgereicht, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch ist es in Österreich möglich, dass ich mir, wenn ich eine Arbeit habe, einen Kredit aufnehmen kann.

 

F: Haben Sie sich mit Ihrem Problem schon an Hilfsorganisationen gewendet?

 

A: Ja. Mir ist überall gesagt worden, dass sie mir nur helfen könnten, wenn ich eine Aufenthaltsberechtigungskarte vorweisen kann. Auch sprach ich bezüglich meines Problems bei der Caritas in Wr. Neustadt vor. Dort wurde mein Problem angehört und drückte man mir dort mit dem Zusatz, dass ich nie wieder kommen solle, Euro 50,-- in die Hand.

 

F: Haben Sie alles vorgebracht, was Sie bewogen hat, Ihr Heimatland zu verlassen und was Sie gegenwärtig an einer Rückkehr dorthin hindert?

 

A: Ja.

 

F: Die Einvernahme wird beendet. Haben Sie zu dem bereits Gesagten noch etwas hinzuzufügen?

 

A: Nein.

 

Im Zuge der Einvernahme legte der Berufungswerber seinen Personalausweis, ärztliche Befunde aus der Türkei, seinen Meldezettel, sowie die in der Einvernahme erwähnte schriftliche Ausführung über seine Fluchtgründe vor. Darin führte der Onkel des Berufungswerbers aus, dass dieser vor vier Jahren einen schweren Unfall gehabt hätte, weshalb er unter anderem Probleme mit seinen Augen hätte. Er bedürfe einer Operation, für welche ihn sein Vater, der in Österreich als Gastarbeiter lebe, nach Österreich geholt habe. Nun könne die Operation jedoch nicht erfolgen, da die neue Gattin des Vaters des Antragstellers sich dagegen ausgesprochen habe. Aus diesem Grund ersuche der Antragsteller um Hilfe.

 

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.11.2004, ZI 03 35.791-BAE, wurde unter Spruchteil I. der Asylantrag vom 18.11.2003 gemäß § 7 AsylG abgewiesen, unter Spruchteil II. die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in die Türkei gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ausgesprochen und unter Spruchteil III. gemäß § 8 Abs. 2 AsylG der Antragsteller aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen.

 

In der Begründung des Bescheides wurden die oben bereits vollinhaltlich wiedergegebe Einvernahme dargestellt und anschließend Feststellungen zur Türkei getroffen, in welchen auch die bezughabenden Quellen angeführt wurden.

 

Unter der Überschrift der Beweiswürdigung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller einzig und allein auf Grund seiner medizinischen Probleme die Türkei verlassen habe und die Angaben des Asylwerbers wiederholt. Sodann wurde festgehalten, dass der Antragsteller keiner wie immer gearteten persönlichen Verfolgung in der Türkei ausgesetzt gewesen sei und auch sonst keine Probleme mit staatlichen Stellen gehabt habe. Hinsichtlich dieses Vorbringens sei festzuhalten, dass diese Begründung keine Deckung in der GFK finde, zumal sich keine konkreten Verfolgungshandlungen aus asylrelevanten Gründen daraus ableiten ließen. Aus dem Vorbringen sei vielmehr deutlich, dass der einzige Grund, der den Asylwerber zum Verlassen der Türkei bewegt hatte, die in Österreich angestrebte Operation gewesen sei. Zusammenfassend wurde festgehalten, dass nicht erkennbar gewesen sei, dass der Antragsteller irgendwelchen Verfolgungshandlungen im Sinne der GFK ausgesetzt gewesen sei und er auch selbst eine derartige Verfolgung verneinte.

 

Zu Spruchteil I. wurde rechtlich begründend festgehalten, dass der Antragsteller nicht in der Lage gewesen sei seine Verfolgung aus nach der GFK relevanten Gründen glaubhaft zu machen, weshalb ihm kein Asyl gewährt werden konnte.

 

Zu Spruchteil II wurde nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur ausgeführt, dass das Vorliegen der Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz bereits unter Spruchteil I. bereits geprüft und verneint worden sei und dass der Antragsteller während des gesamten asylrechtlichen Verfahrens keinerlei glaubhafte Indizien oder Anhaltspunkte aufzeigen habe können, welche die Annahme rechtfertigen würden, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit konkret Gefahr liefe für den Fall einer Rückkehr in die Türkei einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Zur individuellen Situation wurde ausgeführt, dass der Antragsteller in der Türkei mehrmals behandelt und operiert worden sei, sowie dass die angestrebte Operation auch in der Türkei durchführbar sei. Bis zu seiner Ausreise sei der Antragsteller auch einer Beschäftigung nachgegangen, sodass somit Versicherungsschutz vorliegen müsste. Überdies wäre es dem Antragssteller möglich nach Arrangierung einer entsprechenden Behandlung aus der Türkei neuerlich und unter Beachtung der fremdenrechtlichen Regelungen nach Österreich einzureisen. Eine Unzumutbarkeit eines derartigen Vorgehens sei nicht ersichtlich, insbesondere zumal der Antragsteller in der Türkei keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und im Besitz eines Reisedokumentes sei.

 

Zu Spruchteil III. wurde ebenfalls nach Darlegung der bezughabenden Rechtslage und Judikatur ausgeführt, dass die Ausweisung jedenfalls erforderlich sei, da aus dem bisherigen Verhalten des Antragstellers keine Ausreisewilligkeit erkennbar sei und das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die private Interessen des Antragstellers überwiegen würden. Die Mutter des Antragstellers lebe nach wie vor in der Türkei und der Asylwerber habe bei dieser gewohnt. Es sei ihm auch möglich weiterhin Kontakt zu seinem in Österreich lebenden Vater zu unterhalten, wobei auch auf die Möglichkeit eines Besuchs mittels Visum, hingewiesen wurde.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Asylwerber, nunmehr vertreten durch RA Dr. C., Berufung, in welcher zunächst der Inhalt des angefochtenen Bescheides ausführlich dargestellt wurde. Den Ausführungen sei entgegen zu halten, dass es jedenfalls zu einem Eingriff in Art 8 MRK kommen würde. Zwischen dem Antragssteller und seinem Vater würde eine sehr innige Vater-Sohn Beziehung bestehen und sei diese jedenfalls tiefgründiger als die Beziehung zu seiner Mutter. Dabei sei auch zu beachten, dass im türkischen Kulturkreis die Vater-Sohn Beziehung als wertvoller als die Mutter-Sohn Beziehung erachtet werde. Die Innigkeit der Beziehung sei schon allein daraus erkennbar, dass der Vater seinen Sohn nach Österreich geholt habe, um ihm hier eine Augenoperation, nötigenfalls sogar unter Aufnahme eines Kredites zu ermöglichen. Die Möglichkeit der neuerlichen Einreise mittels Visum sei illusorisch, da ihm die österreichische Botschaft in Ankara wohl mit der Begründung seine Wiederausreise sei nicht gesichert, kein weiters Visum erteilen würde. Die Aufrechterhaltung einer Vater-Sohn-Beziehung sei unter diesen Umständen auch auf Grund der damit verbundenen enormen Kosten entgegen der Ansicht der belangten Behörde nicht möglich.

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat beraumte eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung für den 16.01.2007 an, zu der sich das Bundesasylamt entschuldigen ließ. Der Berufungswerber gab zu seinem Vorbringen ergänzend an, dass er nach wie vor unter gesundheitlichen Problemen leide. So habe er niedrigen Blutdruck, Herzprobleme und Schmerzen im Fuß und im Augenbereich. Er habe keine Krankenversicherung oder E-Card. In der Türkei sei er zu 45 % untauglich erklärt worden und könne daher nicht arbeiten. Auch beim Militär sei er im Rahmen der ersten Musterung für untauglich erklärt worden.

 

Sodann führte der Asylwerber über Befragen durch den Verhandlungsleiter unter Beizeihung eines Dolmetschers der türkischen Sprache Folgendes aus:

 

VL: Welcher Volksgruppe und Religion gehören Sie an?

 

BW: Ich bin Türke und gehöre der islamischen Glaubensrichtung an.

 

VL: Wo sind Sie geboren?

 

BW: Ich bin im Bezirk A., in der Provinz Aksaray geboren, das liegt in Mittelanatolien.

 

VL: Wo haben Sie im Laufe Ihres Lebens gelebt?

 

BW: Ich habe in O., in Aksaray Zentrum und in Ankara gelebt.

 

VL: Können Sie das irgendwie zeitlich eingrenzen?

 

BW: 1983 bin ich in A. geboren und nach ein paar Monaten bin ich mit meiner Familie nach O. gezogen, dort lebte ich bis 1996. 1996 übersiedelten wir nach Aksaray Zentrum bis 1998. Ab 1998 lebte ich in Ankara und dort bin ich dann 2003 ausgereist.

 

VL: Sind Sie bei Ihren Eltern aufgewachsen?

 

BW: Mein Vater und meine Mutter haben sich, als ich 8 Jahre alt war, getrennt und ich habe ab 1989 bei meinem Onkel gelebt. In dieser Zeit kam mein Vater nach Österreich.

 

VL: Hatten Sie dann weiter mit Ihrem Vater noch Kontakt, als dieser schon in Österreich war und Sie noch in der Türkei?

 

BW: Mein Vater kam jedes Jahr in die Türkei und ich hatte die Gelegenheit ihn ein oder zwei Mal im Jahr zu sehen.

 

VL: Nach der Trennung Ihrer Eltern, hatten Sie mit Ihrer Mutter keinen Kontakt mehr?

 

BW: Ja, dies habe ich gehabt. Ich habe die letzten 3 Jahre gemeinsam mit meiner Mutter in Ankara gelebt.

 

VL: Haben Sie noch Geschwister?

 

BW: Ich habe eine ältere Schwester von denselben Vater und Mutter, sie ist verheiratet und lebt in der Türkei. In Österreich habe ich 3 Halbbrüder von meinem Vater.

 

VL: Welche schulische oder sonstige Ausbildung haben Sie erhalten?

 

BW: Ich habe lediglich in der Türkei 5 Jahre die Volksschule besucht, sonstige Ausbildungen konnte ich nicht genießen.

 

VL: Womit haben Sie in der Türkei Ihren Lebensunterhalt bestritten?

 

BW: Ich habe zwischen den Jahren Juni 1998 bis Juni 1999 bei dem Konzern A.gearbeitet, als diese in Konkurs gegangen ist, bin ich wieder nach O. zurückgegangen. In dieser Zeit passierte mir dieser Unfall und deshalb konnte ich 1 1/2 Jahre nicht gehen, weil ich gelähmt war. Meine Mutter hat mich in dieser Zeit gepflegt und ohne, dass ich behandelt wurde, konnte ich mich erholen und wieder gehen. Danach habe ich 2 - 2 1/2 in einem Erholungscamp in Ankara in K. als Küchenhilfe gearbeitet.

 

VL: War die letzte Arbeit in der Türkei als Küchenhilfe eine offizielle Arbeit oder eine so genannte "Schwarzarbeit"?

 

BW: Nein, es war eine illegale Beschäftigung und ich hatte keine Versicherung.

 

VL: Während Sie in der Türkei waren, hat Sie Ihr Vater aus Österreich finanziell unterstützt?

 

BW: Finanziell nein.

 

VL: Schildern Sie Ihren Unfall bitte möglichst genau!

 

BW: Ich kann mich daran nicht erinnern. Woran ich mich erinnern kann, ist eine kurze Zeitspanne, als ich von einer Rettung zur anderen Rettung bestellt wurde. Ich wurde von einen 31.500 Volt starkem Strom geschlagen. Ich war 3 Tage bewusstlos und schwebte in Lebensgefahr. 15 Operationen wurden unternommen. An der rechten Seite habe ich komplette Verbrennungen erlitten.

 

VL: Haben Sie mit Strom gearbeitet?

 

BW: Nein, ich hatte Tauben als Hobby und wollte ein Taube von einem Strommast herunterholen, als mich dieser Stromschlag erfasste.

 

VL: Welche Behandlungen erhielten Sie nach diesem Umfall in der Türkei?

 

BW: Ich habe weder eine Behandlung, noch eine Therapie genießen können. Als ich im Krankenhaus war, kam es in der Türkei zu einem Erdbeben und das Krankenhaus war überfüllt. Dann sagten sie zu mir, dass ich nach Hause gehen soll und dort bleiben soll.

 

Vorhalt: Sie haben doch erst vor kurzem gesagt, dass Sie 15 Operationen über sich ergehen lassen mussten und jetzt geben Sie an, dass Sie nicht behandelt wurden, das ist doch ein Widerspruch. Wie erklären Sie sich das?

 

BW: Gleich nach dem Unfall musste ich 20 oder 21 Tage im Krankenhaus verbringen und dort wurde ich hintereinander fast jeden Tag operiert, dabei wurden nur die Verbrennungen behandelt. Eine extra Therapie erhielt ich nicht. Ich hatte auch nicht die Möglichkeit privat mich behandeln oder therapieren zu lassen.

 

VL: Unter welchen Problemen litten Sie nach Ihrer Entlassung aus dem Spital?

 

BW: Ich konnte meine Beine nicht mehr spüren. Augen, Adern waren infiziert, daher konnte ich mit meinem rechten Auge nur mehr sehr schwach sehen. Mein Blutdruck ist sehr niedrig, deshalb verliere ich des öfteren mein Bewusstsein. Ich habe auch mit der Durchblutung Probleme, ich bekomme manchmal zittrige Glieder und außerdem habe ich auch Herzprobleme.

 

VL: Hatten Sie in der Türkei bis zuletzt eine "Grüne Karte"?

 

BW: Ich hatte bereits vor dem Unfall eine "Grüne Karte", konnte dies aber nicht verlängern, dadurch wurde sie mir entzogen.

 

VL: Warum konnten Sie die "Grüne Karte" nicht verlängern?

 

BW: Ich konnte nicht gehen und hatte niemanden, der dies für mich erledigen hätte können.

 

VL: Haben Sie sich in der Türkei irgendwie politisch betätigt?

 

BW: Nein.

 

VL: Hatten Sie in der Türkei wirtschaftliche Probleme?

 

BW: Ich hatte diverse soziale Probleme, ich hatte keine Wohnung, musste ständig bei Verwandten leben, konnte nicht einmal eine Stecknadel für mich kaufen und als ich einigermaßen beieinander war, um zu arbeiten, verdiente ich ca. 100 Euro monatlich. Dadurch konnte ich mich nicht behandeln lassen. Ich hatte wohl, als ich die Türkei verließ wieder eine "Grüne Karte", aber diese habe ich nicht verlängern lassen.

 

VL: Was war der unmittelbare Anlass Ihrer Ausreise?

 

BW: Mein Vater holte mich, um mich in Österreich behandeln zu lassen, jedoch lehnte meine Stiefmutter dies ab. Fr. Dr. C. hat damals versucht, dass ich operiert werde. Dies konnten wir aber durch die Versicherung nicht schaffen und mein Vater überlegte sich, mich privat behandeln zu lassen. Auch hier lehnte meine Stiefmutter dies ab und mein Vater entzog sich deswegen seinen Verpflichtungen. Ich musste in die Türkei zurückkehren, wo ich mittellos dastehen würde. Daher blieb mir als einzige Option einen Asylantrag zu stellen, was ich auch getan habe. Von meiner Familie erhalte gegenwärtig keine soziale Unterstützung.

 

VL: Sind Sie in der Zwischenzeit operiert worden?

 

BW: Nein, ich konnte nicht operiert werden, weil ich nicht sozialversichert bin. Ich kann eine Krankenanstalt nicht besuchen, wenn ich gegenwärtig Grippe hätte.

 

VL: Was für eine Operation wäre Ihrer Meinung nach notwendig?

 

BW: Ich wurde in der Intention hierher geholt, um durch die Versicherung meines Vaters operiert zu werden, dies geschah aber nicht. Ich würde gerne an den Füßen operiert werden, damit ich auf meinen eigenen Füßen stehen kann und für meinen Unterhalt sorgen könnte. Derzeit könnte ich das nicht tun und wenn mein Freund nicht wäre, der für mich sorgt, wäre ich schutzlos.

 

VL: Wären diese Operationen auch in der Türkei möglich gewesen?

 

BW: Doch, dies wäre möglich. Einen Monat bevor ich nach Österreich kam begab ich mich zu einer Privatklinik und diese haben mir damals einen Kostenvoranschlag gemacht von 25 Mill. Türk. Lire. Das war mir unmöglich dies aufzutreiben.

 

VL: Wie viel wäre das in Euro?

 

BW: Mit heutigen Werten wären es 13.000 - 14.000 Euro.

 

VL: Wäre diese Operation in der Türkei nicht durch die "Grüne Karte" abgedeckt gewesen?

 

BW: Nein.

 

VL: Wo leben Sie jetzt in Österreich?

 

BW: Angemeldet bin ich bei meinem Vater, ich lebe aber bei verschiedenen Personen, darunter auch bei meinem Freund in Bad Vöslau. Einige Zeit habe ich auch bei meinem Onkel gelebt, der ist aber verzogen, deswegen kommt es nicht mehr in Frage.

 

VL: Wovon leben Sie in Österreich?

 

BW: Ich verkaufe verschiedene Gegenstände am Flohmarkt.

 

VL: Haben Sie nach wie vor Kontakt zu Ihrem Vater?

 

BW: Ja, und zwar in einmonatigen Intervallen.

 

VL: Haben Sie auch noch zu Ihrer Mutter in der Türkei Kontakt?

 

BW: Ja, ich rufe sie 2 -3 Mal im Monat an.

 

VL: Was würde mit Ihnen geschehen, wenn Sie in die Türkei zurückkehren würden?

 

BW: Das wären noch schwierigere Bedingungen, die ich hier erlebe. Meine Mutter hat auch noch einmal geheiratet, so kann ich bei ihr auch nicht bleiben.

 

VL: Warum könnten Sie nicht bei Ihrer Mutter in der Türkei bleiben?

 

BW: Sie verfügt nicht über die Bedingungen, dass sie für meinen Unterhalt sorgen könnte.

 

VL: Was hätten Sie vor, wenn Sie in Österreich bleiben könnten?

 

BW: Zuerst würde ich mich operieren lassen und mir hinterher eine Arbeit suchen, damit ich für meine weitere Existenz sorgen könnte. Ich möchte, wie jede andere Person auch, leben.

 

VL: Gibt es noch etwas, das Ihnen wichtig erscheint und Sie noch nicht erwähnt haben?

 

BW: Nein.

 

Mit Schreiben vom 17.02.2007 wurden den Parteien des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG folgende Dokumente vorgehalten und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von zwei Wochen eingeräumt:

 

Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei des deutschen auswärtigen Amtes vom 27.07.2006

 

Auskunft des deutschen auswärtigen Amtes vom VG Köln vom 19.10.2005

 

Deutsches Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Türkei, medizinische Versorgung vom Dezember 1999.

 

UK Home Office, Country of Origin Information Report, Turkey (auszugsweise), vom April 2006

 

Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machte nur die Berufungswerbervertreterin Gebrauch. Aus den übermittelten Unterlagen ergebe sich zweifelsfrei, dass eine medizinische Versorgung nicht gewährleistet sei, da das Niveau der Gesundheitsversorgung sehr niedrig sei. Durch die grüne Karte würden nach dem Gesetz Kosten stationärer Behandlung inklusive aller Zusatzkosten und die Behandlung in allen staatlichen medizinischen Einrichtungen gedeckt werden, doch gehe aus den Berichten auch hervor, dass es Krankenhäuser gebe, die eine Behandlung von Inhabern der grünen Karte verweigern würde, da es zu Schwierigkeiten bei der Kostenerstattung kommen würde. Eine Versorgung auf dem gleichen Niveau wie in Europa sei nur in größeren Städten für Personen mit ausreichendem Vermögen zugänglich, während die Versorgung mittelloser Personen schlecht sei. Das Vorbringen des Antragstellers würden auch in den Berichten seine Deckung finden. Die vom Berufungswerber benötigte Operation sei nur in Privatkliniken, nicht aber in staatlichen Krankenhäusern in der Türkei möglich. Die Kosten einer entsprechenden Behandlung wären jedoch sehr hoch (¿ 13.000 - 14.000) und wäre der Behandlungserfolg durch die beschränkten Rehabilitationsmaßnahmen nicht sichergestellt. Nach Angaben des Vorsitzenden der türkischen Vereinigung der körperlich Behinderten würden nämlich die Rehabilitationszentren, mit Ausnahme der Zentren in Istanbul, Ankara und Kastamonu, über kein qualifiziertes Personal verfügen.

 

Mit Schreiben vom 30.03.2007 teilte der Unabhängige Bundesasylsenat mit, dass die Beiziehung eines länderkundlichen Sachverständigen, Herrn Mag. A., im gegenständlichen Verfahren in Betracht gezogen werde. Sollte innerhalb von zwei Wochen kein Einspruch der Parteien einlangen, würde dieser als länderkundlicher Sachverständiger bestellt werden.

 

Am 12.04.2007 teilte das Bundesasylamt mit, dass eine Bestellung von Mag. A. gemäß § 53 AVG abgelehnt werde. Begründend führte das Bundesasylamt aus, dass ein von Mag. A. in einem anderen Verfahren vor dem Unabhängigen Bundesasylsenat erstelltes Gutachten, nämlich zur Zahl 255.635/8/10-II/04/06, nicht den Anforderungen des VwGH entsprechen würde und nicht schlüssig gewesen sei.

 

Daraufhin stellte der Unabhängige Bundesasylsenat am 15.06.2007 unter Beilage des erstinstanzlichen Bescheids, der Verhandlungsschrift des Unabhängigen Bundesasylsenates, Übersetzungen, der vom Asylwerber vorgelegten medizinischen Befunde sowie der Stellungsnahme seiner Vertreterin, eine Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesasylamtes. Angefragt wurde, ob die von dem Berufungswerber angeführten Operationen in der Türkei durchgeführt werden könnten, ob die Operationskosten durch die staatliche Krankenversicherung ("Grüne Karte") abgedeckt wären bzw. gegebenenfalls ob die Kosten annähernd geschätzt werden könnten.

 

Mit Schriftsatz vom 16.08.2007 führte die Berufungswerberverteterin aus, dass eine ärztliche Versorgung des Antragstellers in der Türkei nicht möglich sei, da derartig schwere Verletzungen - Verbrennungen von 40% - in der Türkei nicht behandelbar seien. Diese seien vielmehr am ehesten in Österreich behandelbar, da die österreichischen Kliniken über ein entsprechendes "Know-how" verfügen würden. Überdies leide der Antragsteller unter Fehlstellungen beider Beine, gravierendem Bluthochdruck und Herzstechen, was im Zusammenhang mit dem Unfall 1999 stehen würden, deren genaue Ursache in der Türkei jedoch nicht habe geklärt werden können. Beigelegt wurde ein Bericht der türkischen Gesundheitskommission, aus welchem hervorgeht, dass der Antragssteller 40 % seiner Arbeitskraft eingebüßt habe, sowie zwei Befunde hinsichtlich des Gesundheitszustandes und ein Schreiben der medizinischen Akademie des Militärkommandos an die Rekrutierungsstelle.

 

Diese Befunde wurden am 02.01.2008 an die Staatendokumentation weitergeleitet und die Anfrage wie folgt konkretisiert:

 

"Gibt es Kliniken an denen Augenoperationen durchgeführt werden? Weiters bring die Vertreterin vor, dass schwere, schon bestehende Verbrennungen in der Türkei nicht auf adäquatem Niveau behandelt werden können. Ist dies zutreffend? Darüber hinaus leidet der Berufungswerber an spastischer Paraparese der Beine und Fehlstellungen der Beine. Ist die operative Korrektur von Fehlstellungen in der Türkei möglich? Sind geeignete Rehabilitationsmaßnahmen durchführbar? Sind diese Behandlungen von der Krankenversicherung abgedeckt und wenn nein, wie hoch wären die diesbezüglichen Kosten?"

 

Nach mehrmaliger Urgenz des Unabhängigen Bundesasylsenates langte am 30.06.2008 die folgende Auskunft des türkischen Aussenministeriums, welche über die Staatendokumentation eingeholt wurde, ein:

 

"HF und beehrt sich in Bezug auf die VN der Botschaft vom 07.02.2008 mit Zl. 300.300/11/2008 mitzuteilen, dass

 

in unserem Land in den medizinischen Fachbereichen Ophtalmologie, Orthopädie und Gehirnchirurgie viele Operationen erfolgreich durchgeführt wurden,

 

den Patienten bei Bedarf Rehabilitationsdienst zur Verfügung gestellt wurde,

 

die Behandlungen der Patienten im Rahmen der Sozialversicherung durchgeführt wurden,

 

die Patienten, die keine Sozialversicherung besaßen und Schwierigkeiten hatten die Behandlungskosten zu tragen, an die sozialen Hilfs- und Solidaritätsstiftungen weitergeleitet wurden."

 

Mit e-mail vom 30.06.2008 wurden den Parteien des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG diese Anfragebeantwortung vorgehalten und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von drei Wochen eingeräumt.

 

Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machte nur die Berufungswerbervertreterin Gebrauch. Darin führte sie aus, dass die Angaben des türkischen Außenministeriums nicht nachvollziehbar seien, wobei auch zu beachten sei, dass sich begüterte Türken in Österreich und der Schweiz behandeln lassen würden, da eine medizinische Behandlung in der Türkei nicht unbedingt den höchsten Standards entsprechen würde. Im Falle des Berufungswerbers würden die türkischen Kliniken nicht über das entsprechende "Know-how" verfügen, um die erforderliche Behandlung sicherzustellen. Eine Zurückweisung in die Türkei wäre daher mit schweren gesundheitlichen Problemen für den Berufungswerber verbunden. Abschließend wies die Vertreterin nochmals auch das innige Verhältnis des Berufungswerbers zu seinem in Österreich aufenthaltsberechtigten Vater, sowie zu seinem Onkel, der österreichischer Staatsangehöriger ist, hin.

 

Der Asylgerichtshof hat durch den zuständigen Richter wie folgt festgestellt und erwogen:

 

Zur Person des Berufungswerbers wird Folgendes festgestellt:

 

Der Berufungswerber ist türkischer Staatsangehöriger und gehört der islamischen Glaubensrichtung an. Er wurde im Bezirk A. in der Provinz Aksaray am 00.00.1983 geboren. Nach Trennung seiner Eltern lebte er bei seinem Onkel. 1998 übersiedelte er nach Ankara, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Die letzten drei Jahre vor derselben lebte er bei seiner Mutter in Ankara. Er besuchte für fünf Jahre die Volksschule, erhielt danach keine weitergehende Ausbildung.

 

Im Jahr 1999 geriet der Antragssteller in einen Stromkreis, als er versuchte eine Taube von einem Strommast zu holen. Er erlitt dadurch schwere Verletzungen und wurde in der Türkei anschließend für cirka 20 Tage hinsichtlich seiner Verbrennungen in einem Krankenhaus behandelt, erhielt jedoch keine weitergehende Therapie. Er konnte für einen Zeitraum von 1 1/2 Jahren nicht arbeiten und wurde von seiner Mutter gepflegt. Danach arbeitete er (illegal) für 2 bis 2 1/2 Jahre in einem Erholungscamp in Ankara in K. als Küchenhilfe. Er war im Besitz einer grünen Karte, lies diese jedoch vor seiner Ausreise nicht verlängern.

 

Bedingt durch den Unfall leidet der Antragsteller bis heute an niedrigem Blutdruck und Herzproblemen und hat überdies Probleme mit seinen Beinen. Durch den Stromschlag wurde auch das rechte Auge des Asylwerbers stark beeinträchtigt, sodass er auf diesem nur noch schwach sehen kann. Ziel seiner Einreise nach Österreich war es, sich in Österreich einer Augenoperation zu unterziehen, um eine mögliche Erblindung zu verhindern.

 

In Österreich lebt der zum dauernden Aufenthalt berechtigte Vater des Berufungswerbers mit seiner neuen Familie. Der Antragssteller ist zwar beim Vater gemeldet, doch besteht nur cirka einmal im Monat Kontakt zu diesem, da ihn die Stiefmutter ablehnt. Sein Onkel, der österreichischer Staatsbürger ist, kümmerte sich nach der Einreise des Antragstellers um diese, ist zwischenzeitig jedoch verzogen.

 

Ergänzend zu den bereits im verwaltungsbehördlichen Akt enthaltenden Feststellungen zur Türkei, auf welche verwiesen wird, wird Folgendes verfahrensbezogen festgestellt:

 

In der Türkei gibt es neben dem staatlichen Gesundheitssystem, das eine medizinische Grundversorgung garantiert, mehr und mehr leistungsfähige private Gesundheitseinrichtungen, die in jeglicher Hinsicht EU-Standard entsprechen. Das türkische Gesundheitssystem verbessert sich laufend.

 

In großen Städten und für Personen mit erforderlichen Mitteln ist in der Türkei eine medizinische Versorgung im Allgemeinen auf demselben Niveau möglich wie in Deutschland. Im Osten des Landes, außerhalb der Städte und/oder für mittellose Personen dagegen liegt das Versorgungsniveau unter dem deutschen. Operationen in den Fachbereichen Ophtalmologie, Orthopädie und Gehirnchirurgie werden in der Türkei erfolgreich durchgeführt. Nach Auskunft des türkischen Aussenministeriums werden Therapieen und Rehabilitationsmaßnahmen den Patienten im Bedarfsfall zur Verfügung gestellt. Nach Aussagen des Vorsitzenden der Vereinigung körperlich Behinderter in der Türkei ist die Behandlung und Rehabilitation von Behinderten auf qualifiziertem Niveau jedoch nur in Istanbul, Ankara und Kastamonu gewährleistet.

 

Die Zuständigkeit für die Krankenhäuser der Sozialversicherung (SSK) ist im Februar 2005 auf das Gesundheitsministerium übergegangen, dem somit ca 1150 Krankenhäuser (2003 erst 1130) mit ca 175.000 Betten (2003 erst 164.897) unterstehen. Für behinderte Personen stehen 14 Rehabilitationszentren mit einer Bettenkapazität von 1.931 zur Verfügung (Stand 2003, im Vergleich 2002 erst 1.295 Betten). Die Behandlung in diesen Krankenhäusern ist für die bei der staatlichen Krankenversicherung Versicherten unentgeltlich. Die Kosten für manche Medikamente - diese sind in der Türkei erheblich preiswerter als in Deutschland - werden teilweise von den Versicherten getragen. In der staatlichen Krankenversicherung sind Erwerbstätige und ihre Familienangehörigen versichert. Ca 270 Krankenhäuser sind privat. Sowohl staatliche als auch private Krankenhäuser werben mit Erfolg im Ausland für Behandlungen in der Türkei. Die stationären Kosten liegen oft nur bei 25 % der Kosten in westlichen Industrieländern, sind aber in Relation zu türkischen Einkommensverhältnissen höher als dort.

 

Bedürftige haben das Recht, sich von der Gesundheitsverwaltung eine "Grüne Karte" (yesil kart) ausstellen zu lassen, die zu kostenloser medizinischer Versorgung im staatlichen Gesundheitssystem berechtigt. Die Voraussetzungen, unter denen mittellose Personen in der Türkei die Grüne Karte erhalten, ergeben sich aus dem Gesetz Nr 3816 vom 18.6.1992. Zum Erwerb der Grünen Karte muss der Antragsteller gegenüber dem Landratsamt an seinem Wohnsitz seine Mittellosigkeit (z.B. durch Bescheinigungen des Finanzamtes oder der Sozialversicherung, Grundbuchauszüge) nachweisen. Sein laufendes Einkommen darf ein Drittel des Mindestlohnes nicht überschreiten. Türkische Bürger, die aus ihren Dörfern fliehen mussten, haben oft das Problem, dass im Grundbuch Häuser oder Land auf ihren Namen eingetragen sind. Dies führt dazu, dass ihnen die Grüne Karte oftmals verweigert wird, auch wenn das Haus zerstört und ihr Land von anderen genutzt wird.

 

Die zuständige Kommission des Landratsamtes tritt einmal wöchentlich zusammen und entscheidet über die Anträge. Die Zeit, die zwischen Antragstellung und Erteilung der Karte verstreicht, beträgt normalerweise etwa sechs bis acht Wochen, kann aber auch länger sein, wenn nicht alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden. Auch wenn nach Beantragung noch keine Grüne Karte ausgestellt ist, werden bei einer Notfallerkrankung sämtliche stationären Behandlungskosten und alle weiteren damit zusammenhängenden Ausgaben übernommen.

 

Die medizinischen Leistungen, die über die Grüne Karte erhältlich sind, wurden durch Gesetz Nr. 5222 vom 14.7.2004 wesentlich erweitert. Stationäre Behandlung von Inhabern der Grünen Karte umfasst sowohl Behandlungskosten als auch sämtliche Medikamentenkosten. Als wesentliche Besserstellung bei ambulanter Behandlung wurden seit 1.1.2005 auch die Kosten für Medikamente voll übernommen. Seit 1.5.2005 wurde die Kostentragung jedoch auf 80% reduziert, da es auf Grund von Fälschungen der Grünen Karte, um in den Genuss dieser Vergünstigung zu kommen, zu stark angestiegenen Kosten kam. Nach Angaben der zuständigen Stellen gibt es in der Türkei ca zehn Millionen Inhaber einer Grünen Karte. Das Gesetz enthält allerdings auch Regelungen zur Rückforderung bei missbräuchlicher Inanspruchnahme.

 

Für Leistungen die nicht über die Grüne Karte abgedeckt sind, stehen ergänzend Mittel aus dem jeweiligen örtlichen Solidaritätsfond zur Verfügung (Sosyal Yardim ve Dayanisma Fonu). Eine zuverlässige Einschätzung, welche Kosten von welcher Stelle in welchem Umfang abgedeckt werden, ist aufgrund uneinheitlicher Handhabung nicht möglich.

 

Das Gesetz verbietet die Diskriminierung auf Grund von Behinderungen hinsichtlich des Arbeitsmarktes, der Ausbildung, des Zugangs zu gesundheitlicher Versorgung sowie anderer Leistungen. Es gibt keine Berichte über soziale Diskriminierung von Behinderten, gleichwohl es an ökonomischen Perspektiven mangelt. Nach Berichten der Europäischen Kommission wurden seit Juli 2004 die Bemühungen hinsichtlich der Anstellung von körperlich behinderten in der öffentlichen Verwaltung verstärkt. 2005 wurde ein neues Gesetz verabschiedet, welches eine Neuregelung der Klassifizierung von Behinderten mit sich brachte und Regelungen über den Zugang zu Pflegeservices, Rehabilitation, Beschäftigung und Ausbildung enthielt. Die Diskriminierung von Behinderten wurde als strafrechtliches Delikt verankert.

 

Die Beweise werden wie folgt gewürdigt:

 

Die ergänzenden Feststellungen sind dem Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Türkei des deutschen auswärtigen Amtes vom 27.07.2006, der Auskunft des deutschen auswärtigen Amtes vom VG Köln vom 19.10.2005, dem Bericht des deutschen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, Türkei, medizinische Versorgung vom Dezember 1999, dem Bericht der UK Home Office, Country of Origin Information Report, Turkey (auszugsweise), vom April 2006, sowie der über die Staatendokumentation eingeholte Stellungsnahme des türkischen Außenministeriums entnommen.

 

Zu den von der Berufungsinstanz den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebrachten länderkundlichen Ausführungen wurde nur von Seiten der Berufungswerbervertreterin Stellung genommen, deren Anmerkungen berücksichtigt wurden. Hinsichtlich ihrer Bedenken zur Stellungsnahme des türkischen Außenministeriums ist anzumerken, dass es sich dabei um kein Gutachten handelt, sondern um eine Beweismittel sui generis, an das nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden können. Überdies fanden die Angaben der offiziellen Stelle auch in den weiteren Beweismitteln ihre Deckung. Dabei ist auch zu bemerken, dass sich die Vertreterin zum Großteil darauf beschränkte, die die Sicht des Antragstellers stützenden Länderfeststellungen hervorzustreichen ohne weiteres länderkundliches Material zur Stützung ihrer Behauptung eine Behandlung sei in der Türkei unmöglich vorzulegen. Vielmehr gestand die Vertreterin selbst ein, dass eine Behandlung, wenngleich auch bloß unter erheblichen Kosten möglich sie. Der Asylgerichtshof geht daher von den oben getroffenen Feststellungen aus.

 

Die Angaben des Berufungswerbers erscheinen dem zur Entscheidung berufenen Richter durchaus ehrlich und besteht kein Grund an dieser zu zweifeln, wobei auch darauf hinzuweisen ist, dass schon das Bundesasylamt von der Glaubwürdigkeit des Antragstellers ausgegangen ist. Die Angaben hinsichtlich seines Unfalles und der daraus resultierenden Behinderung hat der Antragsteller auch durch Vorlage entsprechender Bestätigungen nachgewiesen.

 

Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

Gemäß § 75 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetztes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.

 

Gemäß § 75 Abs 7 Z 1 AsylG 2005 sind Verfahren, welche am 01.07.2008 beim Unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und einem Mitglied des Unabhängigen Bundesasylsenats zugeteilt waren, welches als Richter des Asylgerichtshofes ernannt wurde, von diesem als Einzelrichter weiterzuführen, soweit eine mündliche Verhandlung bereits stattgefunden hat.

 

Gemäß § 44 Abs. 1 AsylG 1997 werden Verfahren zur Entscheidung über Asylanträge und Asylerstreckungsanträge, die bis zum 30. April 2004 gestellt wurden, nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 126/2002 geführt.

 

Da gegenständlicher Asylantrag am 18.11.2003 gestellt wurde, war er nach der Rechtslage des AsylG 1997 idF 126/2002 unter Beachtung der Übergangsbestimmungen, woraus sich die gegenständliche Zuständigkeit ergibt, zu beurteilen.

 

Gemäß § 7 Asylgesetz 1997 hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1, Abschnitt A, Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

 

Flüchtling i.S.d. AsylG 1997 ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffs ist die "begründete Furcht vor Verfolgung."

 

Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht, (zB VwGH vom 19.12.1995, 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998, 98/01/0262).

 

Die vom Asylwerber vorgebrachten Eingriffe in seine vom Staat zu schützende Sphäre müssen in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise aus seinem Heimatland liegen. Die fluchtauslösende Verfolgungsgefahr bzw. Verfolgung muss daher aktuell sein (VwGH 26.06.1996, ZI 96/20/0414). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, ZI 95/20/0194).

 

Dem Vorbringen des Antragstellers war keine persönliche Verfolgung oder Verfolgungsgefahr im obigen Sinne zu entnehmen und es konnte somit kein asylbegründeter Sachverhalt festgestellt werden, sodass die Berufung zu Spruchteil I. abzuweisen war.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG idgF ist ein Asylantrag abzuweisen, so hat die Behörde von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG, nunmehr § 50 FPG); diese Entscheidung ist mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden.

 

Gemäß § 50 Fremdenpolizeigesetz ist die Zurückweisung, die Hinderung an der Einreise, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

 

Zufolge Abs. 2 leg. cit. ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung Fremder in einen Staat oder die Hinderung an der Einreise aus einem Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

 

Gemäß § 50 Abs. 3 FPG dürfen Fremde, die sich auf eine der in Abs. 1 oder 2 genannten Gefahren berufen, erst zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden, nachdem sie Gelegenheit hatten, entgegenstehende Gründe darzulegen. Die Fremdenpolizeibehörde ist in diesen Fällen vor der Zurückweisung vom Sachverhalt in Kenntnis zu setzen und hat dann über die Zurückweisung zu entscheiden. Gemäß Abs. 4 leg. cit. ist die Abschiebung Fremder in einen Staat, in dem sie zwar im Sinn des Abs. 2 jedoch nicht im Sinn des Abs. 1 bedroht sind, nur zulässig, wenn sie aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder wenn sie von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten (Art. 33 Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge).

 

Gemäß Abs. 5 leg. cit. ist das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 4 mit Bescheid festzustellen. Dies obliegt in jenen Fällen, in denen ein Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen wird oder in denen Asyl aberkannt wird, den Asylbehörden, sonst der Sicherheitsdirektion.

 

Gemäß Abs. 6 leg. cit. ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, solange der Abschiebung für die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

 

Erweist sich gemäß Abs. 7 leg.cit. die Zurückweisung, die Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder, deren Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 wegen der Unzuständigkeit Österreichs zurückgewiesen worden ist, in den Drittstaat als nicht möglich, so ist hievon das Bundesasylamt unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

 

Gemäß Abs. 8 leg. cit gilt § 51 Abs. 3, 1. Satz.

 

Hinsichtlich § 57 Abs. 1 FrG (in der alten Fassung) wird in VwGH 26.06.1997, 95/21/0294, ausgeführt: "Führt eine in einem Land gegebene Bürgerkriegssituation dazu, dass keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht mehr vorhanden und damit zu rechnen ist, dass ein dorthin abgeschobener Fremder - auch ohne Zugehörigkeit zu einer bestimmten Bürgerkriegspartei oder verfolgten Bevölkerungsgruppe - mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der im § 37 Abs. 1 FrG 1992 umschriebenen Gefahr (im gesamten Staatsgebiet) unmittelbar ausgesetzt wird, so ist dies im Rahmen eines Antrages gemäß § 54 FrG 1992 beachtlich. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn auf Grund der bewaffneten Auseinandersetzungen eine derart extreme Gefahrenlage besteht, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Masse drohen, dass die Abschiebung im Lichte des Art 3 MRK unzulässig erschiene." (vgl. bereits VwGH 11.03.1993, 93/18/0083). Diese Sichtweise entspricht auch der Jud des EGMR (vgl. etwa EGMR 29.04.1997 H. L. R., ÖJZ 1998, 309; dazu auch Rohrböck, Asylgesetz Rz 328).

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtssprechung ein konkretes, glaubwürdiges und mit allfälligen Bescheinigungsmitteln untermauertes Vorbringen hinsichtlich des Bestehens einer Bedrohungssituation im Sinne des § 57 Fremdengesetz (nunmehr § 50 FPG) verlangt.

 

In der Türkei herrscht keine Bürgerkriegssituation, noch eine sonstige derart extreme Gefahrenlage, dass praktisch jedem der in diesem Staat abgeschoben wird, eine Gefahr für Leib und Leben im hohen Maße drohe.

 

Da in der Türkei weder grobe, massenhafte Menschrechtsverletzungen unsanktioniert erfolgen, noch nach den getroffenen Feststellungen von einer völligen behördlichen Willkür auszugehen ist, ist auch kein "real risk" (dazu VwGH vom 31.03.2005, Zl 2002/20/0582) einer unmenschlichen Behandlung festzustellen.

 

Hinsichtlich der persönlichen Situation des Berufungswerbers ist jedoch zu bedenken, dass er, wie er durch Vorlage entsprechender Unterlagen bestätigte, durch einen Unfall 1999 zu 40 % als behindert gilt. Nach seinen Angaben bedarf er weiterer medizinischer Unterstützung, insbesondere einer Augenoperation.

 

Zur Außerlandesschaffung unheilbar erkrankter Personen hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte folgendes ausgeführt:

 

Zu Art. 3 EMRK im gegebenen Zusammenhang hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in seinem Urteil vom 2. Mai 1997, 146/1996/767/964, Case of D. v. The United Kingdom, unter Punkt (§) 49. Folgendes ausgeführt (ÖJZ 1998, E. 20 MRK;):

 

"Es ist richtig, dass dieses Prinzip bisher vom Gerichtshof in solchen Zusammenhängen angewendet wurde, in welchen die Gefahr für das Individuum, einer der verbotenen Formen der Behandlung unterworfen zu werden, von absichtlich zugefügten Handlungen staatlicher Behörden im Empfangsstaat oder von solchen Handlungen nichtstaatlicher Gebilde in dem betreffenden Land ausgeht und die Behörden nicht in der Lage sind, ihm den angemessenen Schutz angedeihen zu lassen (vgl

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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