B16 211.873-6/2008/21E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. Nowak als Einzelrichter über die Beschwerde der M. G., geb. 1994, StA. Kosovo, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.09.2000, FZ. 99 10.546/1-BAE, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.10.2006 zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 8 iVm § 34 Abs 3 Asylgesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (AsylG), wird M. G. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo zuerkannt.
II. Gemäß § 8 Abs 4 Asylgesetz 2005, BGBI. I Nr. 100/2005 (AsylG) wird M. G. eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 22.06.2010 erteilt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I.
1. VERFAHRENSGANG:
1.1. Die beschwerdeführende Partei, mit dem Herkunftsland Kosovo, reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle mit seinen Eltern in das Bundesgebiet und brachten diese am 05.07.1999 beim Bundesasylamt einen Asylerstreckungsantrag für ihren Sohn, bezogen auf den Vater, ein.
1.2. Am 22.07.1999 wurde die Mutter des Beschwerdeführers als seine gesetzliche Vertreterin von der Erstbehörde einvernommen. Hierüber wurde eine Niederschrift aufgenommen, auf welche verwiesen wird. Im Wesentlichen brachte sie zu dem Vorhalt, aus Ungarn kommend eingereist zu sein, vor, dass sie Ungarn nicht interessiere und sie in Österreich Asyl wolle.
1.3. Mit Bescheid vom 02.08.1999, Zahl 99 10.543-BAE, wies die Erstbehörde ohne in die Sache einzutreten seinen Asylantrag gemäß § 4 Abs 1 Asylgesetz 1997 als unzulässig zurück.
1.4. Dagegen erhob die Mutter der Beschwerdeführerin, vertreten durch Mag. K. E., Asyl in Not, fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) und beantragte die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an die Behörde erster Instanz zurückzuverweisen.
1.5. Mit Schreiben vom 26.06.2000 übermittelte der damals zuständige Unabhängige Bundesasylsenat (nunmehr Asylgerichtshof) der Erstbehörde vorläufige Sachverhaltsannahmen zur maßgeblichen Rechtslage und Praxis in Ungarn und gab dem Bundesasylamt die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen zwei Wochen.
1.6. Mit Schreiben vom 27.06.2000 übermittelte die Erstbehörde eine Stellungnahme.
1.7. Auf Grund des Beschwerdevorbringens führte der damals zuständige Unabhängige Bundesasylsenat am 26.07.2000 eine mündliche Verhandlung durch, zu der Beschwerdeführer, sowie seine Eltern persönlich erschienen. Die Erstbehörde entschuldigte
ihr Fernbleiben. Der Verfahrensleiter verkündete mündlich den Bescheid, dass der Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 02.08.1999 stattgegeben wird, der bekämpfte Bescheid (nunmehr Beschwerde) behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen wird.
1.8. Am 05.09.2000 wurde die Mutter des Beschwerdeführers von der Erstbehörde einvernommen. Hierüber wurde eine Niederschrift aufgenommen, auf welche verwiesen wird. Sie brachte lediglich vor, dass sie den Beschwerdeführer während des Verfahrens vertreten würde und dass sie und der Beschwerdeführer wie ihr Gatte behandelt werden wollen und sie daher einen Asylerstreckungsantrag stelle.
1.9. Mit Bescheid vom 07.09.2000, Zahl 99 10.544/1-BAE, wies die Erstbehörde den Asylantrag des Vaters des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab und stellten gemäß § 8 Asylgesetz 1997 fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) zulässig sei.
1.10. Mit Bescheid vom 07.09.2000 wies das Bundesasylamt den Asylerstreckungsantrag gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 mit der Begründung ab, dass der Antrag des Vaters des Beschwerdeführers abgewiesen worden sei und die Voraussetzungen zur Erstreckung des Asyls im Sinne des § 10 Abs 1 Asylgesetz 1997 nicht gegeben seien.
1.11. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter, diese vertreten durch M. G., Asyl in Not, fristgerecht Beschwerde.
1.12. Auf Grund des Beschwerdevorbringens führte der damals zuständige Unabhängige Bundesasylsenat am 05.07.2001, am 11.07.2002, sowie am 23.06.2003 eine mündliche Verhandlung durch, zu der der Beschwerdeführer, seine minderjährige Schwester, sowie seine Eltern persönlich erschienen. Die Erstbehörde entschuldigte ihr Fernbleiben. In der mündlichen Verhandlung am 23.06.2003 verkündete der Verhandlungsleiter mündlich den Bescheid, dass die Berufung (nunmehr Beschwerde) des Vaters des Beschwerdeführers vom 22.09.2000 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.09.2000, Zahl 99 10.544/1-BAE, hinsichtlich Spruchteil I. gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen wird. Gemäß § 8 Asylgesetz iVm § 57 Abs 1 Fremdengesetz wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Vaters des Beschwerdeführers nach Serbien und Montenegro nicht zulässig sei und gemäß § 15 Asylgesetz wurde ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.06.2004 erteilt.
1.13. Am 11.10.2006 führte der damals zuständige Unabhängige Bundesasylsenat eine weitere mündliche Verhandlung durch, zu der der Beschwerdeführer, seine minderjährige Schwester, seine Mutter, sowie ihr Vertreter persönlich erschienen. Die Erstbehörde entschuldigte ihr Fernbleiben. In dieser Verhandlung stellte die Mutter des Beschwerdeführers das ursprüngliche Antragsbegehren um und beantragte subsidiären Schutz für sie und ihre beiden minderjährigen Kinder. Sie verwies ferner auf das Fluchtvorbringen ihres Ehemannes.
Verlesen und in elektronischer Form zum Akt genommen wurde nachstehendes Länderdokumentationsmaterial:
Lagebericht KOSOVO, Deutsches auswärtiges Amt, vom 29.06.2006, Beilage ./I
UNHCR Position vom Juni 2006, Beilage ./II
1.14. Am 30.06.2008 übermittelte der Vertreter der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers eine Beschwerdeergänzung, in welchen er den Eventualantrag stellte, die ursprünglichen Asylerstreckungsanträge der Familie in inhaltliche Asylanträge umzuwandeln.
2. SACHVERHALT
2.1. Der Beschwerdeführer ist der minderjährige Sohn des M.N und der
M.T.
2.2. Mit Bescheid vom 07.09.2000 wies das Bundesasylamt seinen Asylerstreckungsantrag gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 ab.
2.3. Die gegen den Bescheid des Vaters des Beschwerdeführers in Bezug auf Spruchpunkt I. gerichtete Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde mit mündlich verkündeten Bescheid des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenats vom 23.06.2003, Zahl 211.871/VIII/23/00, gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Der Berufung (nunmehr Beschwerde) wurde in Bezug auf Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides stattgegeben und dem Vater des Beschwerdeführers gemäß § 8 iVm § 57 Abs 1 FrG subsidiärer Schutz gewährt. In Spruchpunkt III. wurde ihm gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 22.06.2004 erteilt.
2.4. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 13.06.2008 wurde dem Vater des Beschwerdeführers eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 bis 22.06.2010 erteilt.
3. BEWEISWÜRDIGUNG
3.1. Die Feststellung bezüglich der Familienverhältnisse wurde bereits vom Bundesasylamt in seinem Bescheid getroffen und von Seiten des Asylgerichtshofes nicht in Zweifel gezogen.
3.2. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesasylamtes, dem AIS, sowie dem Akt des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenats.
3.3. Die Asylgewährung an den Vater des Beschwerdeführers ist dessen Asylverfahren zu entnehmen.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Durch das Asylgerichtshof-Einrichtungsgesetz (BGBl. I 4/2008) und das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I 2/2008 ist die vormalige Zuständigkeit des Unabhängigen Bundesasylsenates zur Erledigung der gegenständlichen Beschwerde auf den Asylgerichtshof übergegangen.
Gemäß § 75 Abs. 7 Z 1 AsylG 2005 haben alle Mitglieder des Unabhängigen Bundesasylsenates, die zu Richtern des Asylgerichtshofes ernannt worden sind, anhängige Verfahren, in denen bereits eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, als Einzelrichter weiterzuführen.
Gemäß § 23 AsylGHG sind auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof - soweit sich aus dem Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, und dem Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr.10, nichts anderes ergibt - die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, das an die Stelle des Begriffes "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.
Gemäß § 75 Abs 1 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 100/2005 sind alle am 31. Dezember 2005 anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetztes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt.
2. Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
In diesem Sinne war der erst im Beschwerdestadium gestellte Antrag auf Gewährung von subsidiärem Schutz in Behandlung zu nehmen, anstatt ihn der Zuständigkeit gemäß an das Bundesasylamt weiterzuleiten, welches in der Folge nach § 37 Abs 1 AsylG zur Entscheidung aufgerufen wäre.
Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG tritt das Asylgesetz mit 01.01.2006 in Kraft. Daraus folgt, dass für das gegenständliche Verfahren das Asylgesetz 2005 zur Anwendung gelangt.
2.1. Die gesetzliche Vertreterin des Beschwerdeführers brachte keine eigenen Fluchtgründe für diesen vor. Weitere Anhaltspunkte, welche auf Fluchtgründe im Sinne der GFK schließen ließen, fanden sich darin nicht, weil der Asylantrag vielmehr der Wahrung des Familienlebens diente.
§ 34 Abs. 1 AsylG lautet: "Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
Gemäß Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn, 1. dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist, oder 2. dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid.
Familienangehörige sind gemäß § 2 Z 22 AsylG, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung unverheiratetes minderjähriges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familiengemeinschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.
Entscheidungsrelevante Tatbestandsmerkmale sind "die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK" und der Umstand, dass dieses Familienleben mit dem Angehörigen in einem anderen Staat nicht zumutbar ist.
Bei dem Begriff "Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK" handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention (vgl. EGMR, Urteil v. 13.6.1997, Fall MARCKX, Ser. A, VOL. 31, Seite 14, § 31).
Nach dem ob zitierten EGMR-Urteil sind sowohl die Beziehungen der Eltern untereinander, als auch jeweils jener Kinder durch Art 8 MRK geschützte familiäre Bande. Bei einer diesbezüglichen Familie ergeben sich die von der EMRK-Rechtsprechung zusätzlich geforderten engen Bindungen der Familienmitglieder untereinander aus ihrem alltäglichen Zusammenleben, gemeinsamer Sorge und Verantwortung füreinander, sowie finanzieller und anderer Abhängigkeit.
Wie den oben getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, ist der Beschwerdeführer der minderjährige Sohn des M.N., dem mit Bescheid des damals zuständigen Unabhängigen Bundesasylsenates vom 23.06.2003, Zahl 211.871/6-VIII/23/00, subsidiärer Schutz zuerkannt wurde. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich somit, wie in § 2 Z. 22AsylG gefordert, um die Familienangehörige eines subsidiär Schutzberechtigten. Da überdies keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Beschwerdeführer die Fortsetzung ihres Familienlebens mit dem asylberechtigten Angehörigen in einem anderen Staat möglich wäre, war dem Beschwerdeführer spruchgemäß subsidiärer Schutz zu gewähren.
3. Gemäß §8 Abs. 4 AsylG ist die Entscheidung über die Gewährung des subsidiären Schutzes mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen ist. In gegenständlichem Fall war diese in Bezug auf ihre Dauer an die Befristung der dem Vater gewährten Berechtigung anzulehnen.