S11 400.988-1/2008/2E
ERKENNTNIS
Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Mag. Neumann als Einzelrichterin über die Beschwerde des R. S., geb. 1984, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 24.07.2008, FZ. 08 04.984, zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 41 Abs. 3 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Verfahrensgang vor der erstinstanzlichen Bescheiderlassung ergibt sich aus dem erstinstanzlichen Verwaltungsakt.
Der Beschwerdeführer reiste am 07.06.2008 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 07.06.2008 wurde der Beschwerdeführer erstmals zu seinem Antrag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einvernommen, am 21.07.2008 fand eine weitere Einvernahme des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt in Gegenwart eines Rechtsberaters statt.
Eine Eurodac-Anfrage ergab, dass der Beschwerdeführer bereits am 03.11.2007 in Griechenland aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt worden war. Gestützt auf diese Angaben aus dem Eurodac-System stellte das Bundesasylamt am 10.06.2008 ein Aufnahmeersuchen an Griechenland gemäß Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (Dublin II-Verordnung), unter Setzung einer Frist gemäß Art. 17 Abs. 2 leg. cit. bis 10.07.2008. Die zuständige griechische Behörde äußerte sich jedoch trotz neuerlichem Schreiben vom 14.07.2008 nicht zur Frage der Aufnahme des Beschwerdeführers, sodass gemäß Art. 18 Abs. 7 leg. cit. grundsätzlich davon auszugehen war, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wurde.
Am 11.06.2008 bestätigte der Beschwerdeführer mit seiner Unterschrift den Erhalt der Mitteilung des Bundesasylamtes gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 AsylG, wonach beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen, da Konsultationen mit Griechenland geführt würden. Die Mitteilung über die Führung von Konsultationen wurde dem Beschwerdeführer sohin innerhalb der 20-Tagesfrist nach Antragseinbringung übermittelt.
Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt vor: Er sei vermutlich November 2007 von K./Afghanistan aus - mit Hilfe eines Schleppers - mit einem PKW nach Pakistan gebracht worden, wo ihm ein gefälschter pakistanischer Reisepass übergeben wurde. Von Pakistan sei er nach Dubai/VAE und dann in die Russische Föderation und von dort weiter nach Griechenland geflogen, wo er sich danach sechs bis sieben Monate aufgehalten habe. In dieser Zeit sei er zweimal festgenommen worden, und habe zwei, beziehungsweise drei Monate in Haft verbracht, wobei er während der zweiten Haft von der griechischen Polizei geschlagen worden wäre und mehrere Tage nichts zu Essen bekommen hätte. Die ärztliche Versorgung während der Haft wäre mehr als mangelhaft gewesen. Er sei zweimal zur Ausreise aufgefordert worden und habe letztendlich Griechenland mit einem LKW Richtung Österreich verlassen, wo er nach zwei Tagen am 07.06.2008 illegal eingereist sei.
2. Das Bundesasylamt wies mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.07.2008, Zl. 08 04.984, den Asylantrag des Beschwerdeführers, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach gleichzeitig aus, dass für die Prüfung des gegenständlichen Asylantrages gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin II-Verordnung Griechenland zuständig sei. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei. Der erstinstanzliche Bescheid gründet sich im Wesentlichen auf Feststellungen zur Situation von Asylwerbern in Griechenland fußend auf aktuelle Quellen und geht von mangelnder Glaubwürdigkeit beziehungsweise verfahrensrechtlicher Relevanz des Vorbringens des Beschwerdeführer hinsichtlich eines behaupteten notwendigen Selbsteintritts Österreichs in das Asylverfahren aus..
3. Gegen diesen am 25.07.2008 vom Beschwerdeführer persönlich übernommenen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, worin insbesondere auf aktuelle UNHCR-Positionen zu Griechenland hingewiesen wurde. Weiters verwies der Beschwerdeführer auf die schlechte Versorgungssituation in Griechenland und seine schlechte Behandlung während der Haft.
4. Die gegenständliche Beschwerde samt erstinstanzlichem Verwaltungsakt langte am 12.08.2008 beim Asylgerichtshof ein.
II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:
1. Mit Datum 01.01.2006 ist das neue Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005) und ist somit auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge anzuwenden.
Im gegenständlichen Fall wurde der Asylantrag im Juni 2008 gestellt, weshalb § 5 AsylG idF BGBl. I Nr. 100/2005 zur Anwendung gelangt.
1.1. Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 AsylG erledigter Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18.2.2003 zur Prüfung des Asylantrages zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Asylbehörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist die Zurückweisung eines Antrages nach Maßgabe der § 10 Abs. 3 und Abs. 4 AsylG mit einer Ausweisung zu verbinden. Aufgrund der im Juni 2008 erfolgten Asylantragstellung bezieht sich in casu § 5 AsylG auf die Dublin II-Verordnung, da gemäß Art. 29 leg. cit. diese Verordnung auf Asylanträge anwendbar ist, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten - dies ist der 01.09.2003 - gestellt werden.
Die Dublin II-Verordnung ist eine Verordnung des Gemeinschaftsrechts im Anwendungsbereich der 1. Säule der Europäischen Union (vgl Art. 63 EGV), die Regelungen über die Zuständigkeit zur Prüfung von Asylanträgen von Drittstaatsangehörigen trifft. Sie gilt also nicht für mögliche Asylanträge von EU-Bürgern, ebensowenig ist sie auf Personen anwendbar, denen bereits der Flüchtlingsstatus zuerkannt wurde. Das wesentliche Grundprinzip ist jenes, dass den Drittstaatsangehörigen in einem der Mitgliedstaaten das Recht auf ein faires, rechtsstaatliches Asylverfahren zukommt, jedoch nur ein Recht auf ein Verfahren in einem Mitgliedstaat, dessen Zuständigkeit sich primär nicht aufgrund des Wunsches des Asylwerbers, sondern aufgrund der in der Verordnung festgesetzten hierarchisch geordneten Zuständigkeitskriterien ergibt.
1.2. Es ist daher zunächst zu überprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat nach den hierarchisch aufgebauten (Art. 5 Abs. 1 Dublin II-Verordnung) Kriterien der Art. 6 bis 12 beziehungsweise der Art. 14 und 15 Dublin II-Verordnung zuständig ist oder die Zuständigkeit bei ihm selbst nach dem Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin II-Verordnung (erste Asylantragstellung) liegt.
Im vorliegenden Fall ist dem Bundesasylamt zuzustimmen, dass eine Stattgebung des Aufnahmegesuchs durch Verschweigung Griechenlands gemäß Art. 18 Abs. 7 Dublin II-Ver-ordnung besteht. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.
Es sind auch aus der Aktenlage keine Hinweise ersichtlich, wonach die Führung der Konsultationen im gegenständlichen Fall derart fehlerhaft erfolgt wäre, sodass von Willkür im Rechtssinn zu sprechen wäre und die Zuständigkeitserklärung des zuständigen Mitgliedstaates wegen Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundsätze aus diesem Grund ausnahmsweise keinen Bestand haben könnte (Filzwieser, Subjektiver Rechtsschutz und Vollziehung der Dublin II-Verordnung - Gemeinschaftsrecht und Menschenrechte, migraLex, 1/2007, 22ff; vgl auch das Gebot der Transparenz im "Dublin-Verfahren", VwGH 23.11.2006, Zl. 2005/20/0444).
2. Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung keinen Gebrauch gemacht. Es war daher - entsprechend den Ausführungen in der Beschwerde - noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.
Der VfGH hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, Zl. B 336/05-11 festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-Verordnung erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung zwingend geboten sei.
Die Judikatur des VwGH zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich richtigerweise an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist" (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0449).
Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II -Verordnung). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Liebminger, Dublin II-Verordnung, K13. zu Art 19. Dublin II-Verordnung).
Weiterhin hatte der Asylgerichtshof folgende Umstände zu berücksichtigen:
Bei entsprechender Häufung von Fällen, in denen in Folge Ausübung des Selbsteintrittsrechts die gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeit nicht effektuiert werden kann, kann eine Gefährdung des "effet utile" Grundsatzes des Gemeinschaftsrechts entstehen.
Zur effektiven Umsetzung des Gemeinschaftsrechts sind alle staatlichen Organe kraft Gemeinschaftsrechts verpflichtet.
Der Verordnungsgeber der Dublin II-Verordnung, offenbar im Glauben, dass sich alle Mitgliedstaaten untereinander als "sicher" ansehen können, wodurch auch eine Überstellung vom einen in den anderen Mitgliedstaat keine realen Risken von Menschenrechtsverletzungen bewirken könnte (vgl insbesondere den 2. Erwägungsgrund der Präambel der Dublin II-Verordnung), hat keine eindeutigen verfahrens- oder materiellrechtlichen Vorgaben für solche Fälle getroffen hat, diesbezüglich lässt sich aber aus dem Gebot der menschenrechtskonformen Auslegung des Gemeinschaftsrechts und aus Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensgrundrechte ableiten, dass bei ausnahmsweiser Verletzung der EMRK bei Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat eine Überstellung nicht stattfinden darf. Die Beachtung des Effizienzgebots (das etwa eine pauschale Anwendung des Selbsteintrittsrechts oder eine innerstaatliche Verfahrensgestaltung, die Verfahren nach der Dublin II-Verordnung umfangreicher gestaltet als materielle Verfahren) und die Einhaltung der Gebote der EMRK stehen daher bei richtiger Anwendung nicht in Widerspruch (Filzwieser, migraLex, 1/2007, 18ff, Filzwieser/Liebminger, Dublin II VO, K8-K13. zu Art. 19).
Die allfällige Rechtswidrigkeit von Gemeinschaftsrecht kann nur von den zuständigen gemeinschaftsrechtlichen Organen, nicht aber von Organen der Mitgliedstaaten rechtsgültig festgestellt werden. Der EGMR hat jüngst festgestellt, dass die Rechtsschutz des Gemeinschaftsrechts regelmäßig den Anforderungen der EMRK entspricht (30.06.2005, Bosphorus Airlines v Irland, Rs 45036/98).
Es bedarf sohin europarechtlich eines im besonderen Maße substantiierten Vorbringens und des Vorliegens besonderer vom Antragsteller bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, um die grundsätzliche europarechtlich gebotene Annahme der "Sicherheit" der Partnerstaaten der Europäischen Union als einer Gemeinschaft des Rechts im individuellen Fall erschüttern zu können. Diesem Grundsatz entspricht auch die durch das AsylG 2005 eingeführte gesetzliche Klarstellung des § 5 Abs. 3 AsylG, die Elemente einer Beweislastumkehr enthält. Es trifft zwar ohne Zweifel zu, dass Asylwerber in ihrer besonderen Situation häufig keine Möglichkeit haben, Beweismittel vorzulegen (wobei dem durch das Institut des Rechtsberaters begegnet werden kann), und dies mitzubeachten ist (VwGH, 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949), dies kann aber nicht pauschal dazu führen, die vom Gesetzgeber - im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht - vorgenommene Wertung des § 5 Abs. 3 AsylG überhaupt für unbeachtlich zu erklären (dementsprechend in ihrer Undifferenziertheit verfehlt Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, 225ff). Eine Rechtsprechung, die in bezog auf Mitgliedstaaten der EU faktisch höhere Anforderungen entwickelte, als jene des EGMR in Bezug auf Drittstaaten wäre jedenfalls gemeinschaftsrechtswidrig.
2.1. Im konkreten Fall wurde nun ein ausreichend konkretes Vorbringen in Bezug auf eine mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat im erstinstanzlichen Verfahren und in der Beschwerde getätigt, welche seitens des Bundesasylamtes nachzuprüfen gewesen wäre. Der Beschwerdeführer gab in der Einvernahme vom 21.07.2008 an, dass er in Griechenland zweimal in Haft gewesen sei, wobei er während der zweiten Haft (3 Monate) von Polizisten zweimal geschlagen wurde. Das Bundesasylamt hält kursorisch fest, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der Beschwerdeführer in Griechenland systematisch Misshandlungen ausgesetzt gewesen sei. Die Angaben des Beschwerdeführers wurden einerseits als unglaubwürdig eingestuft, da er dies gegenüber den Angehörigen einer Menschenrechtsorganisation, die laut Angaben des Beschwerdeführers während seiner Haft Erhebungen bezüglich der Haftbedingung durchgeführt hätten, nicht bekannt gegeben hätte. Aus der Einvernahme geht jedoch der Ablauf dieses Besuchs nicht klar hervor und hätte genauer hinterfragt werden müssen. Auch hätten nach Ansicht des Asylgerichtshofes sowohl die Umstände der vorgebrachten Misshandlung, als auch die behauptete - wenn man den Ausführungen des Beschwerdeführer folgt, durchaus als mangelhaft einzustufende - ärztliche Behandlung sowie der Besuch der Angehörigen der Menschrechtsorganisation und deren Schlussfolgerungen durch Anfrage bei den griechischen Behörden hinterfragt werden müssen. Die Beantwortung wäre der Beweiswürdigung entsprechend zugrunde zu legen gewesen.
Die lapidare Feststellung des Bundesasylamtes andererseits, dass die behaupteten Übergriffe der Polizei während der Haft - sollten diese stattgefunden haben - dem Staat nicht zuzurechnen sind, erscheint in dieser Kürze eher kühn. Es ist durchaus korrekt, dass " eine solche Handlungsweise in einem EU-Staat als allgemein strafbares Delikt, welches sowohl seitens der Justiz als auch von Dienstrechtsbehörden geahndet wird". Es wäre jedoch im konkreten Einzelfall jedenfalls zu hinterfragen gewesen, ob die maßgeblichen Behörden von einem derartigen Übergriff Kenntnis haben oder hätten haben müssen und wie gegebenenfalls damit umgegangen wurde oder umgegangen worden wäre, falls ein derartiger Vorfall bekannt geworden wäre.
2.2. Der Asylgerichtshof vertritt im Einklang mit der Ansicht der Europäischen Kommission (siehe Pressemitteilung vom 09.04.2008) nicht die Ansicht, dass die derzeitige Erkenntnislage den Schluss rechtfertigt, dass in allen Dublin II-Fällen in Bezug auf Griechenland pauschal das Selbsteintrittsrecht ausgeübt werden muss. Die notwendige Einzelfallprüfung macht es aber im gegenständlichen Fall erforderlich, zunächst den Beschwerdeführer näher zu den von ihm behaupteten Schwierigkeiten während seines bisherigen Aufenthaltes in Griechenland zu befragen und sodann diese Aussagen auf deren Glaubwürdigkeit zu prüfen. Weiters werden, zu den hier entscheidungsrelevanten Punkten (wie oben erörtert), geeignete weitere Erhebungen einzuholen sein, wozu insbesondere eine Stellungnahme der griechischen Behörden (allenfalls auch Zusicherungen im konkreten Fall) notwendig erscheint. Es mag durch eine solche Anfrage auch möglich sein, die Glaubwürdigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers zu seinen tatsächlichen Erfahrungen in Griechenland zu überprüfen. Dem Ergebnis einer solchen Stellungnahme Griechenlands wird wahrscheinlich erhöhtes Gewicht zukommen können. Ohne eine solche Stellungnahme beziehungsweise das Pflegen der solcherart bezeichneten Erhebungen kann aber aus Sicht des Asylgerichtshofes aus den dargestellten Gründen nicht von Entscheidungsreife gesprochen werden.
3. Im fortgesetzten Verfahren wird die Erstbehörde (sofern eine neuerliche Erlassung einer Unzuständigkeitsentscheidung nach § 5 AsylG beabsichtigt ist), nach Durchführung des ergänzten Beweisverfahrens wie dargestellt, klare Feststellungen zu den Umständen des (früheren) Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Griechenland zu treffen haben, ebenso wie individuell begründete auf aktuelle Beweisergebnisse gestützte Ausführungen zur zu erwartenden Vorgangsweise der griechischen Behörden im Fall einer Überstellung. Insgesamt werden auch alle Feststellungen mit aktuellen und strukturierten Quellen zu versehen sein.
Auf die Notwendigkeit der Wahrung des persönlichen Parteiengehörs in einer Einvernahme ist ausdrücklich und nachhaltig zu verweisen.
4. Als maßgebliche Determinante für die Anwendbarkeit des § 41 Abs. 3 AsylG in diesem Zusammenhang ist die Judikatur zum § 66 Abs. 2 AVG heranzuziehen, wobei allerdings kein Ermessen des Asylgerichtshofes besteht.
Auch der Asylgerichtshof ist zur Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG berechtigt (vgl. dazu VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315 und 21.11.2002, 2000/20/0084; ferner VwGH 21.09.2004, Zl. 2001/01/0348). Eine kassatorische Entscheidung darf vom Asylgerichtshof nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann getroffen werden, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.
Im vorliegenden Fall hat das Bundesasylamt, wie dargestellt, keine ordnungsgemäß begründete Entscheidung (vgl Art. 19 Abs. 2 1. Satz Dublin II-Verordnung und Art. 20 Abs. 1 lit. e 2. Satz Dublin II-Verordnung) erlassen. Der Asylgerichtshof war auf Basis eines so gestalteten erstinstanzlichen Verfahrens praktisch nicht mehr in der Lage innerhalb der zur Verfügung stehenden kurzen Entscheidungsfristen (§ 37 Abs. 3 AsylG) eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Der angefochtene Bescheid konnte daher unter dem Gesichtspunkt des § 41 Abs. 3 AsylG keinen Bestand mehr haben.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 4 AsylG entfallen.